Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die in der Generalversammlung der beklagten Partei vom 19. 9. 2008 gefassten Beschlüsse, dass
1. Dr. P***** für die Dauer der ordentlichen Generalversammlung am 19. 9. 2008 zum Vorsitzenden gewählt wird;
2. die Generalversammlung an den Geschäftsführer A***** U***** die Weisung laut Beilage ./A zum Generalversammlungsprotokoll erteilt;
3. die Generalversammlung an den Geschäftsführer A***** U***** die Weisung laut Beilage ./B zum Generalversammlungsprotokoll erteilt;
4. der Antrag laut Beilage ./L zum Generalversammlungsprotokoll beschlossen wird;
5. die Feststellung des Jahresabschlusses auf die nächste Generalversammlung vertagt wird,
für nichtig zu erklären, wird abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, dem Nebenintervenienten die mit 5.886,90 EUR (davon 981,15 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz und des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen. Sie hat ihre Kosten selbst zu tragen und wird mit ihrem Antrag auf Bestimmung nachträglich entstandener Kosten auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger hält 56 % Anteile am Stammkapital der beklagten Partei, das 42.000 EUR beträgt, der Nebenintervenient 26 %.
Der Kläger ist Gründer und langjähriger Mehrheitsgesellschafter sowie Geschäftsführer der beklagten Partei. Im Sommer 2004 einigte er sich mit dem Nebenintervenienten darauf, dass dieser im Rahmen einer externen Unternehmensnachfolge in die Gesellschaft aufgenommen werden und Geschäftsführerfunktion übernehmen sollte. Zu diesem Zweck kam es zum zeitgleichen Abschluss mehrerer Verträge: Die Grundsätze der Zusammenarbeit sind im Management-Buy-In und Beteiligungsvertrag („MBI“) geregelt. Demnach sollte der Einstieg des Nebenintervenienten in die Gesellschaft in drei Phasen erfolgen: In Phase 1, die mit 1. 1. 2005 begann und per 31. 1. 2008 enden sollte, wurde der Nebenintervenient zum alleinzeichnungsbefugten Geschäftsführer bestellt. Neben seinem Geschäftsführerbezug standen ihm 6 % Gewinnausschüttung, eine Umsatzprämie und 26 % der Stimmrechte zu. Am Ende der Phase 1 konnte der Kläger die Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Nebenintervenienten begehren und ihn als Geschäftsführer abberufen. Um den Eintritt in Phase 2 zu verhindern, wurde ein Ausstiegsszenario entwickelt, wonach der Kläger berechtigt und verpflichtet war, den vom Nebenintervenienten erworbenen Geschäftsanteil in Höhe von 26 % des Stammkapitals zurückzukaufen; ansonsten würde ab dem Geschäftsjahr 2008/09 Phase 2 eintreten. Für die Phase 2 war vereinbart, dass der Kläger 25 % seiner Stimmrechte an den Nebenintervenienten überträgt, sodass dieser über 51 % der Stimmrechte in der Generalversammlung verfügt. Gleichzeitig schlossen der Kläger und der Nebenintervenient einen notariellen Abtretungsvertrag, worin der Kläger einen Teil seines Geschäftsanteils im Ausmaß von 26 % des Stammkapitals an den Nebenintervenienten abtrat. Der Abtretungspreis von 1.045.500 EUR wurde vorerst gestundet und sollte unter Bezugnahme auf die Phasen 1 bis 3 des MBI getilgt werden. Weiters schlossen der Kläger und der Nebenintervenient am 30. 9. 2004 einen Syndikatsvertrag. Dieser lautet auszugsweise:
„I. Beteiligungsverhältnisse:
Mit Abtretungsvertrag vom 30. 9. 2004 hat Herr [Nebenintervenient] 26 % des Stammkapitals der [Beklagten] übernommen.
Gemäß den Bestimmungen des [MBI] erwirbt Herr [Nebenintervenient] die mit dem Geschäftsanteil verbundenen Rechte auf Gewinnausschüttung bzw Stimmrechte abweichend vom Zeitpunkt des Erwerbs des Geschäftsanteiles, teilweise abhängig vom Zeitverlauf bzw vom Eintritt gewisser Erfolge.
II. 3-Phasen-Modell:
Der MBI-Vertrag, der den Einstieg von [Nebenintervenient] in die [Beklagte] regelt, sieht im Wesentlichen drei Phasen vor:
In Phase 1 stehen ihm neben dem Geschäftsführerbezug 6 % Gewinnausschüttung, eine Umsatzprämie und 26 % der Stimmrechte zu.
In Phase 2 stehen ihm neben dem Geschäftsführerbezug 26 % Gewinnausschüttung und 51 % der Stimmrechte zu.
In Phase 3 stehen ihm neben dem Geschäftsführerbezug, Gewinnausschüttung, die sich nach den näheren Bestimmungen dieses Vertrages richten, ebenfalls 51 % der Stimmrechte zu.
Phase 1 ist auf drei Jahre beschränkt, die Phase 3 wird nur bei Erreichen gewisser unternehmenswertsteigender Erfolge erreicht. Verschiedene Vereinbarungen bestehen für das Rückabtreten bzw Behalten des Geschäftsanteiles bzw Teile desselben nach einem allfälligen Ausscheiden des Herrn [Nebenintervenient].
...
IV. Stimmrechtsübergang Phase 2 zu Phase 3:
Ab dem 1. 2. 2008 überträgt Herr [Kläger] 25 % der Stimmrechte zu Lasten seines Geschäftsanteils an Herrn [Nebenintervenient]. Herr [Kläger] erteilt für sich und seine Rechtsnachfolger Herrn [Nebenintervenient] eine unwiderrufliche, mit 1. 2. 2008 beginnende Stimmrechtsvollmacht über jene 25 % Stimmrechte in der Generalversammlung. Eine Kündigung dieser Vollmacht und Stimmrechtsübertragung ist für die Dauer der Geschäftsführung von Herrn [Nebenintervenient] nicht möglich.
...
VIII. Unkündbarkeit des Vertrages:
Der Syndikatsvertrag ist für die Dauer der Geschäftsführung von Herrn [Nebenintervenient] unkündbar.
