OGH 5Ob236/07b

OGH5Ob236/07b22.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elfriede A*****, vertreten durch Hochsteger, Perz, Wallner & Warga, Rechtsanwälte in Hallein, gegen die beklagte Partei Monika H*****, vertreten durch Dr. Werner Steinacher Rechtsanwalt GmbH in Salzburg, wegen Zivilteilung (Streitwert 52.300 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 4. Juli 2007, GZ 12 R 14/07a‑32, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 16. Jänner 2007, GZ 10 Cg 202/05x‑28, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.797,91 EUR (darin enthalten 299,65 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Liegenschaft EZ ***** mit der Grundstücksadresse U***** 9 und 11 steht im Stockwerkseigentum. Die Streitteile sind je zur Hälfte Eigentümerinnen des materiellen Anteils A, der das ganze Haus und Grundstück 310 mit Ausnahme eines Gewölbes umfasst. Der materielle Anteil B besteht aus dem Gewölbe und einem Durchhaus zur Straße und steht im Eigentum der Stadtgemeinde H*****. Im materiellen Teil A befinden sich im Erdgeschoss zwei Geschäftslokale, im ersten Obergeschoss ein Trockenraum und Büros bzw Lager, im dritten und vierten Obergeschoss je vier abgeschlossene Wohnungen, die jeweils vom allgemeinen Treppenhaus zugänglich sind. Darüber hinaus sind im dritten und vierten Obergeschoss noch ein Abstellraum bzw ein Arbeitsraum situiert, die nur vom Nachbarhaus U***** 13 zugänglich sind, das im Alleineigentum der Klägerin steht. Sie können auch bautechnisch nicht vom materiellen Teil A des Hauses U***** 9 und 11 aus zugänglich gemacht werden.

Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft am materiellen Teil A durch Zivilteilung. Eine Naturalteilung sei rechtlich unmöglich, weil eine weitere Zersplitterung materieller Anteile gesetzlich verboten sei. Auch die Begründung von Wohnungseigentum als Unterfall der Realteilung komme bei Stockwerkseigentum nicht in Betracht. Gegenüber der Stadtgemeinde H***** bestehe kein Anspruch auf Begründung von Wohnungseigentum und eine solche nur am materiellen Teil A scheitere auch an § 3 Abs 2 WEG 2002. Weiters stünden faktische bauliche und denkmalschutzrechtliche Gründe entgegen.

Die Beklagte wandte sich gegen die begehrte Teilung. Die Begründung von Wohnungseigentum sei sowohl tunlich als auch möglich, weil das Gebäude bereits über mehrere in sich abgeschlossene selbstständig begeh- und bewohnbare Wohnungseinheiten verfüge. Die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft erfolgte überdies zur Unzeit und zum Nachteil der Beklagten, weil sie für eine umfassende Komplettsanierung des Gebäudes in den letzten Jahren die Hälfte der Kosten aufgewendet habe.

Das Erstgericht ordnete die Aufhebung des gemeinsamen Eigentums durch gerichtliche Feilbietung (Zivilteilung) an. Da nicht alle selbstständigen Räumlichkeiten des materiellen Anteils A in die Begründung von Wohnungseigentum einbezogen werden könnten, weil zwei Räume des Hauses nur vom Nachbarhaus aus zugänglich seien, fehle es an den Voraussetzungen des § 3 Abs 2 WEG. Ebenso sei eine Naturalteilung im Hinblick auf das Stockwerkseigentum nicht möglich. Der Umstand, dass Investitionen am Haus getätigt worden seien, stehe der Zivilteilung nicht entgegen, weil sich diese anlässlich einer freiwilligen Feilbietung im zu erzielenden Erlös niederschlügen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung mit der Begründung, dass an einem materiellen Anteil einer Liegenschaft kein Wohnungseigentum begründet werden könne. Zwar stehe es bei der Begründung des sogenannten Stockwerkseigentums dem Grundbuchsgericht gemäß §§ 5 Abs 4, 6 Abs 2 AllgGAG offen, aus Gründen der Übersichtlichkeit für die einzelnen materiellen Anteile jeweils eine eigene EZ zu eröffnen, es könne aber nicht von Zweckmäßigkeitsüberlegungen des Grundbuchsgerichts im jeweiligen Einzelfall abhängen, ob Wohnungseigentum zulässig begründet werden könne oder nicht. Auch wenn das Grundbuchsgericht als Eintragungsform für ein Gebäude zwei Grundbuchskörper wähle, was im vorliegenden Fall gar nicht erfolgt sei, bestehe dennoch jeweils nur ein Gebäude und sollten nach den Intentionen des Gesetzgebers zum WEG 2002 die mit gemischtem Wohnungseigentum verbundenen Probleme vermieden und Wohnungseigentum jeweils auf allen wohnungseigentumstauglichen Objekten einer Liegenschaft begründet werden. § 2 letzter Satz des Gesetzes vom 30. März 1879 betreffend die Teilung von Gebäuden nach materiellen Anteilen verbiete aber eine weitergehende Zerstückelung von materiellen Anteilen in Zukunft und stehe als rechtliches Hindernis der Begründung von Wohnungseigentum an einem materiellen Anteil entgegen, weshalb es trotz des grundsätzlichen Vorrangs der Wohnungseigentumsbegründung gegenüber der von der Klägerin angestrebten Zivilteilung der Beklagten nicht gelungen sei, die grundsätzliche Möglichkeit der Begründung von Wohnungseigentum im konkreten Fall darzutun. Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zu, weil keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Zulässigkeit der Begründung von Wohnungseigentum an einem materiell geteilten Gebäude bestehe.

