European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00082.22W.0524.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Sache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Der Kläger schloss als Pächter mit der Beklagten als Verpächterin am 23. 4. 2018 einen befristeten Pachtvertrag über einen Gastronomiebetrieb für die Zeit vom 1. 6. 2018 bis 31. 10. 2021. Dieser Vertrag konnte unter Einhaltung einer dreimonatigen Kündigungsfrist zu jedem Quartalsende aufgekündigt werden, wobei der Kläger bis zum 31. 5. 2019 auf eine Kündigung verzichtete. Die Streitteile vereinbarten jeweils für die Monate April bis Oktober eine Betriebspflicht des Klägers (von Donnerstag bis Sonntag). Der Kläger sollte den (lebenden) Betrieb der Beklagten samt Personal übernehmen und nahtlos weiterführen. Ihm wurde aber im Vertrag eingeräumt, dass eine Betriebsschließung in den Monaten November bis März zulässig ist.
[2] Der Kläger verpflichtete sich, eine Kaution von 21.600 EUR, die Kosten für die Vertragserrichtung von 420 EUR, die Vertragsgebühren von 1.590 EUR und 24.000 EUR für das Inventar bei Vertragsunterzeichnung zu zahlen. Bei der Vertragsunterzeichnung hatte er allerdings kein Geld dabei. Erst nach der Unterfertigung informierte der Kläger den Geschäftsführer der Beklagten (im Folgenden nur: Geschäftsführer), dass das gesamte Geld aus dem Iran komme und er selbst kein Geld habe. Der Kläger wusste bereits vor der Vertragsunterzeichnung, dass er das Geld nicht hat und es zu Verzögerungen mit der Überweisung aus dem Iran kommen wird. Zur Erfüllung der Zahlungspflichten für die Kaution, die Kosten und die Gebühren zahlte der Kläger nach Ablauf von zwei ihm gesetzten Nachfristen (samt Rücktrittsdrohung) am 4. 5. 2018 den Betrag von 21.190 EUR, der am 7. 5. 2018 nach Ablauf der Nachfrist dem Konto der Beklagten gutgeschrieben wurde. Die Differenz zur noch fälligen Forderung wurde vom Kläger nicht beglichen, dies auch ungeachtet der Zusage des Klägers vom 8. 5. 2018, dass er 15.000 EUR (als Teil der Restsumme) noch „heute“ überweisen werde. Die Streitteile vereinbarten gleichzeitig ein Treffen für den 14. 5. 2018. Als der Kläger zum vereinbarten Termin nicht erschien (die angekündigte Zahlung wurde nicht geleistet) und dem Geschäftsführer eine Verspätung von 45 Minuten ankündigte, teilte der Geschäftsführer dem Beklagten mit, dass er nicht mehr kommen brauche, die Sache sei für ihn erledigt. Am nächsten Tag schrieb der Geschäftsführer dem Kläger, dass er nicht mehr mit ihm zusammenarbeiten wolle, weil der Kläger keine Vereinbarung einhalte. Dieser antwortete, dass er die Vertragsauflösung sehr gut verstehe, weil er (der Kläger) sich nicht an den Vertrag habe halten können.
[3] Wegen der Auflösung des Vertrags führte die Beklagte ihren Betrieb selbst weiter. Ein anderer Pächter konnte mitten in der Saison nicht mehr gefunden werden. Die Beklagte versuchte, den Betrieb 2018 bestmöglich zu betreiben, es war ihr nicht möglich, einen Gewinn zu erwirtschaften. Der Geschäftsführer konnte den Gasthof wegen anderweitiger Arbeitsbelastung in zwei Hotels nicht so führen, wie es ein Pächter gekonnt hätte. Der Gasthof war nur am Wochenende im Betrieb. Mitte Oktober 2018 wurde er zugesperrt. An den Geschäftsführer wurde kein Gehalt ausgezahlt.
[4] Der Kläger begehrt die Rückzahlung der von ihm in Erfüllung des Vertrags geleisteten Zahlungen von insgesamt 23.190 EUR, weil hierfür keine Grundlage mehr bestehe. Die Vertragsauflösung durch die Beklagte sei nicht gerechtfertigt gewesen.
[5] Die Beklagte wandte ein, dass sie vom Bestandvertrag zu Recht zurückgetreten sei, weil der Kläger die fällige Forderung trotz Setzung einer Nachfrist nicht zur Gänze gezahlt habe. Der Klagsforderung hielt die Beklagte eine Schadenersatzforderung bis zur Höhe des Klagsbetrags entgegen. Ihr stünde wegen des (zunächst für 2018) entgangenen Pachtzinses von 2.250 EUR netto pro Monat und der monatlichen Betriebskosten von 224 EUR netto ein entsprechender Schadenersatzanspruch zu. Allein für 2018 ergebe das einen Betrag von 20.781,60 EUR brutto. Die Differenz zum Klagsbetrag werde durch die Geltendmachung eines angemessenen (marktüblichen) Geschäftsführergehalts für die sieben Monate im Jahr 2018 aufgebraucht.
