Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Text
Begründung
Der Verstorbene, der (unter anderem) Alleineigentümer vormals adeliger fideikommissarischer Liegenschaften und Güter war, setzte seinen Neffen Dipl.-Ing. Christoph M***** zum Alleinerben ein; seine beiden Kinder und seine Witwe sind pflichtteilsberechtigt.
Die Vorinstanzen stellten mit Ausnahme des Gebäudekomplexes des Schlosses und der Gärtnerei die Erbhofeigenschaft des Gutes S***** fest und bestimmten den Alleinerben zum Anerben.
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs bestimmt die in § 18 Abs 4 AnerbenG geregelte Antragsberechtigung des Noterben zur Einleitung einer - vom Abhandlungsgericht durchzuführenden - Nachtragserbteilung unter anderem die Beteiligtenstellung des Pflichtteilsberechtigten im abhandlungsgerichtlichen Erbteilungsverfahren nach § 10 AnerbenG (RIS-Justiz RS0050436). Die Tochter und die Witwe des Erblassers sind somit rechtsmittellegitimiert (vgl in diesem Sinn auch 6 Ob 4/87; 6 Ob 105/06v; 6 Ob 289/07d JEV 2009/13).
2. Nach § 8 Abs 6 AnerbenG gelten die Bestimmungen der Abs 1 bis 4 (Anwendung der anerbenrechtlichen Bestimmungen auch bei gewillkürter Erbfolge) nicht, wenn der Erblasser in der letztwilligen Verfügung ausdrücklich oder stillschweigend (§ 863 ABGB) erklärt hat, dass auf die Erbteilung das Anerbengesetz nicht angewendet werden soll. Eine derartige Erklärung enthält das Testament des Erblassers im vorliegenden Verfahren nicht.
Die Auffassung der beiden Revisionsrekurswerberinnen, die Vorinstanzen hätten - in Wahrnehmung des Untersuchungsgrundsatzes von Amts wegen - erheben müssen, ob der Erblasser außerhalb seiner letztwilligen Verfügung stillschweigend eine derartige Erklärung abgegeben habe, widerspricht auch nach Auffassung des Obersten Gerichtshofs bereits dem eindeutigen Wortlaut des § 8 Abs 6 AnerbenG und dessen eindeutiger Zielsetzung. Dieser verweist konkret auf die letztwillige Verfügung, in welcher die Erklärung des Erblassers ausdrücklich abgegeben worden sein oder aus welcher sich diese Erklärung mit Überlegung aller Umstände zweifelsfrei (§ 863 ABGB) erschließen lassen muss. Ein derartiges Verständnis entspricht auch der in der Literatur vertretenen Auffassung (Kralik/Ehrenzweig, Erbrecht³ [1982] 376; Eccher in Schwimann, ABGB³ Bd 3 [2006] § 8 AnerbenG Rz 1).
3. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 5 Ob 537/95 ausgeführt, außerhalb der gesetzlichen Erbberechtigung des Anerben gegenüber dem Übergeber seien bei gewillkürter Erbfolge (§ 8 Abs 5 AnerbenG) bzw im Falle der Verfügung des Erblassers über den Erbhof durch Vermächtnis (§ 9 Abs 1 AnerbenG) die Bestimmungen des AnerbenG nur anzuwenden, wenn es zu einer Übernahme des Erbhofs (§ 1 AnerbenG) durch eine solcherart bedachte Person als Anerbe im Wege der Erbfolge oder als Vermächtnisnehmer kommt.
Woraus die Revisionsrekurswerberinnen in dieser Entscheidung erschließen wollen, dass nur eine letztwillig bedachte Person Anerbe werden könne, der ohnehin ein gesetzliches Erbrecht zusteht, ist nicht ersichtlich. Der Neffe wurde vom Erblasser im Sinn der genannten Entscheidung ausdrücklich „bedacht" (vgl auch § 8 Abs 1 Z 1 AnerbenG).
