OGH 2Ob105/07s

OGH2Ob105/07s14.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ÖBB-Infrastruktur Bau AG, Vivenotgasse 10, 1120 Wien, vertreten durch Dr. Klaus Fattinger und Mag. Martin Prett, Rechtsanwälte in Villach, gegen die beklagte Partei Erich G*****, vertreten durch Mag. Leopold Zechner, Rechtsanwalt in Bruck, wegen EUR 17.567,34 sA und Räumung, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgericht vom 8. März 2007, GZ 2 R 27/07h-17, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichtes Villach vom 19. Oktober 2006, GZ 6 C 806/06w-13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 1.629,18 (darin enthalten EUR 271,53 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Österreichischen Bundesbahnen (Immobilien & Recht, Region Süd) schlossen am 16. 12. 1997 als Verpächter mit dem Beklagten einen Pachtvertrag über die Bahnhof-Gastwirtschaft Z*****. Als ausschließlicher Gerichtsstand im bezirksgerichtlichen Verfahren wurde das Bezirksgericht Villach vereinbart.

Die Klägerin begehrt bei diesem - nicht nach § 83 Abs 1 JN zuständigen - Bezirksgericht aus dem Pachtvertrag Zahlung von EUR 17.567,34 s.A. sowie Räumung des Bestandobjektes.

Der Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit ein. In der Vergangenheit sei eine Vielzahl von Rechtsträgern aufgetreten, die sich jeweils auf ihre Eigenschaft als Verpächter berufen hätten, insbesondere neben der Klägerin die Anlagen, Bau- und Service GmbH und die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH, die zuletzt als Vertreterin der Klägerin aufgetreten sei.

Diesem Einwand hielt die Klägerin ihre Identität mit den Österreichischen Bundesbahnen nach deren Umstrukturierung entgegen, die sich auch in der identen Firmenbuchnummer zeige.

Das Erstgericht wies die Klage mangels urkundlichen Nachweises der Rechtsnachfolge zurück.

Das von der Klägerin angerufene Rekursgericht teilte diese Auffassung. Seit 1. 1. 1993 seien die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) gemäß § 1 Abs 1 Bundesbahngesetz, BGBl 825/1992, eine Gesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit gewesen, auf die sinngemäß die Bestimmungen des Gesetzes über Gesellschaften mit beschränkter Haftung anzuwenden gewesen seien. Das Bundesgesetz zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Österreichischen Bundesbahnen idF BGBl I 138/2003 (im Folgenden kurz: BBG) habe die Gründung der Bundesbahnen-Holding AG sowie die Umstrukturierung der ÖBB durch Gründung verschiedener Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit speziellen, im Gesetz näher bezeichneten Aufgabenbereichen angeordnet. Für die Klägerin sehe das BBG in seinen §§ 25 ff vor, dass dieser Teilbetrieb im Wege der Gesamtrechtsnachfolge unter sinngemäßer Anwendung des Bundesgesetzes über die Spaltung von Kapitalgesellschaften (Spaltung durch Aufnahme) zu übertragen sei. Dazu sei jeweils ein Spaltungs- und Übernahmevertrag aufzustellen. Nach § 14 Abs 2 Z 3 SpaltG (EU-GesRÄG; SpaltG) bewirke die Eintragung der Spaltung in das Firmenbuch, dass die Anteile an den beteiligten Gesellschaften entsprechend dem Spaltungsplan erworben würden. Dieser Spaltungsplan bestimme, welche Vermögensteile auf die abgespaltene Gesellschaft übergingen; die genaue Zuordnung der einzelnen Vermögensgegenstände sei wegen des Charakteristikums der Spaltung, nämlich der gegenständlich beschränkten und privatautonom gestaltbaren Gesamtrechtsnachfolge, unbedingt notwendig und stelle das Kernstück des Spaltungsplans dar.