[6] Der Kläger hielt der Gegenforderung entgegen, dass der Beklagten kein Schaden entstanden sei, weil sie den Betrieb selbst (weiter) geführt habe.
[7] Das Erstgericht wies in seiner Entscheidung nach Feststellung, dass die Klagsforderung und die Gegenforderung jeweils zu Recht bestünden, das Begehren zur Gänze ab. Es ging davon aus, dass die Beklagte nach Setzung mehrerer Nachfristen am 14. 5. 2018 nach § 918 ABGB wirksam und auch zu Recht zurückgetreten sei, weil der Kläger die fälligen Zahlungen nicht beglichen habe. Der Kläger habe die Nichterfüllung des Vertrags kausal und schuldhaft verursacht. Der Rücktritt lasse den Ersatz des durch die Nichterfüllung verursachten Schadens unberührt. Der Gläubiger sei so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Die Beklagte habe den lebenden Betrieb weiter geführt, um den Schaden gering zu halten. Somit stehe der Beklagten für sieben Monate im Jahr 2018 neben dem entgangenen Pachtzins auch ein angemessenes Geschäftsführergehalt als Gegenforderung zu. Nach § 273 ZPO sei dieses Gehalt mit 1.000 EUR festzusetzen.
[8] Die Entscheidung über die Klagsforderung blieb unbekämpft und ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens.
[9] Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Ein Rücktritt ex tunc sei auch bei einem noch nicht begonnenen Dauerschuldverhältnis möglich. Der Kläger habe die Verzögerung zu vertreten, es liege daher subjektiver Schuldnerverzug vor. Trete in einem solchen Fall der Gläubiger zurück, stehe ihm der Nichterfüllungsschaden in Gestalt des Differenzanspruches zu. Aufgrund der hier von der Beklagten gewählten konkreten Schadensberechnung ergebe sich der zu ersetzende Schaden aus dem konkreten Ausfall, der dadurch entstanden sei, dass der vertragstreue Teil die Leistung nicht erhalten habe. Damit könne die Beklagte die als Gegenforderung für sieben Monate eingewendeten entgangenen Pachtzinse (inkl Betriebskosten) geltend machen. Mit Blick auf die Betriebspflicht sei die Beklagte, die keinen Ersatzpächter habe finden können, nicht verpflichtet gewesen, die Kosten eines Geschäftsführers für die Aufrechterhaltung des Betriebs, die ihr sonst gar nicht entstanden wäre, selbst zu zahlen. Die Höhe des Gehalts werde nicht bestritten. Eine Ersparnis der Beklagten liege nicht vor.
[10] Das Berufungsgericht erklärte die ordentliche Revision gemäß § 508 Abs 3 ZPO nachträglich zur Klärung der Frage zulässig, ob die Beklagte ein (fiktives) Geschäftsführergehalt als Schadenersatz geltend machen könne.
[11] Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[12] Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Revision als unzulässig zurückzuweisen; in eventu, ihr keine Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
[13] Die Revision ist zulässig, weil den Vorinstanzen bei der Beurteilung des Nichterfüllungsschadens nach § 921 ABGB nicht gefolgt werden kann; sie ist insofern im Sinne des Aufhebungsantrags auch berechtigt.
[14] 1. Zum Rücktritt:
[15] 1.1. Die Vorinstanzen sind zutreffend davon ausgegangen, dass die Regelungen zum Schuldnerverzug (§§ 918 ff ABGB) auch bei Dauerschuldverhältnissen bis zum Beginn der Dauerleistung anzuwenden sind (RS0018327). Bei einem Bestandvertrag ist der Rücktritt bis zu seinem Vollzug (6 Ob 572/95, 2 Ob 228/01w; vgl auch RS0018428 [T1], RS0018334) möglich. Die Beklagte ist vor diesem Zeitpunkt vom Vertrag zurückgetreten, sodass §§ 918 ff ABGB zu prüfen sind.
[16] 1.2. Die Vorinstanzen haben auch richtig beurteilt, dass die Beklagte wegen des Verzugs des Klägers hinsichtlich der fälligen Zahlungen nach Setzung mehrerer Nachfristen (inkl Androhung des Rücktritts) nach § 918 ABGB vom Vertrag zu Recht zurückgetreten ist.
[17] 1.2.1. Dem hält das Rechtsmittel nur entgegen, dass eine kurze Verzögerung von 45 Minuten nicht zum Rücktritt berechtigte. Nach den Feststellungen ergibt sich aber nicht, dass sich der Kläger mit der Zahlung der fälligen Forderung nur in einem derartig kurzfristigen Verzug befand. Die angesprochene Verzögerung von (mindestens) 45 Minuten betraf eine Verspätung des Klägers bei einem Treffen mit dem Geschäftsführer. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger aber bereits seit drei Wochen mit der Zahlung in Verzug, wobei eine Erfüllung auch in absehbarer Zeit nicht zu erwarten war.
