OGH 6Ob153/16t

OGH6Ob153/16t29.11.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen L* S*, geboren am *, und S* S*, geboren am *, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs der Minderjährigen, vertreten durch die Kindesmutter B* S*, vertreten durch MMag. Johannes Pfeifer, Rechtsanwalt in Liezen, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 23. Mai 2016, GZ 2 R 27/16v‑165, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 7. Dezember 2015, GZ 3 Pu 127/11w‑152, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:E116674

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben. Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

 

Begründung:

Die Minderjährigen leben bei ihrer Mutter in Österreich. Die Ehe der Eltern wurde im November 2007 geschieden. Der Vater ist aufgrund des Beschlusses des Erstgerichts vom 9. 2. 2012 verpflichtet, monatlich 402 EUR an Unterhalt zu zahlen.

Die Minderjährigen begehren eine – zeitlich gestaffelte – Erhöhung des Unterhalts sowie die Zuerkennung von Unterhaltssonderbedarf von 3.000 EUR für ihre anwaltlichen Vertretungskosten. Die Einkommensverhältnisse des Vaters hätten sich seit der letzten Unterhaltsfestsetzung wesentlich geändert. Für das Jahr 2012 sei von einer Bemessungsgrundlage von 3.882,27 EUR pro Monat, für 2013 von einer solchen von 3.954,52 EUR pro Monat und für das Jahr 2014 von einer Bemessungsgrundlage von 4.120,28 EUR pro Monat auszugehen.

Der Vater beantragte im Hinblick auf das Erreichen der nächsten Altersstufe durch L* am * 2014 und ihrer seit September 2014 bezogenen Lehrlingsentschädigung seinerseits, den Unterhalt für L* ab Jänner 2014 bis August 2014 mit monatlich 545 EUR festzusetzen und ihn ab September 2014 von seiner Unterhaltspflicht für sie zu befreien. Für die Minderjährige S* möge der Unterhalt ab Jänner 2014 nur auf monatlich 481 EUR erhöht werden.

Sein Einkommen habe sich nur geringfügig erhöht. Nach seinen Berechnungen betrage die Unterhaltsbemessungsgrundlage ab September 2013 3.130,67 EUR, ab Februar 2014 3.197,35 EUR und ab August 2014 3.270,84 EUR, wobei er die Krankenversicherungsbeiträge und die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgezogen habe. Ab September 2013 sei der Unterhalt für L* und S* auf je 469 EUR pro Monat zu erhöhen. L* gebühre dann ab Februar 2014 ein monatlicher Unterhalt von 543 EUR und ab Oktober 2014 ein solcher von nur mehr 112 EUR.

Das Erstgericht wies den Antrag der Minderjährigen, die Unterhaltspflicht des Vaters für den Zeitraum 1. 1. 2012 bis 9. 2. 2012 für beide Kinder auf je 465,87 EUR monatlich zu erhöhen, zurück. Den Antrag auf Zuerkennung von Unterhaltssonderbedarf wies es ab. Hingegen setzte es die Unterhaltspflicht des Vaters für die Minderjährige L* – zeitlich gestaffelt – mit monatlich 234 EUR bis 447 EUR und für die Minderjährige S*– zeitlich gestaffelt – mit 478 EUR bis 562 EUR fest. Das Unterhaltsmehrbegehren wies es ab.

Dabei ging das Erstgericht im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Der Vater ist beim Landesamt für Finanzen, Dienststelle München, beschäftigt. Im Jahr 2012 erzielte er unter Berücksichtigung der Weihnachtsgratifikation, der monatlichen Krankenversicherungsbeiträge sowie unter Berücksichtigung der monatlichen Fahrtkosten ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen in Höhe von 3.267,52 EUR.

