OGH 5Ob135/03v

OGH5Ob135/03v7.10.2003

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Außerstreitsache der Erlegerin L***** Sparkasse, ***** vertreten durch Mag. Bernhard Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die Erlagsgegner 1. Mara D**********, 2. Dott.ssa Franzsesca T*****, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig, Rechtsanwältin in Innsbruck, 3. Republik Österreich (Landesgericht Innsbruck zu 38 Ur 1139/01y), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17-19, 1011 Wien, wegen Erlag gemäß § 1425 ABGB über den Revisionsrekurs der Erlegerin gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 21. März 2003, GZ 54 R 43/03z-20, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 15. April 2002, GZ 27 Nc 10011/02w-2, abgeändert wurde, nachstehenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die Erstantragsgegnerin ist Kontoinhaberin der Konten Nr 0001-825363 über EUR 115.396,60 und Nr 0074-041690 über CHF 510.892,30.

Es besteht der dringende Verdacht, dass die auf den genannten Konten erliegenden Gelder verbrecherischer Herkunft sind, der Zweitantragsgegnerin ein Betrag von ITL 2,067,000.000 unter dem Vorwand günstiger Veranlagung herausgelockt und auf diese Konten deponiert wurde.

Über Antrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck erließ das Landesgericht Innsbruck am 17. 10. 2001 zu 38 Ur 1139/01y-3, eine einstweilige Verfügung gemäß § 144a StPO, wonach zur Sicherung der Abschöpfung der Bereicherung (§ 20 StGB) sowie zur Sicherung des Verfalls (§ 20b StGB) hinsichtlich der bezeichneten Konten den Verdächtigen jegliche Verfügung verboten wird und der Bank als Drittschuldnerin ein Drittverbot auferlegt wird. Es wird ihr verboten, bis auf weitere gerichtliche Anordnung der Kontoinhaberin und dem Zeichnungsberechtigten das aus den Konten Geschuldete zu zahlen oder sonst etwas zu unternehmen, was die Abschöpfung der Bereicherung, die Verfallserklärung und die Exekutionsführung auf diese Forderungen vereiteln oder erheblich erschweren könnte.

Am 15. 4. 2002 beantragte das bezeichnete Bankinstitut eine gerichtliche Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB hinsichtlich der bezeichneten Gelder zu genehmigen. Als Erlagsgegner wurden die Erst- und Zweiterlagsgegner benannt. Als Begründung für den Erlag wurde ausgeführt, dass sowohl die Kontoinhaberin (die Ersterlagsgegnerin) als auch die Zweiterlagsgegnerin Ansprüche auf Auszahlung der Guthabensbeträge geltend gemacht hätten. Eine Klärung der Anspruchsberechtigung habe nicht erzielt werden können.

Das Erstgericht genehmigte den Erlag mit der Begründung, die für die Erlegerin unklare Rechtslage infolge Vorhandenseins mehrerer Forderungsprätendenten stelle einen wichtigen Grund dar, der zum gerichtlichen Erlag berechtige.

Kurz darauf stellte die Zweiterlagsgegnerin den Antrag auf Ausfolgung des Erlags, der vom Erstgericht abgewiesen wurde.

Daraufhin erhob die Zweiterlagsgegnerin gegen die Ersterlagsgegnerin und die Republik Österreich eine Klage auf Einwilligung zur Ausfolgung des Erlags (vgl zur Zulässigkeit des Rechtswegs für diese Klage, die den gegenständlichen Fall betreffende E 5 Ob 272/02i = teilweise veröffentlicht in ÖBA 2003, 628).

Einem Antrag auf Zustellung des erstgerichtlichen Erlagsbeschlusses der Republik Österreich entsprach das Erstgericht. Hieraufhin erhob die Republik Österreich, bezeichnet als Dritterlagsgegner, Rekurs gegen den erstgerichtlichen Annahmebeschluss.

Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Gericht zweiter Instanz dem Rekurs der Republik Österreich Folge und änderte die angefochtene Entscheidung dahin ab, dass das Erlagsgesuch abgewiesen wurde.

Das Rekursgericht beurteilte das Rechtsmittel als rechtzeitig, weil erst die Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses an die Finanzprokuratur, nicht jedoch jene an das "Landesgericht Innsbruck, Abteilung 38Ur" die Rechtsmittelfrist in Gang gesetzt habe. Auch sei die Rechtsmittellegitimation der Dritterlagsgegnerin Republik Österreich gegeben. Sie sei zwar nicht im Erlagsgesuch, wohl aber in dem den Erlag annehmenden Beschluss als Dritterlagsgegnerin bezeichnet worden. Es bedürfe daher auch ihrer Zustimmung zur Ausfolgung des Erlags, womit die in der jüngeren Judikatur des Obersten Gerichtshofs (etwa 4 Ob 218/98g) bejahte Rechtsmittellegitimation (Vorhandensein mehrerer Erlagsgegner) zu bejahen sei.

