Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden wie folgt abgeändert:
„Ob der Liegenschaft EZ 3008 GB ***** ist im Gutsbestandsblatt die Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt zu den KFZ-Einstellplätzen der Liegenschaft EZ 3005 GB ***** gemäß Punkt 8. des Bescheides der MA 37 vom 21. 12. 1966 ersichtlich zu machen.“
Hievon werden verständigt:
1. Dr. Wilhem Schuster, Rechtsanwalt, 1010 Wien, Universitätsstraße 11,
2. C***** GmbH, *****,
3. Dr. Stephan P*****,
4. Mag. Dagmar N*****,
5. Thomas B*****,
6. Herta W*****,
7. Ariane P*****,
8. Waltraute S*****,
9. Mag. Anastasia M*****,
10. Elisabeth S*****,
11. Mag. Isabella G*****,
12. Florian B*****,
13. Dr. Hilda P*****,
14. Franz S*****,
15. Valerie H*****,
16. Franz M*****,
17. Brigitte S*****,
18. Helga R*****,
19. Ing. Walter R*****,
20. Hans Peter K*****,
21. Susanne F*****,
22. Paul O*****,
23. Dr. Elisabeth Z*****
24. Silvia B*****,
25. Christine B*****,
26. Maria Theresia K*****,
27. Marion H*****,
28. Christine S*****,
29. Dkfm. Irmgard S*****,
30. Gabriele P*****,
31. Mag. Hildegard W*****,
32. Lisbeth P*****,
33. Dr. Josef Z*****
34. Gabriele R*****,
35. Monika P*****,
36. Mag. Gabriele S*****,
37. Hermine S*****,
38. Susanne E*****,
39. Dr. Roman E*****,
40. Dr. Christian L*****,
41. Dr. Peter H*****,
42. Elfriede H*****, und
43. Magistrat der Stadt Wien, Baupolizei (Magistratsabteilung 37), Rathaus.
Der Vollzug dieses Beschlusses und die Verständigung der Beteiligten obliegen dem Erstgericht.
Text
Begründung
Unter Vorlage einer Kopie eines Bescheids der MA 37 vom 21. 12. 1966 beantragte die Antragstellerin als Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 3005 GB ***** im Gutsbestandsblatt der Liegenschaft EZ 3008 GB ***** die Ersichtlichmachung der Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt zu den KFZ-Einstellplätzen auf EZ 3005 über EZ 3008 gemäß Punkt „7.“ des vorgelegten Bescheids (richtig: Punkt 8. desselben).
Sie brachte vor, als Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 3005 GB ***** ein rechtliches Interesse an der Ersichtlichmachung zu haben. Die im Bescheid für die Ersichtlichmachung geforderte Voraussetzung der getrennten Eigentümerschaft hinsichtlich der Liegenschaften EZ 3005 und EZ 3008 liege in der Zwischenzeit vor.
Der Bescheid der MA 37 vom 21. 12. 1966, auf welchem der Eintritt der Rechtskraft durch die MA 37 unter Verwendung des Amtssiegels beurkundet ist, lautet auszugsweise wie folgt:
„Der Magistrat erteilt der 'U*****. als Grundeigentümer gem. § 70 der Bauordnung für Wien und in Anwendung des Wr. Garagengesetzes … die Bewilligung, auf der Liegenschaft … in EZ 3005, des Gdb. … nach den vorgelegten Plänen unter Einhaltung der mit Bescheid der M.Abt. 37 … bekanntgegebenen Fluchtlinien in der endgültigen Höhenlage ein Kleinwohnungshaus errichten zu lassen.
Baubeschreibung:
Das fünfgeschoßige, unterkellerte Kleinwohnungshaus hat an drei Stiegenhäusern 41 Wohnungen. ... Weiters befinden sich im Keller gegen den Hof offen und von der Liegenschaft A***** [Liegenschaftsadresse der EZ 3008 GB *****] zugänglich 19 Einstellplätze. …
Bei dieser Bauführung sind die Bestimmungen der B.O.f. Wien, die aufgrund der Bauordnung erlassenen Verordnungen und folgende Vorschriften einzuhalten:
1. …
4. Hinsichtlich der Einrichtung u. des Betriebs der Einstellplätze wird auf das Wr. Garagengesetz verwiesen.
…
8. Im Fall des getrennten Verkaufes der Liegenschaft EZ 3005 oder EZ 3008 des Gdb. der Kat. Gem. *****, die derzeit beide im Eigentum des Bauwerbers sind, ist die Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt zu den Einstellplätzen der gegenständlichen Liegenschaft über die EZ ***** dort als Dienstbarkeit im Grundbuch ersichtlich zu machen.