Im Jahr 2013 bezog der Vater unter Berücksichtigung der Weihnachtsgratifikation, der Krankenversicherungsbeiträge und der monatlichen Fahrtkosten ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von 3.189,62 EUR, im Jahr 2014 von 3.284,52 EUR und im Jahr 2015 von 3.307,77 EUR. Der Vater ist außer für die beiden Minderjährigen noch für seine Ehefrau sorgepflichtig, welche im Jahr 2012 einen Verlust von 1.019,63 EUR, im Jahr 2013 einen Gewinn von 1.266,63 EUR und im Jahr 2014 einen Gewinn von 709,02 EUR erzielte. Bis einschließlich August 2013 war der Vater auch für seine geschiedene Ehegattin sorgepflichtig.

L* ist seit 1. 9. 2014 als HGA‑Lehrling beschäftigt. Im ersten Lehrjahr erhielt sie inklusive anteiliger Sonderzahlungen eine Nettolehrlingsentschädigung von monatlich 669,29 EUR. Nach Abzug der Kleiderpauschale verbleibt ein anrechenbares Eigeneinkommen von 634,09 EUR pro Monat. Seit 1. 9. 2015 beträgt dieser Betrag 729,38 EUR pro Monat. Die Kosten für die Berufsschule von ca 900 EUR hat L* selbst zu tragen. Gleiches gilt für die Fahrtkosten von ca 100 EUR jährlich. Im ersten Lehrjahr hatte L* Kleideraufwendungen in Höhe von ca 48,12 EUR monatlich. Nach Abzug der vom Dienstgeber gewährten Kleidungspauschale verbleibt ein monatlicher, von ihr zu tragender Aufwand für Arbeitskleidung in Höhe von 12,92 EUR.

Rechtlich würdigte das Erstgericht diesen Sachverhalt dahingehend, dass die Einmaligkeitswirkung der materiellen Rechtskraft des Beschlusses vom 9. 2. 2012 die neuerliche Sachentscheidung für den Zeitraum 1. 1. 2012 bis 9. 2. 2012 ausschließe.

Nach der für die Unterhaltsbemessung grundsätzlich anzuwendenden Prozentmethode gebühre Kindern in der Altersgruppe von 10 bis 15 Jahren 20 % und Kindern über 15 Jahren 22 % des anrechenbaren Einkommens des Unterhaltspflichtigen als Unterhalt. Die Sorgepflicht für jedes weitere Kind über 10 Jahre sei mit einem Abzug von 2%‑Punkten zu berücksichtigen. Im Fall der Sorgepflicht für eine Ehefrau seien je nach dem Verhältnis der Einkommen des Unterhaltsschuldners und seiner Gattin 0 bis 3%‑Punkte abzuziehen. Im vorliegenden Fall sei im Hinblick auf die Einkommensdifferenz ein Abzug von 3 % vorzunehmen. Die bis August 2013 bestehende weitere Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Gattin sei ebenfalls mit einem Abzug von 3 % zu berücksichtigen. Dies ergebe für die Minderjährige L* für den Zeitraum 1. 2. 2013 bis 31. 8. 2013 einen Anspruch auf 14 % und ab September 2013 17 % des anrechenbaren Einkommens des Vaters. Infolge ihres Einkommens ab September 2014 verringere sich ihr Unterhaltsanspruch.

S* habe von 1. 9. 2013 bis 31. 7. 2015 Anspruch auf 15 % und ab August 2015 auf 17 % des anrechenbaren Einkommens ihres Vaters.

Eine steuerliche Entlastung des in Österreich nicht steuerpflichtigen Unterhaltsschuldners habe nicht zu erfolgen. Der Splittingvorteil für Ehegatten gelte nur in Deutschland.

Mit den nunmehr festgelegten Unterhaltsbeiträgen sei die Leistungsfähigkeit des Vaters ausgeschöpft, sodass der von den Minderjährigen begehrte Unterhaltssonderbedarf nicht zuzuerkennen sei. Zudem liege kein Deckungsmangel vor.

