OGH 6Nc14/08y

OGH6Nc14/08y22.9.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Gitschthaler als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** AG, *****, vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei K***** Gesellschaft m.b.H., *****, Deutschland, vertreten durch Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 15.848,94 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird das Handelsgericht Wien bestimmt.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrt als Leitungswasserversicherer in dem beim Landesgericht Innsbruck anhängigen Verfahren 6 Cg 44/08v von der Beklagten die Bezahlung von 15.848,94 EUR und stützt ihre Ansprüche auf das Produkthaftungsgesetz; die Beklagte habe mit einem fabrikationsbedingten Produktfehler behaftete Kugelhähne geliefert. Da der Leitungswasserschaden im Sprengel des Landesgerichts Innsbruck eingetreten sei, sei dieses nach Art 5 Z 3 EuGVVO sowohl international als auch örtlich zuständig.

Die Beklagte bestreitet die Zuständigkeit des Landesgerichts Innsbruck nicht, beantragt jedoch gemäß § 31a JN die Delegierung der Rechtssache an das Handelsgericht Wien; beide Parteienvertreter hätten ihren Kanzleisitz in Wien, die bereits namhaft gemachten Zeugen müssten ohnehin zureisen, wobei ein Zeuge in Linz und der andere am Sitz der Beklagten in E*****, Deutschland, zu laden seien. In seinem Delegierungsantrag führte der Beklagtenvertreter weiters aus, er habe dem Klagevertreter die Delegierung nach Wien vorgeschlagen; dieser sei damit ausdrücklich einverstanden gewesen und habe den Beklagtenvertreter ermächtigt, dies im Rahmen dieses Schriftsatzes mitzuteilen.

Das Landesgericht Innsbruck befürwortete die Delegierung an das Handelsgericht Wien und legte den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Delegierungsantrag vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

1. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (jüngst 9 Nc 4/07y) geht die vereinfachte Delegierung nach § 31a Abs 1 JN der Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen nach § 31 JN vor (RIS-Justiz RS0107486). Nach § 31a Abs 1 JN obliegt es dem Gericht erster Instanz, die Sache einem anderen Gericht gleicher Art zu übertragen, wenn die Parteien dies spätestens zu Beginn der mündlichen Streitverhandlung übereinstimmend beantragen. Der Gesetzgeber hat mit dieser Regelung dem Grundsatz der Vermeidung überflüssigen Verfahrensaufwands im Falle eines gemeinsamen Antrags der Parteien die Priorität vor den sonst bei der Delegierung nach § 31 JN erforderlichen Zweckmäßigkeitserwägungen eingeräumt (RIS-Justiz RS0046145 [T2]). Das bedeutet, dass § 31a Abs 1 JN im Fall eines noch vor Beginn der mündlichen Streitverhandlung gestellten gemeinsamen Delegierungsantrags - unabhängig von der Begründetheit des Antrags - keinen Raum mehr für Zweckmäßigkeitsprüfungen lässt. Bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen des § 31a Abs 1 JN hat das Gericht erster Instanz im Sinn des Parteienantrags zu entscheiden (RIS-Justiz RS0107459).

2. Im vorliegenden Verfahren hat die Beklagte einen Delegierungsantrag nach § 31a JN gestellt und sich auf das Einverständnis des Klagevertreters berufen; der Beklagtenvertreter formuliert den Antrag sogar ausdrücklich im Namen beider Parteien. Da allerdings der Beklagtenvertreter weder die Klägerin noch deren Rechtsfreundin vertritt, liegt kein formeller Antrag (auch) der Klägerin auf Delegierung nach § 31a Abs 1 JN vor, weshalb das Erstgericht letztlich zu Recht den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung gemäß § 31 Abs 1 und 2 JN vorgelegt hat.

3. Nach § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Eine derartige Delegierung stellt zwar den Ausnahmefall dar und ist abzulehnen, wenn sich die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien lösen lässt oder eine Partei der Delegierung widersprochen hat (Mayr in Rechberger, ZPO³ [2006] § 31 JN Rz 4 mwN).

Da im vorliegenden Verfahren jedoch zwischen den Parteien offensichtlich - der Klagevertreterin wurde der Delegierungsantrag gemäß § 112 ZPO direkt zugestellt, sie hat dagegen keine Einwände erhoben - Einigkeit über die Zweckmäßigkeit der Delegierung der Rechtssache nach Wien besteht und damit an sich auch eine einvernehmliche Delegierung gemäß § 31a Abs 1 JN möglich gewesen wäre, war dem Antrag der Beklagten stattzugeben.

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