§ 29 BBG bestimme die Umwandlung der mit dem Restvermögen ausgestatteten ÖBB in die klagende Aktiengesellschaft. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung verblieben der Klägerin insbesondere die bisherigen Teilbereiche wie Planung und Engineering (Teilbereich Projekte), Kraftwerke und alle Liegenschaften, soweit sie nicht für die abgespaltene Teilbetriebe betriebsnotwendig seien. Die Klägerin stelle als Aktiengesellschaft rechtlich ein anderes Rechtssubjekt dar als die ehemalige ÖBB. Die Umwandlung nach § 29 BBG habe eine Rechtsnachfolge auf Seiten der Klägerin bewirkt.

Der von der Klägerin vorgelegte historische Firmenbuchauszug zeige zwar, dass das nach den Abspaltungen verbleibende Restvermögen der ÖBB jetzt der Klägerin zukomme, nicht aber, ob die Rechtszuständigkeit der Klägerin hinsichtlich der Geltendmachung der hier streitgegenständlichen Ansprüche in dieses Restvermögen falle.

§ 23 BBG ordne zur Durchführung der Umstrukturierung der ÖBB die Gründung und Errichtung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Firmenwortlaut „ÖBB-Immobilienmanagement Gesellschaft mbH" an. Aufgabe dieser Gesellschaft sei gemäß § 24 Abs 1 BBG insbesondere die Verfügung über die Nutzungsrechte sowie die bestmögliche Bewirtschaftung (einschließlich der Verwaltung) und Verwertung der Liegenschaften der ÖBB-Infrastrukturbau AG, ausgenommen jene der Schieneninfrastruktur gemäß § 10a Eisenbahngesetz 1957, die für den Eisenbahnbetrieb und den Eisenbahnverkehr benötigt werden und jene Liegenschaften, die ein Eisenbahninfrastrukturunternehmen für die Zurverfügungstellung sonstiger Leistungen (§ 58 EisBG 1957) benötige. Nach § 24 Abs 2 BBG seien der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH die zur Erfüllung dieser Aufgaben erforderlichen Rechte einzuräumen. Während bei den im BBG angeordneten Abspaltungen durch Aufnahme in den diesbezüglichen Verträgen (Spaltungslisten) die übergegangenen Vermögensteile im Einzelnen festgehalten würden, gebe es für das Restvermögen im Sinn des § 29 BBG keinen Spaltungsplan mit einer solchen Auflistung. Aus dem Vertrag der Klägerin mit der ÖBB-Immobilienmanagement GmbH wäre aber ersichtlich, ob die Rechte zur Geltendmachung von Ansprüchen aus Pachtverträgen der ÖBB gemäß § 23 BBG auf die GmbH übertragen worden seien.

Auf Grund dieser Zweifel am Übergang der Rechtszuständigkeit zur Geltendmachung der Rechte aus dem vorliegenden Pachtvertrag habe die Klägerin den ihr obliegenden, in § 104 JN geforderten urkundlichen Nachweis der Rechtsnachfolge und damit des Überganges der Gerichtsstandvereinbarung nicht erbracht.

Den Ausspruch über die Zulässigkeit des ordentlichen Revisionsrekurses begründete das Rekursgericht mit fehlender höchstgerichtlicher Judikatur zur Frage, ob ein „Negativbeweis" (der Nachweis des nicht erfolgten Rechtsüberganges auf einen Teilbetrieb oder an die ÖBB-Immobilienmanagement GmbH) in einem Verfahren zur Überprüfung der gerichtlichen Zuständigkeit iSd § 104 JN zu fordern sei.

Die Klägerin beantragt in ihrem wegen Mangelhaftigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobenen Revisionsrekurs die Abänderung des zweitinstanzlichen Beschlusses im Sinne des Ausspruches der Zuständigkeit des Erstgerichtes.

Der Beklagte beantragt in seiner Revisionsrekursbeantwortung, das gegnerische Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen, in eventu diesem nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Nachweis einer Gerichtstandvereinbarung nach der Umstrukturierung der ÖBB in einer Vielzahl von Fällen von Bedeutung sein kann. Der Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt.