Die beklagte Partei vertritt in ihrer Revision zusammengefasst den Standpunkt, dass die Begründung von Wohnungseigentum zulässig sei.

Die klagende Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist mangels einschlägiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

1. Vorweg sei betont, dass hier die Aufhebung der Miteigentumsgemeinschaft an einem materiellen Teil einer Liegenschaft, also eines sogenannten Stockwerkseigentums, begehrt wird und nicht die - mangels Miteigentums unzulässige (5 Ob 4/68 = JBl 1968, 478 = MietSlg 20.045; 3 Ob 559/82 = SZ 55/99 = EvBl 1982/176 = MietSlg 34.085/23) - Zivilteilung einer im Stockwerkseigentum befindlichen Liegenschaft, hinsichtlich derer kein echtes Miteigentum, sondern Alleineigentum am jeweiligen materiellen Anteil besteht (RIS‑Justiz RS0013270), weshalb eine Aufhebung der Gemeinschaft nicht in Betracht kommt.

Im vorliegenden Fall besteht tatsächlich eine Gemeinschaft an einem materiellen Teil, sodass dieser Hinderungsgrund der Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft nicht vorliegt.

2. Zentrale Frage des vorliegenden Rechtsstreits ist, ob das Gesetz vom 30. März 1879 betreffend die Teilung von Gebäuden nach materiellen Anteilen die Begründung von Wohnungseigentum an einem materiellen Anteil erlaubt und damit einem Begehren auf Zivilteilung entgegengehalten werden kann. Nach § 1 des genannten Gesetzes kann an materiellen Teilen eines Gebäudes, die nicht so beschaffen sind, dass sie als selbstständige körperliche Sachen angesehen werden können, wie zum Beispiel an einzelnen Stockwerken oder Räumen des selben Hauses, ein selbstständiges Eigentumsrecht nicht erworben und eine Eintragung in das Grundbuch nicht erwirkt werden. Nach Abs 2 der Bestimmung werden Rechtsverhältnisse, die vor Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes durch solche Teilungen begründet wurden, die mit dem ersten Paragraf des Gesetzes nicht in Einklang stehen, nicht berührt und können, soweit auf sie nicht andere Teilungsverbote zutreffen, weiter Gegenstand der Eintragungen in das Grundbuch und weiterer grundbücherlicher Übertragung bilden. Eine weitergehende Zerstückelung von solcherart entstandenen Teilen kann aber nach Wirksamwerden des Gesetzes nicht erfolgen.

Nach dem Gesetzeswortlaut konnte daher bereits vor Wirksamwerden des Gesetzes intabuliertes Eigentum an materiellen Anteilen weiter Bestand haben und grundbücherlich wirksam übertragen werden; lediglich eine „weitergehende Zerstückelung" wurde ausgeschlossen. Nach Klang in Klang² III, 1128 f war Grund des Verbots des Geschoß- oder Stockwerkeigentums ein doktrinärer, nämlich die vermeintliche Unvereinbarkeit dieser Einrichtung mit dem römisch rechtlichen Grundsatz „superficies solo cedit". Im Betreff der Rechtsverhältnisse solcher materiell geteilter Häuser beschränkte sich das Alleineigentum auf das betreffende Stockwerk, während die Grundfläche und die zur Benützung der Anteile erforderlichen Teile des Hauses gemeinsames Eigentum (dazu gehören die Hauptmauern, das Dach, das Tor und das Stiegenhaus), nach ideellen Anteilen geteilt, darstellten. Zur Erhaltung dieser gemeinsamen Teile hatten alle Eigentümer nach den Regeln von der Gemeinschaft des Eigentums verhältnismäßig beizutragen (RIS‑Justiz RS0009864; RS0013412).