In der Sache selbst befand das Rekursgericht, dass kein Hinterlegungsgrund im Sinn des § 1425 ABGB verwirklicht sei. Gerade durch die einstweilige Verfügung gemäß § 144a StPO sei der Bank jegliche Auszahlung der Guthaben verboten. Auch sonst sei ihr alles verboten, was die Abschöpfung der Bereicherung, die Verfallserklärung oder die Exekutionsführung auf diese Forderungen vereiteln oder erschweren könnte. Damit sei in Wahrheit die von der Erlegerin behauptete Unklarheit nicht gegeben. Ihre Behauptungen hinsichtlich des Hinterlegungsgrundes seien somit unschlüssig.

Das Rekursgericht erklärte den Rechtszug an den Obersten Gerichtshof für zulässig, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rechtsmittellegitimation eines vom Erleger nicht genannten Erlagsgegners, der überdies auch keine privatrechtlichen Ansprüche geltend zu machen in der Lage sei, fehle. Auch der Umfang des Anfechtungsrechtes eines solchen "Erlagsgegners" sei nicht geklärt. Diese wesentliche Frage gehe in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinaus.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Revisionsrekurs der Erlegerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung des angefochtenen Beschlusses im Sinn einer Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. In eventu wird beantragt, den Beschluss des Rekursgerichtes, allenfalls den erstinstanzlichen Beschluss zur neuerlichen Beschlussfassung aufzuheben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage besteht, ob ein Drittschuldner, dem mit einstweiliger Verfügung nach § 144a StPO ein Drittverbot auferlegt wurde, die gerichtliche Hinterlegung des den Gegenstand des Verbots bildenden Geldbetrags begehren kann.

Der Revisionsrekurs ist jedoch nicht berechtigt.

Im Verfahren über einen Erlag nach § 1425 ABGB ist zunächst die verfahrensrechtliche Erklärung des Antragstellers, wem er den Erlagsgegenstand im Weg des Gerichtserlages zwecks Schuldbefreiung anbiete, bestimmend. Die vom Erleger namentlich bezeichneten Erlagsgegner genießen kraft dieser verfahrensrechtlichen Erklärung des Antragstellers Parteistellung, sonstige Personen aber nur insoweit, als sie am Erlagsgegenstand - unabhängig von einem noch aufrechten Willen des Erlegers - bereits rechtlich geschützte Interessen besitzen (RIS-Justiz RS0006720). Dabei unterliegt die Parteistellung aller Erlagsgegner einer Schlüssigkeitsprüfung (SZ 73/48).

Wird also ein Erlagsgesuch damit begründet, dass mehrere Forderungsprätendenten auf den Erlagsgegenstand Anspruch erheben und der oder die wahren Gläubiger nicht mit zumutbarem Aufwand zu ermitteln sind, dann gehört zu dieser Schlüssigkeitsprüfung, ob die Angaben des Erlegers über die aus dem Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich plausibel und insoweit schlüssig dargelegt sind.

Diese Schlüssigkeitsprüfung ergibt nun hinsichtlich der Erst- und Zweiterlagsgegner keine Bedenken.

Welche rechtlich geschützte Interessen die Republik Österreich am Erlagsgegenstand besitzt, ergibt sich aus dem Wesen und dem Inhalt der einstweiligen Verfügung nach § 144a StPO. Für eine solche einstweilige Verfügung ist Voraussetzung, dass nach dem Ergebnis der Bewertung im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag des Staatsanwalts eine Verdachtslage gegeben ist, die annehmen lässt, dass durch ein Urteil im Strafverfahren die Bereicherung abgeschöpft werden wird, dies als eigene vermögensrechtliche Unrechtsfolge der mit Strafe bedrohten Handlung. Auf dieser Basis wird in der einstweiligen Verfügung nach § 144a StPO ein Anspruch des Staates auf Sicherung der Abschöpfung bejaht (vgl 15 Os 8/01). Zu diesem Zeitpunkt kommt es auf die Möglichkeit künftiger Adhäsionserkenntnisse nicht an, wenn auch ein Begleiteffekt einer solchen Maßnahme ist, dass sie im Ergebnis dem Geschädigten nützen kann (vgl aaO). Darüber hinaus kommt noch nach § 373b StPO im Fall der Abschöpfung der Bereicherung nach § 20 StGB dem durch die strafbare Handlung Geschädigten, dem eine Entschädigung zwar rechtskräftig zuerkannt, aber noch nicht geleistet worden ist, das Recht zu, seine diesbezüglichen Ansprüche aus dem vom Bund vereinnahmten Geldbetrag zu befriedigen.

