OGH 5Ob20/23m

OGH5Ob20/23m31.5.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch HEGH Hawel-Eypeltauer-Gigleitner-Huber & Partner Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Stadtgemeinde *, vertreten durch Dr. Klepp, Mag. Dr. Nöbauer, Mag. Hintringer ua Rechtsanwälte in Linz, wegen Unterlassung und Schadenersatz, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2023, GZ 2 R 169/22v‑41, mit dem das Urteil des Landesgerichts Linz vom 14. Oktober 2022, GZ 29 Cg 45/21w‑35, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0050OB00020.23M.0531.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 2.172,12 EUR zu zahlen und es künftig zu unterlassen, dass Wasser von der Gemeindestraße, dem Gehsteig und unterhalb von Straße und Gehsteig auf die Liegenschaft der klagenden Partei EZ *, insbesondere in den Keller des auf der Liegenschaft errichteten Hauses, abgeleitet werde, abgewiesen wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 15.761,65 EUR (darin 1.531,75 EUR USt und 6.571,15 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin ist Eigentümerin einer Liegenschaft samt Gebäude im Stadtzentrum der beklagten Gemeinde. Das Gebäude grenzt unmittelbar an den Gehsteig der W*straße und darauffolgend an den der S*gasse.

[2] Am 21.  und am 24. Juni 2021 kam es im Bereich der W*straße zu Starkregen, wie er im langjährigen Mittel seltener als alle 25 Jahre auftritt. Am 24. Juni 2021 gegen 17:30 Uhr war aufgrund der Niederschlagsmenge das Kanalsystem überlastet und das Wasser staute sich im Bereich zwischen dem Gemeindeamt und der Liegenschaft der Klägerin auf; es floss teilweise über die Zufahrt zur S*gasse ab, gelangte für kurze Zeit aber auch über die Lichtschachtoberkante beim Haus der Klägerin und füllte die Lichtschächte mit Wasser. Dieses Wasser drang in der Folge in den Keller des Hauses der Klägerin ein. Die Sanierungskosten dafür betragen 2.172,12 EUR. Es kann nicht festgestellt werden, ob die Überschwemmung „auch bei Vorliegen von natürlichen Abflussverhältnissen stattgefunden“ hätte.

[3] Die Klägerin begehrte von der Beklagten Schadenersatz (ohne Zinsen) sowie die Verpflichtung zur Unterlassung der Ableitung von Wasser über die Gemeindestraße und den Gehsteig auf die Liegenschaft (insbesondere in den Keller). Durch eine von der Beklagten vorgenommene Veränderung des Gehsteigs werde das Eindringen von Wasser bei starken Regenfällen begünstigt und die Beklagte habe dagegen nichts unternommen. Es handle sich um eine unmittelbare Zuleitung, die jedenfalls unzulässig sei.

[4] Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, sie habe keine Veränderungen des Gehsteigs durchgeführt, der rund 15 bis 20 cm höher als das Straßenniveau und weitere 5 bis 10 cm höher als das tiefste Niveau der Einlaufschächte liege. Die Feuchtigkeit im Keller der Klägerin sei durch mangelnde Bauqualität und fehlende Dichtheit der Fenster verursacht. Das Starkregenereignis sei als höhere Gewalt zu qualifizieren und die Beklagte habe kein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten gesetzt. Ein Unterlassungsanspruch scheide aus, weil der Kanal von der Behörde wasserrechtlich bewilligt sei.

[5] Das Erstgericht gab dem Unterlassungsbegehren bezüglich der Zuleitung von Oberflächenwasser statt und wies das Begehren auf Schadenersatz sowie das weitergehende Unterlassungsbegehren betreffend die Ableitung von Wasser unterhalb von Straße und Gehsteig ab.

[6] Die Beklagte könne sich nicht auf höhere Gewalt berufen, weil nicht fest stehe, dass es zur Überschwemmung „auch bei natürlichen Abflussverhältnissen“ gekommen wäre; die Negativfeststellung dazu gehe zu Lasten der Beklagten. § 21 Abs 3 OÖ StraßenG gelte nur für den „nicht gesammelten“ Abfluss des Wassers; da hier aber das Kanalsystem überlastet gewesen sei, komme die Bestimmung nicht zur Anwendung. Der Beklagten sei wegen des seltenen Ereignisses kein objektiv sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen, weshalb die Klägerin keinen Anspruch auf Schadenersatz habe. Das Unterlassungsbegehren betreffend Wasser, das unterhalb von Straße und Gehsteig abgeleitet werde, sei nicht berechtigt, weil eine solche Ableitung nicht stattgefunden habe.