3. Die wachsende Wohnungsnot förderte die Suche nach einer Rechtseinrichtung, die die Vereinigung mehrerer Wohnungsbedürftigen in einer Form ermöglichte, welche jeden von ihnen die Verfügung über den benötigten Wohnraum sicherte. Das Miteigentum in der im ABGB geregelten Form erwies sich für diese Zwecke als ungeeignet, weil es jeden Miteigentümer die Aufhebung der Gemeinschaft anheim stellt und Vereinbarungen, welche solche Teilungen ausschließen, die Wirksamkeit für die Erben versagt (§§ 831, 832 ABGB). Die Anknüpfung an das Miteigentum musste daher so gestaltet werden, dass dem Recht an der Wohnung nicht durch willkürliche Teilung die Grundlage entzogen werden konnte. Dies habe der Gesetzgeber mit dem Wohnungseigentumsgesetz 1948 gemacht (Klang in Klang² III, 1162). Das Wohnungseigentumsgesetz 1948 diente daher nach Klang in Klang² III, 1129, der Befriedigung des Bedürfnisses, welches das Stockwerkseigentum hervorgerufen hatte, und folgt im Wesen auch dessen Konstruktion.

4. Bereits § 1 Abs 1 des WEG 1948 definierte das Wohnungseigentum als das dem Miteigentümer einer Liegenschaft eingeräumte Recht auf ausschließliche Benutzung und alleinige Verfügung über bestimmte Wohnungen und Geschäftsräume mit Wirkung auch gegenüber Dritten.

Auch wenn daher beim Wohnungseigentum sämtliche Wohnungseigentümer Miteigentümer der - einheitlichen - Liegenschaft sind oder werden, führt es doch zu einer „Zerstückelung" insofern, als der Wohnungseigentümer, dem die ausschließliche Nutzung und Verfügung einer bestimmten Wohnungseigentumseinheit zugewiesen ist, alle anderen - auch seine Miteigentümer ‑ auf Dauer und ohne dass die Gemeinschaft aufgehoben werden könnte (§ 35 Abs 2 WEG 2002; vgl auch RIS‑Justiz RS0082995), ausschließen kann. Eben eine solche weitere „Zerstückelung" wollte der Gesetzgeber mit dem Gesetz vom 30. März 1879 unterbinden, weshalb im Hinblick auf diese Zielsetzung auch die Begründung von Wohnungseigentum an materiellen Anteilen von Gebäuden unzulässig bleibt. Sie könnte zum Entstehen mehrerer (Wohnungs‑)Eigentümergemeinschaften in einem Gebäude führen, die unterschiedliche Interessen verfolgen und damit kaum lösbare Verwaltungsprobleme provozieren.

Diesem Ergebnis entspricht auch jene ständige Judikatur des Obersten Gerichtshofs, wonach es sich bei der Einräumung von Wohnungseigentum um eine Sonderform der Naturalteilung handelt (RIS‑Justiz RS0106352; 1 Ob 521/96 = SZ 69/169; 5 Ob 374/97d, 5 Ob 47/01z ua), auch wenn die „Aufhebung einer Miteigentumsgemeinschaft" durch Begründung von Wohnungseigentum nach § 3 Abs 1 Z 3 WEG 2002 die Gemeinschaft des Eigentums an der Liegenschaft nicht beseitigt, sondern sie in anderer Form befestigt (5 Ob 68/07x = Zak 2007/340 = immolex 2007/126, 242 = EvBl 2007/127 = ecolex 2007/245 = JBl 2007/728; RIS‑Justiz RS0121971).

Die dagegen für die Zulässigkeit der Begründung von Wohnungseigentum am Stockwerkseigentum von T. Hausmann in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 1 WEG Rz 5, ins Treffen geführte Entscheidung MietSlg 44.417 = 7 Ob 565/92 (JBl 1992, 742; wobl 1992/138, 206; EvBl 1992/158) trägt diese Ansicht nicht, wurde doch dort lediglich der Kündigungsgrund des § 29 Abs 1 Z 3 lit b MRG idF des 2. WÄG betreffend Wohnungen im Wohnungseigentum analog auf Wohnungen im Stockwerkseigentum angewendet. Diese Gleichstellung hat aber mit der Frage, ob an einem Stockwerkseigentum selbst Wohnungseigentum begründet werden kann, nichts zu tun.

5. Der erkennende Senat ist daher insgesamt der Ansicht, dass das Gesetz vom 30. März 1879 auch der Begründung von Wohnungseigentum als weiterer „Zerstückelung" eines materiellen Anteils eines Gebäudes entgegensteht.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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