OGH 5Ob149/15w

OGH5Ob149/15w25.9.2015

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden sowie den Hofrat Dr. Höllwerth, die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi als weitere Richter in der Grundbuchsache betreffend die Herstellung der Grundbuchordnung in den EZZ 40 und 635 GB ***** aufgrund der Flurbereinigung zufolge Bescheids der Agrarbezirksbehörde für Steiermark ‑ Dienststelle Stainach vom 16. April 2013, GZ 3.1E65/15‑2013, über den Revisionsrekurs der Einschreiterin ÖBB‑Infrastruktur Aktiengesellschaft, vertreten durch die ÖBB‑Immobilienmanagement GmbH, 10. Oktober‑Straße 20, 9501 Villach, diese vertreten durch Dr. Günter Medweschek Rechtsanwaltsges.m.b.H. in Klagenfurt, gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 6. Mai 2015, AZ 1 R 84/15t, mit dem der Rekurs der Einschreiterin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Liezen vom 27. August 2013, TZ 948/2013, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0050OB00149.15W.0925.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Rekursgericht die Entscheidung über den Rekurs der Einschreiterin aufgetragen.

 

Begründung:

Die Agrarbezirksbehörde für Steiermark -Dienststelle Stainach begehrte unter Vorlage unter anderem des Bescheids vom 16. 4. 2013, GZ 3.1E65/15‑2013, und des Teilungsplans vom 18. 10. 2011, GZ 3.1E65‑2009, die Durchführung von Grundbuchshandlungen ob den Liegenschaften EZZ 40 und 635 GB ***** zur Herstellung der Grundbuchsordnung.

Aufgrund dieses Antrags und der vorgelegten Urkunden verfügte das Erstgericht unter anderem die Abschreibung des Trennstücks 2 des Grundstücks 607/11 der EZ 635 nach EZ 40 sowie die Abschreibung des Trennstücks 3 des (Rest‑)Grundstücks 607/11 der EZ 635 nach EZ 426 sowie die Löschung der EZ 635 wegen Gutsbestandslosigkeit an.

Ob der EZ 635 GB ***** war unter C‑LNR 10a die Dienstbarkeit der Duldung einer elektrischen 15 KV‑Hochspannungsleitung zugunsten der „Bundesbahnen ÖBB“ eingetragen.

Das Erstgericht ordnete die Zustellung seines Beschlusses unter anderem an die „ÖBB Bundesbahnen“, Clemens‑Holzmeister‑Straße 6, 1100 Wien (FN 249152a, Handelsgericht Wien) an. Am 4. 9. 2013 wurde der Beschluss an dieser Adresse unter Nennung der Adressatin „ÖBB Bundesbahnen“ zugestellt und übernommen.

Dagegen erhob die ÖBB‑Infrastruktur Aktiengesellschaft, vertreten durch die ÖBB‑Immobilienmanagement GmbH Rekurs, der am 9. 10. 2013 beim Erstgericht im elektronischen Rechtsverkehr eingebracht wurde. Inhaltlich erachtete sich die Einschreiterin als beschwert, weil die Abschreibung des Trennstücks 2 des Grundstücks 607/11 der EZ 635 ohne Mitübertragung der Dienstbarkeit der Duldung einer elektrischen 15 KV‑Hochspannungsleitung erfolgt sei, und die Abschreibung des Trennstücks 3 sowie dessen Zuschreibung zur EZ 426 zwar unter Mitübertragung dieser Dienstbarkeit vorgenommen, dabei aber ihre Rechtsstellung insoweit verschlechtert worden sei, als bei der EZ 426 vorrangig Pfandrechte einverleibt seien.

Das Rekursgericht wies das Rechtsmittel der Einschreiterin als verspätet zurück, weil es nicht innerhalb von 30 Tagen (§ 123 Abs 1 GBG) eingelangt sei, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.

Der dagegen von der Einschreiterin erhobene Revisionsrekurs ist zulässig; er ist auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

1. Im Grundbuchsverfahren ist der „Verteiler“, also die gerichtliche Anordnung, an wen die Entscheidung zuzustellen ist, Teil des Beschlusses (§ 118 GBG; Rassi , Grundbuchsrecht 2 Rz 406). Die Zustellung ist ein rechtlich geregeltes Verfahren, das aus zwei rechtlich zu unterscheidenden Akten, der Zustellverfügung und dem eigentlichen Zustellvorgang, besteht. Die Zustellverfügung ist von der Behörde zu treffen und hat den Empfänger zu nennen (RIS‑Justiz RS0083644).

2. Für die Wirksamkeit einer Zustellung ist es erforderlich, dass sowohl in der Zustellverfügung der Behörde als auch auf dem Zustellstück selbst der nach dem jeweils anzuwendenden Verfahrensrecht richtige Empfänger genannt ist (RIS‑Justiz RS0083644 [T1]). Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann daher nicht heilen (RIS‑Justiz RS0121448).

3. Als Empfänger ist in der Zustellverfügung, die hier einen Bestandteil des erstgerichtlichen Beschlusses darstellt, die „ÖBB Bundesbahnen“ genannt.