Über Rekurs beider Seiten bestätigte das Rekursgericht die Abweisung von Unterhaltssonderbedarf, änderte diesen Beschluss jedoch im Übrigen dahingehend ab, dass für die Minderjährige L* für den Zeitraum 1. 9. 2013 bis 31. 8. 2015 gestaffelte Unterhaltsbeträge zwischen 190 EUR und 565 EUR und ab 1. 9. 2015 von monatlich 190 EUR sowie für die Minderjährige S* von 1. 9. 2013 bis 31. 12. 2013 von monatlich 485 EUR und ab 1. 1. 2014 von monatlich 500 EUR zuerkannt wurden.

Wenn ein ausschließlich in Deutschland steuerlich veranlagter Vater im Rahmen der Unterhaltsbemessung in Österreich den Vorteil der steuerlichen Entlastung nach der österreichischen Rechtslage nicht für sich beanspruchen könne, erscheine es nicht sachgerecht, ihm zudem auch noch den Steuervorteil durch das Ehegattensplitting nach deutschem Recht zu versagen. Dieses Splitting habe daher bei der Unterhaltsbemessung außer Betracht zu bleiben. Beziehe der Unterhaltspflichtige sein Einkommen in Deutschland, seien Krankenversicherungsbeiträge zu berücksichtigen. Hingegen seien die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel nicht abzuziehen.

Damit sei das Einkommen des Vaters in den Jahren 2012 und 2013 im Vergleich zu seinem Einkommen in den Jahren 2010 und 2011 nicht wesentlich gestiegen. Eine wesentliche, die Neufestsetzung des Unterhalts für die Minderjährigen rechtfertigende Umstandsänderung sei erst mit dem Wegfall der Sorgepflicht des Vaters für seine geschiedene Ehegattin Ende August 2013 eingetreten. Halte man sich das annähernd gleiche Preisniveau in Österreich und Deutschland vor Augen, so bestehe entgegen der Ansicht der Minderjährigen keine Veranlassung für eine Erhöhung der Bemessungsgrundlage.

Ab 1. 2. 2014 habe L* infolge der Erreichung der nächsten Altersstufe (Kinder über 15 Jahre) Anspruch auf 17 % der Unterhaltsbemessungsgrundlage. Für den Unterhaltsanspruch S*s bewirke der Umstand, dass die Minderjährige L* ab 1. 9. 2014 ein Eigeneinkommen bezogen habe, keine Änderung. Ihr sei daher ab 1. 1. 2014 ein laufender monatlicher Unterhalt von 500 EUR zuzuerkennen. Der Unterhaltsanspruch der Minderjährigen L* ändere sich ab 1. 9. 2014 durch Erzielung eines Eigeneinkommens. Ab diesem Zeitpunkt ergebe sich ein restlicher Unterhaltsanspruch von 190 EUR ab 1. 9. 2015.

Der geltend gemachte Sonderbedarfsanspruch bestehe nicht zu Recht, weil kein Deckungsmangel vorliege.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage des von einem deutschen Unterhaltsschuldner in Anspruch genommenen Ehegattensplittings bei der Unterhaltsbemessung keine höchstgerichtliche Rechtsprechung bestehe.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist auch teilweise berechtigt.

1.1. Als Einkommen ist das monatliche, durchschnittliche Nettoeinkommen des Unterhaltspflichtigen vor Abzug der ihm auferlegten Unterhaltsleistungen zu verstehen (RIS‑Justiz RS0047489). Maßgeblich für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen ist in erster Linie die sich aus dem Gesamteinkommen des Unterhaltspflichtigen nach Abzug von Steuern und öffentlichen Abgaben vom Einkommen ergebende tatsächliche wirtschaftliche Lage, somit die Summe der dem Unterhaltsschuldner tatsächlich zufließenden verfügbaren Mittel. Die Steuerbemessungsgrundlage ist daher, wenn erforderlich, nach unterhaltsrechtlichen Grundsätzen zu korrigieren (RIS‑Justiz RS0013386). Demnach berühren Steuerbegünstigungen, denen keine effektiven Ausgaben gegenüberstehen, nicht die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners (RIS‑Justiz RS0013386 [T5]). Da es auf das tatsächliche Nettoeinkommen ankommt, reduzieren Steuerzahlungspflichten im angemessenen Umfang die Bemessungsgrundlage, Steuerrückzahlungen erhöhen sie (RIS‑Justiz RS0013386 [T10]; RS0047261).

