European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00035.22S.0519.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 22 Abs 4 WGG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Antragsteller begehrten, die offenkundige Unangemessenheit des von der Antragsgegnerin für das von ihnen seit 1. 7. 2009 gemietete Reihenhaus bekanntgegebenen Fixpreises gemäß § 15d WGG festzustellen und den Preis unter Bedachtnahme auf die Grundsätze des § 23 WGG auf der Grundlage des Verkehrswerts unter Berücksichtigung aller wertbildenden Umstände im Zeitpunkt des Antrags festzusetzen.
[2] Das Rekursgericht bestätigte den Sachbeschluss des Erstgerichts, mit dem es das Begehren der Antragsteller abwies. Es gelangte wie dieses zum Ergebnis, dass die Mietzinsbildungsvorschrift des § 15h WGG nach der Übergangsvorschrift des § 36 WGG im vorliegenden Fall noch nicht anzuwenden sei, weswegen eine allfällige Auswirkung dieser Bestimmung auf die Preisbildung nicht untersucht werden müsse. Die Antragsteller hätten den Anspruch auf Refundierung des nicht verwohnten Finanzierungsbeitrags an die Kreditgeber abgetreten. Da die Forderungsabtretung im Zeitpunkt der Antragstellung aufrecht gewesen sei, sei der nicht abgezinste Teil des Finanzierungsbeitrags von der Antragsgegnerin nicht vom Fixkaufpreis in Abzug zu bringen gewesen.
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Eine Zulassungsvorstellung nach § 63 Abs 1 AußStrG ist im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren (hier zufolge der Bestimmung des § 22 Abs 4 WGG iVm § 63 Abs 1 AußStrG) nur dann zulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand nicht 10.000 EUR übersteigt. Das ist nach dem den Obersten Gerichtshof grundsätzlich bindenden Ausspruch des Rekursgerichts nicht der Fall. Die Ausführungen der Antragsteller zur Abänderung des Ausspruchs über die Zulässigkeit durch das „Berufungsgericht gemäß § 508 Abs 1 ZPO“ sind als solche zur Begründung des Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG und damit als Bestandteil des außerordentlichen Revisionsrekurses zu werten (5 Ob 11/20h mwN). Rechtsfragen im Sinn dieser Bestimmung können sie in ihrem Rechtsmittel aber nicht darlegen, sodass es zurückzuweisen ist. Das ist kurz zu begründen:
[4] 2. Die Antragsteller betonen selbst, dass sie ihre Ausführungen zur vermeintlichen „Überraschungsentscheidung“ des Erstgerichts – soweit damit nicht ohnedies ausschließlich Rechtsfragen angesprochen sind – bereits zum Gegenstand ihrer Mängelrüge im Rekursverfahren (dort zum Teil als Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 ZPO bezeichnet) gemacht haben. Eine behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens in erster Instanz, die bereits das Rekursgericht verneint hat, kann im Revisionsrekursverfahren nicht abermals geltend gemacht werden (RS0043919 [T1]; RS0050037; RS0030748).
[5] 3.1 Gemäß § 22 Abs 1 Z 6a, Abs 4 WGG ist über Anträge zur Geltendmachung offenkundiger Unangemessenheit des Fixpreises (§ 15a und § 15d) im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren zu entscheiden.
[6] 3.2 Die Regelung, wie der jeweilige Fixpreis zu ermitteln ist, ist eine gebarungsrechtliche Bestimmung, die dem öffentlich-rechtlichen Teil des WGG angehört. Der Kaufinteressent hat keine Möglichkeit, die Einhaltung der öffentlich-rechtlichen Preisbildungsbestimmungen des § 23 Abs 4c WGG zu kontrollieren. Rechtliche Bedeutung bekommt die intern auf dieser Grundlage anzustellende Rechnung erst dann, wenn der angebotene Fixpreis offenkundig unangemessen ist (5 Ob 203/11f; 5 Ob 54/16a). Offenkundig unangemessen ist der Fixpreis (§ 23 Abs 4c erster Satz WGG) nach dem klaren Wortlaut des § 18 Abs 3b WGG nur, wenn der ortsübliche Preis für gleichwertige freifinanzierte Objekte – in den Fällen des § 15d WGG unter Berücksichtigung der vom Mieter zu übernehmenden Verpflichtungen der Bauvereinigung – überschritten wird (5 Ob 203/11f; RS0124635). Das ist nach den Feststellungen nicht der Fall und wird von den Antragstellern auch nicht behauptet.
[7] 3.3 Richtig ist, dass die Antragsteller nach § 17 Abs 1 WGG bei Beendigung des Mietverhältnisses einen Anspruch auf Rückzahlung der von ihnen zur Finanzierung des Bauvorhabens neben dem Entgelt geleisteten Beträge, vermindert um die ordnungsmäßige Absetzung für Abschreibung in dem in Abs 4 leg cit festgesetzten Ausmaß, haben. Durch die Begründung von Wohnungseigentum und Zuweisung des Objekts ins Eigentum des vormaligen Mieters wird der Mietvertrag aufgelöst (ausführlich: 5 Ob 54/16a mwN). Mit ihrer Argumentation, der von der Antragsgegnerin in ihrem Schreiben vom Oktober 2019 neben dem Fixpreis für das Objekt ausgewiesene Rückzahlungsbetrag nach § 17 Abs 1 WGG müsse von diesem Betrag abgezogen werden, können sie aber schon deshalb keine Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht aufzeigen, weil dieser Preisfaktor lediglich einen Verrechnungsbetrag bei der Abwicklung bildet (vgl 5 Ob 203/11f; Friedl, Neuregelung der Kaufpreise für gemeinnützige Mietwohnungen durch die WRN 2006, immolex 2006, 301). Er ist auf den Kaufpreis anzurechnen und verringert damit den Barkaufpreis (§ 23 Abs 4c zweiter Satz WGG), hat aber keine Auswirkungen auf den (Fix‑)Preis selbst (Puhr, Der Kaufpreis bei nachträglicher Übertragung eines Mietgegenstands ins Eigentum, immolex 2013, 170 [172]). Für das Verfahren nach § 22 Abs 1 Z 6a WGG ist somit lediglich relevant, dass einallfälliger Abzug des Finanzierungsbeitrags ausgewiesen ist (vgl 5 Ob 54/16a), um die Grundlage (den Fixpreis) für den Vergleich nach § 18 Abs 3b WGG ermitteln zu können.
[8] 4.1 Die mit der WGG-Novelle 2019 (BGBl I 2019/85) neu eingeführte Bestimmung des § 15h WGG enthält eine zeitlich befristete Mietzinsbeschränkung für nachträglich nach den §§ 15b ff WGG in das Eigentum des bisherigen Mieters übertragene Wohnungen. Nach den Materialien soll mit dieser Bestimmung eine Spekulation mit gemeinnützig errichtetem Wohnbau verhindert und eine Sozialbindung bei gemeinnützig errichtetem Wohn- und Geschäftsraum möglichst lange aufrechterhalten werden. In Ergänzung zu § 15g WGG soll diese Regelung ein sachgerechtes Hemmnis gegen mögliche Spekulationen bewirken (907/A BlgNR 26. GP 16).
[9] 4.2 Nach der Übergangsregelung des § 39 Abs 36 letzter Satz WGG ist diese Bestimmung anzuwenden, wenn nach dessen Inkrafttreten mit 1. 8. 2019 (Art IV Abs 1t WGG) ein Antrag auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum gemäß § 15e WGG gestellt oder ein Angebot der Bauvereinigung gemäß § 15c lit b WGG an die Mieter oder sonstigen Nutzungsberechtigten gelegt worden ist.
[10] 4.3 Die Bestimmung des § 15e WGG ergänzt den gesetzlichen Anspruch des Mieters oder sonst Nutzungsberechtigten auf nachträgliche Übertragung der Wohnung in das Wohnungseigentum nach § 15c lit a WGG und verpflichtet die Bauvereinigung, dem Mieter oder sonst Nutzungsberechtigten binnen drei Monaten ab dessen Antragstellung eine Fixpreisvereinbarung gemäß § 15d WGG schriftlich anzubieten. Im Verfahren ist nicht strittig, dass die Antragsteller von ihrem gesetzlichen Anspruch nach § 15c lit a WGG Gebrauch gemacht haben, indem sie mit Schreiben vom 18. 6. 2019 einen Antrag auf Übertragung des Objekts in das Wohnungseigentum stellten. Ebenso wenig strittig ist, dass die Bestimmung des § 15h WGG in ihrem Fall noch nicht anzuwenden ist. Davon ausgehend bedarf es keiner Auseinandersetzung mit der von ihnen als erheblich erachteten Frage, ob die darin normierte Mietzinsbeschränkung den Fixpreis mindert.
[11] 4.4 Ihrer Ansicht, weil die Antragsgegnerin die Fixpreisvereinbarung nicht innerhalb der Frist von drei Monaten übermittelt hat, liege ein Fall des § 15c lit b WGG vor, nach der die Bauvereinigung dem Mieter oder sonst Nutzungsberechtigten die nachträgliche Übertragungder Wohnung in das Wohnungseigentum verbindlich anbieten kann, sodass – weil ein solches Angebot nach dem 1. 8. 2019 gelegt worden sei – § 15h WGG bereits in Geltung gestanden sei, stehen aber die klaren gesetzlichen Regeln entgegen.
[12] Die Folgen einer Säumnis der Bauvereinigung, wenn der Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte von seinem gesetzlichen Anspruch nach § 15c lit a WGG Gebrauch gemacht hat, regelt § 15e Abs 2 WGG, nach der der Mieter oder sonst Nutzungsberechtigte das Gericht anrufen kann, das dann den Preis unter sinngemäßer Anwendung des § 15d Abs 2 und Abs 3 festzusetzen hat, sofern die Bauvereinigung auch über Aufforderung des Gerichts nicht binnen eines weiteren Monats kein Anbot gelegt hat. Insofern hat die WGG‑Novelle 2019 keine Veränderung gebracht. Daraus folgt aber, dass die Bauvereinigung aufgrund eines Antrags nach § 15c lit a WGG – solange die Kompetenz zur Preisfestsetzung nicht auf das Gericht übergegangen ist – stets eine Fixpreisvereinbarung im Sinn des § 15e Abs 1 WGG anbietet, selbst wenn das Angebot außerhalb der in dieser Bestimmung vorgesehenen Frist gelegt wird. Damit sieht das Gesetz eine klare Anordnung vor, wenn die Frist des § 15e Abs 1 WGG nicht eingehalten wird,sodass es schon an der Voraussetzung einer planwidrigen Lücke für eine Analogie fehlt (dazu RS0106092). Für eine analoge Anwendung des § 15c lit b WGG (freiwilliges Angebot auf nachträgliche Übertragung in das Wohnungseigentum), wie sie offensichtlich die Antragsteller vor Augen haben, bleibt damit kein Raum.
[13] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
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