4. Die Revisionsrekurswerberinnen vertreten die Auffassung, das Anerbenrecht könne im vorliegenden Verfahren nur dann zur Anwendung kommen, wenn der zu erhaltende Betrieb durch den Anerben tatsächlich fortgeführt (übernommen) wird; dies hätten die Vorinstanzen jedoch nicht festgestellt. Dem kann nicht gefolgt werden:
4.1. Die Definition eines Erbhofs nach § 1 AnerbenG enthält keine Fortführungs- oder Betriebspflicht durch den (potenziellen) Anerben. Bei gewillkürter Erbfolge spielt die Frage der Übernahme des Erbhofs gemäß § 8 Abs 1 AnerbenG nur dann eine Rolle, wenn der Erblasser mehrere Miterben einsetzte (Z 2), nicht jedoch bei Vorhandensein eines Alleinerben (Z 1) wie im vorliegenden Fall.
4.2. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 6 Ob 212/07f (EvBl 2008/86) Feststellungen zur Frage für notwendig erachtet, inwieweit die beiden (dort) potenziellen Anerben die Erhaltung des Erbhofs als Ganzes beabsichtigen bzw auch gewährleisten können, sei doch grundlegendes Ziel des Höferechts die Erhaltung einer krisenfesten landwirtschaftlichen Struktur; die Zersplitterung bäuerlicher Betriebe solle möglichst vermieden werden.
Dabei ging es allerdings nicht um die Frage der grundsätzlichen Anwendbarkeit des Anerbenrechts, sondern um die Frage, welcher der beiden in Betracht kommenden potenziellen Anerben auch tatsächlich als solcher bestimmt werden soll.
4.3. In der Entscheidung 6 Ob 249/08y führte der Oberste Gerichtshof aus, der Anerbe müsse zwar nicht persönlich Hand anlegen; auch eine ununterbrochene Anwesenheit auf dem Hof sei nicht erforderlich; damit sei unter Bewirtschaftung nicht Selbstbewirtschaftung zu verstehen, es genüge vielmehr die Fähigkeit zur Leitung des Betriebs. Allerdings sei bei der Entscheidung zu berücksichtigen, wenn der potenzielle Anerbe - sollte er den Hof zugewiesen erhalten - selbst den Hof gar nicht betreiben werde, sondern vielmehr die Anerbenstellung (etwa) für seinen Sohn anstrebe.
Dabei ging es allerdings um die Frage des Vorliegens eines Ausschließungsgrundes nach § 18 Abs 1 Z 4 TirHöfeG, ebenfalls jedoch nicht um die Frage, ob überhaupt ein Erbhof vorliegt. Derartige Ausschließungsgründe sieht zwar auch § 5 AnerbenG vor; so ist der nach § 3 AnerbenG berufene Anerbe von der Übernahme des Erbhofs ausgeschlossen, „wenn er ... zur dauernden Bewirtschaftung des Erbhofs unfähig ist". Die Möglichkeit des Ausschlusses gilt jedoch nur in Fällen, in denen ein Anerbe nach § 3 AnerbenG zu bestimmen ist, also bei gesetzlicher Erbfolge (6 Ob 110/04a). Weitergehender Überlegungen in diesem Zusammenhang bedarf es somit hier nicht (gewillkürte Erbfolge).
4.4. Auch aus der von den Revisionsrekurswerberinnen zitierten Entscheidung 6 Ob 21/84 (SZ 57/165) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Vielmehr wurde dort sogar ausdrücklich darauf hingewiesen, die anerbengesetzlichen Zielsetzungen, die Erbengemeinschaft am bäuerlichen Sondergut nur auf eine solche Weise auseinanderzusetzen, dass dieses in seinem für ein mittleres Bauerngut notwendigem Ausmaß ungeschmälert auf eine einzige Person übergeht und dieser die Befriedigung aller von diesem Nachlassbestandteil zu berechnenden erbrechtlichen Ansprüche in einer Weise ermöglicht wird, dass der Hof wirtschaftlich auch in der Hand des einen Übernehmers erhalten werden kann, würden vom Bundesgesetzgeber in voller Wahrung der Testierfreiheit durch eine entsprechende letztwillige Anordnung des Erblassers bewusst aufs Spiel gesetzt.