Zunächst aber wird die einstweilige Verfügung (nur) zur Sicherung der Ansprüche auf Abschöpfung (oder Einziehung nach § 20b StGB) erlassen (vgl SZ 73/187, in welcher Entscheidung die Republik Österreich einer gefährdeten Partei im Sinn des § 394 EO gleichgehalten wird, weil mit der einstweiligen Verfügung zu ihren Gunsten abzuschöpfende oder für verfallen zu erklärende Vermögenswerte gesichert werden sollen). Damit lässt sich die Rechtsposition der Republik Österreich als einer Person, die am Erlagsgegenstand bereits rechtlich geschützte Interessen besitzt und insofern Partei des Verfahrens nach § 1425 ABGB ist, begründen.

Im vorliegenden Fall besteht also eine vom Strafgericht gemäß § 144a StPO iVm § 379 Abs 3 Z 3 EO hoheitlich verfügte Kontosperre, die der Bank verbietet, an den jeweiligen Kontoinhaber zu leisten (vgl SZ 69/16 mwN), aber auch weiters verbietet, sonst etwas zu unternehmen, was die Abschöpfung der Bereicherung, die Verfallserklärung und die Exekutionsführung auf diese Forderungen vereiteln oder erheblich erschweren könnte. Damit ist der Bank aber als Schuldner auch untersagt, über den Hinterlegungsgegenstand auf eine Weise zu verfügen, die dem Sicherungszweck zuwiderläuft. Zweck der gerichtlichen Hinterlegung des Leistungsgegenstandes ist die Schuldtilgung (EvBl 1989/107). Wo dieser Vorgang kraft Gesetzes nicht eintreten kann, ist der gerichtliche Erlag wegen Zwecklosigkeit unzulässig und vom Gericht nicht anzunehmen (vgl Harrer/Heidinger in Schwimann ABGB² Rz 2 zu § 1425 ABGB mwN). Dasselbe gilt dort, wo ein solcher Vorgang kraft gerichtlicher Anordnung nicht eintreten darf, etwa, weil wie hier durch gerichtliche Entscheidung eine Beschlagnahme des Erlagsgegenstandes zur Sicherung der Abschöpfung aufrecht ist. Bejahte man die Zulässigkeit einer Hinterlegung, könnten die Erlagsgegner im Zivilrechtsweg die Ausfolgung des Erlags begehren (vgl ÖBA 2003, 628). Mit einer Entscheidung im Ausfolgungsprozess würde aber unter Umständen zugunsten privatrechtlicher Ansprüche in die rechtskräftige Verfügung des Strafgerichts eingegriffen und der Sicherungszweck vereitelt werden. Die Entscheidungsbefugnis über die zur Sicherung der Abschöpfung gesperrten Konten muss daher dem Strafgericht vorbehalten bleiben, solange nicht die Beschlagnahme aufgehoben ist. Ebensowenig könnten privatrechtliche Dispositionen, etwa die Zustimmung im Ausfolgungsverfahren, vor Aufhebung der Beschlagnahme Wirksamkeit entfalten.

"Bis auf weitere gerichtliche Anordnung" im Sinn des § 379 Abs 3 Z 3 EO, meint daher die strafgerichtliche Zuständigkeit, nicht etwa die des Exekutionsgerichtes oder anderer Zivilgerichte. Zivilgerichten ist es versagt, die von der Ratskammer des Strafgerichts mit aufrechter einstweiliger Verfügung nach § 144a StPO angeordnete Kontosperre zu beseitigen (SZ 69/16; RIS-Justiz RS0097863).

Im Ergebnis erweist sich damit die Rechtsansicht des Rekursgerichtes als zutreffend. Ohne dass zu prüfen wäre, ob die materiellrechtlichen Voraussetzungen eines Erlags nach § 1425 ABGB vorliegen, weil die Drittschuldnerin aufgrund des ihr erteilten Verbots ohnedies an keinen der Forderungsprätendenten leisten darf und insofern auch keine unklare Rechtslage besteht, ist ein Begehren der Drittschuldnerin auf gerichtlichen Erlag bei aufrechter einstweiliger Verfügung nach § 144a StPO unzulässig. Ein solcher gerichtlicher Erlag kommt nur als die strafgerichtliche Verwahrung beendende Verfügung durch das Strafgericht gemäß § 367 Abs 3 StPO oder nach § 2 Abs 2 des BG über die Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse in Betracht (vgl Maleczky in ÖJZ 1997, 456).

Dem Revisionsrekurs war daher der Erfolg zu versagen.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte