Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung
Der Erstkläger war der Präsident der Zweitklägerin. Sie und die weiters klagenden Landeskammern begehren die Unterlassung der beleidigenden und rufschädigenden Behauptungen 1. die Wirtschaftskammer oder deren Funktionäre haben die Kammerumlage 2 genommen als eine Zusatzzahlung, Zusatzpension für die Funktionäre der Wirtschaftskammer, 3 Milliarden und 2. die Wirtschaftskammer und/oder ihre Funktionäre nehmen es den Kleinen weg und geben den Funktionären eine Zusatzpension. Der Klage und dem Sicherungsantrag liegt eine vor der Nationalratswahl 1999 ausgestrahlte Fernsehkonfrontation des Beklagten als damaliger führender Funktionär einer im Nationalrat vertretenen politischen Partei mit dem damaligen Vizekanzler zugrunde, in welcher der Beklagte Folgendes äußerte:
"Und zur Frage des Wirtschaftsbundes und der Kammer. Wissen Sie, man verwechselt diese zwei Sachen nicht, sondern es ist einfach so, dass, wenn sie einen Wirtschaftsminister haben, der aus dem Milchwirtschaftsfonds kommt und das ist ja so auch nicht Kammer, gebe ich Ihnen schon recht, aber es ist die Verknüpfung, die personelle so unerträglich, unerträglich. Sie haben in der Wirtschaftskammer 8 Milliarden Beiträge, sie haben in der Wirtschaftskammer 4.800 Mitarbeiter, sie haben 17.000 Funktionäre, und alle Kammern zusammen haben 20 Milliarden Beiträge. Und letzt lese ich Ihnen einmal 'was vor, wie sich wie das dann ausschaut mit der Kammerumlage. Zum Beispiel mit der KU2. Die KU2 haben sie eingeführt um die Arbeiterabfertigungen abzusichern. Sie hat einen Ausmaß von 3 Milliarden Schilling über den Lohnnebenkosten, erhöhte Lohnnebenkosten. Wie das nicht mehr notwendig war, was haben Sie gemacht mit der KU2 Sie haben die KU2 genommen als eine Zusatzzahlung, Zusatzpension für Funktionäre der Wirtschaftskammer, 3 Milliarden. Das ist ihre Politik für die Kleinen, sie nehmen es den Kleinen weg und den Funktionären eine Zusatzpension. Ich weiß, das gefällt Ihnen nicht, wenn man es Ihnen sagt, aber das sind letztlich die Daten aus Ihrer Kammer, aus der Sie sehr wohl kommen. Und dasselbe trifft letztlich zu mit der Außenwirtschaftsförderung mit der Außenwirtschaftsförderung. Sie haben 519 Millionen hinübergeschaufelt, von der Außenwirtschaftsförderung hinüber in die Pensionen. Sie wissen das ganz genau. Sie sind, bei der Kammer gehen sie um wie mit einem Selbstbedienungsladen. Und den Kleinen und mittleren Betrieben, was haben die davon."
Unstrittig ist, dass die Kammerangestellten pensionsberechtigt sind, nicht aber die im Wirtschaftskammergesetz angeführten Funktionäre, die nur ehrenamtlich tätig sind.
Die Vorinstanzen gaben dem Sicherungsantrag statt.