[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht, hingegen der – nur gegen die Abweisung des Zahlungsbegehrens gerichteten – Berufung der Klägerin Folge und verpflichtete die Beklagte (auch) zum Schadenersatz.

[8] Eine unmittelbare Zuleitung sei ohne besonderen Rechtstitel immer unzulässig. Wenn – wie hier – infolge einer Änderung der natürlichen Regenabflusssituation bei Hanglage Wasser in beträchtlichem Umfang auf unterhalb gelegene Grundstücke gelange, liege darin eine unzulässige unmittelbare Zuleitung. Die von der Beklagten gewünschte zusätzliche Feststellung, dass die Straßenoberfläche schon vor Errichtung des Hauses der Klägerin vorhanden gewesen sei, ändere nichts an den nicht natürlichen Abflussverhältnissen und an der unmittelbaren Zuleitung. Die bestehenden Straßen- und Gehsteiganlagen führten „zwingend“ dazu, dass wegen Überlastung des Kanalsystems Wasser auf die Liegenschaft der Klägerin fließe und dort „ein Ausmaß von Überschwemmung“ herbeiführe. Die Negativfeststellung zu den natürlichen Abflussverhältnissen gehe zu Lasten der Beklagten. Bei 25‑jährigen Starkregenereignissen könne nicht von höherer Gewalt gesprochen werden. Das Schadenersatzbegehren sei berechtigt, weil der Klägerin ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch zustehe.

[9] Die Revision sei wegen Einzelfallabhängigkeit nicht zulässig.

[10] Gegen das Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die Entscheidung dahin abzuändern, dass das gesamte Klagebegehren abgewiesen werde.

[11] Die Klägerin beantragt in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12] Die Revision ist zulässig und berechtigt.

[13] 1.1 Nach ständiger Rechtsprechung und den überwiegenden Lehrmeinungen gelten die nachbarrechtlichen Ansprüche nach den §§ 364 ff ABGB auch im Verhältnis zwischen einem Privatgrundstück und einer öffentlichen Straße (RS0010565; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 Vor §§ 364–364b Rz 30 mwN; Winner in Rummel/Lukas, ABGB4 § 364 Rz 16). Ebenso ist in der jüngeren Rechtsprechung geklärt, dass öffentliche Straßenanlagen als behördlich genehmigte Anlagen gemäß § 364a ABGB anzusehen sind (RS0010596; Oberhammer/Scholz‑Berger in Schwimann/Kodek, ABGB5 § 364a Rz 9 FN 70 mwN; ausführlich und nach dem jeweiligen Landesrecht differenzierend Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364a Rz 91 ff mwN). Diese Grundsätze ziehen beide Parteien nicht in Zweifel. Allerdings sind die Vorinstanzen hier (in dem gegenüber dem ursprünglichen Begehren eingeschränkten Umfang) von einer unzulässigen unmittelbaren Zuleitung des Wassers auf die Liegenschaft der Klägerin ausgegangen.

[14] 1.2 Eine unmittelbare Zuleitung ist gemäß § 364 Abs 2 zweiter Satz ABGB ohne besonderen Rechtstitel unter allen Umständen unzulässig; das gilt grundsätzlich auch, wenn sie von einer behördlich genehmigten Anlage ausgeht (RS0010528 [T3]; RS0010683; Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 Rz 193; Holzner in Kletečka/Schauer, ABGB1.06 § 364 Rz 8 mwN). Nach der Rechtsprechung ist unter einer unmittelbaren Zuleitung eine solche zu verstehen, die durch eine „Veranstaltung“ bewirkt wird, die für eine Einwirkung gerade in Richtung auf das Nachbargrundstück hin ursächlich ist (RS0010635; zum Begriff der unmittelbaren Zuleitung ausführlich Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364 Rz 186 ff). Sie erfordert kein zielgerichtetes Verhalten des Liegenschaftseigentümers, setzt aber voraus, dass durch den belangten Nachbarn überhaupt eine (mehr als geringfügige) Veränderung erfolgte (1 Ob 27/21h mwN).