IX. Gesellschaftsrechtliche Umsetzung:
Die Vertragsparteien vereinbaren, den Gesellschaftsvertrag den Bestimmungen dieses Syndikatsvertrages jeweils anzupassen, also insbesondere den Punkt IV. gesellschaftsrechtlich zu regeln und die Bestimmungen des Punktes V. durch entsprechende Stimmrechtsübertragungen und Vollmachten umzusetzen.“
Mit Generalversammlungsbeschluss vom 14. 3. 2005 wurde der Gesellschaftsvertrag der beklagten Partei neu gefasst. Darin heißt es auszugsweise:
„VI. Geschäftsführer:
...
Die Abberufung vom Gesellschaftergeschäftsführer wird ab dem 1. 2. 2008 auf wichtige Gründe im Sinne des GmbH-Gesetzes beschränkt.
VII. Generalversammlung:
...
Bis zum 31. 1. 2008 richten sich die Stimmrechte nach der übernommenen Stammeinlage und gewähren je EUR 10 einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme, wobei jedoch jedem Gesellschafter mindestens eine Stimme zusteht.
Ab dem 1. 2. 2008 gehen 25 % der Gesamtstimmrechte zu Lasten von Herrn [Kläger] bzw dessen Rechtsnachfolger auf Herrn [Nebenintervenient] über, sodass dieser zusammengesetzt aus den 26 % Stimmrechten seines eigenen Geschäftsanteils und den übertragenen 25 % Stimmrechten zu Lasten des Gesellschafters [Kläger] bzw dessen Rechtsnachfolger über Stimmrechte von 51 % in der Generalversammlung verfügt.
Darüber hinaus gewähren je EUR 10 einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme.
…
VIII. Geschäftsanteile:
Die Geschäftsanteile bestimmen sich nach der Höhe der übernommenen Stammeinlagen; jedem Gesellschafter steht nur ein Geschäftsanteil zu.
Die Geschäftsanteile sind teilbar und übertragbar.
...
Im Beteiligungsvertrag vom 30. 9. 2004 haben Herr [Nebenintervenient] und Herr [Kläger] verschiedene Rechte und Pflichten im Bezug auf die Abtretung von Geschäftsanteilen des Herrn [Nebenintervenient] vereinbart, wobei diese beiden Parteien im Hinblick auf die Komplexität dieser Regelungen von deren Aufnahme in den Gesellschaftsvertrag absehen.
Die übrigen Gesellschafter nehmen zur Kenntnis, dass es komplexe Rechte und Pflichten zwischen Herrn [Kläger] und Herrn [Nebenintervenient] gibt, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags geregelt sind.
IX. Gewinnausschüttung:
…
Im Beteiligungsvertrag vom 30. September 2004 ist näher geregelt …“.
Der Vertragsverfasser Dr. P***** vertrat die Ansicht, dass es aus Gründen der Geheimhaltung zweckmäßig sei, im Gesellschaftsvertrag nur Grundzüge der verschiedenen Vereinbarungen aufzunehmen, um die Finanzverwaltung nicht „auf blöde Gedanken“ zu bringen. Ferner sollten die Vereinbarungen in der Urkundensammlung des Firmenbuchs nicht für jedermann einsehbar sein. Aus diesem Grund nahm er nur einen Verweis auf verschiedene Sonderrechte und -pflichten in den Gesellschaftsvertrag auf.
Der Kläger beendete gegen Ende der Phase 1 die Zusammenarbeit mit dem Nebenintervenienten und erklärte mit Notariatsakt vom 17. 12. 2007, den Geschäftsanteil des Nebenintervenienten rückzukaufen. Der Nebenintervenient wurde als Geschäftsführer der beklagten Partei abberufen. Zwischen ihm und dem Kläger bestehen Meinungsverschiedenheiten über Höhe und Fälligkeit des Rückkaufpreises. Der Kläger als wieder alleiniger Geschäftsführer berief für den 19. 9. 2008 die ordentliche Generalversammlung der beklagten Partei unter Bekanntgabe einer vier Punkte umfassenden Tagesordnung ein. Punkt 3. (Berichterstattung und Aufklärung über die Vorgänge in der amerikanischen Tochtergesellschaft) und Punkt 4. (Berichterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft im Zeitraum Februar bis August 2008) der Tagesordnung wurden auf Wunsch des Nebenintervenienten aufgenommen. In der Generalversammlung vom 19. 9. 2008 waren der Kläger, der Nebenintervenient und die Gesellschafter J***** S*****, R***** S*****, C***** R*****, T***** H***** und A***** K***** anwesend. Rechtsanwalt Dr. P***** als Vertreter des Nebenintervenienten beanspruchte mit Hinweis auf die 51 % der Stimmrechte des Nebenintervenienten den Vorsitz in der Generalversammlung. Der Kläger lehnte dessen Vorsitzführung ab. In der Folge reihte Dr. P***** die Tagesordnung um, sodass an erster Stelle die Berichterstattung über die wirtschaftliche Entwicklung der Gesellschaft im Zeitraum Februar bis August 2008, an zweiter Stelle die Berichterstattung und Aufklärung über die Vorgänge in der amerikanischen Tochtergesellschaft, als Punkt 3. die Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2007/2008 und als Punkt 4. die Beschlussfassung über die Verteilung des Bilanzgewinns für das angesprochene Geschäftsjahr erfolgen sollte. In der Generalversammlung wurden die im Spruch genannten Beschlüsse jeweils mit der Stimme des Nebenintervenienten und gegen die Stimmen der anderen Gesellschafter gefasst. Der Kläger erhob dagegen jeweils Widerspruch. Das Generalversammlungsprotokoll wurde am 1. 10. 2008 versandt.
