OGH 5Ob217/18z

OGH5Ob217/18z20.3.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Painsi, Dr. Steger und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Grundbuchsache der Antragsteller 1. H*****gesellschaft mit beschränkter Haftung, *****, 2. R***** eGen, *****, 3. L*****, 4. C***** S*****, 5. D*****, alle vertreten durch die Sluka Hammerer Tevini Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Grundbuchshandlungen ob EZ ***** KG *****, über den ordentlichen Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Rekursgericht vom 7. September 2018, AZ 53 R 137/18f, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Oberndorf vom 22. Mai 2018, TZ 974/2018, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00217.18Z.0320.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Erstantragstellerin (Verkäuferin) und der Viert- und die Fünftantragstellerin (Käufer und Eigentümerpartner) schlossen einen Kaufvertrag über zwei Wohnungseigentumsobjekte (Wohnung und Kfz-Abstellplatz). Zur grundbücherlichen Durchführung dieses Kaufvertrags und der Sicherung der Kaufpreisfinanzierung stellte die Rechtsvertreterin der Antragsteller (unter Berufung auf § 30 Abs 2 ZPO, § 77 Abs 1 und 2 GBG) zwei gesonderte Grundbuchsgesuche. Im ersten Gesuch wurde die Löschung diverser auf den Liegenschaftsanteilen haftender Verbindlichkeiten und die Einverleibung des Eigentumsrechts für den Viert- und die Fünftantragstellerin begehrt. In dem diesem Revisionsrekursverfahren zugrunde liegenden zweiten Gesuch begehrten die Antragsteller die Eintragung a) eines Pfandrechts für die Zweitantragstellerin in Höhe von 186.340 EUR, b) eines Pfandrechts für die Drittantragstellerin im Höchstbetrag von 25.400 EUR, c) des Veräußerungsverbots für die Drittantragstellerin gemäß § 19 S.WFG 2015, d) eines Pfandrechts für die Zweitantragstellerin im Höchstbetrag von 254.600 EUR und e) des Vorkaufsrechts für die Erstantragstellerin gemäß § 15g WGG bis 10. 7. 2027.

Das Erstgericht bewilligte diese Grundbuchsgesuche in gesonderten Beschlüssen antragsgemäß.

Gegen die Bewilligung der Eintragung des Pfandrechts für die Zweitantragstellerin im Höchstbetrag von 254.600 EUR richtete sich der Rekurs der Zweitantragstellerin. Der Vertreter aller Antragsteller habe keine Vollmacht zur Einverleibung dieses Höchstbetragspfandrechts gehabt. Die Pfandurkunde sei nämlich mit der treuhändigen Abrede übergeben worden, dass dieses Pfandrecht nur dann einverleibt werden dürfe, wenn dem Viert- und der Fünftantragstellerin keine Wohnbauförderung gewährt werde. Den Ehegatten sei aber die Wohnbauförderung gewährt worden, weshalb nur das zweite Pfandrecht von 186.340 EUR einverleibt hätte werden dürfen. Damit habe der Rechtsvertreterin der Rekurswerberin die erforderliche Vollmacht gefehlt; sie habe sich irrtümlich auf eine Vollmacht nach § 77 Abs 1 GBG berufen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweitantragstellerin nicht Folge. Im Rechtsmittelverfahren in Grundbuchsachen bestehe Neuerungsverbot. Ein Vollmachtsmangel könne daher im Rekurs nur geltend gemacht werden, wenn er sich schon aus dem Grundbuchsgesuch oder den damit vorgelegten Urkunden ergebe. Hier ergebe sich der Vollmachtsmangel erst aus den Ausführungen im Rekurs und einer mit dem Rekurs vorgelegten eidesstättigen Erklärung einer Mitarbeiterin der Antragstellervertreterin. Auf eine solche Neuerung könne das Rekursgericht nicht Bedacht nehmen. Die von der Rekurswerberin geforderte wirtschaftliche Betrachtung des Kaufvertrags und der beiden Pfandurkunden, wobei schon bei einer solchen Gesamtschau in Anbetracht des Kaufpreises von Wohnung und Tiefgaragenplatz und des Verkehrswerts der Wohnung von einer deutlichen Überbelastung der Liegenschaftsanteile und damit in Auslegung der Urkunden von einem Vollmachtsmangel auszugehen wäre, habe nicht stattzufinden.