Begründung
… Die vorgeschriebenen Auflagen sind in den angeführten Bestimmungen begründet ...“
Das Erstgericht wies den Antrag ab. Aus dem Wortlaut des von der Antragstellerin vorgelegten Bescheids („… dort als Dienstbarkeit im Grundbuch ...“) folgerte das Erstgericht, dass eine Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt auch als Dienstbarkeit im Grundbuch eingetragen werden solle. Eine zur „Einverleibung“ der Dienstbarkeit erforderliche grundbuchstaugliche Urkunde sämtlicher Miteigentümer sei jedoch nicht vorgelegt worden.
Das Rekursgericht gab dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteigt und dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.
Es vertrat die Auffassung, das Gegenstand der grundsätzlich zwingenden Ersichtlichmachung nach dem damaligen Wortlaut des § 130 Abs 1 lit h der Bauordnung für Wien eine durch Bescheid der Baubehörde begründete Duldung einer Zufahrt sei. Auch bei rechtskräftigen Verwaltungsbescheiden habe sich die Prüfung des Grundbuchgerichts darauf zu erstrecken, ob das Begehren durch den Inhalt der beigebrachten Urkunden begründet erscheine. Bestünden daran Zweifel, so sei auch im Falle einer öffentlichen Urkunde eine Bewilligung zu versagen. Sei aufgrund einer öffentlichen Urkunde nach § 33 Abs 1 lit d GBG - wozu auch der Bescheid einer Verwaltungsbehörde zähle - eine Einverleibung zu bewilligen, müsse die Urkunde den Ausspruch einer Verpflichtung enthalten, durch die das Begehren begründet werde. Das gelte auch für den vorliegenden Fall. Der vorgelegte Bescheid habe nicht zweifelsfrei eine Verpflichtung zur Duldung einer Zufahrt zu nicht näher determinierten Einstellplätzen geschaffen. Der Wortlaut spreche vielmehr bloß für eine bescheidmäßig auferlegte Verpflichtung zur Ersichtlichmachung einer solchen (urkundlich nicht nachgewiesenen, allfällig bestehenden Verpflichtung) unter bestimmten Umständen. Auch sprachlich sei nicht nachvollziehbar, was unter dem „getrennten Verkauf“ der Liegenschaft EZ 3005 oder EZ 3008 zu verstehen sei. Die begehrte Ersichtlichmachung könne daher nicht auf den vorliegenden Bescheid gestützt werden. Eine Urkunde, durch welche die Dienstbarkeit begründet worden sei, liege nicht vor.
Dagegen wendet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragstellerin mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne einer gänzlichen Stattgebung des Antrags auf Ersichtlichmachung.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtslage verkannt hat. Er ist auch berechtigt.
1. § 130 der Bauordnung für Wien (LGBl 1930/11) in der zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblichen Fassung vor der Änderung durch LGBl 1976/18 hielt in seinem Abs 1 fest, dass das Bestehen in der Folge aufgezählter Verpflichtungen zu Leistungen, Duldungen und Unterlassungen, die durch einen baubehördlichen Bescheid begründet werden, auf Antrag der Behörde im Grundbuch ersichtlich zu machen sind.
§ 130 Abs 1 lit h leg cit nannte die Verpflichtung zur Duldung eines Durchganges oder einer Durchfahrt. § 130 Abs 3 Satz 1 leg cit bestimmte (und bestimmt), dass die Ersichtlichmachung die Wirkung hat, dass sich niemand auf die Unkenntnis dieser Verpflichtungen berufen kann.
