Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.959,48 EUR (darin 326,58 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Verurteilung der beklagten Aktiengesellschaft zur Auskunftserteilung gemäß § 118 AktG zu konkret im Klagebegehren formulierten Fragen. Er brachte vor, er sei Minderheitsaktionär der Beklagten. Diese habe in der Hauptversammlung vom 30. 11. 2010 ihre Auskunftspflichten gemäß § 118 AktG gegenüber dem Kläger verletzt, weil sie die Beantwortung seiner Fragen zu einzelnen Tagesordnungspunkten rechtswidrig verweigert habe.
Die Beklagte wendete die Unzulässigkeit des streitigen Rechtswegs ein, der geltend gemachte Anspruch sei im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen.
Das Erstgericht sprach aus, der streitige Zivilrechtsweg sei unzulässig. Die als Antrag zu wertende Klage werde zur weiteren Behandlung des Anspruchs im Verfahren außer Streit an die Abteilung 23 des Erstgerichts überwiesen. Nach ausführlicher Auseinandersetzung mit Lehre und Rechtsprechung gelangte das Erstgericht zu diesem Ergebnis aufgrund von § 14 AktG, § 120 JN und § 1 AußStrG, die die Angelegenheit ins Außerstreitverfahren verwiesen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Klägers nicht Folge. § 118 AktG idF AktRÄG 2009 (BGBl I 2009/71) regle den Auskunftsanspruch eines Aktionärs. § 14 AktG verweise alle Angelegenheiten, die nicht dem Prozessgericht zugewiesen seien, in die außerstreitige Handelsgerichtsbarkeit. Der österreichische Gesetzgeber habe eine ausdrückliche Zuordnung der Durchsetzung des Auskunftsrechts in den streitigen Rechtsweg nie, auch nicht durch das AktRÄG 2009, vorgesehen.
Auch im deutschen Recht werde die Ansicht vertreten, für die Durchsetzung des Auskunftsbegehrens sei das Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (dies entspreche dem österreichischen Außerstreitverfahren) anzuwenden, die Zulässigkeit einer Leistungsklage eines Aktionärs sei ausgeschlossen.
Aus dem Faktum, dass der österreichische Gesetzgeber die Durchsetzung des Auskunftsanspruchs nicht ausdrücklich in die außerstreitige Gerichtsbarkeit verweise, könne nicht der gesetzgeberische Wille abgeleitet werden, dass das Auskunftsbegehren im streitigen Verfahren durchzusetzen sei. Pucher/Zwick, Das Auskunftsrecht des Aktionärs nach dem AktRÄG 2009, wbl 2010, 54, leiteten mit überzeugenden Argumenten eine generalklauselartige Zuweisung aktienrechtlicher Angelegenheiten in das außerstreitige Verfahren aus § 14 AktG, § 120 JN und § 1 AußStrG ab. Sie stützten sich dabei auf die Entscheidung 6 Ob 2/91. Der Oberste Gerichtshof führe dort aus, aus § 145 FGG (Gesetz über Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) - und nunmehr des § 120 JN - leuchte die grundsätzliche gesetzgeberische Zielsetzung hervor, Meinungsverschiedenheiten über das Zusammenwirken der Mitglieder und Organe von Handelsgesellschaften im Regelfall nicht in das durch die Parteistellung von Kläger und Beklagtem polarisierte Streitverfahren, sondern in das für die Sachbehandlung geeigneter erscheinende Verfahren außer Streitsachen zu verweisen, und zwar einerseits wegen der typischerweise zu beachtenden Gesamtinteressen der Gesellschaft und mitunter darüber hinaus der Verkehrskreise, in denen die Gesellschaft tätig sei oder werden könnte, und andererseits wegen der vielfach unter Berücksichtigung der konkreten Interessenlagen in bestimmender, also rechtsgestaltender Form zu treffenden Ausführungsanordnungen.
In diesem Sinne habe die Rechtsprechung auch in Fällen, in denen eine ausdrückliche gesetzliche Regelung über die anzuwendende Verfahrensart fehle, die Durchsetzbarkeit von Auskunfts- und Einsichtsrechten im Verfahren außer Streitsachen angenommen, zuletzt in Anwendung des § 102 GmbHG hinsichtlich des auf § 139 Abs 3 AktG iVm § 23 Abs 1 Z 3 GmbHG jeweils in der damals geltenden Fassung (vgl nunmehr § 273 Abs 4 Satz 1 UGB) gestützten Begehrens eines Aufsichtsratsmitglieds auf Ausfolgung einer Ausfertigung des Prüfungsberichts des Abschlussprüfers (6 Ob 2/91 = RIS-Justiz RS0045823).
Dem Einwand des Klägers, die zuletzt zitierte Entscheidung sei nicht mit dem vorliegenden Fall vergleichbar, müsse entgegengehalten werden, dass das Auskunfts- und Informationsrecht des Aktionärs eben nicht nur - wie vom Kläger behauptet - ein Individualrecht sei. Vielmehr sei es als ein Recht anzusehen, das die Gesamtinteressen der Gesellschaft und aller Aktionäre im Auge habe, da das Fragerecht der Teilnehmer auch der Information der anderen Aktionäre und der Hauptversammlung als Ganzer dient (RIS-Justiz RS0121480). Im Außerstreitverfahren sei eine effektive Durchsetzung der Antwortpflicht möglich, da das Firmenbuchgericht - im Gegensatz zur Geltendmachung einer Leistungsklage im langwierigen und kostspieligen Prozessweg - schon nach Kenntnisnahme einer Verletzung der Auskunftspflicht eine Auskunft durch Beugestrafen erzwingen könne. Damit fehle es an der grundsätzlichen Notwendigkeit einer Durchsetzungsmöglichkeit des Auskunftsbegehrens mit einer Leistungsklage.
