OGH 5Ob272/02i

OGH5Ob272/02i20.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Klinger als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann und Dr. Baumann und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch und Dr. Kalivoda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Francesca T*****, vertreten durch Dr. Helga Hönel-Jakoncig, Dr. Veronika Staudinger, Rechtsanwältinnen in Innsbruck, gegen die beklagten Parteien 1.) Mara D*****, 2.) Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, wegen Einwilligung zur Ausfolgung eines Erlages gemäß § 1425 ABGB (EUR 468.466,--), über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 4. Oktober 2002, GZ 5 R 16/02w-7, womit der Zurückweisungsbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 2. August 2002, GZ 17 Cg 165/02k-4, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur Fortsetzung des Verfahrens unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund an das Erstgericht zurückverwiesen. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

In der Strafsache gegen Giancarlo Z***** und die Erstbeklagte Mara D***** verbot das Landesgericht Innsbruck mit einstweiliger Verfügung vom 17. 10. 2001, 38 Ur 1139/01y,

1. Giancarlo Z***** und Mara D***** über die Konten 0001-825363 und 0074-041690 gegenüber der Drittschuldnerin L***** Sparkasse AG zu verfügen, insbesondere damit zusammenhängende Forderungen gänzlich oder teilweise einzuziehen und Herausgabeansprüche geltend zu machen, und

2. der Drittschuldnerin L***** Sparkasse AG bis auf weitere gerichtliche Anordnung das den Verdächtigen Giancarlo Z***** und Mara D***** aus den obangeführten Konten Geschuldete zu zahlen oder sonst etwas zu unternehmen, was die Abschöpfung der Bereicherung, die Verfallserklärung und die Exekutionsführung auf diese Forderungen vereiteln oder erheblich erschweren könnte.

Weiters sprach das Landesgericht Innsbruck aus, dass diese einstweilige Verfügung gemäß § 144a Abs 5 StPO aufzuheben sei, sobald die Voraussetzungen ihrer Erlassung weggefallen seien, insbesondere auch dann, wenn anzunehmen sei, dass die Abschöpfung der Bereicherung aus einem der in den §§ 20a f StGB erwähnten Gründen unterbleiben werde.

Der von den Verdächtigen gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Innsbruck in seinem Beschluss vom 11. 12. 2001 keine Folge.

Mit Kontoeröffnungsbeschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 6. 11. 2001 erging an die L***** Sparkasse die gerichtliche Aufforderung, die Konten Nr 0001-825363 und 0074-041690 sowie alle auf Giancarlo Z***** und Mara D***** lautenden Konten, Wertpapierdepots samt dazugehöriger Verrechnungen sowie Sparbücher offenzulegen und sämtliche Urkunden und sonstige Unterlagen, die sich auf diese Konten, Depots und Sparbücher beziehen und die Hinweise auf allfällige Konto-, Depot- und Sparbuchbewegungen für den Zeitraum ab 1. 1. 1997 bis zum Tag des Vollzuges dieses Beschlsses enthalten, herauszugeben. Mit demselben Beschluss sprach das Landesgericht Innsbruck die Beschlagnahme gemäß § 98 Abs 2, § 143 f StPO hinsichtlich Unterlagen und Gegenstände, die zur Beweissicherung von Bedeutung sein könnten, das sind die Konten Nr 0001-825363 und 0074-041690, aus und bestimmte, dass sie in gerichtliche Verwahrung zu bringen seien.

Über den von der Klägerin, die sich dem Strafverfahren als Privatbeteiligte angeschlossen hatte, am 20. 2. 2002 gestellten Antrag, die durch die einstweilige Verfügung vom 17. 10. 2001 blockierten Gelder auf den Konten 0001-825363 und 0074-041690 gemäß den Bestimmungen des § 1425 ABGB über strafrechtliche Verwahrnisse beim Bezirksgericht Innsbruck unter Verständigung der geschädigten Klägerin und der Erstbeklagten als Kontoinhaberin zu erlegen, wurde vom Landesgericht Innsbruck im Verfahren 38 Ur 1139/01y bisher nicht entschieden. Die zitierte einstweilige Verfügung wurde bisher nicht aufgehoben.

