OGH 3Ob559/82

OGH3Ob559/8230.6.1982

SZ 55/99

Normen

ABGB §294
ABGB §830
StockwerkseigentumsG (RGBl) 1879/50, §2
ABGB §294
ABGB §830
StockwerkseigentumsG (RGBl) 1879/50, §2

 

Spruch:

Bei einer in Stockwerkseigentum real geteilten Liegenschaft besteht kein Anspruch auf Zivilteilung

OGH 30. Juni 1982, 3 Ob 559/82 (OLG Innsbruck 1 R 336/81; LG Innsbruck 14 Cg 465/81)

Text

Die Liegenschaft EZ 184 II KG T besteht aus dem Baugrundstück 69, Wohnhaus T Nr. 35 samt Wirtschaftsgebäude, und dem Baugrundstück 204 Backofen. Das auf dem Baugrundstück 69 erbaute Wohnhaus samt Wirtschaftsgebäude, ein altes Tiroler Bauernhaus, ist materiell in zwei Teile geteilt. Der Kläger ist Eigentümer des materiellen Anteiles 1, die Beklagten sind je zur Hälfte Miteigentümer des materiellen Anteiles 2. Die beiden materiellen Anteile des geteilten Gebäudes werden im Grundbuch nicht als abgesonderte Grundbuchskörper behandelt, wohl aber wurden für sie abgesonderte Eigentums- und Lastenblätter eröffnet. Das Baugrundstück 204 Backofen ist je zur ideellen Hälfte mit dem Eigentum der vorbeschriebenen beiden materiellen Anteile verbunden. Dieses Baugrundstück ist von dem Baugrundstück 69 durch eine öffentliche Straße getrennt. Der früher darauf befindliche Backofen ist entfernt worden, so daß das Grundstück 204 jetzt unverbaut ist.

Der Kläger begehrte, das gemeinsame Miteigentum der Streitteile durch gerichtliche Feilbietung aufzuheben.

Die Beklagten wendeten vor allem ein, daß die Zivilteilung infolge des schon materiell geteilten Eigentums unzulässig sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt.

Hinsichtlich des Baugrundstücks 204 wurde dieses Urteil von den beklagten Parteien nicht bekämpft.

Hinsichtlich des Grundstücks 69 änderte das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes dahin ab, daß es das Klagebegehren auf Aufhebung der Eigentumsgemeinschaft durch Zivilteilung abwies.

Die beiden Vorinstanzen gingen außer dem eingangs wiedergegebenen außer Streit stehenden Sachverhalt noch von der Tatsachenfeststellung aus, daß eine den Grundbuchsstand abändernde Vereinbarung über den Umfang der beiden materiellen Anteile zwischen den Streitteilen nicht getroffen wurde und daß eine Naturalteilung wegen der gänzlichen Verbauung untunlich sei.

Das Erstgericht war der Auffassung, daß die Liegenschaft EZ 184 II KG T, weil es sich um einen einzigen Grundbuchskörper handle, eine einzige im Miteigentum der Streitteile stehende Sache darstelle. Der Umstand, daß im Grundbuch zwei materielle Anteile aufschienen, hindere die Zivilteilung nicht, weil nicht alle Bestandteile der Liegenschaft materiell geteilt seien.

Das Berufungsgericht war hingegen der Ansicht, daß ein nach altem Recht materiell geteiltes Haus nicht Gegenstand einer Zivilteilungsklage sein könne. Nach dem Gesetz vom 30. 3. 1879, RGBl. 50, sollte nämlich das alte Stockwerkseigentum unberührt bleiben. Dies bedeute, daß die einzelnen materiellen Anteile im Alleineigentum der einzelnen Teilhaber zur gemeinschaftlichen Liegenschaft stehen. Daß das Eigentum an der Grundfläche und an einigen Teilen des Gebäudes nicht materiell geteilt sei, könne nichts daran ändern, daß ähnlich wie beim Wohnungseigentum auch beim Stockwerkseigentum eine Zivilteilung ausgeschlossen sei.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision des Klägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Das Wesen der Teilung von Gebäuden nach materiellen Anteilen liegt darin, daß hinsichtlich derjenigen Räumlichkeiten, die den einzelnen materiellen Anteilen zugewiesen sind, gar kein echtes Miteigentum mehr vorliegt, sondern hier ist ein real geteiltes Eigentum gegeben. Beim sogenannten Stockwerkseigentum besteht sohin Alleineigentum am Stockwerk (am jeweiligen materiellen Anteil); Alleineigentum kann aber grundsätzlich nicht von einer Klage nach § 830 ABGB betroffen sein. Das schließt nicht aus, ja es ist dies geradezu das Typische, daß an einzelnen nicht den einzelnen materiellen Anteilen zugewiesenen Teilen eines Gebäudes, vor allem auch an Grund und Boden selbst, echtes Miteigentum besteht. Die im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile können dabei nicht als Zubehör des Gründes behandelt werden, wie dies das Erstgericht meinte, vielmehr ist mit dem Eigentum an den einen materiellen Anteil bildenden Gebäudeteilen ein ideeller Anteil an Grund und Boden als Zubehör verbunden (Koziol - Welser[5] II 43; Klang in Klang[2] II 28 und III 1129). Besonders hingewiesen sei in diesem Zusammenhang auf den Aufsatz von Pineles in GrünhutsZ, Band 29, 689 ff., besonders 726, der auf die Redaktionsgeschichte zu § 361 ABGB hinweist, wonach die Redaktoren einerseits zwischen dem condominium iuris Germanici (dem Gesamteigentum, condominium pro indiviso) und dem condominium iuris Romani (Miteigentum, condominium pro diviso) unterscheiden wollten, anderseits aber auch zwischen "gewissen, obgleich (!) unabgesonderten Teilen" (so später in § 361 ABGB) und "gewissen, abgesonderten Teilen" (ohne daß dies dann noch im Gesetz erwähnt wurde, weil man in diesem Fall nicht einmal mehr Miteigentum, condominium pro diviso, anerkennen wollte) differenziert haben. Das Stockwerkseigentum wurde also als "abgesondertes Eigentum" dem Miteigentumsrecht gegenübergestellt (aaO 729) und stellte zwar keine vollständige, aber doch eine wahre Teilung dar (aaO 730). Auch Randa weist in seinen beiden Standardwerken darauf hin, daß bei materiell geteiltem Eigentum die rechtliche Gemeinschaft der Eigentümer der einzelnen Teile wegen der Selbständigkeit dieser Teile nur eine scheinbare ist (Das Eigentumsrecht[2] 226; Der Besitz[4] 496). Ganz auf dieser Linie liegen auch die von der Revision zitierten Entscheidungen JBl. 1928, 297 und SZ 24/58, die jeweils für den Baugrund oder die nicht teilbaren Hausbestandteile Miteigentum der Eigentümer der einzelnen materiellen Anteile annahmen und ein Sondereigentum an diesen gemeinschaftlichen Liegenschaftsteilen ausschlossen. Nur hinsichtlich der Benützung dieser gemeinschaftlichen Teile sind die Bestimmungen der §§ 833 ff. ABGB sinngemäß anzuwenden. Die Entscheidung des VwGH Slg. 9571 (A) geht von derselben Auffassung aus, wenn sie im Zusammenhang mit dem Stockwerkseigentum von einer Sammlung selbständigen Eigentums und unselbständiger Miteigentumsrechte spricht.

Weil also im vorliegenden Fall hinsichtlich der auf die beiden materiellen Anteile aufgeteilten Gebäudeteile gar kein echtes Miteigentum besteht, kommt auch eine "Aufhebung" der Gemeinschaft nicht in Betracht. Dies entspricht seit eh und je der allgemeinen Auffassung (vgl. Dietrich in NZ 1960, 84 mit dem Hinweis auf die in den Stenographischen Protokollen des Abgeordnetenhauses zum Gesetz vom 30. 3. 1879, RGBl. 50, enthaltene Formulierung über eine "nie versiegende Quelle von schwer lösbaren Streitigkeiten zwischen Personen, die aneinander gefesselt waren und sich der steten Berührung nicht entziehen konnten"). Ausdrücklich abgelehnt wurde vom OGH die Teilung in der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung GlU 9409. Dieselbe Auffassung klingt aber auch in den vom Berufungsgericht weiter zitierten Entscheidungen NZ 1881, 82 (zitiert bei Riehl[2], Das allgemeine bürgerliche Gesetzbuch II 868), und JBl. 1976, 642 an. Die vom Berufungsgericht gleichfalls zitierte Entscheidung JBl. 1968, 478 enthält freilich den allenfalls mißverständlichen Satz, daß das Verbot des § 3 des schon mehrfach erwähnten Gesetzes vom 30. 3. 1879 eine Zivilteilung nicht hindere, wenn nicht alle materiellen Anteile in der Hand eines und desselben Eigentümers vereinigt seien. Die beklagten Parteien haben aber im Verfahren schon zutreffend darauf hingewiesen, daß Kläger und Beklagter dieses Rechtsfalles zwei Hälfteeigentümer eines materiellen Anteiles waren und daher hinsichtlich dieses materiellen Anteiles die Zivilteilung zwecks Aufhebung der ideellen Gemeinschaft am Eigentum dieses ganz bestimmten materiellen Anteiles (aber nicht etwa des gesamten Hauses) zulässig sei.

Dem Umstand, ob für die einzelnen materiellen Anteile getrennte Einlagezahlen (so zB im Fall der soeben besprochenen Entscheidung JBl. 1968, 478) oder eine gemeinsame Einlagezahl (so im vorliegenden Fall) bestehen, kommt keine Bedeutung zu, da gemäß §§ 5 Abs. 4, 6 Abs. 2 AGAG beide Wege offenstehen und für die Entscheidung für das eine oder für das andere lediglich die Übersichtlichkeit des Grundbuchsstandes, also eine rein grundbuchsmäßige Zweckmäßigkeitsüberlegung, maßgeblich ist (vgl. Schiffner, GZ 1893, 155, besonders 169).

Der Hinweis auf den unbedingten Anspruch eines jeden Teilhabers einer gemeinsamen Sache auf Aufhebung der Gemeinschaft geht fehl, weil es eben Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt. So kann bei begrundetem Wohnungseigentum auch hinsichtlich derjenigen Teile, die gemäß § 1 Abs. 3 WEG 1975 der allgemeinen Benützung dienen, gemäß der ausdrücklichen Vorschrift des § 21 Abs. 2 WEG 1975 die Aufhebung der Gemeinschaft des Eigentums nicht begehrt werden. Die Regel des § 830 ABGB versagt auch dann, wenn der Ausnahmefall vorliegt, daß das Miteigentumsrecht, zB an einem gemeinsamen Hofraum, als Zubehör einer anderen Sache untergeordnet ist und der rechtlichen Selbständigkeit entbehrt (SZ 11/199). Und eine Ausnahme von § 830 ABGB muß auf Grund des Wesens des materiell geteilten Eigentums eben auch dann angenommen werden, wenn gewisse gemeinschaftliche Teile einer Liegenschaft nur mehr Zubehör (Klang in Klang[2] II 28) zweier materieller Anteile darstellen.

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