1.2. Dabei ist die wirklich geschuldete, nicht die fiktive Lohnsteuer zu berücksichtigen; dies gilt auch bei Bewilligung von Freibeträgen für Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen, weil der Unterhaltspflichtige in beiden Fällen die staatlich eingeräumten Steuervorteile mit dem Unterhaltsberechtigten teilen soll (3 Ob 128/87; 2 Ob 223/98b). Lohnsteuerrückzahlungen sind als verfügbare Mittel des Unterhaltspflichtigen in die Unterhaltsbemessungs-grundlage miteinzubeziehen (RIS‑Justiz RS0047261; 2 Ob 223/98b; 3 Ob 1138/12h). Gleiches gilt für Jahresausgleichsbeträge (3 Ob 517/93; vgl auch Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 267 f).

1.3. Nach ständiger Rechtsprechung hat die im Rahmen der Unterhaltsbemessung grundsätzlich gebotene steuerliche Entlastung dann nicht zu erfolgen, wenn der Unterhaltsschuldner ausschließlich im Ausland steuerpflichtig ist (RIS‑Justiz RS0117122 [T2, T3]; vgl auch 9 Ob 75/15t). An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof trotz Kritik der Lehre (Gitschthaler, Unterhaltsrecht3 Rz 738; ders, Familienbeihilfe, Kindesunterhalt und der Oberste Gerichtshof, ÖJZ 2003, 821) festgehalten und in der Entscheidung 9 Ob 75/15t ausgesprochen, dass die für die österreichischen Grenzsteuersätze von der Rechtsprechung entwickelte Bemessungsformel auf die Unterhaltsschuld eines in Frankreich wohnhaften Vaters schon deshalb nicht übertragbar sei, weil die Einkommensteuerpflicht in Frankreich – unter anderem wegen des dort bestehenden „Familiensplittings“ – anderen steuerlichen Gegebenheiten folge. Die abweichende Ansicht des dortigen Rekursgerichts wurde mit der Begründung verworfen, dass ohne Gesamtbetrachtung des steuerlichen Umfelds das Ziel einer adäquaten steuerlichen Entlastung des Unterhaltsschuldners auch dann verfehlt werde, wenn ein Nachteil bei der Unterhaltsbemessung durch in Frankreich bestehende Steuervorteile oder Transferleistungen (über‑)kompensiert werde (9 Ob 75/15t).

1.4. Im vorliegenden Fall lebt der Kindesvater in Deutschland und ist – anders als in dem der Entscheidung 8 Ob 51/16g zugrundeliegenden Sachverhalt – ausschließlich in Deutschland steuerpflichtig.

1.5. Der Vollständigkeit halber ist darauf zu verweisen, dass auch nach deutschem Recht der aus einer neuen Ehe des Unterhaltspflichtigen resultierende Splittingvorteil sowohl bei der Bemessung des Unterhaltsbedarfs minderjähriger Kinder gemäß § 1610 Abs 1 BGB als auch bei der Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen im Sinne von § 1603 Abs 2 BGB zu berücksichtigen ist, soweit er auf seinem alleinigen Einkommen beruht (BGH 17. 9. 2008 XII ZR 72/06; vgl auch BGH XII ZR 160/08, BGH XII ZB 258/13 und BGH XII ZB 298/12). In der zitierten Entscheidung XII ZR 72/06 hat der BGH auch dargelegt, dass der verfassungsrechtliche Schutz der Ehe es nicht gebietet, den Splittingvorteil als zweckgebundenen Einkommensbestandteil bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit für den Kindesunterhalt außer Acht zu lassen. Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur verfassungsrechtlich gebotenen Außerachtlassung des Splittingvorteils aus der neuen Ehe betreffe nur die Bedarfsermittlung beim Ehegattenunterhalt gemäß § 1578 Abs 1 Satz 1 BGB und die damit verbundene (verfassungsrechtliche) Gleichwertigkeit und Gleichrangigkeit einer geschiedenen mit einer neuen Ehe (BGH aaO Rz 27).

