OGH 5Ob225/12t

OGH5Ob225/12t16.7.2013

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Mag. Wurzer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P***** J*****, 2. MMag. Dr. J***** J*****, 3. Mag. G***** J*****, alle vertreten durch Dr. Wolfgang Dartmann, Dr. Haymo Modelhart, Mag. Anja Hackl, Dr. Elisabeth Humer‑Rieger, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei DI J***** W*****, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen eidlicher Vermögensangabe gemäß Art XLII EGZPO (Streitwert 35.000 EUR) und 3.000 EUR, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 7. September 2012, GZ 12 R 43/12z‑22, womit infolge Berufung der klagenden Parteien das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 30. Dezember 2011, GZ 15 Cg 27/11t‑18, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Kläger sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Beklagten die mit 2.262,90 EUR bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 377,15 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Kläger und der Beklagte sind gesetzliche Erben nach der am 24. 9. 2010 verstorbenen E***** W*****. Sie gaben im Verlassenschaftsverfahren jeweils bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Eine Einantwortung des Nachlasses ist noch nicht erfolgt.

Die Kläger begehren als gesetzliche Miterben, den Beklagten zur Abgabe einer eidlichen Vermögensangabe gemäß Art XLII Abs 1 erster und zweiter Fall EGZPO über den Verbleib des Vermögens der Verstorbenen E***** W*****, insbesondere über die Konten und Sparbücher, Kontoverfügungen durch den Beklagten, Höhe der Mieteinnahmen und Kontodaten sowie Art und Verbleib der im Appartement der Seniorenresidenz befindlichen Gegenstände zu verpflichten und diese Auskünfte zu beeiden. Weiters wird vom Beklagten Zahlung von vorläufig 1.000 EUR an jeden der Kläger und jenes Betrags, der sich aus der ziffernmäßigen Festsetzung nach erfolgter Rechnungslegung ergebe, begehrt.

Die Verstorbene habe über Pensionsansprüche von rund 120.000 EUR netto jährlich verfügt. Dazu kämen Mieteinnahmen aus der Vermietung einer Eigentumswohnung seit ihrer Übersiedlung in eine Seniorenresidenz im Juni 2002. An Kosten für den Aufenthalt in der Seniorenresidenz seien monatlich 3.040,45 EUR angelaufen. Im Todeszeitpunkt hätten sich auf den Konten der Verstorbenen lediglich 1.951,15 EUR (auf dem Konto Nr *****), 0 EUR (auf dem Konto Nr *****) und 235,57 EUR (auf dem Konto Nr *****), sämtliche bei der B***** A*****, befunden. Das stehe in keiner Relation zu den Einkünften der Verstorbenen, zu ihrer bescheidenen Lebensführung und den Kosten für die Seniorenresidenz. Der Beklagte habe jedenfalls ab 2005 die Bankgeschäfte für die Verstorbene geführt und Zeichnungsberechtigung auf ihren Konten gehabt. Allein die Kontoauszüge gäben keine Auskunft über Dispositionen der Verstorbenen. Der Beklagte könne die von ihm behaupteten Ausgaben nicht begründen.

Er werde als Verwahrer und Verwalter der in der Klage genannten Vermögensgegenstände in Anspruch genommen und habe aufzuklären, auf welchen Konten er zeichnungsberechtigt gewesen sei und welche von ihm getätigten Kontobehebungen bzw Verfügungen von 2003 bis zum Todestag erfolgt seien. Es ergäben sich erhebliche Forderungen des Nachlasses gegen den Beklagten. Als Erben hätten die Kläger ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Nachlassvermögens, das sie sich ohne eidliche Vermögensangabe nicht verschaffen könnten.

Überdies habe der Beklagte die persönlichen Eigentumsgegenstände der Verstorbenen verbracht.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren (insbesondere seine passive Klagslegitimation) und beantragte dessen Abweisung. Die Verstorbene habe sich bis zu ihrem Tod allein um ihre finanziellen Angelegenheiten gekümmert und nur fallweise den Beklagten ersucht, für sie Geldbehebungen durchzuführen und ihr diese Geldbeträge zu übergeben. Er habe über keine Verwaltungsvollmacht verfügt. Er sei zusammen mit der (vorverstorbenen) Tochter der Erblasserin (und Mutter der Kläger) zeichnungsberechtigt gewesen. Diese hätte jederzeit Geld beheben können. Die Mutter der Kläger habe selbst ein hohes Vorausvermächtnis in Höhe von 600.000 ATS und Schmuck in Höhe von 1 Mio ATS sowie diverse wertvolle Bilder erhalten. Sämtliche Vermögensdispositionen der Verstorbenen seien aus den Kontoauszügen im Verlassenschaftsverfahren zu entnehmen. Die Beschaffung sei nicht seine Aufgabe. Die Mieteinnahmen seien nach Verfügung der Verstorbenen zu Lebzeiten auf sein Konto überwiesen worden. Damit hätte abgegolten werden sollen, dass er im Gegensatz zu seiner Schwester nach dem verstorbenen Vater keine Vermögenswerte erhalten habe.

