Spruch:
Dem Revisionsrekurs des Neuntantragstellers wird Folge gegeben.
Die Sachbeschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsrekurses sind als Kosten des weiteren Verfahrens zu behandeln.
Text
Begründung
Die Parteien sind die Mit- und Wohnungseigentümer der Liegenschaft EZ ***** GB *****. Auf dieser Liegenschaft befinden sich das Haus A*****straße ***** (Stiege 24) und das Haus Rudolf H*****-Gasse ***** (Stiege 25) mit jeweils 42 Wohnungseigentumsobjekten. Die Antragsteller sind die Wohnungseigentümer der im Erdgeschoß des Hauses A*****straße ***** gelegenen Wohnungen 1 bis 4 und 6 bis 9.
Die Antragsteller begehren
1. die Neufestsetzung des die Liftkosten betreffenden Aufteilungsschlüssels gemäß § 32 Abs 5 WEG 2002 dahin, dass die Antragsteller mit den durch den Liftbetrieb und die Erhaltung der Liftanlagen verbundenen Aufwendungen nicht belastet werden, in eventu der von den Antragstellern zu tragende Kostenanteil erheblich herabgesetzt werde, und
2. die Bildung einer gesonderten Abrechnungseinheit betreffend die Liftkosten.
Die Antragsteller brachten - zusammengefasst - vor, im Wohnungseigentumsvertrag sei der gesetzlichen Regelung folgend vorgesehen, dass die Kosten für den Betrieb des Lifts entsprechend den Miteigentumsanteilen zu tragen seien. Diese Aufteilung sei unbillig, weil hinsichtlich ihrer im Erdgeschoß gelegenen Wohnungen eine sinnvolle Liftnutzung nicht möglich sei. Durch den zwischenzeitig erfolgten Umbau der Liftanlagen habe sich auch eine signifikante Änderung ihrer Nutzbarkeit ergeben. Für die Antragsteller sei eine Beteiligung an den Liftkosten im Ausmaß von maximal 20 % akzeptabel.
Die (einschreitenden) Antragsgegner beantragten Antragsabweisung. Im Wohnungseigentumsvertrag sei insbesondere betreffend ein Geschäftslokal eine vom Gesetz abweichende Regelung getroffen worden. Im Übrigen sei die Beteiligung der Antragsteller an den Liftkosten nicht unbillig, könnten diese doch den Lift zur Beförderung von Gegenständen in ihre Abstellräume verwenden und der Lift diene auch zu Fahrten im Zusammenhang mit der Versorgung, Erhaltung und Betreuung des Hauses.
Das Erstgericht hat mit seinem Sachbeschluss die Sachanträge der Antragsgegner abgewiesen. Es traf nähere Feststellungen zur Beschaffenheit der Wohnungseigentumsanlage, zur Situierung der Wohnungseigentumsobjekte und zu den Möglichkeiten der Benützung der Liftanlagen insbesondere durch die Antragsteller. Weiters stellte das Erstgericht den Inhalt des Vertragspunkts „§ 10", der in dem von sämtlichen seinerzeitigen Wohnungseigentumserwerbern in der Zeit von 1975 bis 1979 unterfertigten Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags enthalten war, wie folgt fest:
„Hinsichtlich der Aufwendungen vereinbaren die Käufer folgendes:
Der jeweils mit Majoritätsbeschluss der Liegenschaftseigentümer bestellte Verwalter wird die mit der Liegenschaft verbundenen Aufwendungen pro Kalenderjahr im vorhinein schätzen und in monatlichen Raten vorschreiben, welche bar und abzugsfrei bis zum fünften eines jeden Monats zu entrichten sind.
Zu den Aufwendungen der Liegenschaft gehören insbesondere:
a) die Rückzahlungsraten an die Darlehensgeber,
b) die Betriebskosten ...
c) der Verwaltungskostenbeitrag ...
d) der Beitrag zur Rücklage (Instandhaltungsfonds) ...
Die unter lit. a) genannten Aufwendungen werden von den Käufern im Verhältnis der Nutzfläche auf Basis Endabrechnung des Bauvorhabens, die unter lit. b) und d) genannten, sowie alle sonstigen - hier nicht genannten - Aufwendungen im Verhältnis der Miteigentumsanteile und der unter lit. c) genannte Aufwand pro Wohnungseigentumseinheit.
An den Betriebskosten für Aufzug und Waschküche beteiligt sich der jeweilige Eigentümer des Geschäftslokals, der derzeit „Miag" Milchindustrie- und Agrargesellschaft m.b.H., nicht.
Die Verrechnungsschlüssel sind im Grundbuch anzumerken.
...".
