OGH 5Ob65/06d

OGH5Ob65/06d27.6.2006

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Veith, Dr. Höllwerth und Dr. Grohmann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Thomas L*****, vertreten durch Dr. Walter Sarg, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Werner L*****, vertreten durch Krall & Kühnl, Rechtsanwälte-Partner in Innsbruck, wegen Feststellung (Streitwert 8.640,12 Euro), über die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 25. November 2005, GZ 4 R 515/05x-15, womit das Urteil des Bezirksgerichts Hall in Tirol vom 26. August 2005, GZ 2 C 177/03g-11, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Kläger ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen die mit 665,66 Euro (darin 110,94 Euro an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten seiner Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 6. 11. 2001 verstarb Bebina L*****, Mutter des Klägers und Gattin des Beklagten, ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung. Auf Grund des Gesetzes sind nach Bebina L***** der beklagte Witwer, der am 1. 9. 1980 geborene Sohn Andreas G*****, die am 17. 2. 1985 geborene Evelyne L***** und der am 25. 5. 1987 geborene Kläger als Erben berufen.

Die Verstorbene und der Beklagte waren Eigentümer je eines halben Mindestanteils der Liegenschaft EZ ***** mit Ehegatten-Wohnungseigentum an der Wohnung W 7 und am PKW-Einstellplatz 7 des Hauses *****.

Zur Zeit des Todes der Bebina L***** war zwischen dieser und dem Beklagten zu 2 C 101/01b des Bezirksgerichts Hall in Tirol ein Scheidungsverfahren anhängig, das die Verstorbene eingeleitet hatte und welches infolge ihres Ablebens gemäß § 460 Z 8 ZPO in Ansehung der Hauptsache als erledigt anzusehen war; hinsichtlich der Prozesskosten führte eine Verlassenschaftskuratorin dieses Verfahren fort und erlangte einen Kostenzuspruch, dem die Erkenntnis zugrunde lag, die Ehe wäre aus dem überwiegenden Verschulden des Beklagten zu scheiden gewesen.

Das Verlassenschaftsverfahren nach Bebina L***** wird zu 1 A 543/01f des Bezirksgerichts Hall in Tirol geführt. Zufolge der damals minderjährigen Gesetzeserben erfolgte dort die Schätzung und Verkehrswertermittlung des unbeweglichen Nachlasses. In der Abhandlungstagsatzung am 29. 11. 2002 erklärte der Beklagte, hinsichtlich des halben Mindestanteils der Verstorbenen „im Sinne des § 14 Abs 3 WEG 2002 bzw. § 10 Abs 3 WEG 1975" das Übernahmsrecht geltend zu machen und er nahm für sich in Anspruch, nur den ermäßigten Übernahmspreis zahlen zu müssen, weil er pflichtteilsberechtigt sei und die Eigentumswohnung der Befriedigung seines dringenden Wohnungsbedürfnisses diene. Die erblichen Kinder hielten dem Beklagten entgegen, es lägen hiefür die gesetzlichen Voraussetzungen nicht vor, weil beim Ableben der Erblasserin ein Scheidungsprozess wegen seines Alleinverschuldens anhängig gewesen und die Erblasserin mit ihrem Scheidungsbegehren erfolgreich gewesen wäre; die Anwachsung nach den vom Beklagten in Anspruch genommenen Bestimmungen des WEG finde dann zufolge § 759 Abs 2 ABGB nicht statt. Der Beklagte bestritt demgegenüber jede Antragslegitimation der - bislang nicht erbserklärten - Kinder. Das Verlassenschaftsgericht sprach mit - rechtskräftigem - Beschluss vom 9. 12. 2002, 1 A 543/01f-52, aus, dass der Mit- und Wohnungseigentumsanteil der Verstorbenen Bebina L***** B-LNR 76 der EZ ***** dem Beklagten zukomme, wobei es von erfolgter Anteilsakkreszenz ausging. Ein Antrag des Beklagten auf Ausstellung einer Amtsurkunde zwecks Verbücherung des ihm zugewachsenen Mindestanteils blieb wegen des fehlenden Pflichtteilsausweises über die Sicherung der Rechte des damals minderjährigen Klägers erfolglos.

