OGH 5Ob208/09p

OGH5Ob208/09p25.3.2010

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden und die Hofrätinnen Dr. Hurch und Dr. Lovrek sowie die Hofräte Dr. Höllwerth und Dr. Roch als weitere Richter in der Grundbuchsache des Antragstellers Karl P*****, geboren *****, vertreten durch Rechtsanwälte Teufer-Peyrl & Hennerbichler (GesbR) in Freistadt, wegen Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung ob Miteigentumsanteilen der Liegenschaft EZ ***** GB *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Rekursgericht vom 13. August 2009, AZ 16 R 74/09d, mit dem infolge Rekurses des Antragstellers der Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt vom 27. Februar 2009, TZ 580/09, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses des Antragstellers wird der angefochtene Beschluss des Rekursgerichts dahin abgeändert, dass der vom Rechtspfleger des Erstgerichts erlassene Beschluss aufgehoben und dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung durch den Richter aufgetragen wird.

Text

Begründung

Ob dem Hälfteanteil B-LNR 1 der EZ ***** GB ***** ist das Eigentumsrecht des Antragstellers einverleibt.

Der Antragsteller beantragte ob dem bezeichneten Hälfteanteil die Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung.

Die Gesuchsunterschrift des Antragstellers ist von „JUDr. Stanislav V*****, LL.M., Rechtsanwalt mit Sitz in C***** B*****, H*****, eingetragen im durch die Tschechische Anwaltskammer geführten Verzeichnis der Rechtsanwälte unter Evidenz Nr.: *****," mit einer zweisprachigen „Erklärung über die Echtheit der Unterschrift auf einer vom Rechtsanwalt nicht verfassten Urkunde gemäß § 25a Gesetz Nr. 85/1996 Slg., über die Anwaltschaft, in der geänderten Fassung“ beglaubigt.

Das Erstgericht (ein Rechtspfleger) wies das Grundbuchsgesuch ab. Gemäß § 53 Abs 3 GBG könne ein Antrag auf Anmerkung der Rangordnung für die beabsichtigte Veräußerung nur dann bewilligt werden, wenn die Unterschrift der Gesuche gerichtlich oder notariell beglaubigt sei. Mit BGBl III 1997/123 sei der bilaterale Vertrag zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen, über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften vom 10. 11. 1961, BGBl 1962/309, anerkannt worden. Danach seien (nur) Beglaubigungen durch tschechische öffentliche Notare in Österreich anzuerkennen, nicht aber solche durch tschechische Rechtsanwälte. Überdies fordere Art 21 f des bezeichneten Staatsvertrags ausdrücklich den Abdruck eines amtlichen Siegels der ausstellenden Behörde oder Person, damit die betreffende Urkunde im anderen Vertragsstaat verwendet werden könne. Ein solcher Siegelabdruck fehle beim vorliegenden Beglaubigungsvermerk. Das Grundbuchsgesuch sei daher abzuweisen gewesen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragstellers nicht Folge. Nach Art 22 des bilateralen, zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik abgeschlossenen Vertrags über wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen, über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften vom 10. 11. 1961, BGBl 1962/309, bedürften öffentliche Urkunden einschließlich der Bestätigungen der Echtheit einer Unterschrift, die mit der amtlichen Unterschrift und dem amtlichen Siegel eines Gerichts bzw einer Verwaltungsbehörde oder eines tschechoslowakischen Staatsnotariats versehen seien, zum Gebrauch vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden des anderen Vertragsstaats keiner weiteren Beglaubigung. Aus dem genannten Vertrag gehe allerdings nicht hervor, dass auch die Beglaubigung durch einen tschechischen Rechtsanwalt ausreiche. Zu dieser Frage müsse der Staatsvertrag ausgelegt werden. Regeln über die Auslegung von völkerrechtlichen Verträgen fänden sich in Art 31 f der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK). Nach Art 31 WVK sei die Korrektur eines Vertrags durch Einbeziehung ergänzender Auslegungsmittel, insbesondere der vorausgehenden Praxis der Staaten oder Umstände des Vertragsabschlusses dann ausgeschlossen, wenn der Vertragstext einen akzeptablen Sinn ergebe. Der von der Republik Österreich und der Tschechischen Republik abgeschlossene Vertrag regle eindeutig, dass nur Bestätigungen der Echtheit einer Unterschrift, die mit der amtlichen Unterschrift und dem amtlichen Siegel des Gerichts, der Verwaltungsbehörde oder eines tschechoslowakischen Staatsnotariats versehen sind, keiner weiteren Beglaubigung zum Gebrauch vor den Gerichten und Verwaltungsbehörden des anderen Vertragsstaats bedürften. Ausdrücklich nicht genannt seien die tschechischen Rechtsanwälte, weshalb für eine ergänzende Auslegung nach Art 32 WVK kein Raum bleibe. Daran ändere auch eine nachträgliche Änderung der Gesetzeslage in der tschechischen Republik in Form des § 25a des tschechischen Gesetzes über die Anwaltschaft nichts, weil keine entsprechende Anpassung des bilateralen Vertrags erfolgt sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 Abs 1 GBG) zu lösen gewesen sei und überdies die Umstände des Einzelfalls für die Entscheidung maßgeblich gewesen seien.