Diese Vereinbarung wurde gleichzeitig mit der Einverleibung des Wohnungseigentums auch im Grundbuch unter C-LNR 14 als Vereinbarung über die Aufteilung gemäß § 19 WEG 1975 angemerkt.
Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, § 10 des Wohnungseigentumsvertrags enthalte die Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels betreffend die Liftkosten, welche den jeweiligen Eigentümer des Geschäftslokals von der Kostentragung ausnehme. Auf diese aus 1978 stammende Vereinbarung sei § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 anzuwenden gewesen. Danach sei Voraussetzung für die Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung (ua) gewesen, dass die Verteilung der Aufwendungen nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten erfolgt sei. Der Oberste Gerichtshof habe in 5 Ob 255/04t (= MietSlg 57.518 = immolex 2005/149, 342) ausgesprochen, dass in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 19 WEG 1975 fallende Vereinbarungen nach der damaligen Rechtslage, also inhaltlich dahin zu prüfen seien, ob sie tatsächlich dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten entsprächen. Fraglich sei allerdings, wie die genannte Entscheidung mit § 56 Abs 13 WEG 2002 zu vereinbaren sei, welche Bestimmung eine Beurteilung der Vereinbarung nach dem Wohnungseigentumsgesetz 2002 vorsehe. Bei der Vereinbarung eines von den Nutzwerten abweichenden Aufteilungsschlüssels handle es sich überdies um ein Dauerschuldverhältnis, für welches im Allgemeinen eine Rückabwicklung mit Wirkung ex tunc nicht in Betracht komme, was gegen die Annahme einer Nichtigkeit der seinerzeitigen Vereinbarung spreche. Im Fall einer bei In-Kraft-Treten des Wohnungseigentumsgesetzes 2002 noch nicht angefochtenen Regelung über einen abweichenden Aufteilungsschlüssel sei daher jedenfalls von einer wirksamen Vereinbarung auszugehen, deren rechtliches Schicksal sich gemäß § 56 Abs 13 WEG 2002 nach den Bestimmungen dieses Gesetzes richte. Liege eine gültige Vereinbarung über einen abweichenden Verteilungsschlüssel vor, komme es darauf an, ob seither eine wesentliche Änderung der objektiven Nutzungsmöglichkeit eingetreten sei. Dies sei aber trotz zwischenzeitig neu errichteter Liftausstiege zu verneinen, sodass die seinerzeitige Vereinbarung weiterhin bindend sei und daher weder ein neuer Aufteilungsschlüssel noch gesonderte Abrechnungseinheiten in Frage kämen. Die Begehren der Antragsteller seien daher abzuweisen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Neuntantragstellers nicht Folge. Der Ansicht des Erstgerichts, wonach § 10 des Kauf- und Wohnungseigentumsvertrags eine von der gesetzlichen Kostentragungsregel abweichende Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer beinhalte, sei beizupflichten, müsse sich doch der jeweilige Eigentümer des Geschäftslokals nicht an den Betriebskosten für Aufzug und Waschküche beteiligen. Auf Basis der seinerzeitigen Gesetzeslage (§ 19 Abs 2 Z 2 WEG 1975) seien nach 5 Ob 255/04t (= MietSlg 57.518 = immolex 2005/149, 342) Vereinbarungen gemäß § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975, selbst wenn sie einstimmig zustande gekommen seien, immer einer inhaltlichen Prüfung nach § 19 Abs 2 Z 2 WEG 1975 danach zu unterziehen gewesen, ob sie tatsächlich dem Verhältnis der Nutzungsmöglichkeiten entsprachen. In dieser Entscheidung habe sich der Oberste Gerichtshof aber nicht mit der Übergangsbestimmung des § 56 Abs 3 WEG 2002 auseinandergesetzt. Nach dieser Bestimmung sei das Wohnungseigentumsgesetz 2002 ua auch auf die vor dem 1. 7. 2002 zwischen Wohnungseigentümern geschlossenen Rechtsgeschäfte anzuwenden. Es erscheine daher vertretbar, diese Übergangsbestimmung auch auf den vorliegenden Sachverhalt und damit inhaltlich § 32 Abs 2 und Abs 5 WEG 2002 anzuwenden. Bei einer vorliegenden Vereinbarung sämtlicher Wohnungseigentümer über eine von der gesetzlichen Regelung abweichenden Kostentragungsregel sei jedoch nur dann eine Neufestsetzung des Aufteilungsschlüssels möglich, wenn sich seit dieser Vereinbarung die Nutzungsmöglichkeiten wesentlich geändert hätten. Die zwischenzeitig erfolgte Errichtung zusätzlicher Liftausstiege habe aber nur zur bequemeren Erreichbarkeit bestimmter, schon bisher vom Lift erschlossener Wohnungen geführt, sodass es zu keiner Veränderung der Nutzungsfrequenz der Aufzüge und insgesamt zu keiner wesentlichen Änderung der Möglichkeit der Liftnutzung gekommen sei. Der Rekurs sei daher nicht berechtigt.