2. Bei der in § 130 Abs 1 lit h der Bauordnung für Wien in der hier anzuwendenden Fassung vorgesehenen Ersichtlichmachung handelt es sich um eine Anmerkung iSd § 20 lit b GBG (Geuder/Hauer/Krzizek/Nagel, Das Wiener Baurecht [1977] 389 [§ 130 Anm 2]; vgl auch Walz, Die grundbücherlichen Ersichtlichmachungen auf Grund der Wiener Bauordnung, NZ 1930, 192 [193]; Kodek in Kodek, § 20 Rz 126 ff; allgemein zur Ersichtlichmachung 5 Ob 258/99y; 5 Ob 120/08w).
3. An sich zutreffend hat bereits das Erstgericht erkannt, dass bei den auf dem öffentlichen Recht beruhenden Lasten mit dinglicher Wirkung, die - wie die hier vorgesehene Ersichtlichmachung nach der Bauordnung für Wien - ohne Rücksicht auf die bücherliche Eintragung gegen jeden Eigentümer wirksam sind, für eine Einverleibung eine gesetzliche Grundlage fehlt. Solche Rechte sind nur gemäß § 7 Abs 2 AllgGAG im Gutsbestandsblatt ersichtlich zu machen, soferne ihre Eintragung im öffentlichen Buch ausdrücklich vorgeschrieben ist (5 Ob 406/97k; 5 Ob 120/08w; RIS-Justiz RS0108577; Sattler, Anmerkungen und Ersichtlichmachungen im Grundbuch, NZ 1949, 49 [50]). Sie entfalten materiellrechtlich keine Wirkungen (Kodek in Kodek, GBG, § 7 AllgGAG Rz 1 mwN; RIS-Justiz RS0017905; RS0049636).
4. Die Antragstellerin hat jedoch - wie sich aus dem eindeutigen Wortlaut ihres Gesuchs unmissverständlich ergibt und worauf die Rechtsmittelwerberin auch bereits in ihrem Rekurs ausdrücklich hingewiesen hat - ohnedies nicht die Verbücherung einer Dienstbarkeit, sondern die Ersichtlichmachung der Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt beantragt. Da es somit hier nicht um die Begründung oder Aufhebung bücherlicher Rechte, sondern um eine Ersichtlichmachung geht, sind weder die Beglaubigungserfordernisse des § 31 GBG für einverleibungsfähige Privaturkunden noch die formellen und materiellen Voraussetzungen einverleibungsfähiger öffentlicher Urkunden nach § 33 GBG zu erfüllen. Derartige Eintragungen erfolgen vielmehr aufgrund sogenannter beweiswirkender Urkunden iSd § 52 GBG, die - sofern kein besonderer Echtheitsnachweis erforderlich scheint - auch nicht im Original vorgelegt werden müssen (5 Ob 147/00d NZ 2001/503 - GBSlg [Hoyer]; Mahrer in Kodek, GBG, § 52 Rz 2 mwN).
5. Das Rekursgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass dem Wortlaut des maßgeblichen Bescheids der MA 37 nicht eindeutig entnommen werden könne, dass damit eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung festgelegt werden soll:
5.1 Die Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt gründet sich vielmehr, worauf der außerordentliche Revisionsrekurs zutreffend verweist, auf die in § 130 Abs 1 lit h der Bauordnung für Wien in der maßgeblichen Fassung genannte Verpflichtung zur Duldung eines Durchgangs oder einer Durchfahrt. In Verbindung mit dem Verweis des Bescheids auf das Wiener Garagengesetz in der maßgeblichen Fassung (LGBl 1957/22) und unter Berücksichtigung des Umstands, dass im Bescheid selbst ausdrücklich erwähnt ist, dass eine Zufahrt zu den Einstellplätzen der Liegenschaft EZ 3005 (nur) über die benachbarte Liegenschaft EZ 3008 GB ***** möglich ist, ergibt sich zweifelsfrei, dass die Behörde dem Grundeigentümer und Bauwerber nicht etwa den Abschluss eines Dienstbarkeitsvertrags auftragen wollte - was zum maßgeblichen Zeitpunkt gar nicht denkbar gewesen wäre, weil Eigentümer beider Liegenschaften die ursprüngliche Bauwerberin war -, sondern vielmehr zum Ausdruck bringen wollte, dass eine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Duldung der Zufahrt geschaffen werden solle, die - in Entsprechung des § 130 Abs 1 lit h der anzuwendenden Fassung der Bauordnung für Wien - im Grundbuch ersichtlich zu machen ist, sobald die weitere im Bescheid genannte Voraussetzung (getrennte Eigentümerschaft der in Frage stehenden Liegenschaften) verwirklicht ist.
5.2 Der im Bescheid verwendete Ausdruck „als Dienstbarkeit im Grundbuch ersichtlich zu machen“ weist nicht etwa - wie es das Rekursgericht vermeint - auf eine privatrechtlich begründete oder in Zukunft zu begründende Dienstbarkeit hin, sondern auf den Charakter der ersichtlich zu machenden Verpflichtung, bei der es sich um eine sogenannte Legalservitut handelt, also eine liegenschaftsbezogene Berechtigung, die in der Regel unabhängig von einer Eintragung im Grundbuch erworben wird (5 Ob 120/08w; RIS Justiz RS0011505).
5.3 Im Übrigen hat das Rekursgericht selbst zutreffend erkannt, dass eine Überprüfung, ob die Legalservitut im Einklang mit der materiellen Rechtslage begründet wurde, ausscheidet, weil die Bindung des Grundbuchgerichts an einen rechtskräftigen Verwaltungsbescheid eine Prüfung ausschließt, ob dieser durch das Gesetz gedeckt ist (RIS-Justiz RS0060565; 5 Ob 219/01v NZ 2002/542 - GBSlg [Hoyer]).
5.4 Weder die vom Erstgericht noch die vom Rekursgericht herangezogenen Gründe stehen daher der Stattgebung des Antrags auf Ersichtlichmachung entgegen.
6. Auch die Legitimation der Antragstellerin als Miteigentümerin der Liegenschaft EZ 3005 ist zu bejahen: Nach dem Wortlaut der maßgeblichen Bestimmung in der Bauordnung für Wien hat die Ersichtlichmachung „auf Antrag der Behörden“ zu erfolgen. Der Antrag des Grundeigentümers ist dann einem Antrag der Baubehörde gleichzuhalten, wenn - wie im Anlassfall - in dem baubehördlichen Bescheid die Ersichtlichmachung im Grundbuch ausdrücklich verlangt wird. Das Grundbuchsgesuch stellt in diesem Fall nur die Durchführung des Bescheids dar, der einen besonderen Antrag der Baubehörde ersetzt. Es ist daher auch der Liegenschaftseigentümer zur Stellung des Antrags auf bücherliche Ersichtlichmachung berechtigt (Walz, NZ 1930, 193). Gleiches hat für den bloßen Miteigentümer der Liegenschaft zu gelten, dem - worauf der Revisionsrekurs zutreffend verweist - auch ein rechtliches Interesse an der begehrten Ersichtlichmachung nicht abzusprechen ist.
7. Schließlich schadet auch nicht, dass § 130 Abs 1 lit h der Bauordnung für Wien durch LGBl 1976/18 dahin geändert wurde, dass nunmehr eine Verpflichtung zur Duldung eines Durchgangs oder einer Durchfahrt nicht mehr geschaffen werden kann: Die grundbücherliche Ersichtlichmachung begründet die Verpflichtung nicht, sondern bringt lediglich das Bestehen einer bereits wirksamen Verpflichtung mit der Wirkung zur allgemeinen Kenntnis, dass sich niemand auf die Unkenntnis dieser Verpflichtung berufen kann (Walz, aaO). Da es somit hier nur um die Ersichtlichmachung einer bereits begründeten und nach wie vor aufrecht bestehenden Verpflichtung geht, hindert die Änderung der Rechtslage die Ersichtlichmachung nicht.
8. Da überdies die ursprüngliche Eigentümeridentität hinsichtlich der Liegenschaften EZ 3005 und 3008 jeweils GB ***** nicht mehr besteht, war in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen dem Grundbuchsgesuch wie aus dem Spruch ersichtlich stattzugeben.
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