European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0050OB00220.19T.0116.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Begründung:
Die Klägerin erwarb in den Jahren 2007 und 2008 am Sekundärmarkt Staatsanleihen mit einer Gesamtnominale von 16.000.000 EUR, die die beklagte hellenische Republik zur Finanzierung ihrer Ausgaben begeben hatte und deren Fälligkeit mit 20. Mai 2014 bzw 20. Juli 2017 eintreten sollte.
Am 23. Februar 2012 erließ die beklagte Republik das Gesetz 4050/2012 betreffend „Regeln zur Änderung von Wertpapieren, die vom griechischen Staat emittiert oder garantiert wurden, mit Zustimmung der Anleiheinhaber“. Dieses Gesetz sah eine Umstrukturierungsklausel (collectiv action clause [CAC]) vor, die eine Änderung der ursprünglichen Anleihebedingungen mit Zustimmung einer qualifizierten Mehrheit des ausstehenden Kapitals ermöglichte. Unter Berufung auf dieses Gesetz nahm die beklagte Republik eine Konvertierung (auch) der von der Klägerin erworbenen Anleihen vor, in dem diese gegen Staatsanleihen mit einem niedrigeren Nominalwert und weiteren Verschlechterungen umgetauscht wurden.
Die Klägerin begehrt 12.004.419,40 EUR sA. Die Zwangskonvertierung sei rechtswidrig. Die Beklagte habe bei der Begebung der Staatsanleihen als Privatrechtssubjekt gehandelt, wobei das Gesetz 4050/2012 ausschließlich die Umschuldung von Anleihen erfasse, die dem griechischen Recht unterliegen. Die gegenständlichen Anleihen seien aber nach englischem Recht emittiert worden.
Das Erstgericht verwarf (unbekämpft) die von der Beklagten erhobene Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und wies die Klage aufgrund internationaler Unzuständigkeit zurück. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung in ihrem bekämpften Umfang.
Dagegen richtet sich das außerordentliche Rechtsmittel der Klägerin, in dem sie bemängelt, dass das Rekursgericht die Anwendbarkeit englischen Rechts nicht geprüft, sondern die Anleihen dem griechischen Gesetz 4050/2012 unterstellt habe und damit zu Unrecht von einem Hoheitshandeln ausgegangen sei. Damit spricht sie keine Rechtsfragen von der Bedeutung gemäß § 528 Abs 1 ZPO an.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Die inländische Gerichtsbarkeit ist für Schadenersatzansprüche gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitlichen Akt des betreffenden ausländischen Staats bezieht (RIS-Justiz RS0032107).
1.2 Dazu vertrat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 15. 11. 2018, C‑308/17, Hellenische Republik/Kuhn, die Auffassung, dass der Rechtsstreit im Ausgangsverfahren (der Kläger des Anlassverfahrens hatte ebenfalls Staatsanleihen der beklagten Republik am Sekundärmarkt erworben, die dann in Vollziehung des Gesetzes 4050/2012 konvertiert worden waren) aus Handlungen des griechischen Staats in Ausübung hoheitlicher Rechte resultiere. Er begründete dies mit den außergewöhnlichen Umständen (schwere Finanzkrise), unter denen die gesetzliche „Zwangskonvertierung“ erfolgt sei, sowie dem im Allgemeininteresse liegenden Ziel, den Zahlungsausfall Griechenlands zu verhindern und die Finanzstabilität des Euro-Währungsgebiets sicherzustellen.
1.3 Das Erstgericht hat die inländische Gerichtsbarkeit des angerufenen Erstgerichts für den geltend gemachten Anspruch bejaht. Insoweit ist seine Entscheidung unbekämpft in Rechtskraft erwachsen. Daran ist der Oberste Gerichtshof nach § 42 Abs 3 JN iVm § 528 Abs 2 Z 2 ZPO ungeachtet der dargestellten unionsrechtlichen Beurteilung durch den EuGH gebunden (RS0114196 [T10]; 10 Ob 103/18x).
