European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00182.22S.1118.000
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.517,12 EUR (darin enthalten 419,52 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).
[2] Der Kläger ist Baumeister und in dem von ihm betriebenen Einzelunternehmen Vollzeit tätig. Es war zwischen dem Kläger und der Geschäftsführerin der Beklagten vereinbart, dass der Kläger dem Unternehmen der Beklagten seine Gewerbeberechtigung für das Bauträgergewerbe zur Verfügung stellt und der Gewerbebehörde gegenüber als gewerberechtlicher Geschäftsführer der Beklagten namhaft gemacht wird. Als Gegenleistung dafür war vereinbart, dass der Kläger bei den von der Beklagten realisierten Bauvorhaben mit der Planung und/oder Bauleitung beauftragt wird. Um seine Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer zu ermöglichen, wurde der Kläger auch zum „kollektiv zeichnungsberechtigten“ handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beklagten bestellt. Er sollte und wollte sich aber an der Willensbildung der Beklagten und an der tatsächlichen Geschäftsführung nicht beteiligen.
[3] Beim ersten Bauvorhaben der Beklagten war der Kläger mit der Planung und Bauleitung, beim zweiten Bauvorhaben mit der Planung beauftragt worden. Abgesehen von den mit der Planung und/oder Bauleitung dieser beiden Projekte anfallenden Aufgaben erfüllte der Kläger – mit Ausnahme der Unterfertigung der Bilanzen – keine weiteren Aufgaben im Betrieb der Beklagten. Die Beklagte wickelte in der Folge zwei weitere Bauvorhaben ab, ohne den Kläger darüber zu informieren und ohne ihn diesbezüglich mit Planung und/oder Bauleitung zu beauftragen. Erst danach wurde der Kläger als gewerberechtlicher Geschäftsführer und als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beklagten gelöscht.
[4] Die Vorinstanzen wiesen das Begehren des Klägers auf Zahlung des Honorars für Planung und Bauleitung betreffend jene beiden Bauvorhaben, bei denen ihn die Beklagte nicht wie vereinbart mit diesen Leitungen beauftragt hatte, ab.
[5] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision mangels Rechtsprechung zur Frage, ob ein Vertrag zur Bestellung zum gewerberechtlichen Geschäftsführer auch dann nichtig sei, wenn Letzterer zum Geschäftsführer iSd § 15 GmbHG bestellt wurde, sich nach dem Willen der Vertragsteile aber nicht an der Geschäftsführung beteiligen sollte, gleichzeitig aber mit der Erbringung von Werkleistungen beauftragt wurde, zu.
Rechtliche Beurteilung
[6] Die Revision ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig. Weder in der Zulassungsbegründung noch in der Revision wird eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt:
[7] 1.1. § 39 Abs 2 und 3 GewO 1994 verlangt vom gewerberechtlichen Geschäftsführer, sich im Betrieb „entsprechend zu betätigen“, worunter nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs eine Tätigkeit zu verstehen ist, die es dem Geschäftsführer ermöglicht, die gewerberechtliche Tätigkeit des Betriebs ausreichend zu beobachten und zu kontrollieren (RS0016760 [T4]; 7 Ob 135/03h). Maßgebend dafür ist die Beurteilung, ob eine nach den Verhältnissen im Betrieb, insbesondere der Art und dem Umfang des Betriebs bzw der Betriebsanlage und den persönlichen Verhältnissen des Geschäftsführers ausreichende (Kontroll-)Tätigkeit des gewerberechtlichen Geschäftsführers vorliegt (8 Ob 8/12b [ErwGr 3.2.]). Eine GmbH, die sich eines Geschäftsführers bedient, der zwar die sonst für die Ausübung des Gewerbes vorgeschriebenen persönlichen Voraussetzungen mitbringt, sich aber nicht entsprechend im Betrieb betätigt, weil ihn die Gesellschaft vertraglich von dieser Tätigkeit befreit hat, verstößt gegen die genannte Norm (RS0016760).