Gegen die Entscheidung des Rekursgerichts richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragstellers mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und dem Erstgericht aufzutragen, das Begehren des Antragstellers zu bewilligen sowie diesem die einzige Ausfertigung des Rangordnungsbeschlusses auszufolgen. Weiters regt der Antragsteller die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens gemäß Art 234 EGV an. Der Antragsteller macht in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs als erhebliche Rechtsfragen geltend, tschechische Rechtsanwälte seien seit 1. 1. 2005 gemäß § 25a des Gesetzes über die Anwaltschaft Nr. 85/1996 Slg idgF berechtigt, die Echtheit der Unterschrift auf einer Privaturkunde zu bestätigen, und müssten folglich bei Auslegung der Art 21 f des genannten bilateralen Vertrags den tschechischen öffentlichen Notaren gleichgestellt werden. Es liege überdies ein Anwendungsfall der Dienstleistungsfreiheit iSd Art 49 ff EGV vor, weshalb der tschechische berufsberechtigte Anwalt bei der Beglaubigung von Unterschriften nicht anders behandelt werden dürfe als der österreichische Berufsberechtigte, der eine solche Dienstleistung erbringen dürfe.

Rechtliche Beurteilung

Aus Anlass des Revisionsrekurses ist eine Nichtigkeit als Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG (iVm § 126 Abs 1 GBG) wahrzunehmen (§§ 66 Abs 1 Z 1, 58 Abs 4 Z 2 AußStrG; vgl Fucik/Kloiber, § 66 AußStrG Rz 2; Maurer/Schrott/Schütz, § 66 AußStrG Rz 2), weil die Vorinstanzen den Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG nicht beachtet haben:

1. Nach § 53 Abs 3 GBG muss bei einem Ansuchen um Anmerkung der beabsichtigten Veräußerung die Unterschrift des Gesuchs „gerichtlich oder notariell beglaubigt“ sein. Der Antragsteller hat hier die Beglaubigung seiner Unterschrift durch einen tschechischen Anwalt vornehmen lassen. Dass diese Form der Beglaubigung namentlich im Lichte des zufolge Kundmachung BGBl III 1997/123 weiter geltenden bilateralen Vertrags zwischen der Republik Österreich und der Tschechischen Republik über wechselseitigen rechtlichen Verkehr in bürgerlichen Rechtssachen, über Urkundenwesen und über Erteilung von Rechtsauskünften vom 10. 11. 1961, BGBl 1962/309, dem § 53 Abs 3 GBG entsprechen könnte, leitet der Antragsteller offenbar (ua) aus dem im Gesuch ausdrücklich genannten „§ 25a Gesetz Nr. 85/1996 Slg., über die Anwaltschaft, in der geänderten Fassung" ab. Für die Prüfung der Bewilligungsvoraussetzung nach § 53 Abs 3 GBG kam daher die Notwendigkeit der Berücksichtigung dieser ausländischen Rechtsvorschrift zumindest in Betracht, was für das Wirksamwerden des Richtervorbehalts nach § 16 Abs 2 Z 6 RPflG ausreicht (vgl Hoyer, Anm zu 5 Ob 184/08g = NZ 2009/736 [GBSlg]; vgl aber auch zur Ermittlung/zum Nachweis ausländischen Rechts im Grundbuchsverfahren allgemein RIS-Justiz RS0060532).

2. Nach bisher ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs leiden ein vom Rechtspfleger in Überschreitung der ihm vom Gesetz eingeräumten Entscheidungsgewalt erlassener Beschluss und das ihm vorangegangene Verfahren, soweit es vom Rechtspfleger durchgeführt wurde, an einer Nichtigkeit iSd § 477 Abs 1 Z 2 ZPO. Ein solcher Beschluss ist daher im Falle seiner Anfechtung aufzuheben. Die Nichtigkeit ist, auch wenn sie im Rechtsmittel nicht geltend gemacht wurde, bis zur rechtskräftigen Beendigung des Verfahrens wahrzunehmen (RIS-Justiz RS0007465 [T2]); diese Konsequenz folgt nunmehr (auch) aus § 58 Abs 4 Z 2 iVm § 58 Abs 3 AußStrG nF (iVm § 75 Abs 2 GBG; 5 Ob 281/05t = NZ 2006/667 [Hoyer] = ecolex 2006/207 [Hoyer]; vgl Fucik/Kloiber, § 58 AußStrG Rz 4). In der gegebenen Konstellation scheidet eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof daher aus (5 Ob 281/05t).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

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