Die Möbel aus der Seniorenresidenz seien mangels Interesse und Tätigwerden der Kläger beseitigt worden, sie seien wertlos gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren aus nachstehenden rechtlichen Erwägungen ab:

Nach der Rechtsprechung komme Erben gegenüber Miterben vor Einantwortung kein Auskunftsanspruch im Sinn des Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO zu (RIS‑Justiz RS0012974). Solche Ansprüche seien vor Einantwortung gegen die Verlassenschaft zu richten. Wohl aber stehe Miterben ein auf Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO gestützter Anspruch zu (RIS‑Justiz RS0034997). Die Erben seien nämlich durch die Verheimlichung oder Verschweigung von Nachlassvermögen in ihren Rechten unmittelbar beeinträchtigt (RIS‑Justiz RS0034852). Ein solcher Auskunftsanspruch stehe gegen einen Miterben jedoch nur nach Einantwortung des Nachlassvermögens zu, um ein allfälliges Leistungsbegehren formulieren zu können (7 Ob 147/06b). Vor Einantwortung könne ein derartiger Auskunftsanspruch nur im Namen des ruhenden Nachlasses ‑ sohin der Verlassenschaft ‑ geltend gemacht werden, weil nur dieser das Interesse an der vollständigen Inventarisierung und Bewertung des Nachlassvermögens zukomme. Erben hätten nur einen Anspruch auf ihre jeweilige Erbquote. Diese sei aber von den tatsächlich inventarisierten Vermögenswerten losgelöst (6 Ob 206/02s; 2 Ob 316/02p). Verheimlichte Vermögenswerte könnten daher entsprechend der eigenen Erbquote nach Einantwortung herausverlangt werden.

Im Ergebnis stehe daher den Klägern vor Einantwortung ein Anspruch nur gegenüber dem Nachlass und dem Nachlass gegen Miterben zu, nicht jedoch einem Miterben gegen einen anderen Miterben.

Der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung gab das Gericht zweiter Instanz nicht Folge.

Es teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und verwies gemäß § 500a ZPO im Wesentlichen auf dessen Ausführungen. Darüber hinaus meinte das Berufungsgericht, die Differenzierung der Klagsführungsbefugnis zwischen Noterben, denen ein Auskunftsanspruch zugebilligt werde, und gesetzlichen Erben sei nachvollziehbar. Schließlich müsse derjenige, der einen Pflichtteilsanspruch durchsetzen wolle, auch dessen Höhe beweisen. Demgegenüber erwerbe der Erbe durch Einantwortung ohnedies eine entsprechende Eigentumsquote an den Nachlassgegenständen unabhängig davon, ob das Vermögen des Erblassers im Verlassenschaftsverfahren vollständig inventarisiert worden sei oder nicht.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und die ordentliche Revision zulässig ist. Es sei klärungsbedürftig, ob ein erbantrittserklärter Erbe mit seinem Anspruch nach Art XLII EGZPO tatsächlich bis zur Einantwortung zuwarten müsse oder aber ob jeder erbantrittserklärte Erbe auch berechtigt sei, die Vermögensangabe zu verlangen, weil er durch Verheimlichung oder Verschweigung von Nachlassvermögen unmittelbar in seinen Rechten beeinträchtigt sei.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Kläger wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung im Sinne einer Klagestattgebung; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragte, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil die Frage klärungsbedürftig ist, ob vor Einantwortung erbantrittserklärten Erben auf Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO gestützte Ansprüche gegen Miterben zustehen.

Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.

1. Wer nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts ein Vermögen anzugeben verpflichtet ist, oder wer von der Verschweigung oder Verheimlichung eines Vermögens vermutlich Kenntnis hat, ist nach Art XLII Abs 1 EGZPO zur beeideten Angabe des Vermögens oder der Schulden verpflichtet. Der erste Fall schafft keinen eigenen Anspruch auf Angabe eines Vermögens oder von Schulden, sondern setzt eine zivilrechtliche Verpflichtung hiezu voraus (RIS‑Justiz RS0034986). Im Gegensatz dazu normiert der zweite Fall einen eigenen privatrechtlichen Anspruch auf Angabe eines Vermögens (RIS‑Justiz RS0034834).

2. Ein gesetzlich verankerter materiellrechtlicher Auskunftsanspruch zwischen Pflichtteilsberechtigten wird insbesondere aus den §§ 784, 804 ABGB abgeleitet. Er richtet sich gegen die Verlassenschaft und erst nach Einantwortung gegen den Erben.

Gegen einen Miterben verweigert die Rechtsprechung vor Einantwortung einen Auskunftsanspruch nach dem ersten Fall des Art XLII Abs 1 EGZPO (RIS‑Justiz RS0034997; 1 Ob 396/34 SZ 16/109; 6 Ob 2273/96z; 1 Ob 152/98d EFSlg 88.026; kritisch Bienert‑Nießl , Aufklärungspflichten [2003] 162 ff mwN). Damit in Übereinstimmung haben die Vorinstanzen das entsprechende Begehren, soweit es auf den ersten Fall des Art XLII EGZPO gestützt ist, abgewiesen.

3. Durch die Verschweigung oder Verheimlichung von Nachlassvermögen sind Erben unmittelbar in ihren Rechten iSd Art XLII Abs 2 EGZPO beeinträchtigt (RIS‑Justiz RS0034852). Jeder Erbe kann daher ‑ auch für sich allein ‑ sein Recht auf Vermögensangabe nach Abs 1 zweiter Fall leg cit durchsetzen (1 Ob 152/98d RIS‑Justiz RS0034984; RS0034997).

3.1 Die Durchsetzung von Ansprüchen nach dem zweiten Fall des Art XLII EGZPO wurde schon bisher, von einzelnen noch darzustellenden Ausnahmen abgesehen, in der Regel einem Erben erst nach Einantwortung zugestanden, wenn der Miterbe Gewahrsame über Nachlassgegenstände hatte und Umstände vorlagen, die eine Verheimlichung oder Verbringung von Nachlassgegenständen glaubhaft erscheinen ließen (7 Ob 525/90 SZ 63/30; 6 Ob 2273/96z [Pflichtteils-ergänzungsansprüche]; 1 Ob 152/98d EFSlg 88.026; 7 Ob 147/06b).

3.2 Die Manifestationsklage des Erben wurde auch zugelassen, wenn es nicht zur Einantwortung kam, weil die Verlassenschaft armutshalber abgetan worden war (1 Ob 255/53 SZ 26/137) oder an Zahlungs statt überlassen wurde (7 Ob 147/06b).

3.3 Manifestationsansprüche eines Erben vor Einantwortung wurden etwa gegen einen Dritten als Verwahrer des Nachlasses (4 Ob 2376/96g EvBl 1997/53) zugelassen. Lediglich in der Entscheidung 1 Ob 396/34 SZ 16/109 sprach der Oberste Gerichtshof in einem zwischen Miterben vor Einantwortung geführten Manifestationsverfahren aus, dass eine Anwendung des zweiten Falls des Art XLII EGZPO „in Betracht komme“, wenn ein Miterbe die Gewahrsame über Nachlassgegenstände habe und Umstände vorlägen, die eine Verheimlichung oder Verbringung von Nachlassgegenständen glaubhaft erscheinen ließen.

3.4 Dem erbserklärten gesetzlichen Erben wird, wenn er zugleich Noterbe ist und den Schenkungspflichtteil geltend macht, ein Manifestationsanspruch in beiden Fällen des Art XLII Abs 1 EGZPO bis zur Einantwortung gegen die Verlassenschaft und nach der Einantwortung gegen die Erben zugestanden (RIS‑Justiz RS0117062). Das wird damit begründet, dass derjenige, der einen Pflichtteilsanspruch durchsetzen will, auch dessen Höhe beweisen muss, die einerseits vom Wert des tatsächlich vorhandenen Nachlassvermögens, andererseits von den Zuwendungen des Erblassers zu dessen Lebzeiten, die für die Pflichtteilsermittlung rechnerisch in Anschlag zu bringen sind, abhängig ist (6 Ob 206/02s SZ 2002/150; 2 Ob 316/02p).

4. Es ist also für die Frage, ob von einem Miterben gegen einen anderen Miterben, der die Gewahrsame über Nachlassgegenstände hat bzw Umstände vorliegen, die eine Verheimlichung oder Verbringung von Nachlassgegenständen durch ihn glaubhaft erscheinen lassen, eine Klage nach Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO auch vor Einantwortung erhoben werden kann, maßgeblich, ob ihm in diesem Stadium ein privatrechtliches Interesse an der Ermittlung des Verlassenschaftsvermögens zuzubilligen ist. Das ist im Ergebnis aus der Rechtsstellung des Erben vor Einantwortung zu verneinen. Solange der ruhende Nachlass fortdauert, ist der Erbe nicht Universalsukzessor und kann schon deshalb keine Ansprüche der Verlassenschaft, aber auch keine (eigenen) Ansprüche als Erbe geltend machen. Erst durch die Einantwortung wird er entsprechend seiner Erbquote Eigentümer des Nachlassvermögens, unabhängig davon, ob das Vermögen des Erblassers im Verlassenschaftsverfahren vollständig inventarisiert oder von Dritten ihm gegenüber vollständig angegeben wurde.

Ist aber ein erbantrittserklärter Erbe zur Vertretung der Verlassenschaft legitimiert, kann er Auskunfts- (vgl 1 Ob 609/83 ÖBA 1994, 731 = NZ 1994, 109) oder Manifestationsansprüche nur namens der Verlassenschaft durchsetzen.

Daraus folgt, dass einem erbantrittserklärten Erben vor Einantwortung ein Manifestationsanspruch iSd Art XLII Abs 1 zweiter Fall EGZPO im eigenen Namen nicht zusteht.

Der Revision war daher der Erfolg zu versagen.

5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 46, 50 ZPO. Für den Revisionsbeantwortungs-schriftsatz gebühren jedoch nach TP 3C RATG nur 1.091,10 EUR (statt wie verzeichnet 1.094,60 EUR).

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