Der Kläger begehrt mit seiner Klage, die im Spruch genannten Beschlüsse der Generalversammlung vom 19. 9. 2008 für nichtig zu erklären. Der Nebenintervenient verzögere die Rückübertragung des Geschäftsanteils. Er schütze angeblichen Diskussions- und Verhandlungsbedarf über den Unternehmenswert 2008 vor, der für einen Teil des Rückkaufpreises relevant sein könnte. Die Regelung im Punkt VII. des von allen Gesellschaftern einstimmig geänderten Gesellschaftsvertrags sei eine unzulässige Stimmrechtsabspaltung. Sie reiche daher alleine nicht als Grundlage für 51 % der Stimmrechte für den Nebenintervenienten aus. Das einer solchen Stimmrechtsabspaltung entsprechende Ergebnis könne im Verhältnis zur Gesellschaft nur durch ergänzende Bevollmächtigung bewerkstelligt werden. Materiell sei die gesellschaftsrechtliche Regelung als eine Art „syndikatsvertragliche“ Absprache einzuordnen, die nur im Zusammenhang mit einer entsprechenden Stimmrechtsvollmacht beachtlich sei. Wegen Nichteintritts von Phase 2 sei die Vollmachtserteilung im Syndikatsvertrag nicht wirksam geworden bzw entfallen. Mit Brief vom 23. 1. 2008 habe zudem der Kläger gegenüber dem Nebenintervenienten die Kündigung und den Widerruf der Stimmrechtsvollmacht und Stimmrechtsübertragung mit sofortiger Wirkung erklärt. Der Nebenintervenient habe in der Generalversammlung am 19. 9. 2008 daher nur über 26 % der Stimmen verfügt. Zu diesem Ergebnis komme man auch durch Auslegung des Gesellschaftsvertrags. Sowohl eine subjektive als auch eine objektive Auslegung ergebe, dass der Termin „1. 2. 2008“ gleichbedeutend mit „Eintritt von Phase 2“ zu verstehen sei. Der am 14. 3. 2005 abgeänderte Gesellschaftsvertrag sei im Zusammenhang mit den am 30. 9. 2004 zwischen ihm und dem Nebenintervenienten geschlossenen Verträgen zu sehen. Die neu aufgenommene Passage im Punkt VII. des Gesellschaftsvertrags, wonach ab 1. 2. 2008 25 % der Stimmrechte an den Nebenintervenienten übertragen werden, sei von allen Beteiligten - auch dem Nebenintervenienten - im Licht der Regeln von MBI und Syndikatsvertrag jedenfalls so verstanden worden, dass damit „ab Beginn der Phase 2“ gemeint gewesen sei. Da die Mitgesellschafter im Gesellschaftsvertrag zur Kenntnis genommen hätten, dass weitere komplexe Rechte und Pflichten zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten außerhalb des Gesellschaftsvertrags geregelt seien, seien bei einer objektiven Auslegung die Inhalte von MBI und Syndikatsvertrag zu berücksichtigen. In beiden Verträgen sei der Eintritt der Phase 2 als Voraussetzung der „Stimmrechtsübertragung“ verankert worden. Das Datum „1. 2. 2008“ lasse sich aus sich alleine und aus dem sonstigen Inhalt des Gesellschaftsvertrags nicht erklären, was einen weiteren Anhaltspunkt für die Relevanz der Regeln des MBI/Syndikatsvertrags gebe. Der Nebenintervenient habe den Syndikatsvertrag dadurch verletzt, dass er sich 51 % der Stimmrechte angemaßt habe, obwohl ihm laut Syndikatsvertrag bei Nichteintritt von Phase 2 weiterhin nur 26 % zustünden. Auch dies sei ein Anfechtungsgrund. Vor dem Hintergrund, dass er seinen Geschäftsanteil „an sich“ bereits Anfang 2008 an den Kläger hätte rückübertragen müssen und „eigentlich“ seit längerem nicht mehr Gesellschafter sein sollte/dürfte, sei die Verletzung des Gesellschaftsvertrags und jedenfalls des Syndikatsvertrags als rechtsmissbräuchlich anzusehen, habe er sich doch wider besseres Wissen - gestützt auf den reinen Wortlaut von Punkt VII. des Gesellschaftsvertrags - das Recht der Ausübung von 51 % der Stimmrechte angemaßt.
Die beklagte Partei und der Nebenintervenient beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Die beklagte Partei brachte vor, der Gesellschaftsvertrag sei objektiv aus sich selbst heraus auszulegen. In der Generalversammlung sei dem Nebenintervenienten ohne jede Bezugnahme auf andere Vereinbarungen ein zusätzliches Stimmrecht von 25 % zugestanden. Die Regelung des Gesellschaftsvertrags sei weder unklar noch auslegungsbedürftig; es handle sich vielmehr um eine zulässige Stimmgewichtung. Der Nebenintervenient brachte vor, der Kaufpreis für den rückzuübertragenden Geschäftsanteil hänge von der von ihm erzielten Steigerung des Unternehmenswerts ab. Für die Bemessung des Kaufpreises spiele der Jahresabschluss eine erhebliche Rolle. Durch die Inanspruchnahme der im Gesellschaftsvertrag verankerten 51 % der Stimmrechte habe er gleichsam in Notwehr verhindern können, dass ein materiell unrichtiger Jahresabschluss verabschiedet und vom Kläger Unternehmensdaten zurückgehalten würden.
Das Erstgericht gab der Klage statt. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen. Rechtlich vertrat es die Auffassung, dass die formalen und zeitlichen Voraussetzungen einer Anfechtungsklage nach § 41 GmbHG eingehalten worden seien. Die Verträge, auf die die Streitteile jeweils Bezug nehmen, lägen in urkundlicher Form vor. Sie seien aus sich selbst heraus zu interpretieren. Auf den subjektiven Eindruck der beteiligten Gesellschafter komme es nicht an. Hintergrund sämtlicher Regelungen sei die beabsichtigte Unternehmensnachfolge gewesen. Die zur Erlangung dieses Ziels abgeschlossenen Verträge seien in ihrer Gesamtheit zu betrachten. Unabhängig von einzelnen wörtlichen Verweisen würden sowohl der MBI-Vertrag als auch die Anteilsübereignung, der Syndikatsvertrag und der Gesellschaftsvertrag miteinander im Zusammenhang stehen. Die Regelung im Gesellschaftsvertrag über die Stimmrechtsübertragung ab 1. 2. 2008 werde nur verständlich, wenn man den MBI-Vertrag mit seinem 3-Phasenmodell und den Syndikatsvertrag dazu lese. Die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrags seien als Einheit zu betrachten, eine isolierte Betrachtungsweise sei nicht angebracht. Die Vereinbarungen zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten würden sowohl die Belange der übrigen Gesellschafter als auch die Gesellschaft an sich betreffen, weil im Gesellschaftsvertrag ausdrücklich auf den Beteiligungsvertrag Bezug genommen werde. Die Minderheitsgesellschafter hätten zur Kenntnis genommen, dass es vertragliche Regelungen zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten gebe. Damit seien die Rechte und Pflichten zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten, die formell außerhalb des Gesellschaftsvertrags geregelt seien, dennoch zu einem integrierenden Bestandteil des Gesellschaftsvertrags geworden. Bei einer Zusammenschau der Vertragswerke könne die Vereinbarung über die nichtlineare Stimmrechtsübertragung nicht anders gelesen werden, als dass diese erst mit Eintritt der Phase 2 stattfinden solle. Es liefe auf eine unzulässige Stimmrechtsabspaltung hinaus, wenn die Stimmrechtsübertragung vom vereinbarten Einstiegsmodell unabhängig wäre. Der Syndikatsvertrag stelle keinen bilateralen Vertrag dar; es sei vielmehr aufgrund der Kenntnisnahme und Anerkennung durch die übrigen Gesellschafter zu einer mehrseitigen Vereinbarung gekommen, die alle Gesellschafter tangiert habe. Aus dem gesamten schriftlichen Vertragswerk gehe die Absicht hervor, dass der Nebenintervenient schrittweise in die Gesellschaft eingebunden werden und Einfluss auf diese gewinnen sollte. Der beabsichtigte Einstieg des Nebenintervenienten sei aufgrund der „Exit-Regelung“ in Phase 1 stecken geblieben. Damit sei allen Beteiligten klar, dass die vorgesehene Beteiligung rückabzuwickeln sei. Strittig sei allein die Höhe und die Fälligkeit der finanziellen Abgeltungen. Der Nebenintervenient verstoße gegen den Geist des Gesellschaftsvertrags und gegen die abgeschlossenen Vereinbarungen, wenn er im Bewusstsein der Rückabwicklung dennoch Stimmrechte für sich in Anspruch nehme. Die Beschlussfassungen, die der Nebenintervenient unter Berufung auf die ihm nicht zustehende Stimmrechtsübertragung herbeigeführt habe, liefen darauf hinaus, seine Eigeninteressen auf Feststellung eines möglichst hohen Unternehmenswerts zum Zweck der Kaufpreisermittlung für die Anteilsrückübertragung zu fördern. Dabei stünden eigene Interessen des Nebenintervenienten im Vordergrund, nicht jedoch Interessen der Gesellschaft. Es sei daher das Abstimmungsverhalten selbst missbräuchlich. Als zu Unrecht überstimmter Mehrheitsgesellschafter könne der Kläger die Beschlüsse erfolgreich anfechten.
Das Berufungsgericht gab den Berufungen der beklagten Partei und des Nebenintervenienten nicht Folge. Nach den Feststellungen des Erstgerichts hätten die übrigen Minderheitsgesellschafter „die komplexen Rechte und Pflichten außerhalb des Gesellschaftsvertrags zur Kenntnis genommen“. Darüber hinaus sei der Beteiligungsvertrag vom 30. 9. 2004 bezogen auf „verschiedene Rechte und Pflichten in Bezug auf die Abtretung der Gesellschaftsanteile“ im Punkt VIII. des Gesellschaftsvertrags ausdrücklich erwähnt. Auch Punkt IX. betreffend die Gewinnausschüttung verweise ausdrücklich auf den Beteiligungsvertrag vom 30. 9. 2004. Das GmbH-Recht stehe einem derartigen Verweis im Gesellschaftsvertrag auf eine außerstatutarische Vereinbarung nicht entgegen, wenn dadurch eine Klausel des Gesellschaftsvertrags inhaltlich näher ausgestaltet werde. Soweit ein solcher Regelungsgegenstand des Syndikatsvertrags nicht im engeren Sinn satzungspflichtiger Natur sei und auch in der Satzung wirksam hätte festgesetzt werden können, komme demselben aufgrund der Inbezugnahme korporative Drittwirkung zu, wenngleich zum Inhalt der Satzung nicht automatisch die Bestimmungen des Syndikatsvertrags, sondern nur die Verpflichtung zur Einhaltung desselben würden. Eine korporative Wirkung sei im Anlassfall schon deshalb anzunehmen, weil die außerstatutarischen Vereinbarungen von einem mit satzungsändernder Mehrheit ausgestatteten Fraktionssyndikat beschlossen worden seien, allen übrigen Gesellschaftern die komplexen Rechte und Pflichten zwischen dem Kläger und dem Nebenintervenienten bekannt gemacht worden seien und diese nicht benachteiligt würden. Eine (objektive) Benachteiligung der übrigen Minderheitsgesellschafter durch die außerstatutarischen Vereinbarungen sei weder behauptet worden noch zu erkennen. Die außerstatutarischen Vereinbarungen seien auch nicht satzungspflichtig. Daher müssten diese „komplexen Rechte und Pflichten außerhalb des Gesellschaftsvertrags“ (gemeint: MBI-Vertrag, Syndikats- bzw Beteiligungsvertrag) nach objektiven Gesichtspunkten in die Auslegung nach ihrem Wortlaut, Zweck und systematischen Zusammenhang einfließen, werde doch Punkt VIII. des Gesellschaftsvertrags nur mit Blick auf die nähere Ausgestaltung durch das Drei-Phasenmodell (stufenweise Unternehmensnachfolge) verständlich, der der Sicherung der Interessen des Klägers sowie der Interessen der beklagten Partei diene. Der Ansicht des Nebenintervenienten, wonach Punkt VIII. des Gesellschaftsvertrags ausschließlich die Abtretung von Gesellschaftsanteilen, nicht aber Stimmrechte bzw die Gewinnausschüttung betreffe, sei nicht zu folgen, weil mit dem Drei-Phasenmodell die Abtretung des Gesellschaftsanteils und das einhergehende Stimmrecht des Nebenintervenienten untrennbar verknüpft seien, dies schon deshalb, weil eine Trennung von Gesellschaftsanteilen und Stimmrecht eine unzulässige Stimmrechtsabspaltung bedeuten würde. Auch eine unwiderrufliche Vollmacht unter Verzicht auf die eigene Ausübung des Stimmrechts werde als unzulässig angesehen. Daraus folge, dass der Nebenintervenient, der sich allein auf die Stimmrechtsübertragung ohne korrespondierenden Anteilserwerb berufe, in der Generalversammlung vom 19. 9. 2008 über keine Stimmenmehrheit verfügt habe und die Beschlüsse rechtswidrig gefasst worden seien. Die Anfechtung durch den Mehrheitsgesellschafter sei daher zulässig. Allein die ausgeprägte personalistische Struktur der Gesellschaft und die damit einhergehende Treuepflicht rechtfertige einen „Durchgriff“ des Drei-Phasenmodells auf die Abstimmung in der Generalversammlung. Ein Verstoß gegen den Syndikatsvertrag wirke wie ein Satzungsverstoß, und zwar unabhängig von der Einhaltung der Form des § 49 Abs 1 GmbHG und unabhängig davon, ob die Abrede beim Firmenbuch eingereicht worden sei.