[15] 1.3 Liegt – wie im Fall einer öffentlichen Straße – eine bewilligte Anlage im Sinn des § 364a ABGB vor, muss der Nachbar über die aus dieser Gesetzesstelle resultierende Duldungspflicht hinaus eine unmittelbare Zuleitung nur hinnehmen, wenn ein besonderer Rechtsgrund dafür vorliegt. Dem Nachbarn muss auch insoweit ein Abwehrrecht genommen sein, das ihm sonst nach dem Inhalt seines Eigentums zugestanden wäre. So sind gemäß § 24 Abs 2 Bundesstraßengesetz (BStG) 1971, BGBl 1971/268 idgF, die Anrainer der Bundesstraßen verpflichtet, „den freien Abfluss des Wassers von der Straße auf ihren Grund und die Ablagerung von Schnee [...] zu dulden“. Nach der Rechtsprechung räumt diese Bestimmung eine Legalservitut ein (1 Ob 224/18z mwN), die allerdings nur den „freien Wasserabfluss“ betrifft und nicht etwa die Zuleitung anderer (Schad‑)Stoffe wie zB Streusalz (vgl 3 Ob 534/90) oder untypische bzw übermäßige Wassereinwirkungen (vgl 7 Ob 66/02k; näher dazu Kerschner/Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364a Rz 106 mwN).

[16] 2.1 § 21 Abs 3 des Oberösterreichischen Straßengesetzes, LGBl Nr 84/1991, (folgend: OöStrG) lautet:

„§ 21 – Sonstige Anrainerverpflichtungen (...)

(3) Die Eigentümer von Grundstücken, die in einem Abstand bis zu 50 Meter neben einer öffentlichen Straße liegen, sind verpflichtet, den freien, nicht gesammelten Abfluss des Wassers von der Straße und die Ablagerung des im Zuge der Schneeräumung von der Straße entlang ihrer Grundstücke entfernten Schneeräumgutes auf ihrem Grund ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden. (…)“

[17] Die Bestimmung ist gemäß § 1 Abs 1 OöStrG auf alle öffentliche Straßen (mit Ausnahme der Bundesstraßen) in Oberösterreich anzuwenden. Sie gilt daher auch im vorliegenden Fall.

[18] 2.2 In der Entscheidung 1 Ob 224/18z (= RS0010539 [T5]) hat der Oberste Gerichtshof nach ausführlicher Auseinandersetzung mit der bisherigen Rechtsprechung zu öffentlichen Straßen als behördlich genehmigte Anlagen im Sinn des § 364a ABGB entschieden, dass die Besitzer der an die Straße grenzenden Grundstücke nach der Legalservitut des § 10 SbgLStG jedenfalls verpflichtet sind, den durch die Anlage der Straße bedingten Abfluss von Niederschlag hinzunehmen. Ob eine Einwirkung gegeben ist, die von dieser Anrainerverpflichtung erfasst und damit durch einen besonderen Titel im Sinn des § 364 Abs 2 letzter Satz ABGB gerechtfertigt ist, müsse jeweils im konkreten Einzelfall geprüft werden. In dem der Entscheidung 1 Ob 224/18z zugrunde liegenden Sachverhalt war – ähnlich wie im vorliegenden Fall, allerdings nicht anlässlich eines Starkregenereignisses sondern allein infolge der Straßenanlage – Oberflächenwasser vom Straßengrundstück „unkontrolliert“ auf die Liegenschaft des Klägers gelangt, das sich am Vorplatz zur Garage „ansammelte“. Dieses wurde als Abfluss des durch die Anlage der Straße verursachtes Oberflächenwasser beurteilt, das von der Legalservitut des Landesstraßengesetzes erfasst sei. Der Senat hielt dazu fest, der Ablauf von Oberflächenwasser vom Straßengrundstück sei in seiner konkret festgestellten Ausformung durch die Legalservitut gerechtfertigt und daher zu dulden (1 Ob 224/18z mwN).

[19] 2.3 Auch die in § 21 Abs 3 OöStrG normierten Duldungspflichten der Besitzer von an die öffentliche Straße angrenzenden Grundstücken sind als Legalservitut konzipiert. Damit ist auch eine unmittelbare Zuleitung von Oberflächenwasser, soweit sie von deren Reichweite erfasst ist, also durch den „freien, nicht gesammelten Abfluss des Wassers von der Straße“ geschieht, zu dulden. Ein auf das Nachbarrecht gestützter Unterlassungsausspruch kommt insoweit nicht in Betracht.

