OGH 5Ob255/04t

OGH5Ob255/04t10.5.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann, Dr. Hurch, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Emilie C*****, vertreten durch Mag. Christian Wolf, Österreichischer Mieter- und Wohnungseigentümerbund, 1010 Wien, Biberstraße 7, gegen die Antragsgegner 1. Anneliese K*****, 2. Dr. Wolfgang S*****, 3. Brigitte S*****, 4. Hermine S*****, 5. Lieselotte S*****, 6. Irene P*****, 7. Silvia K*****, 8. Isabella S*****, 9. Mag. Ulrike S*****,

10. Marialuise M*****, 11. Mag. Dr. Christine S*****, 12. Mag. Annemarie W*****, 13. Susanne G*****, 14. Emmerich G*****, 15. Leopoldine S*****, 16. Kurt B*****, 17. Heinz S*****, 18. Mag. Ing. Johann E*****, 19. Dipl. Ing. Arnold W*****, 20. Wolfgang B*****, 21. Andrea B*****, 22. Leopold M*****, 23. Karl O*****, 24. Maria O*****,

25. Erna P*****, 26. Lisabeth W*****, 27. Alfred B*****, 28. Renate B***** 29. Johann D*****, 30. Berta D*****, 31. Martina S*****, 32. Jozo P*****, 33. Robert R*****, 34. Hanna R*****, 35. Terezia C*****,

36. Ellen W*****, 37. Friedrich W*****, 38. Christine M*****, 39. Dr. Peter B*****, 40. Irmgard B*****, 2., 4., 5., 9., 11., 16., 17., 19. bis 24., 33., 34., 38. bis 40. Antragsgegner vertreten durch die 3. Antragsgegnerin wegen § 32 Abs 5 iVm § 52 WEG 2002, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 20. Juli 2004, GZ 40 R 56/04p-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Hernals vom 5. August 2003, GZ 4 Msch 10023/02x-16, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Parteien sind Wohnungseigentümer, die Wohnhausanlage besteht aus mehreren Stiegen. Die Wohnung der Antragstellerin liegt im Erdgeschoß des Hauses Stiege 2. Ihr Kellerabteil befindet sich auf der gleichen Stiege. In den Häusern Stiege 2 und Stiege 3 befinden sich im Keller auch noch Gemeinschaftsanlagen, nämlich 2 Waschküchen und 2 Trockenräume. Die Gemeinschaftsanlagen können von allen Wohnungseigentümern benützt werden. Der Lift im Haus Stiege 2 hält jeweils im Halbstock. Wollte die Antragstellerin mit dem Aufzug in den Keller fahren, müsste sie hiezu 10 bis 12 Stufen in den Halbstock hinaufgehen, ein Stockwerk hinunterfahren und dann wieder einige Stufen zu Fuß hinunter gehen. Der Lift im Haus Stiege 3 hält in den Stockwerken direkt, also auch im Erdgeschoß. Da die Häuser Stiege 2 und Stiege 3 miteinander verbunden sind, kann die Antragstellerin vom Haus Stiege 2 über den Hof zum Haus Stiege 3 gehen und dort den Lift direkt in den Keller benutzen. Hiezu muss sie eine Tür auf- und zusperren.

Die Aufteilung der Betriebskosten und der Kosten der Waschküche erfolgt nach einem Prozentschlüssel, der im Wohnungseigentumsvertrag angeführt ist und auf dem Quadratmeterschlüssel nach dem WBFG 1968 beruht. Die Aufteilung der Instandhaltungskosten erfolgt laut Wohnungseigentumsvertrag nach Quadratmeter.

Die Antragstellerin begehrt nun, gegenüber den Antragsgegnern festzustellen, dass die Betriebskostenbeiträge für die Instandhaltungskosten der Aufzugsanlage ab Antragstellung nach dem Verhältnis der unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten zu erfolgen habe. Für die Antragstellerin gebe es keine objektiven Nutzungsmöglichkeiten für die Aufzugsanlage.