Das Berufungsgericht sprach aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit eines Verweises auf außerstatutarische Vereinbarungen in Form eines echten Satzungsbestandteils, die von den übrigen Minderheitsgesellschaftern „zur Kenntnis genommen“ würden, fehle. Wesentlich sei auch die Frage, ob ein „Durchschlag“ dieser Vereinbarungen eine Anfechtung des Generalversammlungsbeschlusses zulasse. Der Oberste Gerichtshof habe sich auch mit der Zulässigkeit einer Stimmrechtsabspaltung in jüngster Zeit nicht befasst.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der beklagten Partei ist zulässig und berechtigt.
Die Revisionswerberin macht auf das Wesentliche zusammengefasst geltend, Punkt VII. des Gesellschaftsvertrags sehe ab 1. 2. 2008 generell und ohne jede Bezugnahme auf andere Vereinbarungen eine von den Geschäftsanteilen abweichende Stimmgewichtung vor. Die Bestimmung sei weder unklar noch auslegungsbedürftig. Der Syndikatsvertrag bestehe nicht zwischen allen Gesellschaftern, sondern nur zwischen zwei von insgesamt acht Gesellschaftern. Eine bloße Kenntnisnahme von Bestimmungen des Beteiligungsvertrags mache den Syndikatsvertrag nicht zu einem allseitigen Syndikatsvertrag zwischen allen Gesellschaftern. Vom Syndikatsvertrag hätten die übrigen Gesellschafter keine „Kenntnis“ nehmen können, weil Punkt VIII. letzter Absatz des Gesellschaftsvertrags nur dahin laute, dass im Beteiligungsvertrag vom 30. 9. 2004 verschiedene Rechte und Pflichten in Bezug auf die Abtretung von Geschäftsanteilen geregelt seien, die übrigen Gesellschafter daher lediglich zur Kenntnis nehmen, dass es komplexe Rechte und Pflichten gibt.
Der Kläger vertritt weiterhin den Standpunkt, die in der geänderten Satzung geregelte Stimmrechtsübertragung bedeute eine unzulässige Stimmrechtsabspaltung. Der Wortlaut der entsprechenden Passage lege eindeutig diese Annahme nahe.
Hierzu wurde erwogen:
Die auszulegende Satzungsklausel lautet:
„Ab dem 1. 2. 2008 gehen 25 % der Gesamtstimmrechte zu Lasten von Herrn [Kläger] bzw dessen Rechtsnachfolger auf Herrn [Nebenintervenient] über, sodass dieser zusammengesetzt aus den 26 % Stimmrechten seines eigenen Geschäftsanteils und den übertragenen 25 % Stimmrechten zu Lasten des Gesellschafters [Kläger] bzw dessen Rechtsnachfolger über Stimmrechte von 51 % in der Generalversammlung verfügt.“
Das Gesetz bindet das Stimmrecht an den Geschäftsanteil (§ 39 Abs 2 Satz 1 iVm § 75 Abs 1 und 2 GmbHG). Das Stimmrecht ist untrennbarer Bestandteil der Mitgliedschaft und sichert dem Gesellschafter die Teilnahme an der gesellschaftsinternen Willensbildung; es steht nur dem Gesellschafter zu (Enzinger in Straube, Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz § 39 Rz 15 f mwN; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 9 mwN).
Unter Stimmrechtsabspaltung wird eine von der Mitgliedschaft losgelöste Übertragung des Stimmrechts auf einen Dritten oder auf einen Mitgesellschafter verstanden. Sie ist nach herrschender Meinung unzulässig und unwirksam (vgl Ob II 831/27, SZ 9/242; Enzinger aaO § 39 Rz 18 mwN; Koppensteiner/Rüffler aaO § 39 Rz 12 mwN). Das gilt sowohl für einen Vertrag zwischen einem Dritten (Enzinger aaO mwN; Koppensteiner/Rüffler aaO mwN) als auch für eine entsprechende Satzungsklausel (K. Schmidt in Scholz, Komm z GmbHG10 § 47 Rz 20, auch zur umstrittenen, im Anlassfall nicht wesentlichen Frage, ob Ausnahmen vom Abspaltungsverbot zugelassen werden können).
Das Stimmgewicht hängt nach der gesetzlichen Regelung vom Umfang des Geschäftsanteils ab: Je zehn Euro einer übernommenen Stammeinlage gewähren eine Stimme, wobei Bruchteile unter zehn Euro nicht gezählt werden (§ 39 Abs 2 Satz 1 GmbHG). Die Regelung ist dispositiv. Der Gesellschaftsvertrag kann andere Bestimmungen vorsehen; jedem Gesellschafter muss aber mindestens eine Stimme zustehen (§ 39 Abs 2 Satz 2 GmbHG). Die Stimmgewichte können im Weg der Satzungsänderung mit Zustimmung der Betroffenen neu verteilt werden (Koppensteiner/Rüffler aaO § 49 Rz 12 mwN). Die Satzung kann daher ein Mehrstimmrecht, zB durch Erhöhung und/oder Reduzierung des auf die einzelnen Geschäftsanteile entfallenden Stimmgewichts, einführen (Kastner, Zur Auslegung des GmbH-Gesetzes, JBl 1978, 404 [407]; Enzinger aaO § 39 Rz 23 mwN; Koppensteiner/Rüffler aaO § 39 Rz 13 mwN).
Nach herrschender und vom erkennenden Senat geteilter Auffassung kann das Stimmrecht für einen Geschäftsanteil grundsätzlich nur einheitlich ausgeübt werden (Enzinger aaO § 39 Rz 39 mwN; Koppensteiner/Rüffler aaO § 39 Rz 16 mwN; K. Schmidt in Scholz, Komm z GmbHG10 § 47 Rz 69 mwN; krit P. Huber, Uneinheitliche Ausübung des Stimmrechts in der GmbH, ecolex 1994, 620 ff, 679 ff; gegen diesen Koppensteiner/Rüffler aaO § 80 Rz 3; zu Ausnahmen von diesem Grundsatz vgl Enzinger aaO § 39 Rz 41 mwN; Koppensteiner/Rüffler aaO § 39 Rz 16 mwN). Ein ungeteilter Geschäftsanteil gewährt ein ungeteiltes und unteilbares Stimmrecht. Dies gilt auch für einen Geschäftsanteil, der iSd § 39 Abs 2 GmbHG mehrere Stimmen vermittelt. Der Wortlaut des § 39 Abs 2 Satz 1 GmbHG weist nur scheinbar auf eine Stückelung hin und meint in Wahrheit das Stimmgewicht (die Stimmkraft) (vgl K. Schmidt aaO mwN; Enzinger aaO § 39 Rz 39). Auch ein Geschäftsanteil, der nach der Satzung „mehrere Stimmen“ gibt, bleibt grundsätzlich auch hinsichtlich dieser Stimmen ungeteilt. In einer solchen Klausel, die das Stimmgewicht betrifft, ist nicht ohne weiteres eine satzungsmäßige Zulassung gespaltener Stimmabgabe zu erblicken (K. Schmidt aaO mwN; zur Frage der Zulässigkeit einer gespaltenen Stimmrechtsausübung in der Satzung s Enzinger aaO § 39 Rz 42; Koppensteiner/Rüffler aaO). Wenn das Stimmrecht nur einheitlich ausgeübt werden kann, ist eine uneinheitliche Stimmabgabe als Stimmenthaltung zu werten (Enzinger aaO § 39 Rz 40 mwN; K. Schmidt aaO § 47 Rz 71 mwN). Uneinheitliche Stimmabgabe ist es auch, wenn ein Gesellschafter mit einem Teil seiner Stimmen für oder gegen den Beschlussantrag votiert und sich im Übrigen der Stimme enthält (K. Schmidt aaO § 47 Rz 68; Römermann in Michalski, Komm z GmbHG² § 47 Rz 459 mwN).
Im zu entscheidenden Fall hatte der Kläger nur einen Geschäftsanteil. Die strittige Klausel der geänderten Satzung ist keine Stimmrechtsabspaltung, weil der Kläger sein Stimmrecht nicht übertragen hat. Mit dem Ausdruck „Stimmrechte“ sind offensichtlich „Stimmen“ gemeint, ist doch mit einem Anteil nur ein Stimmrecht verknüpft. Wenn in der Klausel von „den übertragenen 25 % Stimmrechten zu Lasten [des Klägers]“ und davon die Rede ist, „ab ... gehen 25 % der Gesamtstimmrechte ... über“, so deutet dies vordergründig auf eine nicht mögliche Übertragung von mit dem Geschäftsanteil des Klägers verbundenen Stimmen hin. Eine Auslegung in diese Richtung würde aber den aus der Satzungsbestimmung ohne weiteres ersichtlichen Zweck übergehen, dass der Minderheitsanteil des Nebenintervenienten die einfache Stimmenmehrheit zu Lasten des Klägers vermitteln, also das Gewicht des Stimmrechts des einen erhöht und des anderen reduziert werden soll; konkret: der Nebenintervenient soll im eigenen Namen über 2042 Stimmen statt über nur 1092, der Kläger (und seine Rechtsnachfolger) hingegen nur über 1302 statt über 2352 Stimmen verfügen. Eine solche Auslegung würde auch nicht den systematischen Zusammenhang der Klausel berücksichtigen, die unmittelbar auf die - der gesetzlichen Regelung entsprechende - Satzungsbestimmung über das Gewicht des Stimmrechts eines Gesellschafters folgt. An sie schließt die Bestimmung an: „Darüber hinaus gewähren je EUR 10 einer übernommenen Stammeinlage eine Stimme.“ Die im Syndikatsvertrag vom Kläger bloß für einen Teil der Stimmen erteilte Stimmrechtsvollmacht ist rechtlich nicht möglich und wird in der Satzungsklausel nicht genannt. Die ständige Rechtsprechung vertritt schließlich den Grundsatz, dass im Zweifel der Auslegung der Vorzug zu geben ist, die eine wirksame und sinnvolle Anwendung der strittigen Bestimmung ermöglicht (RIS-Justiz RS0017787). Vor diesem Hintergrund ist die strittige Satzungsbestimmung als zulässige Neuverteilung des Gewichts der Stimmrechte des Klägers (und seiner Rechtsnachfolger) und des Nebenintervenienten auszulegen.