Das Rekursgericht erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für zulässig, weil die Rechtsfrage, ob und wie weit im konkreten besonderen Einzelfall unter Zusammenhalt aller Eintragungsgrundlagen durch ergänzende Auslegung schon aus dem Grundbuchsgesuch auf einen eindeutigen Vollmachtsmangel zu schließen gewesen wäre, die Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG erfülle.

Gegen diese Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der ordentliche Revisionsrekurs der Zweitantragstellerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidungen der Vorinstanzen abzuändern und das Begehren auf Eintragung des Pfandrechts für die Zweitantragstellerin im Höchstbetrag von 254.600 EUR abzuweisen. Hilfsweise stellt sie einen Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruchs des Rekursgerichts (§ 71 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG) – nicht zulässig.

1. Die Zulässigkeit eines Rechtsmittels erfordert unabhängig von der Frage nach der materiell-rechtlichen Beschwer immer jedenfalls auch die formelle Beschwer (5 Ob 222/18k; 5 Ob 165/17a; 5 Ob 130/11w). Die formelle Beschwer als besondere Ausprägung des Rechtsschutzinteresses in höherer Instanz liegt aber nicht vor, wenn – wie hier – dem Antrag des späteren Rechtsmittelwerbers zur Gänze stattgegeben wurde (5 Ob 222/18k; 5 Ob 165/17a; RIS-Justiz RS0006587 [T10], RS0006491 [T3, T4], RS0006693 [T9]).

2.  Dieser Grundsatz kommt nur dann nicht zum Tragen, wenn im Rechtsmittel geltend gemacht wird, dass der Antrag mangels Vollmacht in Wahrheit gar nicht gestellt worden sei. In diesem Fall wäre ein Rechtsmittelinteresse zu bejahen (5 Ob 222/18k; 5 Ob 130/11w). Damit ein derartiger Vollmachtsmangel, der im Rechtsmittelverfahren behauptet wird, nicht gegen das in § 122 Abs 2 GBG normierte Neuerungsverbot verstößt, muss er sich aus dem Gesuch oder den mit diesem vorgelegten Urkunden ergeben und daher ohnehin von Anfang an aktenkundig (gewesen) sein (5 Ob 222/18k, 5 Ob 48/17w mwN; RIS-Justiz RS0060604 [T7, T27], RS0106932 [T1, T4]).

3.  Diesen Ausnahmefall hat die Zweitantragstellerin in ihrem Rekurs behauptet. Die Vollmacht des Antragstellervertreters habe die erste der zwei begehrten Pfandrechtseintragung nicht umfasst. Angesichts des dem Grundbuchsgericht bekannten Verkehrswerts der Liegenschaftsanteile sei aus dem eindeutigen Wortlaut der vorgelegten Urkunden (Kaufvertrag und zwei Pfandurkunden) deren deutliche Überbelastung hervorgegangen, sodass das Grundbuchsgericht begründete Bedenken gegen die Einschreiterbefugnis gemäß § 94 Abs 1 Z 2 GBG hätte hegen müssen.

4.  Ob sich ein Vollmachtsmangel aus dem Gesuch oder den mit diesem vorgelegten Urkunden ergibt, ist eine Frage des Einzelfalls, der in der Regel keine über diesen hinausgehende Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt (vgl 5 Ob 47/16x; 5 Ob 77/16h; RIS‑Justiz RS0060604 [T19]; zu § 94 Abs 1 Z 3 GBG: RIS‑Justiz RS0060573 [T18]). Dem Rekursgericht, das hier aus den vorgelegten Urkunden (ungeachtet der missverständlichen Formulierung auch inhaltlich) keine Bedenken iSd § 94 Abs 1 Z 2 GBG gegen das Bestehen der Vertretungsmacht des Bevollmächtigten abgeleitet hat, ist auch keine vom Obersten Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen. Die von der Zweitantragstellerin gezogene Schlussfolgerung aus der beantragten „Überbelastung“ auf einen Vollmachtsmangel ist nicht nur nicht zwingend, sondern auch nicht naheliegend. Die Fragen der Erkennbarkeit dieser Überbelastung aus den vorgelegten Urkunden und der Verwertbarkeit des Verkehrswertgutachtens, das nicht mit dem diesem Grundbuchsverfahren zugrunde liegenden Grundbuchsgesuch vorgelegt wurde (RIS‑Justiz RS0040040), können somit dahingestellt bleiben.

5. Der Revisionsrekurs ist daher mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG iVm § 126 Abs 2 GBG unzulässig.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte