OGH 5Ob51/14g

OGH5Ob51/14g30.6.2014

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Lovrek, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer als weitere Richter in der beim Bezirksgericht Melk zu AZ 5 C 428/13p anhängigen Rechtssache der klagenden Partei H*****, vertreten durch Dr. Helmut Steiner, Dr. Thomas Weber, Mag. Gerald Hegenbart und Mag. Claus Steiner, Rechtsanwälte in Baden, gegen die beklagte Partei Mag. M*****, vertreten durch Dr. Peter Resch, Rechtsanwalt in St. Pölten, wegen Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft (5.377,77 EUR), über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 13. Februar 2014, GZ 11 Nc 1/14b‑2, womit der Delegierungsantrag der beklagten Partei an das Bezirksgericht Favoriten abgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0050OB00051.14G.0630.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 373,68 EUR (darin 62,28 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Begründung

Die Beklagte stellte in dem gegen sie geführten Verfahren auf Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an einer im Sprengel des angerufenen Erstgerichts gelegenen Liegenschaft nach bereits mehrfach und beidseits erfolgtem Schriftsatzwechsel, Durchführung der vorbereitenden Tagsatzung sowie Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens den Antrag (ON 21) auf Delegierung des beim Bezirksgericht Melk anhängigen Verfahrens an das Bezirksgericht Favoriten. Sie brachte dazu vor, die Klägerin sei 88 Jahre, sie selbst 81 Jahre alt. Beide seien wegen ihres Gesundheitszustands bei der Anreise an das Bezirksgericht Melk auf fremde Hilfe angewiesen. Zudem sei die Verbindung mit einem auf die Herausgabe von Schlüsseln (‑ auch jener, die den Zutritt zur hier streitverfangenen Liegenschaft gewährten ‑) vor dem Bezirksgericht Favoriten geführten Verfahren zweckmäßig. Außerdem liege keine bloße Miteigentümer‑, sondern Erbteilungsklage vor.

Die Klägerin trat dem Delegierungsantrag entgegen, weil das Verfahren zur Herausgabe von Schlüsseln in das Außerstreitverfahren verwiesen worden und beiden Parteien trotz ihres hohen Alters und trotz schlechter klimatischer Verhältnisse Anreise und Teilnahme an der Befundaufnahme in Kilb möglich gewesen sei.

Das zuständige Bezirksgericht Melk sprach sich ebenso gegen eine Delegierung aus, da bereits ein Sachverständigengutachten eingeholt worden sei und das Bezirksgericht Melk jedenfalls gemäß § 104 Abs 3 JN durch rügelose Einlassung der Beklagten zuständig geworden sei.

Das gemäß § 31 Abs 1 JN gemeinsam übergeordnete Oberlandesgericht Wien wies den Antrag ab.

Es ging zusammengefasst davon aus, dass es sich im vorliegenden Fall um keine Erbteilungsklage, sondern eine solche auf Aufhebung einer Gemeinschaft des Eigentums an eine Liegenschaft, die auch gar nicht zur Gänze in den Nachlass gefallen sei, handle, wofür das angerufene Erstgericht gemäß § 81 Abs 1 JN zuständig sei, vor dem sich die Beklagte auch (rügelos) eingelassen habe. Außerdem sei eine Verbindung des Teilungsverfahrens mit dem beim Bezirksgericht Favoriten noch anhängigen Herausgabeverfahren weder geboten noch zweckmäßig und würde dem Beschleunigungsgedanken zuwiderlaufen. Das Interesse der Klägerin an einer raschen Beendigung des bereits weit gediehenen Verfahrens überwiege. Diese nähme ihrerseits die Anreise an das Bezirksgericht Melk bereitwillig auf sich. Abgesehen von der Gutachtenserörterung und der Parteienvernehmung sei nach der Aktenlage allenfalls noch der von der Beklagten beantragte und im Sprengel des Bezirksgerichts Melk stattfindende Ortsaugenschein durchzuführen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Beklagten erhobene Rekurs.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig (Mayr in Rechberger 4 § 31 JN Rz 6 mwN), aber nicht berechtigt.

Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Gemäß § 31 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden.

Die Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Prozesses, zur Erleichterung des Gerichtszugangs für die Beteiligten sowie der Amtstätigkeit beitragen kann (RIS‑Justiz RS0046333 [T1]). Für eine Delegierung kann auch die Möglichkeit sprechen, mehrere gleich gelagerte Rechtssachen bei einem Gericht zu verbinden (RIS‑Justiz RS0046528).

Es muss aber die Übertragung der Zuständigkeit im Interesse beider Parteien liegen (RIS‑Justiz RS0046471); kann die Frage der Zweckmäßigkeit nicht eindeutig zugunsten beider Parteien beantwortet werden und widerspricht eine von ihnen, so ist von der Delegierung abzusehen (RIS‑Justiz RS0046589, RS0046455). Sie muss ein Ausnahmefall sein, weil eine allzu großzügige Anwendung des § 31 JN zu einer unvertretbaren Lockerung der Zuständigkeitsordnung führen würde (RIS‑Justiz RS0046441). Keinesfalls soll durch eine großzügige Handhabung der Delegierungsmöglichkeiten eine faktische Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung hervorgerufen werden (RIS‑Justiz RS0046589 ua). In diesem Sinn wurde eine Delegierung aus Zweckmäßigkeitsgründen abgelehnt, obwohl eine Partei vorbrachte, aus gesundheitlichen Gründen wegen ständiger Krankheit leichter zum delegierten Gericht kommen zu können (RIS‑Justiz RS0046203 [T2]).

Die Klägerin ist zur erneuten Anreise vor das Bezirksgericht Melk bereit. Die Beklagte war, obwohl ihr persönliches Erscheinen dabei nicht notwendig gewesen wäre, bei der Befundaufnahme durch den Sachverständigen auf der im Sprengel des Bezirksgerichts Melk gelegenen Liegenschaft anwesend. Alle Amtsräume des Bezirksgerichts Melk sind barrierefrei erreichbar. Videokonferenzanlagen sind in beiden Gerichten vorhanden. Technische oder sonstige besondere Gründe, die einer Vernehmung der Parteien per Videokonferenz entgegenstehen würden, sind aus dem Akt nicht ersichtlich. Damit bestehen auch für eine wesentliche Verfahrensbeschleunigung oder Kostenreduzierung keine Anhaltspunkte, zumal das Bezirksgericht Melk in dieser Rechtssache bereits verhandelt hat, ein Gutachten schon eingeholt wurde und dessen Ergänzung begehrt wurde. Nach wie vor ist der im Sprengel des Bezirksgerichts Melk abzuhaltende Ortsaugenschein beantragt. Die Behauptung, dessen Durchführung sei nur für den Fall begehrt worden, dass das Gericht keinen Sachverständigen bestelle, entspricht nicht der Aktenlage (vgl ON 8).

Auf dieser Grundlage ist die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden.

Ihren (im Rechtsmittel sogar vorrangig und schwerpunktmäßig argumentierten) Standpunkt, für das Verfahren sei, weil es sich in Wahrheit um eine Erbteilungsklage handle, das Bezirksgericht Favoriten zuständig, hätte die Beklagte im Wege des Einwands der Unzuständigkeit durchsetzen müssen, anstatt sich dazu rügelos in den Rechtsstreit einzulassen (§ 104 Abs 3 JN). Eine Abgrenzung zur im Rekurs für ihren Standpunkt reklamierten Entscheidung 2 Ob 123/07p samt dem dort zur Beurteilung anstehenden Sachverhalt (Teilungsklage bereits vor Rechtskraft der Einantwortung im Verlassenschaftsverfahren) bedarf es somit nicht.

Insgesamt kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass Zweckmäßigkeitsgründe eindeutig für die Delegierung sprechen würden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 iVm § 41 Abs 1 ZPO. Im Verfahren über einen Delegierungsantrag sind, soweit § 31 JN keine Sonderregelungen enthält, die Regelungen jenes Verfahrens anzuwenden, dessen Delegierung beantragt wird (RIS‑Justiz RS0043970 [T1]). Daher ist das Rekursverfahren nach § 521a ZPO idF der ZVN 2009 zweiseitig (RIS‑Justiz RS0119172 [T1]).

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