Von der gesetzlichen Regelung des Stimmgewichts (§ 39 Abs 2 Satz 1 GmbHG) abweichende Bestimmungen sind notwendige materielle Satzungsbestandteile („echte“ Bestandteile, zur Terminologie s 6 Ob 99/11v; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 3 Rz 17), weil sie in den Gesellschaftsvertrag - gegebenenfalls durch dessen Änderung nach den §§ 49 ff GmbHG - aufgenommen werden müssen (§ 39 Abs 2 Satz 2 GmbHG), und organisationsrechtliche (korporative) Bestimmungen, regeln sie doch die Willensbildung der Gesellschaft auch für künftige Gesellschafter. Nach der jüngeren, bereits als verfestigt anzusehenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind im materiellen Sinn zu qualifizierende korporative Regelungen des Gesellschaftsvertrags einer Gesellschaft mbH nach deren Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (jüngst 6 Ob 99/11v; RIS-Justiz RS0108891; vgl RIS-Justiz RS0008813; RS0008834), also nicht nach Maßgabe der Vorschriften über die Auslegung von Rechtsgeschäften (§§ 914, 915 ABGB). Damit zum Teil in Widerspruch stehende Entscheidungen und Lehrmeinungen sind - worauf der erkennende Senat schon hingewiesen hat - durch die aktuelle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs überholt (6 Ob 99/11v; 6 Ob 231/05x). Das bedeutet, dass die Absicht der Gründungsgesellschafter oder der Gesellschafter, die die Satzungsänderung beschlossen haben, bei der Auslegung nicht zu beachten ist (vgl 6 Ob 231/05x), es sei denn die Parteienabsicht lässt sich objektiv aus der publizierten Satzung, allenfalls auch unter Heranziehung früherer Fassungen, ermitteln (vgl 1 Ob 61/97w SZ 70/242; Rüffler, GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftsvereinbarungen, in FS Koppensteiner [2007] 97 [100]). Auf subjektive Umstände, Motive und Nebenabreden kommt es nicht an (6 Ob 335/97a SZ 71/42; 7 Ob 38/98h). Der erkennende Senat ließ zuletzt in der Entscheidung 6 Ob 99/11v nach Darlegung des Stands der Rechtsprechung und der Lehrmeinungen die Frage offen, ob bei einem Streit bloß unter Gründungsgesellschaftern (und solchen Gesellschaftern, die den Gesellschaftsvertrag gemeinsam änderten) der körperschaftliche Wille gemäß § 914 ABGB nach der wahren Parteiabsicht ermittelt werden soll. Die Frage, ob so auch bei einer personalistisch strukturierten Gesellschaft verfahren werden soll (vgl SZ 59/172; SZ 59/219; s die Darstellung in 1 Ob 61/97w SZ 70/242; vgl Reich-Rohrwig, GmbH-Recht² I Rz 1/72), behandelt die Entscheidung nicht. Beide Fragen sind dahin zu beantworten, dass bei einer - wie im Anlassfall vorzunehmenden - Auslegung einer echten (notwendig materiellen) Satzungsregelung der überwiegenden Tendenz der jüngeren Rechtsprechung (vgl insb 6 Ob 335/97a SZ 71/42; 4 Ob 216/01w; 6 Ob 221/01w ua) und der Auffassung von Reich-Rohrwig, GmbH-Recht (1983) 18 f (ders ÖJZ 1981, 283; aA ders GmbH-Recht² I Rz 1/72 ff), von Rüffler, GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftsvereinbarungen, in FS Koppensteiner (2007) 97 (105 ff) und von Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 3 Rz 17 (vgl auch Karollus, Auslegung und Gültigkeit einer Substanzwertklausel - Überlegungen zu einem praktischen Fall, NZ 1995, 193 [194]), folgend weder danach zu differenzieren ist, ob an dem Rechtsstreit die Gründungsgesellschafter oder die Gesellschafter, die die Satzung änderten, beteiligt sind, noch danach, ob die Gesellschaft personalistisch oder kapitalistisch strukturiert ist. Hiefür spricht neben dem weithin gebilligten Grundsatz der einheitlichen Auslegung des Gesellschaftsvertrags vor allem, dass das Gesetz durch die Anordnung der Firmenbuchpublizität der Satzung zu erkennen gibt, dass es notwendigerweise in die Satzung aufzunehmende Bestimmungen als grundsätzlich drittbedeutsam gewürdigt wissen will (Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 3 Rz 17 mwN; Rüffler, GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftsvereinbarungen, in FS Koppensteiner [2007] 97 [105 ff]). Ist demnach die hier strittige Satzungsbestimmung objektiv auszulegen, so kommt es für das Verständnis des Datums „1. 2. 2008“ weder auf den Syndikatsvertrag noch auf den MBI und auch nicht auf die behauptete übereinstimmende Auffassung der die Satzungsänderung beschließenden Gesellschafter an. Dass die Neuverteilung der Stimmgewichte erst mit dem Eintritt der Phase 2 laut MBI und Syndikatsvertrag gelten sollte, hätte ausdrücklich in der Satzung vereinbart werden müssen. Der Nebenintervenient verfügte daher in der Generalversammlung vom 19. 9. 2008 über die einfache Stimmenmehrheit.