Die Antragsgegner beantragen die Antragsabweisung mit der Begründung, dass die Antragstellerin die Aufzugsanlage sowohl im Haus Stiege 2 als auch in jenem Stiege 3 benützen könne.

Das Erstgericht wies den Antrag ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, dass die Antragstellerin eine objektive Nutzungsmöglichkeit habe, da sie den Wasch- und Trockenraum sowohl im Haus Stiege 3 als auch in dem Stiege 2 (letzteren bequemer) erreichen könne. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und vertrat im Wesentlichen die Rechtsansicht, dass für die Antragstellerin die Aufzugsanlage objektiv nutzbar sei und auch in Anbetracht der vom Erstgericht festgestellten Wege zweckmäßig genutzt werden könne. Ihre Nutzungsmöglichkeit falle gegenüber der Nutzungsmöglichkeit anderer Wohnungseigentümer des Hauses ins Gewicht. Differenzierungen im Zehntelbereich seien weder vom Gesetzgeber intendiert noch zweckmäßig. Bloß unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit rechtfertige keinen abweichenden Verteilungsschlüssel. Eine erheblich unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit liege hier nicht vor. Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, da die Festsetzung eines besonderen Aufteilungsschlüssels eine Ermessungsentscheidung sei, der keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Antragstellerin mit einem Abänderungsantrag, in eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Antragsgegner erstatteten trotz Freistellung durch den Obersten Gerichtshof keine Revisionsrekursbeantwortung.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, er ist auch im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.

Auf die von der Revisionsrekurswerberin dargelegte Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist schon deshalb nicht weiter einzugehen, da der für die Entscheidung der aufgeworfenen Rechtsfrage notwendige Sachverhalt bereits ausreichend geklärt ist und es einer Verbreiterung der Tatsachengrundlage in der von der Antragstellerin begehrten Hinsicht nicht bedarf.

Im Verfahren wurde amtswegig erhoben, wie die Betriebskosten und Instandhaltungskosten aufgeteilt werden. Das Erstgericht stellte entsprechend dem Schreiben der Hausverwaltung ON 13 die Vereinbarung der Wohnungseigentümer im Wohnungseigentumsvertrag (Juli/August 1979) fest. Die Rechtsfolgen dieser Vereinbarung sind nach dem im Zeitpunkt ihres Abschlusses geltenden § 19 WEG 1975 zu prüfen (vgl 5 Ob 78/00g, 6 Ob 16/01y; RIS-Justiz RS0008715).

Nach § 19 Abs 1 WEG 1975 konnte ein vom Gesetz (Tragung der Aufwendungen für die Liegenschaft nach dem Verhältnis der Anteile) abweichender Verteilungsschlüssel

Gemäß Z 1 von der Mehrheit der Miteigentümer hinsichtlich der Aufwendungen für Anlagen, die nicht allen Miteigentümern verhältnismäßig zugute kommen, wie etwa für einen Personenaufzug oder eine Sammelheizung, nach dem Verhältnis ihrer unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeit und Gemäß Z 2 von allen Miteigentümern hinsichtlich einzelner oder aller sonstiger Aufwendungen für die Liegenschaft und der Beiträge zur Rücklage vereinbart werden; diese Vereinbarungen bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Schriftform.

Jeder Miteigentümer konnte dann nach § 19 Abs 2 WEG 1975 die Entscheidung des Gerichtes darüber verlangen, ob

(Z 1) eine geschlossene Vereinbarung zulässig ist,

(Z 2) der Verteilungsschlüssel für Anlagen nach § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 aufgrund des Verhältnisses der Miteigentumsanteile oder einer hievon abweichenden Vereinbarung der Mehrheit der Miteigentümer dem Verhältnis der Nutzungsmöglichkeit entspricht.

Dies bedeutet, dass Vereinbarungen nach § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975, selbst wenn sie einstimmig zustande gekommen sein sollten, immer einer inhaltlichen Prüfung nach § 19 Abs 2 Z 2 WEG 1975 dergestalt zu unterziehen waren, ob sie tatsächlich dem Verhältnis der Nutzungsmöglichkeit entsprachen (Fastenberger/Barta/Call, § 19 WEG, Rz 76; Würth in Rummel II² § 19 WEG, Rz 4). Wie sich aus dem Gesetzestext ergibt (Argument: „sonstige" Aufwendungen) sind nämlich Aufwendungen iSd § 19 Abs 1 Z 1 WEG 1975 nicht auch von § 19 Abs 1 Z 2 WEG 1975 umfasst. Unter § 19 Abs 1 Z 1 WEG sind alle solchen technischen Einrichtung gemeint, deren unterschiedliche Nutzungsmöglichkeit objektiv vorliegt, wie zB bei dem vom Gesetz selbst genannten Personenaufzug (Würth aaO Rz 2, Fastenberger/Barta/Call, aaO, Rz 70). Es konnte also nach der damals in Geltung gestandenen Gesetzeslage eine Vereinbarung über die Verteilung der Aufwendungen für einen Personenaufzug nur dann wirksam abgeschlossen werden, wenn sie der objektiven Nutzungsmöglichkeit entsprach. Dies ist aber nach den Feststellungen des Erstgerichtes hier nicht der Fall.

Der Oberste Gerichtshof hat, worauf die Revisionsrekurswerberin zu Recht verweist, bereits in der Entscheidung 5 Ob 2423/96a ausgesprochen, dass die Nutzungsmöglichkeit für einen Wohnungseigentümer sehr gering ist, wenn er den Wasch- und Trockenraum mit dem Lift nur unter Überwindung von mehreren Stufen erreichen kann. Ein Kellerraum (mit Waschgelegenheit und technischen Anlagen) werde typischerweise viel seltener aufgesucht als eine Wohnung in den Obergeschossen, wobei noch die weitere Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit durch die bauliche Anordnung der Liftanlage mit Zugang im Halbstock zu berücksichtigen sei. In jenem Fall wurde als angemessen angesehen, den nur den Keller benützenden Antragsteller zu 4/5 von der Tragung der Liftkosten auszunehmen. Grundsätzlich gilt bei Wohnungseigentümern von Erdgeschoßwohnungen, dass eine Reduzierung der anteilig mitzutragenden Liftbetriebskosten angezeigt ist, wenn sie den Aufzug im Wesentlichen nur für das Aufsuchen von Gemeinschaftsräumlichkeiten im Keller nützen können (5 Ob 301/02d mwN). Bleibt aber die objektive Nutzungsmöglichkeit eines Personenaufzugs erheblich hinter den anderen Miteigentümer zurück, kann ein Miteigentümer die Entscheidung des Außerstreitrichters veranlassen (5 Ob 177/00s; RIS-Justiz RS0083087).

Die vom Erstgericht festgestellte objektive Nutzungsmöglichkeit des Aufzugs durch die Antragstellerin ist zweifellos in Anbetracht der baulichen Verhältnisse erheblich gegenüber ihren Miteigentümern, die in höheren Stockwerken wohnen, eingeschränkt.

Über die Rechtssache kann aber deshalb noch nicht abschließend entschieden werden, da es notwendig sein wird, Feststellungen über die Lage aller Objekte im Haus und deren Anteil an der objektiv möglichen Nutzung der Aufzugsanlage zu treffen, gilt doch ein neuer Verteilungsschlüssel für alle Wohnungseigentümer. Es müssen daher alle betroffenen Wohnungseigentümer Gelegenheit haben, eigene Nutzungsbeschränkungen geltend zu machen (5 Ob 301/02d). Es war daher spruchgemäß vorzugehen.

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