Über entsprechendes Erklären des Staatsanwaltes erfolgte am 19. 7. 2002 die Einstellung des Verfahrens gegen Giancarlo Z***** gemäß § 90 Abs 1 StPO, während das Strafverfahren gegen die Erstbeklagte wegen Verdachtes des Vergehens/Verbrechens der Geldwäscherei nach § 165 StGB gemäß § 412 StPO abgebrochen wurde.

Am 15. 4. 2002 richtete die L***** Sparkasse unter - auch inhaltlicher - Zitierung der vom Landesgericht Innsbruck im Verfahren 38 Ur 1139/01y vom 17. 10. 2001 erlassenen einstweiligen Verfügung gemäß § 144a StPO iVm §§ 259 ff EO und mit der Behauptung, dass die Erstbeklagte als Kontoinhaberin und die Klägerin Ansprüche auf Auszahlung der Guthabensbeträge aus den Konten Nr 0001-825363 und 0074-041690 erhoben hätten, jedoch keine Klärung der Anspruchsberechtigung erzielt werden habe können, um Genehmigung des Erlages von EUR 115.396,60 und SFR 510.892,30. Mit Beschluss vom 15. 4. 2002, 27 Nc 10011/02w-2, nahm das Bezirksgericht Innsbruck den Erlag an, fügte jedoch den von der Antragstellerin angeführten Erlagsgegnern Mara D***** und Francesca T***** das "Landesgericht Innsbruck, 38 Ur 1139/01y" als weiteren Erlagsgegner hinzu. Ein von der Klägerin im Erlagsverfahren am 7. 5. 2002 gestellter Antrag auf Ausfolgung des Erlages, gegen dessen Bewilligung sich die Antragstellerin L***** Sparkasse ausgesprochen hatte, wies das Bezirksgericht Innsbruck mit Beschluss vom 18. 7. 2002 ab. Mit der am 23. 7. 2002 beim Erstgericht überreichten Klage stellte die Klägerin folgendes Urteilsbegehren:

"Die Beklagten Mara D***** und die Republik Österreich, Landesgericht Innsbruck sind schuldig in die Ausfolgung folgender Beträge

1. EUR 115.396,-- samt Zinsen, erlegt am 30. April 2002 zu HMB 133/02 bei der Verwahrungsabteilung des OLG Innsbruck, und

2. SFR 510.892,30 (Schweizer Franken) samt Zinsen auf Konto Nr 0074-041690 erlegt in der Form eines Fremdwährungssparbuches bei der L***** Sparkasse, im Auftrag des Verwahrungsgerichtes und zu dessen alleiniger Verfügung, allenfalls Ausfolgung des Fremdwährungssparbuches selbst,

an die Klägerin einzuwilligen und die Kosten des Verfahrens zu Handen der Klagsvertreterin zu ersetzen, dies alles binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwange."

Das Erstgericht wies die Klage zurück.

