Spruch:
1. Die Anträge, auszusprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige und der außerordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, werden zurückgewiesen.
2. Die Akten werden dem Erstgericht zur weiteren gesetzmäßigen Behandlung des Rechtsmittels zurückgestellt.
Text
Begründung
Die Klägerin begehrt die Unterlassung, den Widerruf und die Veröffentlichung des Widerrufs ehrverletzender Behauptungen. Die Klägerin bewertete den Unterlassungsanspruch nach dem RATG mit 17.000 EUR, nach der JN (gemeint § 56 Abs 2 JN) aber mit 25.000 EUR (der Widerruf und die Veröffentlichung des Widerrufs wurden mit 2.620 EUR bzw 3.000 EUR bewertet). Zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs stellte die Klägerin einen gleichlautenden Sicherungsantrag. Die Vorinstanzen gaben dem Sicherungsantrag statt. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Dagegen richtet sich der an den Obersten Gerichtshof direkt gerichtete "außerordentliche Revisionsrekurs" der Beklagten mit dem Antrag, der Oberste Gerichtshof möge aussprechen, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes 20.000 EUR übersteige, den ordentlichen Revisionsrekurs zulassen und dem Rechtsmittel dahin stattgeben, dass der Sicherungsantrag abgewiesen werde.
Die gestellten Anträge sind unzulässig:
Rechtliche Beurteilung
Gemäß § 526 Abs 3 ZPO (im Provisorialverfahren gemäß den §§ 78 und 402 Abs 4 EO anzuwenden) finden auf Rekursentscheidungen die Bestimmungen der §§ 500 und 500a ZPO sinngemäß Anwendung. Das Rekursgericht hatte den nicht in einem Geldbetrag bestehenden Unterlassungsanspruch gemäß § 500 Abs 2 ZPO zu bewerten. Es war bei der Bewertung grundsätzlich frei und nicht an die gemäß § 56 Abs 2 ZPO erfolgte Bewertung der Klägerin gebunden (1 Ob 580/91; 1 Ob 214/01d mwN; Kodek in Rechberger ZPO2 Rz 3 zu § 500). Die Bewertung des Entscheidungsgegenstandes durch das Gericht zweiter Instanz ist unanfechtbar (§ 500 Abs 4 ZPO; RIS-Justiz RS0042410) und bindet grundsätzlich auch den Obersten Gerichtshof (RS0042385), es sei denn, der Bewertungsausspruch verletzte zwingende gesetzliche Bewertungsvorschriften oder es wäre nach dem Gesetz überhaupt keine Bewertung vorzunehmen gewesen (Kodek aaO mwN; RS0042437). Es wurde auch schon ausgesprochen, dass keine Bindung bestehe bei offensichtlich unrichtiger Bewertung und einem dadurch willkürlich herbeigeführten Rechtsmittelausschluss oder einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsmittelerweiterung (SZ 59/198). Keinen dieser Fälle vermag die Beklagte aufzuzeigen. Eine gesetzliche Bewertungsvorschrift für auf § 1330 ABGB gestützte Unterlassungsansprüche existiert nicht. Von einer willkürlichen Bewertung des Rekursgerichtes kann keine Rede sein, wenn es der auf § 56 Abs 2 JN beruhenden Bewertung der Klägerin nicht folgte, sondern sich vielmehr an der nach dem RATG erfolgten Bewertung des Unterlassungsanspruchs (mit 17.000 EUR) orientierte. Die von der Revisionsrekurswerberin gegen die grundsätzlich freie Bewertungsbefugnis des Gerichtes zweiter Instanz geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken, wie sie auch in der Lehre teilweise geäußert wurden, teilt der Oberste Gerichtshof nicht (Kodek aaO mwN). An dieser Auffassung ist festzuhalten. Die für die gegenteilige Ansicht ins Treffen geführte Meinung Oberhammers (Apropos "Zugang zum Recht": Bewertung des Klagebegehrens, Prozesskosten und Rechtsschutzversicherung, in: BMfJ, Lewisch