[20] 3.1 Für die Beurteilung des Begehrens der Klägerin entscheidend ist daher die Beantwortung der Frage, ob das durch den am 24. Juni 2021 aufgetretenen außergewöhnlichen Starkregen vorübergehend aufgestaute Wasser als „freies“ oder als „gesammeltes“ Wasser im Sinn des § 21 Abs 3 OöStrG zu qualifizieren ist. Fest steht hier, dass aufgrund der – seltener als alle 25 Jahre vorkommenden – außergewöhnlichen Niederschlagsmenge das Kanalsystem der Beklagten kurzfristig nicht in der Lage war, diese Mengen abzutransportieren. Der Wasserspiegel stieg an und es kam „für eine kurze Zeit zu einem Überfließen der Lichtschacht-Oberkante“ beim Haus der Klägerin, was schließlich zu einem Schaden mit einem Reparaturaufwand von 2.172,12 EUR führte.

[21] 3.2 Die Bezeichnung „gesammeltes“ Wasser bezieht sich erkennbar auf (Entwässerungs-)Anlagen bzw Abflussvorrichtungen wie Rinnen, Kanäle, Becken, Graben, Schächte und ähnliche Einrichtungen, während „freies“ Wasser ohne eine solche besondere Vorrichtung abfließt. Entgegen der Rechtsansicht der Klägerin und der Vorinstanzen ist die Bestimmung des § 21 Abs 3 OöStrG auch für den hier zu beurteilenden Sachverhalt von maßgeblicher Bedeutung, weil es sich bei dem kurzfristig aufgestauten Wasser um „freies“ Wasser handelt, das nur wegen seiner Übermenge nicht rechtzeitig über das Kanalsystem abgeführt werden konnte und aus diesem Grund von der Gemeindestraße aus auf die Liegenschaft der Klägerin übertrat. Der Umstand, dass sich die Wassermenge kurzfristig zurückgestaut hat und erst dann abgeflossen ist, macht dieses Wasser nicht zum „gesammelten“ Wasser, weil es keine entsprechende Anlage oder Vorrichtung gibt, in der dieses Wasser „gesammelt“ wird. Die allein durch das außergewöhnliche Starkregenereignis eingetretene kurzfristige Überlastung des Kanalsystems lässt sich nicht einem Defekt gleichsetzen; aus den Feststellungen geht auch nicht hervor, dass das Kanalsystem nicht ausreichend dimensioniert oder nicht ordnungsgemäß gewartet worden wäre.

[22] 3.3 Schon in den Entscheidungen zu 5 Ob 615/89 und zu 1 Ob 29/89 wurde jeweils ein Unterlassungsanspruch gegen das Abfließen von Oberflächenwasser verneint, weil in beiden Fällen die Bestimmung des § 10 Abs 1 SbgLStG in der damals geltenden Fassung anzuwenden war, nach der die Besitzer der an die Straße grenzenden Grundstücke verpflichtet waren, den Abfluss des Wassers von der Straße auf ihren Grund und die Herstellung von Ableitungsgräben, Sickergruben und dergleichen auf ihrem Besitz – ausgenommen die im Abs 2 genannte wesentliche Beeinträchtigung der bestimmungsgemäßen Benutzbarkeit – ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden. Der Entscheidung 7 Ob 66/02k lag hingegen insofern ein anderer Sachverhalt zugrunde, als die durch ein Starkregenereignis hervorgerufenen Wassermengen Feststoffe (Schotter und andere Feinteile) über Hänge mitrissen, wodurch die Drainage des Gebäudes verlegt wurde und daraufhin (bzw wohl deswegen) Wasser eindrang. Der siebte Senat erkannte damals, dass eine derartige Überschwemmung nicht von der Duldungsverpflichtung des § 21 Abs 3 OöStrG erfasst sei; unter der Voraussetzung der Kausalität der Straßenanlage für die geltend gemachten Schäden stehe den Klägern ein Ausgleichsanspruch nach § 364a ABGB zu. Ein Unterlassungsanspruch (betreffend Oberflächenwasser) war nicht Gegenstand der damaligen Entscheidung.

