Spruch:
Der außerordentlichen Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben.
Das angefochtene Urteil wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen. Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Beklagte hat in den Jahren 1969 bis 1972 auf der Liegenschaft EZ ***** Grundbuch ***** insgesamt 193 Wohneinheiten errichtet, und zwar die Häuser *****. Die Zuteilung der Wohnungen an die Wohnungseigentumswerber erfolgte 1969 und 1970, die Wohnungsübergabe in der zweiten Jahreshälfte 1971 und im ersten Halbjahr 1972. Von der Beklagten wurde den Wohnungseigentümern eine Nutzungsgebühr vorgeschrieben, die auch eine Indstandhaltungsrücklage beinhaltete, woraus anstehende Reparaturarbeiten finanziert werden sollten. Die Beklagte hat von Anfang an die Hausverwaltung geführt und führt diese auch weiterhin.
Im Sommer 2002 wurde eine Teilung der Liegenschaft in insgesamt 4 Grundbuchseinlagen durchgeführt. Die der Klage zugrundeliegenden Ansprüche betreffen die Eigentümer der Liegenschaft EZ ***** des Grundbuches *****, also die Eigentümer einer der 4 Nachfolgeliegenschaften.
Die Klägerin brachte vor, bis einschließlich 1983 sei keine Abrechnung der Instandhaltungsrücklage vorgenommen worden, erst ab 1984 seien auf EDV-Basis umgestellte Jahresabrechnungen erstellt worden. Im Herbst 1996 habe die Beklagte den Wohnungseigentümern unter Hinweis auf das WEG eine Erhöhung der zuletzt im Ausmaß von S 2,08/m2 eingehobenen monatlichen Rücklage auf insgesamt S 5,--/m2 vorgeschrieben. Über die Erhöhung sei jedoch keine gesetzlich vorgesehene Abstimmung durchgeführt worden. Trotz mehrfacher schriftlicher und mündlicher Anfragen, weshalb einerseits eine derart eklatante Erhöhung notwendig sein solle und in welcher Form andererseits die Mittelverwendung in der Vergangenheit stattgefunden habe, habe die Beklagte keine ausreichende Information erteilt. Sie habe zugestanden, dass die Rücklagenverwendung nicht mehr detailliert nachvollziehbar sei und diese - faktisch zweckgebunden gewesenen - Gelder einerseits zur Abwicklung des laufenden Geschäftsbetriebes eingesetzt worden seien und andererseits sich faktisch im Umlaufvermögen der Genossenschaft befunden hätten. Weiters seien damit Grundstücke angeschafft worden. Eine gesonderte Verwahrung des zweckgebundenen Rücklagenkapitals habe nicht stattgefunden. Zum Zwecke der Interessenwahrung der Wohnungseigentümer sei im April 1998 nach den Bestimmungen des Vereinsgesetzes die „I*****" (I*****) gegründet worden. In der Folge sei mehrfach versucht worden, einerseits die Mittelverwendung der seit dem Bezug der Wohnung geleisteten Rücklagen abzuklären, andererseits eine Nachverzinsung des angesparten Kapitals von der Beklagten ersetzt zu erhalten. Für den Zeitraum 1975 bis Ende 1983 habe die Beklagte die Nachverzinsung zugestanden und auch bezahlt. Zur Streitbereinigung habe die Beklagte schließlich für die Nachverzinsung der Rücklagen vor dem 1. 9. 1975 S 5,000.000 und darüberhinaus einen Betrag von S 10,000.000 (zahlbar in 5 Jahresraten á S 2,000.000) wegen der infolge fehlender Belege nicht nachvollziehbaren Mittelverwendung angeboten. Am 28. 10. 1998 sei zwischen der Beklagten einerseits und der I***** andererseits ein Vergleich abgeschlossen worden, der unter anderem die Verpflichtung der Beklagten beinhaltet habe, einen Betrag von S 10,000.000 an die Wohnungseigentümergemeinschaft der Siedlung D***** wegen nicht erbrachter Originalbelege aus den Jahren bis 1983 und aus der Bauerneuerungsrücklage in 5 Raten zu je S 2,000.000 zahlbar zum 30.