Soweit in dieser Entscheidung davon die Rede ist, dass die übereinstimmende Erklärung aller nach allgemeinem bürgerlichem Erbrecht an der Auseinandersetzung ihrer erbrechtlichen Gemeinschaft an der in den Nachlass gefallenen Liegenschaften Beteiligten, den Hof nicht „übernehmen" zu wollen, die Anwendung der anerbengesetzlichen Erbteilungsvorschriften, die das Vorhandensein eines Anerben voraussetzen, unmöglich machten, ging es dabei nicht um die Fortführung des Betriebs; entscheidungsgegenständlich waren vielmehr die Erklärungen der potenziellen Anerben, nicht Anerbe sein zu wollen. Eine derartige Erklärung hat der Neffe des Erblassers im vorliegenden Fall jedoch nicht abgegeben, sondern strebt im Gegensatz dazu die Anerbenstellung ausdrücklich an.
5. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen liegt ein landwirtschaftlicher Betrieb in Form eines Marktfruchtbetriebs neben der Teichwirtschaft und der Nutzung vorhandener Fischereirechte vor, wobei die Teichwirtschaft auch die Aufzucht und den Verkauf von japanischen Koi-Karpfen (Zierfischen) umfasst. Aus der Teichwirtschaft werden 28 % der Erlöse aus dem landwirtschaftlichen Betrieb erwirtschaftet. Sämtliche Erlöse zusammen reichen zur angemessenen Erhaltung von zwei erwachsenen Personen aus.
Die Revisionsrekurswerberinnen meinen nun, eine Qualifikation als Erbhof hätte unterbleiben müssen, weil die Vorinstanzen bei der Ermittlung der Ertragsfähigkeit des Betriebs gemäß § 1 Abs 1 AnerbenG auch die Einkünfte aus der Aufzucht und dem Verkauf von Zierfischen berücksichtigt hätten; da die Aufzucht von Zierfischen weder eine landwirtschaftliche Tätigkeit gemäß § 1 Abs 2 AnerbenG noch ein Unternehmen im Sinn des § 2 Abs 3 AnerbenG sei, hätte die Fischzucht insgesamt unberücksichtigt bleiben müssen.
Damit gehen die Revisionsrekurswerberinnen jedoch nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, ist doch die Aufzucht der Zierfische lediglich ein Teil der Teichwirtschaft, die wiederum lediglich 28 % der maßgeblichen Erlöse erwirtschaftet. Dass bei Nichtberücksichtigung der Zierfischzucht die maßgeblichen Ertragsgrenzen des § 1 Abs 1 AnerbenG unterschritten würden, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen; auch der außerordentliche Revisionsrekurs vermag nicht, dies anhand konkreter Zahlen zu belegen. Die Behauptung, die Zierfischzucht stelle den Hauptbetrieb dar, findet in den Feststellungen jedenfalls keine Deckung; außerdem haben die Vorinstanzen festgestellt, eine Trennung der Teichwirtschaft vom landwirtschaftlichen Betrieb sei gar nicht möglich.
Schließlich ist die Frage, welche Bewirtschaftungsarten für die Ermittlung der Leistungsfähigkeit des zu übergebenden Gutes jeweils in Betracht kommen, eine Frage der konkreten Umstände des Einzelfalls, der grundsätzlich keine erhebliche Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (6 Ob 72/02k). Die Auffassung der Vorinstanzen, dass auch die Erlöse aus der Zierfischzucht zu berücksichtigen sind, ist jedenfalls nicht korrekturbedürftig, wurde doch bereits sogar die Einstellung von Pferden nach § 2 Abs 3 AnerbenG berücksichtigt (6 Ob 62/00m).
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