1.6. Der Splittingvorteil ist zwischen den Ehegatten nach dem Maßstab einer fiktiven Einzelveranlagung aufzuteilen (BGH XII ZR 72/06 mwN). Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist daher der Splittingvorteil im Verhältnis der Höhe der jeweils erzielten Einkommen der Ehegatten aufzuteilen. Nun erliegen im Akt zwar Urkunden über die Höhe des Einkommens der Ehegatten; die Vorinstanzen haben zu dieser Frage jedoch bisher keine Feststellungen getroffen. Insoweit war daher spruchgemäß mit Aufhebung der angefochtenen Entscheidung vorzugehen, wobei im Sinne der vom AußStrG 2003 angestrebten endgültigen Sacherledigung in zweiter Instanz eine Rückverweisung an das Rekursgericht zu erfolgen hatte. Da die erforderlichen Feststellungen im Wesentlichen aus den vorgelegten Urkunden getroffen werden können, bedeutet dies auch keine große Belastung und Verzögerung des Rekursverfahrens.

2.1. Im Übrigen erweist sich die Rechtsansicht des Rekursgerichts jedoch als zutreffend (§ 62 Abs 3 AußStrG):

2.2. Zutreffend ging das Rekursgericht davon aus, dass Beiträge zu einer privaten Krankenversicherung, die die gesetzliche ersetzt, die Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern (EFSlg 92.450; EFSlg 130.162). In Deutschland erfasst die Krankenversicherungspflicht alle Personen mit inländischem Wohnsitz. Diese müssen entweder in gesetzlicher Krankenversicherung oder bei einem privaten Krankenversicherungsträger, der einen gewissen Mindestumfang abdecken muss, versichert sein (vgl etwa Both, Die Versicherungspflicht in der privaten Krankenversicherung, VersR 2011, 302). Steuerlich sind dabei diejenigen Beitragsanteile einer privaten Krankenversicherung als Sonderausgabe abzugsfähig, die der sogenannten Basisabsicherung entsprechen, also mit Ausnahme des Krankengeldes den Leistungen nach dem dritten Kapitel des Sozialgesetzbuches V vergleichbar sind, nicht jedoch Beiträge für Zusatzleistungen wie Einbettzimmer oder Chefarztbehandlung (Görgmayr, Abzug von Beiträgen zur Kranken‑ und Pflegeversicherung ab dem 1. 1. 2010, SteuK 2009, 32).

2.3. Die deutsche Pflegeversicherung ist ein eigenständiger Zweig der Sozialversicherung. Sie ist im 11. Buch des deutschen Sozialgesetzbuches (SGB XI) verankert und bildet – neben der Kranken‑, Unfall‑, Renten- und Arbeitslosenversicherung – deren „5. Säule“. Die Versicherungspflicht trifft all jene, die in die gesetzliche Krankenversicherung einbezogen sind, unabhängig davon, ob es sich dabei um freiwillig oder um Pflichtversicherte handelt (Habermann, Das Pflege‑Versicherungsgesetz, NZS 1994, 313). Demnach mindern auch die Beiträge zur Pflegeversicherung (die nach deutschem Recht auch steuerlich abzugsfähig sind) die Unterhaltsbemessungsgrundlage.