6. eines jeden Jahres beginnend ab 1999 zu leisten. Diese Vereinbarung sei unter der Bedingung gestanden, dass die Zustimmung der Aufsichtsbehörde für die gewählte Vorgangsweise erteilt werde. Die Aufsichtsbehörde habe den Vergleich mit dem Hinweis zur Kenntnis genommen, dass er in die Eigenverantwortlichkeit der Beklagten falle. Daraufhin sei am 30. 6. 1999 die erste Rate von S 2,000.000 bezahlt worden. Im Oktober 1999 sei der Vergleich vom Revisionsverband beanstandet worden. Daraufhin habe die Beklagte weitere Zahlungen verweigert. Ein Prüfbericht der K***** GmbH habe ergeben, dass hinsichtlich der Aufwendungen für die gesamte Wohnanlage Originalbelege nur in einem Ausmaß von 23,17 % vorhanden seien. Betreffend die EZ ***** des Grundbuches ***** seien Originalbelege nur in einem Ausmaß von 22, 26 %, sowie Belege in Kopie 46,3 % eruierbar gewesen. Mehr als ein Drittel aller Ausgaben sei überhaupt nicht belegbar gewesen. Eine gesetzeskonforme Verwendung habe nur im Ausmaß von 56,93 % stattgefunden, 26,49 % der Aufwendungen seien nicht gesetzeskonform erfolgt, 16,58 % seien nicht beurteilbar gewesen.
In keinem einzelnen Fall sei von der Beklagten hinsichtlich der Maßnahmen der außerordentlichen Verwaltung die erforderliche Zustimmung der Miteigentümer eingeholt worden.
Im Weiteren sei bei der Abrechnung von Betriebskosten ein unrichtiger Nutzflächenschlüssel herangezogen worden.
Betreffend die EZ ***** ergebe sich für den Zeitraum 1972 bis 1983 insgesamt ein Betrag von EUR 757.225,93, der nicht gesetzeskonform verwendet worden sei. Der Klagsanspruch, der ca. 10,37 % der gesamten Wohnungseigentumseinheiten umfasse, repräsentiere daher ein Gesamtschadensvolumen von zumindest EUR 78.524,33.
Die Eigentümergemeinschaft ***** habe Horst U***** zum Eigentümervertreter für die vorzunehmende Interessenwahrung und Klagsführung gegenüber der Beklagten bestellt und die Gesamtforderung aus der mangelnden Instandhaltungsrücklagenverwaltung gegen die Beklagte rechtswirksam der Klägerin zur Klagsführung gemäß § 55 Abs 4 JN abgetreten.
Die Klägerin mache daher mit der vorliegenden Klage einen Anspruch der Eigentümergemeinschaft ***** geltend und begehre die Verurteilung der Beklagten zur Bezahlung eines Betrages von EUR 10.000 s. A.. Darüber sei am 17. 9. 2003 ordnungsgemäß ein Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer gefasst worden.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete mangelnde Aktivlegitimation ein. Mit der vorliegenden Klage werde die Rückzahlung einer Rücklage für den Zeitraum 1971 bis 1983 begehrt. Einerseits sei für die Zeit bis zum Inkrafttreten des WEG 1975 (1. 9. 1975) das WEG 1948 anzuwenden, dem die Bildung einer Rücklage für künftige Instandhaltungen fremd gewesen sei. Hätten Wohnungseigentümer dennoch die Bildung einer Rücklage vereinbart, habe es sich dabei allenfalls um einen einer konkreten Zweckbestimmung gewidmeten Fonds gehandelt, nicht jedoch um eine Rücklage nach dem WEG 1975. Keinesfalls sei dieser Fonds rückwirkend als Rücklage nach dem WEG 1975 zu qualifizieren.
Für die Zeit nach dem 1. 9. 1975 sei die Rücklage gemäß § 16 Abs 2 WEG 1975 gebundenes Vermögen der einzelnen Miteigentümer gewesen, als solches zu verwalten und gesondert zu verwahren. Träger dieses Sondervermögens seien die jeweiligen Miteigentümer, weshalb nur diese, nicht aber die erst mit 1. 1. 1994 gesetzlich eingeführte Wohnungseigentümergemeinschaft zur Klagsführung aktiv legitimiert sei. Auch die Bestellung eines Eigentümervertreters sei im WEG 1975 noch nicht vorgesehen gewesen. Im weiteren habe es zwischen 1983 und der Klagseinbringung zahlreiche Eigentümerwechsel gegeben, weshalb die heutige Eigentümergemeinschaft keine wie immer gearteten Ansprüche vormaliger Eigentümer geltend machen könne. Es sei daher auch keine wirksame Abtretung der geltend gemachten Forderung an die klagende Partei möglich gewesen.