Der Kläger begehrte hier die Feststellung, dass dem Beklagten kein gesetzliches Erbrecht und kein Pflichtteilsrecht nach der am 6. 11. 2001 ohne Hinterlassung einer letztwilligen Verfügung verstorbenen Bebina L***** zustehe. Der Kläger stützte sein Begehren auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 759 Abs 2 ABGB und sein Feststellungsinteresse auf den Umstand, dass er aus der Verlassenschaft nach seiner Mutter weniger erhielte, wenn dem Beklagten ein gesetzliches Erbrecht zustehe oder dieser zum begünstigten Personen des § 14 Abs 3 WEG 2002 gehöre. Der Beklagte wandte ein, es fehle dem Kläger als bloß einem von mehreren präsumptiven Erben und mangels Abgabe einer Erbserklärung an der Aktivlegitimation. § 759 Abs 2 ABGB betreffe nur gesetzliches Erbrecht und Voraus, welche Ansprüche der Beklagte bislang nicht geltend gemacht habe. Die Anwachsung nach § 10 Abs 1 WEG 1975 setze ein Erb- oder Pflichtteilsrecht nicht voraus.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der Begründung ab, der Kläger wäre nur gemeinsam mit seinen Geschwistern als den weiteren Erben aktiv klagslegitimiert gewesen.

Das Berufungsgericht bestätigt diese Entscheidung mit der - abweichenden - Begründung, dem Kläger fehle, soweit es die Frage des gesetzlichen Erbrechts betreffe, deshalb die aktive Klagslegitimation, weil er im Verlassenschaftsverfahren bislang keine Erbserklärung abgegeben habe. Soweit sich der Kläger auf seine Stellung als Pflichtteilsberechtigter berufe, stehe ihm die Möglichkeit einer Leistungsklage gegen den Beklagten als Erwerber des erblichen Mit- und Wohnungseigentumsanteils offen.

Die Entscheidung des Berufungsgerichts enthält den Ausspruch, der Wert des Entscheidungsgegenstands übersteige 4.000 Euro, nicht aber 20.000 Euro und die Revision sei zulässig, weil zur „Frage des rechtlichen Interesses an der Feststellung über den Verlust des Erbrechtes im Sinn des § 759 Abs 2 ABGB (vor allem in Bezug auf die dem Pflichtteilsrecht und den wohnungseigentumsrechtlichen Bestimmungen entspringenden Ansprüche) an höchstgerichtlicher Judikatur (fehle)".

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem Ausspruch des Berufungsgerichts, an den der Oberste Gerichtshof nicht gebunden ist (§ 508a Abs 1 ZPO), ist die Revision des Klägers deshalb unzulässig, weil dieser keine Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend macht:

1. Soweit das Berufungsgericht die aktive Klagslegitimation des Klägers im Hinblick auf sein gesetzliches Erbrecht mit der Begründung verneinte, er habe im Verlassenschaftsverfahren (noch) keine Erbserklärung abgegeben, tritt der Kläger diesem Argument in der Revision nicht entgegen; auf diese Rechtsfrage ist daher nicht einzugehen (5 Ob 261/01w; RIS-Justiz RS0102059).

2. Soweit sich der Kläger ganz generell auf seine Stellung als Pflichtteilsberechtigter beruft, ist davon auszugehen, dass es sich beim Recht auf den Pflichtteil um eine obligatorische Geldforderung handelt (3 Ob 218/00f; RIS-Justiz RS0012871 [T1 und T6]), und der Anspruch auf Zahlung des Pflichtteils bis zur Einantwortung gegen den Nachlass geltend zu machen ist (RIS-Justiz RS0012848); bis dahin kommt eine persönliche Inanspruchnahme der (Mit-)Erben nicht Frage (RIS-Justiz RS0008301). Die vom Kläger behauptete Stellung als Pflichtteilsberechtigter kann daher vor der - bislang nicht erfolgten - Einantwortung keine (Feststellungs-)Klage gegen einen (präsumptiven) Erben rechtfertigen.

3.1. Im Übrigen stellte der Kläger die Anwachsung des erblichen Mit- und Wohnungseigentumsanteil beim Beklagten schon in seiner Berufung nicht grundsätzlich in Frage, sondern ging gerade von erfolgter Anteilsakkreszenz aus (S. 2 in ON 12). Er begründet sein Feststellungsinteresse in diesem Zusammenhang damit, es „(stehe) noch nicht fest, ob sich die Zahlungsverpflichtung des Beklagten nach § 10 Abs 2 oder Abs 3 WEG 1975 (richte)" und gehe man von der Anwendbarkeit des WEG 2002 aus „(könne) sich der Beklagte als Nicht-Pflichtteilsberechtigter auf die Privilegierung des § 14 Abs 3 WEG 2002 nicht berufen". In all diesen Fällen komme - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - eine Leistungsklage deshalb nicht in Frage, weil der Beklagte den Mit- und Wohnungseigentumsanteil der Verstorbenen mangels Eintragung im Grundbuch noch nicht erworben habe.

3.2. Der Beklagte verkennt, dass die Akkreszenz sowohl nach § 10 Abs 1 WEG 1975 (Markl in Schwimann² § 10 WEG 1975 Rz 2; ders, Die rechtliche Stellung von Ehegatten im Wohnungseigentumsrecht, 164 je mwN; vgl RIS-Justiz RS0082946) als auch nach § 14 Abs 1 WEG 2002 „unmittelbar ins Eigentum" erfolgt, ohne dass es eines besonderen Erwerbungsaktes bedürfte und der Verbücherung nur deklarative Bedeutung zukommt (Gantner in Hausmann/Vonkilch, Österr. Wohnrecht, § 14 WEG 2002 Rz 15). Die bislang nicht erfolgte Verbücherung der Anteilsakkreszenz kann daher eine mangelnde Fälligkeit daraus resultierender Leistungspflichten des Anwachsungsberechtigten nicht begründen und damit auch einer Leistungsklage nicht entgegen stehen.

3.3. Für den Fall erfolgter Anwachsung sind die Rechtsfolgen nach § 10 WEG 1975 bzw § 14 WEG 2002 im Übrigen schon im Gesetz klar vorgezeichnet:

3.3.1. Erwirbt der überlebende Ehegatte auf Grund des Zuwachses den Anteil des Verstorbenen, so tritt gemäß § 10 Abs 2 WEG 1975 an die Stelle dieses Anteils die Forderung der Verlassenschaft - und nicht der präsumptiven Erben oder Pflichtteilsberechtigten - gegen den überlebenden Ehegatten auf Zahlung eines Übernahmspreises. Diente die Wohnung dem überlebenden Ehegatten zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses und zu seinem gewöhnlichen Aufenthalt, so schuldet dieser gemäß § 10 Abs 3 WEG 1975 den Pflichtteilsberechtigten des Verstorbenen einen Geldbetrag, der den vom Übernahmspreis im Sinn des § 10 Abs 2 WEG 1975 zu errechnenden Pflichtteilsansprüchen entspräche. Ein der Leistungsklage des Pflichtteilsberechtigten entgegen stehendes Hindernis ist im letztgenannten Fall nicht zu erkennen.

3.3.2. Wollte man - trotz Anwachsung noch vor Geltung des WEG 2002 - von der Anwendbarkeit des § 14 WEG 2002 ausgehen, dann hat nach dessen Abs 2 der überlebende Partner, der den Anteil des Verstorbenen gemäß § 14 Abs 1 Z 1 WEG 2002 erwirbt, wiederum der Verlassenschaft - und nicht den präsumptiven Erben oder Pflichtteilsberechtigten - die Hälfte des Verkehrswerts des Mindestanteils zu zahlen. Ist der überlebende Partner ein Pflichtteilsberechtigter des Verstorbenen und war Gegenstand des gemeinsamen Wohnungseigentums eine Wohnung, die dem Überlebenden zur Befriedigung seines dringenden Wohnbedürfnisses dient, so hat gemäß § 14 Abs 3 WEG 2002 der überlebende Partner wiederum den anderen Pflichtteilsberechtigten jenen Betrag zu bezahlen, der den Pflichtteilsansprüchen der anderen in Bezug auf den halben Verkehrswert im Sinne des § 14 Abs 2 WEG 2002 - unter Berücksichtigung auch des übrigen Nachlasses - entspräche. Auch in diesem Fall stünde einer Leistungsklage, bei der alle maßgeblichen Anwendungsvoraussetzungen des § 14 Abs 3 WEG 2002 als Vorfragen zu klären wären, kein Hindernis entgegen, was mangels erkennbarer weitergehender Rechtswirkungen eine Feststellungsklage ausschließt (vgl RIS-Justiz RS0039021).

Da der Kläger in seiner Revision keine Fall erheblichen Rechtsfragen geltend macht, ist sein Rechtsmittel unzulässig und zurückzuweisen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Der Beklagte hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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