2.4. Von diesen Grundsätzen ist das Rekursgericht nicht abgewichen.

3.1. Befindet sich der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in Österreich, richtet sich der Unterhaltsanspruch des Kindes nach österreichischem Recht, weil sich die Unterhaltsbedürfnisse nach den Lebenshaltungskosten des Kindes richten, die am besten vom Recht des Ortes, wo das Kind lebt, berücksichtigt werden. Dies schließt allerdings nicht aus, unter Umständen die Lebenshaltungskosten des Vaters, die sich ja nach dem Lohnniveau, den Preisverhältnissen und den gesetzlichen Steuerbestimmungen etc seines Staates richten, nach dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort zu berücksichtigen (RIS‑Justiz RS0106532).

3.2. Im vorliegenden Fall leben die Kinder in Österreich. Durch die im vorliegenden Fall von den Vorinstanzen erfolgte Anwendung der Prozentmethode wird damit ohnedies dem Bedarf des Kindes in Österreich Rechnung getragen. Für eine Erhöhung der Prozentsätze im Hinblick auf das in Österreich im Vergleich zu Deutschland etwas höhere Preisniveau – wie dies der Revisionsrekurs anstrebt – besteht keine Grundlage (vgl auch Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 78). Im Übrigen kann aus der das gesamte österreichische Preisniveau betreffenden Argumentation des Revisionsrekurses kein verlässlicher Rückschluss auf die Situation im vorliegenden Fall gezogen werden, ist doch nicht davon auszugehen, dass das Preisniveau am Wohnort der Minderjährigen (R*) höher ist als dasjenige in München.

4.1. Zwar kann ein Unterhaltsberechtigter über den durchschnittlichen Bedarf hinaus noch Sonderbedarf oder Individualbedarf haben. Solche Mehrkosten sind insbesondere durch die Momente der Außergewöhnlichkeit und Dringlichkeit bestimmt (RIS‑Justiz RS0047539). Dieser (allgemeine) Grundsatz spricht gegen die Annahme, Prozess- und Vertretungskosten des Kindes im Verfahren außer Streitsachen müssten vom Geldunterhaltsschuldner grundsätzlich immer aus dem Titel des Unterhaltssonderbedarfs ersetzt werden, zumal jedem unterhaltsberechtigten Kind bzw seinem obsorgeberechtigten Elternteil im Hinblick auf § 208 Abs 2 ABGB die Möglichkeit offensteht, sich bei der Durchsetzung der Unterhaltsansprüche vom Jugendwohlfahrtsträger vertreten zu lassen (RIS‑Justiz RS0047539 [T6]).

4.2. Die einem Minderjährigen im Rahmen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erwachsenden Verfahrenskosten begründen zudem nur dann einen vom Unterhaltspflichtigen abzudeckenden Sonderbedarf, wenn sie aus den laufenden Unterhaltsleistungen nicht bestritten werden können (vgl RIS‑Justiz RS0047516). Die Abgeltung eines Sonderbedarfs hat somit Ausnahmecharakter. Seine Berücksichtigung findet regelmäßig nur bei einem „Deckungsmangel“ statt (RIS‑Justiz RS0047564 [T4]). Ein derartiger Deckungsmangel liegt dann vor, wenn der Sonderbedarf nicht aus der Differenz zwischen dem bereits festgesetzten, den Allgemeinbedarf deckenden Unterhalt und dem Regelbedarf bestritten werden kann (10 Ob 61/05a; 9 Ob 47/06m; RIS‑Justiz RS0047564 [T3, T5]).

4.3. Im vorliegenden Fall scheitert der Zuspruch von Vertretungskosten als Sonderbedarf schon daran, dass kein Deckungsmangel vorliegt. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der der Minderjährigen L* zustehende Unterhalt seit 1. 9. 2014 unter dem Regelbedarf liegt, weil dies bloß eine Folge der Anrechnung ihrer Eigeneinkünfte ist (vgl 8 Ob 44/15a).

5. Zusammenfassend war die angefochtene Entscheidung daher zur ergänzenden Ermittlung der Leistungsfähigkeit des Kindesvaters aufgrund des ihm zukommenden Anteils am „Splittingvorteil“ aufzuheben und dem Rekursgericht insoweit die neuerliche Entscheidung aufzutragen.

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