Beide Vorinstanzen wies den das Klagebegehren ab.
Das Erstgericht verneinte die Aktivlegitimation der klagenden Partei. Der Oberste Gerichtshof habe bereits mehrmals im Zusammenhang mit der Frage der Legitimation einzelner Wohnungseigentümer zur Durchsetzung vor Inkrafttreten des § 13c WEG entstandener Ansprüche ausgesprochen, dass die neuen Rechtsvorschriften des WEG in der Regel nur auf nach Inkrafttreten des 3. WÄG verwirklichte Sachverhalte angewendet werden könnten. Durch die Schaffung der neuen Wohnungseigentümergemeinschaft des § 13c WEG gingen Dritte, die vor Inkrafttreten des 3. WÄG gegen einzelne Miteigentümer Rechte erworben hätten, dieser nicht verlustig (SZ 70/159 u. a.). Erst nach der Rechtslage, die durch Inkrafttreten des 3. WÄG geschaffen worden sei, sei die Rücklage als gebundenes Sondervermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft konzipiert und nicht mehr wie zuvor gebundenes Sondervermögen aller Mit- und Wohnungseigentümer. Weil im vorliegenden Fall Ansprüche nur für den Zeitraum 1972 bis 1983 geltend gemacht würden, komme auch nicht die Vorschriften des § 13c WEG idF des 3. WÄG sondern die Vorschrift des § 16 Abs 2 WEG idF vor dem 3. WÄG zur Anwendung, wonach die Rücklage gebundenes Sondervermögen aller Mit- und Wohnungseigentümer sei. Zur Klagsführung wären daher nur die einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer im Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile aktiv legitimiert. Die Klägerin mache jedoch ausdrücklich einen ihr von der Eigentümergemeischaft des Hauses abgetretenen Anspruch geltend. Das habe zur Abweisung des Klagebegehrens zu führen.
Auch das Gericht zweiter Instanz vertrat den Rechtsstandpunkt, der Wohnungseigentümergemeinschaft und damit auch der Klägerin, der deren Ansprüche abgetreten worden seien, mangle es an der Aktivlegitimation. Für Zeiträume vor dem Inkrafttreten des 3. WÄG könnten dessen materiellrechtliche Bestimmungen über die Rücklage noch nicht angewendet werden. Daher stelle die Rücklage vorliegend noch ein gebundenes Sondervermögen aller Mit- und Wohnungseigentümer dar (§ 16 Abs 2 WEG 1975) und nicht Sondervermögen der erst später geschaffenen Wohnungseigentümergemeinschaft. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung lehnte das Berufungsgericht mit der Begründung ab, die klagende Partei habe trotz Erörterung auf der Aktivlegitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft beharrt. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die relevanten Rechtsfragen im Einklang mit höchstgerichtlicher Rechtsprechung gelöst worden seien. Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der klagenden Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Urteils im Sinne einer Klagsstattgebung. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag mit dem Begehren auf Rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht, in eventu an das Gericht erster Instanz gestellt.