Das Rekursgericht ließ den Revisionsrekurs zu, da es zur Frage der Zulässigkeit des streitigen oder außerstreitigen Rechtswegs weder zu § 112 Abs 3 AktG aF noch zu § 118 AktG (idF des AktRÄG 2009) höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs des Klägers ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig (vgl RIS-Justiz RS0106813; RS0103854); er ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger bringt im Revisionsrekurs im Wesentlichen vor, die weit überwiegende Lehre vertrete die Ansicht, das Auskunftsrecht gemäß § 112 AktG aF bzw § 118 AktG idF AktRÄG 2009 sei mit Klage geltend zu machen. § 14 AktG sei ein reiner Auffangtatbestand zu Gunsten der außerstreitigen Gerichtsbarkeit im Aktienwesen, klagsweise geltend zu machende Ansprüche seien jedoch nicht Gegenstand des außerstreitigen Verfahrens. Dem Außerstreitverfahren komme das Hauptcharakteristikum der zukunftsorientierten Fürsorgekomponente zu. Demgegenüber stelle das Auskunftsrecht des Aktionärs ein Individualrecht dar.
Hiezu wurde erwogen:
Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend, sodass darauf verwiesen werden kann (§§ 528a, 510 Abs 3 Satz 2ZPO).
Darüber hinaus wird Folgendes ausgeführt:
Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die Mehrheit der Lehrmeinungen in der einschlägigen Kommentarliteratur die Meinung vertritt, das Auskunftsbegehren eines Aktionärs gemäß § 112 AktG aF bzw § 118 AktG sei mittels Leistungsklage durchzusetzen (Greiter, ÖJZ 1989, 524 [527]; Szep, ecolex 1998, 31 [33]; S. Schmidt in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG [2003] § 112 Rz 41; Kalss/Linder, Minderheits- und Einzelrechte von Aktionären [2006], 20; Kalss in Kalss/Nowotny/Schauer, Gesellschaftsrecht [2008] Rz 3/622; S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG5 [2010] § 118 Rz 27).
Diese Ansicht wird jedoch von sämtlichen genannten Autoren (außer durch gelegentliche Zitierung von früheren einschlägigen Lehrmeinungen) nicht begründet. Ihr ist § 14 AktG als Zweifelsregel zu Gunsten des außerstreitigen Verfahrens entgegenzuhalten. Weiters ist auf die einzige ausführlich begründete Stellungnahme von Pucher/Zwick, Das Auskunftsrecht des Aktionärs nach dem AktRÄG 2009, wbl 2010, 54, zu verweisen.
Dass das Auskunftsrecht des Aktionärs gemäß § 118 AktG ein Individualrecht ist, ist kein ausreichendes Argument, die Sache ins streitige Verfahren zu verweisen. Nach zutreffender Ansicht ist nämlich die Gesellschaft aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 47a AktG verpflichtet, im Fall eines rechtskräftig zuerkannten Auskunftsanspruchs eines Aktionärs auch allen anderen Aktionären die betreffende Auskunft zu geben (S. Bydlinski/Potyka in Jabornegg/Strasser, AktG5 § 118 Rz 27).
Für das außerstreitige Verfahren spricht weiters, dass - wie schon das Rekursgericht angedeutet hat - auch sonst im Gesellschaftsrecht vorgesehene Einsichts- oder Informationsrechte von Gesellschaftern (oder Gesellschaftsgläubigern) durchwegs im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen sind (§ 166 Abs 3 UGB iVm § 120 Abs 1 Z 2 JN; RIS-Justiz RS0059108; RS0060104; RS0005796; RS0060098; RS0118726).
Schließlich spricht noch folgende Erwägung für das Außerstreitverfahren: Gemäß § 258 Abs 1 AktG sind die Vorstandsmitglieder oder die Abwickler unter anderem zur Befolgung des § 118 Abs 1 AktG vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu 3.600 EUR anzuhalten. § 24 Abs 2 bis 5 FBG ist anzuwenden. Dieses Zwangsstrafenverfahren ist ein außerstreitiges Verfahren. Würde der Auskunftsanspruch des Aktionärs gemäß § 118 AktG dem Streitverfahren zugewiesen, bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen dahingehend, dass etwa ein Streitrichter das Auskunftsbegehren abweist, während ein anderer für das Außerstreitverfahren (Firmenbuchverfahren) zuständiger Richter über die Vorstandsmitglieder Zwangsstrafen gemäß § 258 Abs 1 iVm § 118 Abs 1 AktG verhängt. Fällt hingegen der Auskunftsanspruch des Aktionärs in das Außerstreitverfahren, so ist üblicherweise derselbe Richter sowohl für das Auskunftsbegehren als auch für die Verhängung der Zwangsstrafen nach § 258 AktG zuständig, wodurch Entscheidungsdivergenzen vermieden werden können.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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