[23] 3.4 Das Unterlassungsbegehren der Klägerin, das in dem Teil, der sich auf ein Ableiten des Wassers „unterhalb von Straße und Gehsteig auf die Liegenschaft“ bezog, bereits das Erstgericht unbekämpft abgewiesen hat, ist daher insgesamt (auch im Umfang des von der Gemeindestraße und dem Gehsteig auf ihre Liegenschaft „abgeleiteten“ Wassers) nicht berechtigt. Das lediglich kurzfristig aufgestaute, dann jedoch ohne weitere Ursache abgelaufene Oberflächenwasser ist als „freies“ Wasser von der Duldungspflicht des § 21 Abs 3 OöStrG umfasst. Wenn die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung in diesem Zusammenhang meint, die Legalservitut des § 21 Abs 3 OöStrG gelte „nur für den Abfluss von Wässern und nicht für das Aufstauen von Wässern“, so übersieht sie, dass ihr Unterlassungsbegehren sich genau darauf, nämlich auf das Abfließen („Ableiten“) des Wassers auf ihre Liegenschaft bezog. Wenn sie argumentiert, dass eine „entsprechende Dimensionierung des Kanals das Aufstauen (...) unschwer verhindert“ hätte, so entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, der dazu keine Aussage enthält.

[24] 4.1 Nach § 364a ABGB steht dem „Nachbarn“ einer behördlich genehmigten Anlage, die das nach den örtlichen Verhältnissen gewöhnliche Maß der Beeinträchtigung überschreitet, dafür ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch zu. Dass öffentliche Straßen nach der jüngeren Rechtsprechung als behördlich genehmigte Anlagen gemäß § 364a ABGB anzusehen sind (RS0010596 [T1]; vgl auch RS0010565), wurde bereits erwähnt. Für den Geltungsbereich des OöStrG besteht auch nach Ansicht von Kerschner/E. Wagner kein Zweifel daran, dass die öffentlichen Straßen Anlagen im Sinn des § 364a ABGB sind (Kerschner/E. Wagner in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang3 § 364a Rz 100 mwN).

[25] 4.2 Im vorliegenden Fall steht fest, dass die von der Klägerin geltend gemachten Feuchtigkeitsschäden ausschließlich durch das Überfließen der Lichtschacht-Oberkante durch das kurzfristig aufgestaute Regenwasser entstanden. Die Schädigung des Hauses resultiert damit aber ebenfalls aus dem bloßen Abfließen des Oberflächenwassers der Straße auf das Grundstück der Klägerin, das nach § 21 Abs 3 OöStrG „ohne Anspruch auf Entschädigung zu dulden“ ist. Weder kann hier – wie in dem der Entscheidung 4 Ob 239/08p zugrunde liegenden Sachverhalt (Einwirkung durch abgelagerten Schnee bei Schneeräumung der Beklagten) – von einer „über das notwendige Ausmaß hinaus gehenden“ Benützung ausgegangen werden, noch ist der Fall dem der erwähnten Entscheidung 7 Ob 66/02k vergleichbar, bei dem nach mehrtägigen starken Regenfällen Wassermengen zu beurteilen waren, die wegen mitgerissener Feststoffe eine Überschwemmung bewirkt hatten.

[26] 4.3 Auf die von der Beklagten ergänzend eingewendete Frage einer Qualifikation des Starkregenereignisses als „höhere Gewalt“ muss daher nicht eingegangen werden.

[27] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Im erstinstanzlichen Verfahren hat die Beklagte 3.826,15 EUR an Barauslagen getragen; die Einwendungen der Klägerin gegen das Kostenverzeichnis wurden berücksichtigt (kein Zuspruch nicht aufgetragener Schriftsätze nach Verhandlungsbeginn und der für eine Honorarnote eines Ziviltechnikers verzeichneten Barauslagen); daher ergeben sich an Verfahrenskosten 7.109,64 EUR (einschließlich 1.184,94 EUR USt). Für ihre Berufung stehen der Beklagten 1.217,88 EUR (darin 202,98 EUR USt) zuzüglich 1.219 EUR Barauslagen (Pauschalgebühr) zu. Für ihre Revision hat die Beklagte – ausgehend von der Bemessungsgrundlage von (nach rechtskräftiger Teilabweisung nur mehr) 10.972,12 EUR – Anspruch auf Ersatz von 862,98 EUR (einschließlich 143,83 EUR USt) an Verfahrenskosten zuzüglich der Pauschalgebühr von 1.526 EUR.

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