Rechtliche Beurteilung
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Beklagten ist mangels erheblicher Rechtsfragen unzulässig:
Das Rekursgericht hat zutreffend und im Einklang mit der oberstgerichtlichen Rechtsprechung die Äußerung des Beklagten nach dem Gesamtzusammenhang beurteilt (MR 1995, 16; 6 Ob 46/98b uva) und die dem Beklagten obliegende Bescheinigung der Richtigkeit seiner Behauptungen (zur Beweislast 6 Ob 218/98x uva) verneint. Bei der Verbreitung beleidigender und rufschädigender Tatsachenbehauptungen ist das Verständnis des angesprochenen Publikums maßgeblich (SZ 63/1 uva). Der Revisionsrekurswerber räumt selbst ein, dass sein Vorwurf, die Kläger hätten die Kammerumlage zweckentfremdet und das Geld den Funktionären der Kammern als Pensionen zugewendet, insofern unrichtig ist, als die Funktionäre der Kammern nach dem Wirtschaftskammergesetz BGBl I 1998/103 (WKG) ausschließlich ehrenamtlich tätig sind, vertritt aber die Ansicht, dass die angesprochenen Adressaten der Äußerung den Begriff Funktionär nach dem allgemeinen Sprachgebrauch auf alle angestellten Mitarbeiter bezögen, also etwa auch auf den in der Öffentlichkeit bekannten Generalsekretär der Zweitklägerin, der bei der Kammer angestellt ist, sodass die Behauptung des Beklagten zumindest im Tatsachenkern richtig sei. Dem hat das Rekursgericht zutreffend entgegengehalten, dass der Beklagte selbst in seiner Äußerung zwischen Funktionären und den Mitarbeitern der Kammern unterschieden hat. In dem nach dem Gesamtzusammenhang zu beurteilenden Vorwurf der Umschichtung von Geldern von den "Kleinen" zu den "Großen" liegt nach der sogenannten Unklarheitenregel (MR 1994, 111; 6 Ob 7/99v uva) auch der Vorwurf, die für die Entscheidungsfindung in den Kammern maßgeblichen Funktionäre missbrauchten ihre Stellung dahin, dass sie (auch und vor allem) sich selbst Pensionen zu Lasten der eigentlichen Kammeraufgaben "zuschanzten". Damit ist aber auch schon die weiters relevierte Rechtsfrage der Aktivlegitimation des Erstklägers angesprochen. Neben den nach ständiger Rechtsprechung aktiv klagelegitimierten juristischen Personen können von derselben Äußerung auch ihre Organe betroffen sein, selbst wenn sie namentlich nicht genannt wurden, nach dem Gesamtzusammenhang aber inhaltlich mitbetroffen und hinreichend identifizierbar sind (SZ 69/12; zur Identifizierbarkeit bei einem angegriffenen Kollektiv: 6 Ob 218/98x; MR 1999, 76). Der Geschäftsführer und die von ihm vertretene juristische Person können durch eine Äußerung gleichzeitig beleidigt werden (SZ 63/1; MR 1996, 239). Der Vorwurf einer rechtswidrigen oder moralisch verwerflichen Geschäftstätigkeit kann den Ruf des Organs und des Unternehmens selbst gleichermaßen schädigen. Ob von einem primär gegen eine juristische Person gerichteten Vorwurf auch ihr zur Geschäftsführung und Vertretung berufenes Organ mitbetroffen ist, hängt immer von den Umständen des Einzelfalles ab. Gerade nach der vom Beklagten selbst ins Treffen geführten Begriffsdefinition des Funktionärs als Beauftragten der juristischen Person, eines "Apparatschiks" oder eines "Bonzen", richtet sich der Vorwurf des Beklagten - wiederum nach der Ungünstigkeitsregel - auch gegen die entscheidungsbefugten Spitzenfunktionäre, also in erster Linie gegen den Präsidenten, auch wenn einzuräumen ist, dass das angesprochene Publikum über die gesetzliche Regelung des WKG nicht genauer Bescheid weiß, aber jedenfalls den Präsidenten als die für die kritisierten Vorgänge an vorderster Stelle verantwortliche Person erkennt. In der Bejahung der Aktivlegitimation des Erstklägers liegt keine aufgreifbare rechtliche Fehlbeurteilung.
Auf das Recht auf freie Meinungsäußerung im politischen Meinungskampf, in dem grundsätzlich auch massive Kritik erlaubt ist, kann sich der Beklagte wegen der nicht nachgewiesenen Richtigkeit seiner Tatsachenbehauptung nicht berufen (6 Ob 254/98s; 6 Ob 7/99v uva).
Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§§ 78, 402 EO iVm § 528a, § 510 Abs 3 ZPO).
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