[8] 1.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs verlangt der Normzweck des § 39 Abs 3 GewO 1994 – nämlich die Sicherung der Allgemeinheit und besonders der mit der Gesellschaft abschließenden Besteller vor den nachteiligen Folgen des Fehlens eines sich entsprechend im Betrieb betätigenden gewerberechtlichen Geschäftsführers (8 Ob 8/12b [ErwGr 3.1.]; RS0016760) – die Nichtigkeit einer Vereinbarung, mit der das Fehlen einer gewerberechtlichen Erlaubnis oder Konzession durch ein vorgetäuschtes Anstellungs- oder sonstiges Beschäftigungsverhältnis ausgeglichen bzw umgangen werden soll (9 ObA 156/14b; 7 Ob 135/03h; 9 ObA 338/98s; RS0016771 [T2]). Die Nichtigkeit der Vereinbarung, nur seine Gewerbeberechtigung ohne tatsächliche Betätigung im Geschäftsbetrieb zur Verfügung zu stellen, wurde wegen Vorliegens einer solchen Umgehung auch angenommen, wenn aus deren Anlass eine Bestellung zum handelsrechtlichen Geschäftsführer einer GmbH nur deshalb erfolgte, um formal die gewerberechtlichen Bestellungsvoraussetzungen eines gewerberechtlichen Geschäftsführers (vgl § 39 Abs 2 Z 1 GewO) zu erfüllen (1 Ob 55/06d).
[9] 1.3. Ein Anspruch auf das für die „Zurverfügungstellung der Gewerbeberechtigung“ ohne entsprechende Betätigung im Betrieb vereinbarte Entgelt besteht in diesen Fällen nicht (9 ObA 156/14b; 9 ObA 338/98s).
[10] 2.1. Die Auslegung der Urteilsfeststellungen im Einzelfall ist – von unvertretbaren Fehlbeurteilungen abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RS0118891 [T4, T5]). Das Berufungsgericht hat die Feststellungen – im Einklang mit den dem Tatsachenbereich zuzuordnenden Ausführungen des Erstgerichts im Zuge dessen rechtlicher Beurteilung – erkennbar dahin ausgelegt, dass nach dem übereinstimmenden Willen der Parteien der Kläger als handelsrechtlicher Geschäftsführer tatsächlich nicht tätig sein sollte und auch keine tatsächliche Tätigkeit des Klägers als gewerberechtlicher Geschäftsführer beabsichtigt war. Damit hat es den ihm zur Verfügung stehenden Beurteilungsspielraum nicht überschritten.
[11] 2.2. Die Ansicht der Vorinstanzen, die Vereinbarung über die Bestellung des Klägers als gewerberechtlicher Geschäftsführer sei wegen Verstoßes gegen § 39 Abs 3 GewO nichtig, der Kläger habe daher keinen Anspruch auf die vereinbarte Gegenleistung, steht im Einklang mit den erörterten Rechtsprechungsgrundsätzen.
[12] 2.3. Der übereinstimmende Parteiwille ist die oberste Norm des Vertrags. Die Auslegung nach dem objektiven Erklärungswert, nach der redlichen Verkehrssitte, kommt erst dann in Betracht, wenn eine Willensübereinstimmung der Parteien nicht feststellbar ist (RS0017811). Daher verliert der objektive Erklärungswert seine Bedeutung, wenn sich die Parteien in der Sache einig sind. Es gilt dann ihr übereinstimmender Wille, gleichgültig, ob die Ausdrucksmittel diesen Willen nach objektiven Kriterien zutreffend wiedergeben (RS0014005).
[13] Mit ihrem Hinweis auf den Wortlaut des schriftlichen Vertrags der Streitteile, wonach der Kläger verpflichtet gewesen sei, die Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften zu überwachen, zeigt die Revision somit keine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts auf. Auch die erblickte diesbezügliche „Arbeitsaufteilung“ unter mehreren (handelsrechtlichen) Geschäftsführern ergibt sich weder aus dem Sachverhalt noch aus dem Wortlaut des Vertrags, nach dessen Punkt IV. die bisherige Geschäftsführerin die Geschäfte des Unternehmens „ausschließlich und allein“ führt.
[14] 2.4. Ebenso entfernt sich die Argumentation der Revision, der Kläger hätte die Aufgaben eines gewerberechtlichen Geschäftsführers anlässlich der abzuschließenden Werkverträge über die Planung und/oder Bauleitung bei den Bauvorhaben der Beklagten wahrnehmen können, vom Sachverhalt. Vor dem Hintergrund, dass eine tatsächliche Tätigkeit des Klägers als gewerberechtlicher Geschäftsführer im vorliegenden Fall nicht beabsichtigt war, kommt dieser Frage keine entscheidende Bedeutung zu.
[15] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.
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