u. Rechberger [Hrsg], 100 Jahre ZPO, Ökonomische Analyse des Zivilprozesses 163 f), der sich für gewisse Fälle gegen eine analoge Anwendung gesetzlicher Bewertungsvorschriften wendet (beispielsweise § 58 JN bei der Bewertung eines Anspruchs auf Feststellung eines Arbeitsverhältnisses), auf die freie Bewertungsmöglichkeit des Klägers nach § 56 Abs 2 JN verweist und eine Bindung des Gerichtes an diese Bewertung bejaht, soferne nicht eine Überbewertung oder Unterbewertung über Streitwertbemängelung nach § 7 RATG korrigiert wird, untersucht das Problem des Zuganges zum Recht nur mit Blick auf die Kostenfolgen näher und verweist zur Überprüfungsmöglichkeit des Bewertungsausspruches des Berufungsgerichtes durch das Revisionsgericht lediglich auf die Judikatur des Obersten Gerichtshofs über den Ermessensmissbrauch. Ein solcher liegt hier nicht vor. Wenn der Kläger für die Verfahrenskosten einen niedrigeren Streitwert wählte und das Gericht zweiter Instanz diese Bewertung auch für seine den weiteren Rechtszug bestimmende Bewertung nach § 500 Abs 2 ZPO heranzog, bestehen dagegen keine Bedenken aus dem Grund einer offensichtlichen Unrichtigkeit oder einer Überschreitung des eingeräumten Ermessens.
Auf Grund der bindenden Bewertung des Rekursgerichtes und seines Ausspruchs über die Unzulässigkeit eines ordentlichen Revisionsrekurses hängt die Zulässigkeit des Revisionsrekurses davon ab, ob das Rekursgericht in einem Zwischenverfahren nach § 508 ZPO (hier iVm § 528 Abs 2a ZPO und §§ 78 und 402 EO) seinen Zulässigkeitsausspruch abändert. Dies haben die Beklagten infolge ihrer nicht zu teilenden Ansicht über einen 20.000 EUR übersteigenden Streitwert und ein deswegen zustehendes außerordentliches Rechtsmittelrecht bisher noch nicht beantragt. Im angeführten Streitwertbereich fehlt dem Obersten Gerichtshof jede Kompetenz zur Abänderung des Ausspruchs über den Streitwert oder des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs. Diese Anträge sind mangels gesetzlicher Grundlage unzulässig. Ein außerordentlicher Revisionsrekurs wäre zwar ebenfalls unzulässig, das ergriffene Rechtsmittel ist derzeit aber noch nicht zurückzuweisen, weil noch nicht feststeht, dass die Rekurswerberin auf ihrer Rechtsmeinung beharrt und einem Verbesserungsauftrag des Erstgerichtes keinesfalls nachkommen würde (vgl dazu 7 Ob 131/98k; 1 Ob 301/02z mwN). Es sind daher nur die Anträge auf Änderung des Bewertungsausspruchs und des Rechtsmittelzulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen, nicht aber schon das Rechtsmittel selbst (vgl 6 Ob 49/02b). Im angeführten Streitwertbereich ist das Rechtsmittel gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Dies gilt nach der Rechtsprechung auch dann, wenn das Rechtsmittel als "außerordentliches" Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist. Auch dieser darf hierüber nur und erst entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei (6 Ob 51/02x). Hier fehlt dem Rechtsmittel - im Gegensatz zur zitierten Vorentscheidung 6 Ob 49/02b, wo hilfsweise ein Antrag an das Gericht zweiter Instanz gestellt wurde - ein Antrag auf Abänderung des Ausspruchs über die Unzulässigkeit eines ordentlichen Revisionsrekurses (§ 508 Abs 1 ZPO). Ob der Rechtsmittelschriftsatz einer Verbesserung bedarf, obliegt der Beurteilung der Vorinstanzen (1 Ob 206/99x; 3 Ob 186/01a uva). Die Akten sind daher dem Erstgericht zurückzustellen.
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