Die Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3, § 528a ZPO).

Zur Rechtslage nach Umstrukturierung der ÖBB wird auf die zutreffenden Ausführungen des Rekursgerichtes verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2, § 528a ZPO). Eine Einschränkung ist nur insofern vorzunehmen, als entgegen der Auffassung des Rekursgerichtes im Verhältnis zwischen den ÖBB und der Klägerin kein Fall einer Rechtsnachfolge zu beurteilen war:

Das 8. Hauptstück des BBG betrifft die Umwandlung der Österreichischen Bundesbahnen in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG (Klägerin). Nach § 29 leg cit werden zur Durchführung der Umstrukturierung der Österreichischen Bundesbahnen die nach den im 1. bis 5. und im 7. Hauptstück angeordneten Spaltungsmaßnahmen mit dem Restvermögen ausgestatteten Österreichischen Bundesbahnen unter sinngemäßer Anwendung des Zweiten Abschnittes „Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Aktiengesellschaft" des Elften Teiles „Umwandlung" des AktG 1965 idgF in eine Aktiengesellschaft mit der Firma „ÖBB-Infrastruktur Bauaktiengesellschaft" (ÖBB-Infrastruktur Bau AG) mit dem Sitz in Wien und dem Grundkapital entsprechend dem Stammkapital der Österreichischen Bundesbahnen nach den Spaltungen umgewandelt (Satz 1). Der in der zitierten Bestimmung enthaltene Verweis gilt den §§ 245 ff AktG, die ebenso wie die korrespondierenden Bestimmungen der §§ 239 ff AktG (Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung) als „formwechselnde Umwandlung" eine bloße Rechtsformänderung ein und desselben Rechtsträgers zum Gegenstand haben. Die Gesellschaft ändert somit nur ihre Rechtsform, das Rechtssubjekt bleibt dabei identisch (Zollner in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG Vorbemerkungen §§ 239-253, Rz 1; Szep in Jabornegg/Strasser, AktG4 § 250 Rz 2 und § 239 Rz 1 und 2; RIS-Justiz RS0049496). Die Rechtsformänderung bewirkt keine Parteien-, sondern nur eine Namensänderung (vgl RIS-Justiz RS0039795; Zollner aaO Rz 9). Anders als bei der Gesamtrechtsnachfolge werden beim Formwechsel die Rechtsverhältnisse, wie zB aufrechte Arbeitsverhältnisse, als ident fortgesetzt (Zollner aaO, Rz 6 und 8; Szep aaO § 239 Rz 6). Im Gegensatz zur „formwechselnden Umwandlung" führt die im Umwandlungsgesetz (UmwG) geregelte übertragende Umwandlung zum Untergang der umgewandelten Kapitalgesellschaft und zur Übertragung ihres Vermögens auf das Nachfolgeunternehmen (vgl Zollner aaO Rz 2; Szep aaO § 239 Rz 7).

Entsprechend den Grundsätzen der formwechselnden Umwandlung wurden die unter der FN 71396w eingetragenen Österreichischen Bundesbahnen am 7. 4. 2005 in die ÖBB-Infrastruktur Bau AG umbenannt.

Die Rechtsidentität zwischen den Österreichischen Bundesbahnen und der Klägerin ist aber nach der ausdrücklichen gesetzlichen Anordnung des § 29 Satz 1 BBG auf jenes Restvermögen beschränkt, mit dem die Österreichischen Bundesbahnen nach den Spaltungsmaßnahmen ausgestattet waren. Die durch den Formwechsel unberührt gebliebene Fortsetzung sämtlicher Rechtsverhältnisse (hier Pachtvertrag) wird somit negativ definiert: Voraussetzung ist, dass es sich nicht um jenes, bestimmten Teilbetrieben zugeordnete Vermögen der Österreichischen Bundesbahnen handelt, das im Wege der Gesamtrechtsnachfolge entsprechend den Spaltungs- und Übernahmeverträgen auf die im Zuge der Umstrukturierung neu gegründeten, im ersten bis fünften und siebten Hauptstück genannten Kapitalgesellschaften übergegangen ist. Der letzte Satz des § 29 BBG nimmt aber eine ausdrückliche positive Zuordnung aller Liegenschaften, zu dem nicht übergegangenen und damit der ÖBB-Infrastruktur Bau AG verbleibenden Restvermögen vor, dies allerdings nur soweit sie nicht für die abgespaltenen Teilbetriebe betriebsnotwendig sind.