Unter „Syndikatsverträgen“ werden im Regelfall rechtsgeschäftliche Bindungen zukünftigen Abstimmungsverhaltens zwischen den Gesellschaftern verstanden. Vertragsgegenstand des Syndikatsvertrags ist die Ausübung des Stimmrechts in der Gesellschaft. Er ist eine Ergänzung des Gesellschaftsvertrags, ohne jedoch unmittelbar in die gesellschaftliche Organisationsstruktur einzugreifen (RIS-Justiz RS0079236). Als Syndikatsvertrag bezeichnete Vereinbarungen gehen allerdings häufig - so auch im Anlassfall - über die Stimmbindung hinaus (3 Ob 72/09y GesRZ 2010, 49 [Enzinger]). Nach überwiegender Rechtsprechung und einem Teil der Lehre binden Stimmbindungsverträge, weil sie nicht zum Bestandteil der (formgerechten, publiken und vom Firmenbuchrichter geprüften) Satzung gemacht worden sind, nur die Beteiligten, nicht die Gesellschaft (3 Ob 72/09y mwN; RIS-Justiz RS0049389; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 21 mwN aus Lehre und Rspr; Ch. Nowotny in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht Rz 4/133). Das hat grundsätzlich auch für andere, bloß schuldrechtliche Vereinbarungen zwischen Gesellschaftern zu gelten, die nicht unmittelbar als „Stimmbindungsvertrag“ zu qualifizieren sind (3 Ob 72/09y, in der - unter Verweis auf Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 21 mwN - gewichtige Bedenken dagegen geäußert werden, bloß schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen den Gesellschaftern „Drittwirkung“ gegenüber der Gesellschaft zuzuerkennen). Da ein Syndikatsvertrag die Gesellschaft nicht bindet, ist eine syndikatswidrige Stimmabgabe bei der Generalversammlung wirksam (RIS-Justiz RS0059854; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 21 mwN). Auch eine Anfechtung des Gesellschafterbeschlusses wegen syndikatswidriger Stimmabgabe scheidet aus (RIS-Justiz RS0079236; Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 21 mwN; Enzinger in Straube, Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz § 34 Rz 31 mwN; aA insb Tichy, Syndikatsverträge bei Kapitalgesellschaften 150 ff, 159 ff; ders in Doralt/Nowotny/Kalss, Kommentar zum AktG, Exkurs § 195 Rz 135 ff; ders, Syndikatsvertrag als Beschlussanfechtungsgrund, ecolex 2000, 204), sofern sich die Bindung nicht darauf beschränkt, die - auch für den Syndikatsvertrag gegebene - Treuepflicht zu konkretisieren (RIS-Justiz RS0079236). Davon abweichend hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 2 Ob 46/97x ausgesprochen, es erscheine in einigen Fällen sachgerecht, dass ein Gesellschafterbeschluss, der gegen einen zwischen allen abgeschlossenen („omnilateralen“) Stimmbindungsvertrag verstößt, angefochten werden kann. Dieser „Durchgriff“ lasse sich aber nicht auf prozessökonomische Überlegungen stützen, sondern nur rechtfertigen, wenn er in der ausgeprägten personalistischen Struktur der Gesellschaft begründet sei, weil in einer solchen Gesellschaft aufgrund der geringen Zahl und der in der Person jedes einzelnen Gesellschafters gelegenen Bedeutung der Gesellschafter für die Gesellschaft selbst, diese nicht losgelöst von ihren Gesellschaftern betrachtet werden könne (zustimmend Tichy, ecolex 2000, 200 ff; ablehnend Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 39 Rz 21; Rüffler, GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftsvereinbarungen, in FS Koppensteiner [2007] 97 [101 f; 111 ff]; Enzinger in Straube, Wiener Kommentar zum GmbH-Gesetz § 34 Rz 31 mwN).
Eine Stellungnahme zu der genannten, im Schrifttum kontrovers behandelten Entscheidung insbesondere unter dem Aspekt, dass die Berücksichtigung einer schuldrechtlichen Vereinbarung unter Gesellschaftern als Anfechtungsgrund jedenfalls nach dem Wortlaut des § 41 Abs 1 GmbHG nicht in Betracht kommen dürfte (Rüffler, GmbH-Satzung und schuldrechtliche Gesellschaftsvereinbarungen, in FS Koppensteiner [2007] 97 [111 ff]), erfordert die Entscheidung im Anlassfall nicht, liegt doch ein von allen Gesellschaftern geschlossener Syndikatsvertrag nicht vor. Dass die übrigen Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag zur Kenntnis nahmen, dass es komplexe Rechte und Pflichten zwischen Kläger und Nebenintervenienten gibt, die außerhalb des Gesellschaftsvertrags geregelt sind, macht diese Gesellschafter nicht zu Beteiligten der schuldrechtlichen Vereinbarungen zwischen den beiden anderen Gesellschaftern, geschweige denn den Syndikatsvertrag zu einem mittelbaren Satzungsinhalt. Das Stimmgewicht kann nur satzungsmäßig gestaltet werden, ein Verstoß gegen Abstimmungsregeln im Syndikat kann daher keinen Anfechtungsgrund bilden (Tichy, ecolex 2000, 204 [207]).
Der Kläger hat nicht konkret behauptet, dass der Nebenintervenient verpflichtet gewesen wäre, seinen Geschäftsanteil dem Kläger vor einer Einigung über den Kaufpreis rückzuübertragen. Insofern kann die Teilnahme an den Abstimmungen mit dem satzungsmäßigen, nicht stückelbaren Stimmgewicht seines Geschäftsanteils nicht rechtsmissbräuchlich sein (zum Stimmrechtsmissbrauch als Anfechtungsgrund vgl RIS-Justiz RS0106227) oder einen Verstoß gegen die Treupflicht eines Gesellschafters gegenüber der Gesellschaft bilden (zu diesem Anfechtungsgrund vgl Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 41 Rz 31 ff). Dass die gefassten Beschlüsse inhaltlich einen Rechtsmissbrauch darstellen oder treuwidrig sind, macht der Kläger nicht geltend. Wenn das Erstgericht das Abstimmungsverhalten des Nebenintervenienten deshalb für rechtsmissbräuchlich hält, weil die Förderung dessen eigener Interessen im Vordergrund stünden, so vermag dies nicht zu überzeugen. Ein korrekter Jahresabschluss ist im Interesse aller Gesellschafter. Dass die vom Nebenintervenienten zum Jahresabschluss gestellten Fragen und Einwendungen keinen sachlichen Grund gehabt hätten, wurde weder behauptet noch festgestellt. Das Argument des Erstgerichts ließe sich im Übrigen auch gegen den Kläger wenden, indem ihm vorgeworfen würde, mit seinem Vorgehen die Ermittlung eines möglichst geringen Kaufpreises für den Geschäftsanteil zu bezwecken.
Es war daher in Abänderung der Urteile der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 41, 50 Abs 2 ZPO. Die Kosten des Prozesskurators der beklagten Partei hat das Erstgericht gemäß § 10 ZPO bereits bestimmt. Mit seinem beim Obersten Gerichtshof eingebrachten Antrag auf Bestimmung nachträglich entstandener Kosten (nämlich jener dem Prozesskurator für das Rechtsmittelverfahren zuerkannten) ist der Kläger auf die Kostenentscheidung zu verweisen.
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