3.1 Gemäß § 1 Abs 1 Bundesbahngesetz 1992 (BGBl 1992/825 in der geltenden Fassung) wurde der als Zweig der Betriebsverwaltung des Bundes gebildete Wirtschaftskörper „Österreichische Bundesbahnen“ mit 1. 1. 1993 Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. § 17 Abs 1 BBG 1992 sah vor, dass das bisher im Eigentum des Bundes gestandene, dem Wirtschaftskörper „Österreichische Bundesbahnen“ gewidmete Vermögen einschließlich der Forderungen und Verbindlichkeiten im Wege der Gesamtsrechtsnachfolge mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in das Eigentum der Gesellschaft Österreichische Bundesbahnen überging.

3.2 Das Bundesbahnstrukturgesetz 2003 (BGBl I 2003/138) ordnete dann die Gründung der Österreichische Bundesbahn‑Holding AG (ÖBB Holding AG) sowie die Umstrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen durch Gründung verschiedener Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit speziellen, im Gesetz näher bezeichneten Aufgabenbereichen an. (Unter anderem) war nach § 25 BBG die ÖBB‑Infrastruktur Betrieb AG zu gründen, welcher insbesondere die Aufgabe eines Eisenbahninfrastruktur-unternehmens zukam, indem eine bedarfsgerechte und sichere Schieneninfrastruktur bereit gestellt, betrieben und erhalten wird.

3.3 Das 8. Hauptstück des BBG betrifft die Umwandlung der Österreichischen Bundesbahnen in die ÖBB‑Infrastruktur Bau AG. Dabei wurde die Rechtsidentität zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und der ÖBB‑Infrastruktur Bau AG nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 29 Satz 1 BBG auf jenes Restvermögen beschränkt, mit dem die Österreichischen Bundesbahnen nach den Spaltungsmaßnahmen ausgestattet waren. Die durch den Formwechsel unberührt gebliebene Fortsetzung sämtlicher Rechtsverhältnisse wird somit negativ definiert: Voraussetzung ist, dass es sich nicht um jenes, bestimmten Teilbetrieben zugeordnetes Vermögen der Österreichischen Bundesbahnen handelte, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge entsprechende den Spaltungs‑ und Übernahmeverträgen auf die im Zuge der Umstrukturierung neu gegründeten Kapitalgesellschaften übergegangen ist. Der letzte Satz des § 29 BBG nimmt eine ausdrückliche positive Zuordnung aller Liegenschaften zu dem nicht übergegangenen und damit der ÖBB‑Infrastruktur Bau AG verbliebenen Restvermögen vor, soweit sie nicht für die abgespaltenen Teilbetriebe betriebsnotwendig sind (2 Ob 105/07s SZ 2007/97; 6 Ob 12/09x; 5 Ob 46/11t).

3.4 Der mit BGBl I 2009/95 eingefügte § 29a BBG ordnete an, dass die ÖBB‑Infrastruktur Betrieb AG mit Ablauf des 31. 12. 2008 im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit der ÖBB‑Infrastruktur Bau AG als übernehmende Gesellschaft unter sinngemäßer Anwendung des ersten Abschnitts „Verschmelzung von Aktiengesellschaften“ des neunten Teils des Aktiengesetzes 1965 verschmolzen wird. Die Firma der übernehmenden Gesellschaft lautet gemäß § 29a Abs 3 BBG mit der Eintragung der Verschmelzung ins Firmenbuch „ÖBB‑Infrastruktur Aktiengesellschaft“.

4. Dinglich Berechtigter der unter C‑LNR 10a der EZ 635 einverleibten Dienstbarkeit war demnach im Zeitpunkt der Beschlussverfassung durch das Erstgericht nicht mehr die „ÖBB Bundesbahnen“, sondern die Einschreiterin, die ihren Sitz nicht an der in der Zustellverfügung genannten Anschrift hat und auch nicht unter der darin angeführten Nummer im Firmenbuch eingetragen ist. Damit liegt eine fehlerhafte Bezeichnung des Empfängers in der Zustellverfügung vor, bei der eine Heilung durch tatsächliches Zukommen im Sinne des § 7 ZustG nicht stattfindet. Dessen ungeachtet hat die Einschreiterin reagiert und ein Rechtsmittel gegen den Beschluss des Erstgerichts erhoben, das damit entgegen der Ansicht des Rekursgerichts schon im Hinblick auf die mangelhafte Zustellverfügung jedenfalls als rechtzeitig anzusehen ist (7 Ob 75/04m mwN; Gitschthaler in Rechberger , ZPO 4 § 87 ZPO [§ 7 ZustG] Rz 7).

5. Ausgehend von diesen Überlegungen erfolgte die Zurückweisung des Rekurses der Einschreiterin durch das Rekursgericht als verspätet zu Unrecht. Diesem ist daher die Entscheidung über den Rekurs, der seinem Anfechtungsumfang nach von der durch das Erstgericht aus Anlass von dessen Einlangen vorgenommenen Beschlussberichtigung unberührt blieb, aufzutragen.

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