Der im Bestreitungsfall unabdingbare (Simotta in Fasching/Konecny 2 § 104 JN Rz 53), in § 104 Abs 1 JN geforderte urkundliche Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt voraus, dass die vorgelegte Urkunde den Inhalt der zwischen den Parteien getroffenen Gerichtsstandsvereinbarung zweifelsfrei erkennen lässt (RIS-Justiz RS0046815; Simotta aaO Rz 62). Dieses Erfordernis gilt in gleicher Strenge für den urkundlichen Nachweis der Einzelrechtsnachfolge (RIS-Justiz RS0046910). Nichts anderes kann für den Nachweis der hier trotz der unterschiedlichen Bezeichnung behaupteten Identität zwischen Vertrags- und Prozesspartei für jene Partei gelten, die sich auf die Gerichtsstandsvereinbarung beruft.

Da der vom Gesetzgeber geforderte urkundliche Nachweis keine Formvorschrift, sondern eine Beweisregel darstellt (Simotta aaO Rz 56; Mayr in Rechberger ZPO3 § 104 JN Rz 9), kann die auch für verfahrensrechtliche Tatbestände geltende (Rechberger in Rechberger ZPO3 Vor § 266 ZPO Rz 11) allgemeine Beweislastregel herangezogen werden: Danach trägt jede Partei die Beweislast für das Vorliegen aller tatsächlichen Voraussetzungen der ihr günstigen Rechtsnormen (Rechberger in Fasching/Konecny 2 Vor § 266 ZPO Rz 32 mN; Rechberger in Rechberger ZPO³ aaO; RIS-Justiz RS0037797).

In diesem Sinn war es Sache der Klägerin, den positiven Beweis zu erbringen, dass das Pachtobjekt sich auf einer der Klägerin nach § 29 BBG letzter Satz zugeordneten Liegenschaft befindet. Dieser Nachweis wäre durch die Vorlage eines Grundbuchsauszuges mit Anmerkung der Änderung der Firma (Szep aaO § 239 Rz 6 mwN) ohne besondere Schwierigkeiten möglich gewesen. In einem solchen Fall hätte sich die im Revisionsrekurs befürchtete äußerst umfangreiche Urkundenvorlage in Form von Spaltungsverträgen/Spaltungslisten erübrigt. Tatsächlich liegt ja der Zweck des geforderten urkundlichen Nachweises darin, verfahrensaufwendige Beweisaufnahmen im Zuständigkeitsrecht nach Möglichkeit auszuschließen (Simotta aaO Rz 43 mwN; RIS-Justiz RS0046853).

Die Klägerin hat es hier unterlassen, einen - nicht von Amts wegen einzuholenden (vgl 3 Ob 224/97f; 3 Ob 2122/96x; RIS-Justiz RS0111112) - Grundbuchsauszug vor der Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede vorzulegen.

Aus all diesen Erwägungen ist es nicht erforderlich, zu erörtern, ob die Klägerin verpflichtet gewesen wäre, den Nachweis ihrer Identität mit den ÖBB bzw der Zuordnung der Liegenschaft auf andere Weise zu erbringen - einschließlich des (in Lehre und Judkatur grundsätzlich für zulässig erachteten: Rechberger in Fasching/Konecny² aaO Rz 36; RIS-Justiz RS0040182[T6]) Nachweises einer negativen Tatsache (hier durch „Nichtabspaltung").

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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