Die beklagte Partei hat von der ihr eingeräumten Möglichkeit, eine Revisionsbeantwortung zu erstatten Gebrauch gemacht und darin beantragt, der Revision der klagenden Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision der klagenden Partei erweist sich als zulässig, weil das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung über die Legitimation der Wohnungseigentümergemeinschaft für Ansprüche auf Herausgabe einer Rücklage oder aber einer rechtlich einer Rücklage gleichzuhaltenden, auf vertraglicher Grundlage gebildeten Vermögensmasse nach Inkrafttreten des 3. WÄG abgewichen ist. Die Revision der klagenden Partei ist im Sinne ihres Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Seit dem Inkrafttreten des 3. WÄG ist die Rücklage als gebundenes
Sondervermögen der Wohnungseigentümergemeinschaft (jetzt
Eigentümergemeinschaft) konzipiert und nicht mehr wie zuvor
gebundenes Sondervermögen aller Mit- und Wohnungseigentümer. Beiträge
zur Rücklage, die vor Inkrafttreten des 3. WÄG eingehoben wurden, so
auch „Wohnbeiträge", die auf vertraglicher Grundlage zur Bildung
einer Rücklage für Erhaltungsarbeiten zu leisten waren, sodass es
dadurch zu einer (zumindest wirtschaftlich vergleichbaren)
Rücklagenbildung gekommen ist, sind in das Sondervermögen der nunmehr
allein legitimierten Gemeinschaft eingeflossen (5 Ob 96/01f = WoBl
2001/159 [Call]; 5 Ob 160/02v = WoBl 2002/135 [Call]). Nach Entstehen
der Wohnungseigentümergemeinschaft stehen somit nur noch dieser, nicht aber den einzelnen Mit- und Wohnungseigentümern Ansprüche auf Herausgabe einer Rücklage oder einer ihr rechtlich gleichzuhaltenden Vermögensmasse an den Verwalter zu (5 Ob 160/02v; 5 Ob 96/01f). In diesem Sinn wurde auch bereits mehrfach ausgesprochen, dass die Antragslegitimation nach § 16 Abs 3 WEG nur mehr der Wohnungseigentümergemeinschaft zukommt (5 Ob 244/98p; WoBl 1988/341226 [Call]).
Diese sich aus § 16 Abs 2 WEG 1975 idF des 3. WÄG ergebende Sonderrechtsnachfolge der (Wohnungs-)eigentümergemeinschaft hinsichtlich der Rücklage stellt sich als Ausnahme vom Grundsatz der durch das 3. WÄG keine Gesamtrechtsnachfolge der Wohnungseigentümergemeinschaft in Forderungen oder Verpflichtungen einzelnen Mit- und Wohnungseigentümer stattgefunden hat (vgl RIS-Justiz RS0110933; RS0105481 ua) und dass die neuen Rechtsvorschriften des 3. WÄG in der Regel nur auf nach Inkafttreten des 3. WÄG verwirklichte Sachverhalte angewendet werden können (5 Ob 2148/96k).
Die Legitimation der Eigentümergemeinschaft für Ansprüche, die die Rücklage betreffen, und damit die Möglichkeit der Abtretung solcher Ansprüche an die klagende Partei ist daher zu bejahen. Infolge der vom erkennenden Senat nicht geteilten Rechtsansicht der Vorinstanzen, dass es bereits an der Aktivlegitimation fehle, unterblieben allerdings maßgebliche Feststellungen über die Berechtigung und Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Solche werden im erneuerten Verfahren nachzutragen sein.
Dabei wird allerdings zu beachten sein, dass mangels Beendigung des Verwaltungsvertrags ein Herausgabeanspruch nach § 16 Abs 3 WEG 1975 (nunmehr § 31 Abs 3 WEG 2002), der überdies im außerstreitigen Verfahren geltend zu machen wären, nicht in Betracht kommt. Hier gilt, dass Ansprüche wegen Verletzung der Verwalterpflichten, etwa wegen zweckwidriger Verwendung der Rücklage, im streitigen Verfahren geltend zu machen sind (Faistenberger/Barta/Call, WEG 425; LGZ Graz MietSlg 39.652; E. M. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht, Rz 57 zu § 31 WEG 2002). Das Begehren auf „Zahlung an die Eigentümergemeinschaft" ist aber nicht mit der in § 31 Abs 2 WEG 2002 festgeschriebenen sondervermögensrechtlichen Qualität der Rücklage in Einklang zu bringen. Es geht vielmehr um die Auffüllung der Rücklage und ihre richtige Fortschreibung. Darum wäre es zweckmäßig, das Begehren darauf zu richten, den Verwalter schuldig zu erkennen, die der Rücklage entnommenen, zweckwidrig verwendeten Beträge wieder der Rücklage zuzuführen. Eine solche Modifikation des Klagebegehrens wird im fortgesetzten Verfahren mit den Parteien zu erörtern sein.
Soweit sich die Revisionswerberin auf den Vergleich bezieht, den der Wohnungseigentümerverein mit der beklagten Partei abgeschlossen haben soll, bleibt noch zu prüfen, ob sich die behauptete Abtretung der Ansprüche auch darauf erstreckt.
Zur Klärung der noch offenen Fragen erweist sich damit eine Aufhebung als unumgänglich.
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