Aus der Klagserzählung ergebe sich, dass die Klägerin nicht einen privatrechtlichen, von den Zivilgerichten zu behandelnden Anspruch, sondern einen Herausgabeanspruch hinsichtlich eines Gegenstandes erhebe, der mit rechtskräftiger einstweiliger Verfügung des Strafgerichtes gesichert und darüber hinaus mit Beschluss des Strafgerichtes vom 6. 11. 2001 beschlagnahmt worden sei. Das beim Bezirksgericht Innsbruck anhängige Erlagsverfahren sei somit nicht als Hinterlegung gemäß § 1425 ABGB, die das Vorliegen für den Erleger strittiger privatrechtlicher Ansprüche voraussetze, zu verstehen. Vielmehr stelle dieses Verfahren die Folge aus der einstweiligen Verfügung vom 17. 10. 2001 und dem Beschlagnahmebeschluss vom 6. 11. 2001 dar und sei somit Teil der Strafrechtspflege. Dies zeige sich nicht zuletzt daraus, dass seitens des Erlagsgerichtes der Erlag nicht zu zu Gunsten der Klägerin und der Erstbeklagten, sondern auch für das Landesgericht Innsbruck zu 38 Ur 1139/01y angenommen worden sei. Das gemäß § 412 StPO abgebrochene Strafverfahren sei nach wie vor anhängig, und die vom Landesgericht Innsbruck gemäß § 144a Abs 1 StPO erlassene einstweilige Verfügung und der ergangene Beschlagnahmebeschluss seien nach wie vor aufrecht. Da die gegenständliche Klagsführung also keinen Anspruch privatrechtlicher Natur, für den der Rechtsweg gemäß § 1 JN zulässig wäre, zum Gegenstand habe, sei die Klage zurückzuweisen.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Klägerin gegen den erstgerichtlichen Zurückweisungsbeschluss nicht Folge und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes EUR 20.000,-- übersteige und dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Es führte im Rahmen seiner umfangreichen Begründung aus, die von der Klägerin begehrte Einwilligung in die Ausfolgung der von der strafgerichtlichen einstweiligen Verfügung betroffenen Beträge laufe inhaltlich auf eine - nach § 87 Abs 1 B-VG unzulässige - Weisung an das Strafgericht hinaus. Dem Zivilgericht sei es demnach versagt, die vom Untersuchungsrichter des Strafgerichtes mit aufrechter einstweiliger Verfügung nach § 144a StPO angeordnete Kontosperre zufolge Klage einer Gläubigerin, die die Klägerin im Verhältnis zur Erstbeklagten zu sein behaupte, im Zivilrechtsweg zu beseitigen. Der von der Klägerin erhobene Anspruch könne im ordentlichen Rechtsweg derzeit nicht durchgesetzt werden.

Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil auch die Meinung vertreten werde, dass von der vollzogenen Hinterlegung an der Gegenstand ausschließlich das rechtliche Schicksal nach § 1425 ABGB hinterlegter Sachen teile, in welchem Fall allein vom Erlagsgericht und nicht vom Strafgericht im Streitfall jenem Erlagsgegner auszufolgen wäre, der das bessere Recht für sich in Anspruch nehmen könne (vgl 1 Ob 178/01k = EvBl 2002/96).

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass die Zulässigkeit des Rechtsweges bejaht werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, weil das Rekursgericht die Rechtssätze zur Zulässigkeit des Rechtsweges zwar richtig wiedergegeben, aber unrichtig angewendet hat; das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung ist bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges in erster Linie der Wortlaut des Klagebegehrens und darüber hinaus der Klagssachverhalt (die Klagsbehauptungen) maßgebend. Maßgeblich ist die Natur, das Wesen des geltend gemachten Anspruches, wofür wiederum der geltend gemachte Rechtsgrund von ausschlaggebender Bedeutung ist. Ist der Anspruch privatrechtlicher Art, haben darüber die Zivilgerichte zu entscheiden (RIS-Justiz RS0045584).

Die Klägerin begehrt von den Beklagten als weiteren Erlagsgegnern die Einwilligung in die Ausfolgung bestimmter gemäß § 1425 ABGB hinterlegter und vom Erlagsgericht angenommener Beträge. Eine solche fehlende Zustimmung kann durch (erfolgreiche) Klage erzwungen werden (vgl Reischauer in Rummel2 § 1425 ABGB Rz 37 mwN; Harrer/Heidinger in Schwimann2 § 1425 ABGB Rz 38 mwN). Der gegen die übrigen Erlagsgegner geltend gemachte Anspruch auf Zustimmung ist privatrechtlicher Natur, weshalb der Rechtsweg zulässig ist.

Dem Revisionsrekurs war somit Folge zu geben, ohne dass es im jetzigen Verfahrensstadium auf die übrigen, vom Rekursgericht ausführlich erörterten Rechtsfragen ankäme. Insbesondere musste bei der Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsweges nicht geprüft werden, ob der Annahmebeschluss des Erlagsgerichtes überhaupt ordnungsgemäß zugestellt und in Rechtskraft erwachsen ist oder ob die Klage schon wegen der aufrechten einstweiligen Verfügung des Strafgerichts derzeit unschlüssig ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 52 ZPO.

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