2.1 Für die Prüfung der internationalen Zuständigkeit sind in erster Linie die Angaben in der Klage maßgebend. Soweit es den Rahmen des Zuständigkeitsstreits nicht sprengt, steht es dem angerufenen Gericht jedoch auch frei, seine internationale Zuständigkeit im Licht aller ihm vorliegenden Informationen zu prüfen, wozu gegebenenfalls auch die zuständigkeitsrelevanten Einwände des Beklagten gehören (8 Ob 125/15p mwN; 10 Ob 103/18x; RS0130596 [T1]).
2.2 Nach dem bereits zitierten Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 15. November 2018 fallen Klagen, die sich gegen den Austausch von Anleihen gegen solche mit einem niedrigeren Wert richten, der auf einem durch den nationalen Gesetzgeber unter außergewöhnlichen Umständen erlassenen Gesetz beruht, mit dem die Anleihebedingungen einseitig und rückwirkend geändert wurden, indem eine CAC eingeführt wurde, die es der Mehrheit der Inhaber der betreffenden Anleihen ermöglichte, der Minderheit diesen Austausch aufzuzwingen, nicht unter den Begriff „Zivil- und Handelssachen“ im Sinne des Art 1 Abs 1 der Verordnung Nr 1215/2012 (EuGVVO 2012).
2.3 Aufgrund dieser Entscheidung hat der Oberste Gerichtshof in Abkehr von seiner älteren Rechtsprechung (vgl etwa 4 Ob 227/13f) im Zusammenhang mit Anleihen, die die beklagte Republik begeben und unter Berufung auf das Gesetz 4050/2012 konvertiert hatte, bereits wiederholt ausgesprochen, dass die EuGVVO 2012 nicht anwendbar ist, und sich der Kläger auch dann, wenn die Klage auf Erfüllung der Emissionsbedingungen bzw auf Schadenersatz wegen deren Nichterfüllung gestützt wird, zur Begründung der internationalen Zuständigkeit des Erstgerichts auf keinen der von dieser Verordnung erfassten Zuständigkeitstatbestände berufen kann (10 Ob 103/18x; 10 Ob 104/18v; 8 Ob 161/18m; 1 Ob 139/19a).
2.4 Die Klägerin stellt diese Grundsätze auch nicht in Frage, sondern vertritt den Standpunkt, dass die hier in Rede stehenden Anleihen (und nicht bloß die den Emissionen zugrundeliegenden Übernahmeverträge, abgeschlossen zwischen der beklagten Republik und den Mitgliedern des Emissionskonsortiums) dem englischen Recht unterliegen und das griechische Gesetz 4050/2012 auf diese nicht zur Anwendung gelangte. Damit ignoriert sie aber ihr eigenes Klagevorbringen, nach dem sie ihre Ansprüche gerade aus der unter Berufung auf dieses Gesetz vorgenommenen Konvertierung ableitet und die Differenz zwischen der ursprünglichen Gesamtnominale und ihrem Erlös aus der Veräußerung der nach dem Gesetz 4050/2012 (zwangsweise) konvertierten Anleihe geltend macht. Sie leitet ihren Anspruch jedenfalls aus der gesetzlich aufgezwungenen Konvertierung und damit aus einem Akt „iure imperii“ ab (vgl auch 1 Ob 139/19a). Selbst eine allenfalls unrichtige Anwendung dieses Gesetzes änderte nichts daran, dass der geltend gemachte Anspruch aus dessen Vollziehung und damit – entsprechend dem vom EuGH angelegten Beurteilungsmaßstab – aus einem hoheitlichen Akt abgeleitet wird, sodass in keinem Fall eine Zivil- oder Handelssache im Sinne des Art 1 Abs 1 der EuGVVO vorliegt. Entgegen der von ihr vertretenen Auffassung ist es daher auch nicht zu beanstanden, dass das Rekursgericht die Frage nach dem anwendbaren Recht als rechtlich unerheblich dahin stehen ließ.
3. Auf einen Gerichtsstand nach den Bestimmungen des österreichischen Rechts hat sich die Klägerin weder berufen noch ein entsprechendes Vorbringen erstattet. Damit ist für ihren Standpunkt auch aus der für den Obersten Gerichtshof bindenden Bejahung der inländischen Gerichtsbarkeit durch das Erstgericht nichts gewonnen (vgl 10 Ob 103/18x).
4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).
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