Die Entscheidung des Rekursgerichts enthält den Ausspruch, der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil hier entscheidend sei, ob § 19 WEG 1975 aF oder § 32 Abs 2 und Abs 5 WEG 2002 anzuwenden sei, und der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 255/04t nicht zur Übergangsbestimmung des § 56 Abs 13 WEG 2002 Stellung genommen habe.
Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs des Neuntantragstellers, der - erschließbar - die Stattgebung der Sachanträge anstrebt.
Die Antragsgegner erstatteten keine Revisionsrekursbeantwortung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil die Vorinstanzen von der Entscheidung des erkennenden Senats 5 Ob 255/04t (= MietSlg 57.518 = immolex 2005/149, 342) abgewichen sind; der Revisionsrekurs ist im Sinn der beschlossenen Aufhebung auch berechtigt.
1. Der erkennende Senat teilt den Rechtsstandpunkt der Vorinstanzen, wonach § 10 des Wohnungseigentumsvertrags (namentlich in Bezug auf die Liftkosten) einen vom Gesetz (Tragung der Aufwendungen für die Liegenschaft nach dem Verhältnis der Anteile) abweichenden Verteilungsschlüssel enthält. Substanzielle Einwendungen gegen diese Ansicht trägt der Neuntantragsteller in seinem Revisionsrekurs nicht vor.
2. Nach § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 StF konnte ein vom Gesetz abweichender Verteilungsschlüssel von der Mehrheit der Miteigentümer hinsichtlich der Aufwendungen für Anlagen, die nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen, wie etwa für einen Personenaufzug, nach dem Verhältnis ihrer unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit vereinbart werden. Der erkennende Senat hat - zu einem im zeitlichen Konnex vergleichbaren Fall - in 5 Ob 255/04t (= MietSlg 57.518 = immolex 2005/149, 342) ausgesprochen, dass die Rechtsfolgen einer solchen Vereinbarung nach dem im Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden § 19 WEG 1975 zu prüfen seien (vgl RIS-Justiz RS0008715). Es konnte aber nach der damals in Geltung gestandenen Gesetzeslage eine Vereinbarung über die Verteilung der Aufwendungen für einen Personenaufzug nur dann - wirksam - abgeschlossen werden, wenn sie der objektiven Nutzungsmöglichkeit entsprach. Dies ist aber hier nach den Feststellungen des Erstgerichts und auch nach - zutreffender - Meinung beider Vorinstanzen nicht der Fall. Lag aber keine im Lichte des § 19 WEG 1975 wirksame Vereinbarung vor, dann ist auch § 56 Abs 13 WEG 2002 insoweit nicht anwendbar und es kann dieser Übergangsbestimmung jedenfalls nicht der Zweck unterstellt werden, vormals unwirksame Vereinbarung sanieren zu wollen.
3. Mangels einer wirksamen Vereinbarung eines abweichenden Aufteilungsschlüssels kann auch der von den Vorinstanzen angenommene Abweisungsgrund einer seither fehlenden wesentlichen Änderung der Nutzungsmöglichkeit nicht zum Tragen kommen. Da hier aber nach den erstgerichtlichen Feststellungen und auch nach - richtiger - Ansicht der Vorinstanzen hinsichtlich der Verwendung des Lifts erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeiten vorliegen (vgl dazu etwa RIS-Justiz RS0083087), wird das Begehren nach einem abweichenden Aufteilungsschlüssel grundsätzlich als berechtigt anzusehen sein. Um die Parteien von der Rechtsansicht des erkennenden Senats nicht zu überraschen und allen die Möglichkeit einzuräumen, eigene Nutzungsbeschränkungen geltend zu machen, wird die nunmehr dargelegte Rechtslage vom Erstgericht noch mit den Parteien zu erörtern sein. Die Aufhebung der Sachbeschlüsse der Vorinstanzen ist auch deshalb unumgänglich, weil sich diese infolge abweichender Rechtsansicht mit dem weiteren Begehren nach Bildung einer gesonderten Abrechnungseinheit inhaltlich nicht auseinandergesetzt haben (zum Unterschied zwischen Aufteilungsschlüssel und Abrechnungseinheit vgl etwa RIS-Justiz RS0122484; ferner RS0109167; materiell zur Bildung gesonderter Abrechnungseinheiten vgl RIS-Justiz RS0109170).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG, § 52 Abs 2 WEG 2002.
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