[18] 1.2.2. Unmittelbar nach dem Rücktritt der Beklagten wurde dieser vom Kläger akzeptiert, der auch gegenüber dem Geschäftsführer erklärte, dass er die Vertragsauflösung wegen der Vertragsverletzungen des Klägers sehr gut verstehen könne. Der Kläger vertritt die Rechtsansicht, dass das Vertragsverhältnis (erst) durch die Annahme des (vermeintlich) unberechtigten Rücktritts einvernehmlich aufgelöst worden sei. Dem ist nicht beizutreten, weil der Vertrag – wie ausgeführt – bereits vor dieser Antwort des Klägers durch die Beklagte wirksam einseitig aufgelöst wurde. Der Gegenforderung der Beklagten kann damit nicht entgegengehalten werden, dass der Rücktritt vom Kläger akzeptiert wurde.
[19] 2. Zum Schadenersatzanspruch wegen des entgangenen Pachtzinses:
[20] 2.1. Der vom Vertrag zurücktretende Gläubiger kann bei einem vom Schuldner verschuldetem Verzug von diesem Schadenersatz nach § 921 ABGB verlangen. Die Vorinstanzen haben einen derartigen subjektiven Schuldnerverzug (Riedler, ZR II SchRAT4 Rz 6/15) auch unter Hinweis auf § 1298 ABGB (vgl zB 3 Ob 148/20s, 5 Ob 273/04i uva) im Anlassfall zutreffend bejaht.
[21] 2.2. Der von § 921 ABGB umfasste Schadenersatzanspruch betrifft den Nichterfüllungsschaden (RS0018266). Der Schuldner hat bei subjektivem Schuldnerverzug dem Gläubiger den Schaden zu ersetzen, der diesem durch die pflichtwidrige Nichterfüllung entstand. Der Gläubiger muss daher vermögensmäßig so gestellt werden, wie wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (RS0018239; positives Vertragsinteresse bzw positives Erfüllungsinteresse).
[22] 2.3. Im Hinblick auf die Beseitigung des Vertragsverhältnisses durch den Rücktritt kommt die Schadensberechnung nicht als Austauschanspruch, sondern nur in Form des Differenzanspruchs in Betracht (RS0018463 [T2]; RS0018266 [T1]; Gruber in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.06 § 921 Rz 4). Vom Interesse des Zurücktretenden an der ihm gebührenden Leistung ist daher der Wert seiner ersparten eigenen Leistung abzuziehen (vgl RS0018279 [T1]). Sollte die unterbliebene Gegenleistung wertmäßig nicht über der Eigenleistung liegen, entsteht kein Differenzschaden (Reidinger/Mock in Schwimann/Kodek 5 § 921 ABGB Rz 7).
[23] 2.4. Dieser Differenzanspruch kann grundsätzlich konkret oder abstrakt berechnet werden, wobei der vertragstreue Teil ein Wahlrecht hat (RS0018398).
[24] 2.4.1. Bei konkreter Berechnung ergibt sich der Schaden aus der Differenz zwischen dem Aufwand für die anderweitige Beschaffung der (gleichartigen, siehe etwa 2 Ob 132/14x) Leistung (Deckungsgeschäft) und dem vereinbarten Entgelt (zB 6 Ob 167/04h; 2 Ob 132/14x; RS0018463 Hödl in Schwimann/Neumayr, ABGB Taschenkommentar5 § 921 ABGB Rz 5).
[25] 2.4.2. Wenn der vertragstreue Teil kein Deckungsgeschäft abgeschlossen hat, kommt nur die abstrakte Schadensberechnung in Betracht (1 Ob 580/79 SZ 52/188). Bei der abstrakten Schadensberechnung kommt es darauf an, wie die Vermögenslage des Gläubigers gewesen wäre, wenn der Vertrag zeitgerecht erfüllt worden wäre, und wie sie sich nach dem Ausbleiben des Leistungsaustauschs darstellt (RS0018448). Das abstrakt berechnete Erfüllungsinteresse besteht in der Differenz zwischen dem (objektiven) Marktpreis der vereitelten bzw verzögerten und der eigenen Leistung, die der Rücktrittsberechtigte an den vertragsuntreuen Teil hätte erbringen müssen (6 Ob 175/21k mwN). Wenn – wie hier – die Leistung einer Vertragspartei einen Marktpreis hat und die Leistung der anderen Vertragspartei in Geld besteht, kann der infolge der Nichterfüllung des Vertrags durch den Vertragspartner Zurücktretende den Differenzbetrag zwischen dem Marktpreis und dem Geldbetrag verlangen (RS0018576).
[26] 2.4.3. Die Beklagte hat keinen Pachtvertrag (Deckungsgeschäft) mit einem anderen Pächter abgeschlossen. In der Benutzung des Pachtobjekts und der Fortführung des Gastronomiebetriebs durch die Beklagte selbst liegt kein Deckungsgeschäft im Sinne der Rechtsprechung. Damit kommt nur eine abstrakte Schadensberechnung in Betracht. Die Beklagte macht (abgesehen vom Rettungsaufwand, siehe unten) eine solche abstrakte Berechnung auch geltend, wenn sie den Ersatz des entgangenen Pachtzinses (inkl Betriebskosten) begehrt. Der Umstand, dass sie dabei zu Unrecht den objektiven Wert der eigenen Leistung nicht abzieht, ändert daran nichts.
[27] 2.5. Wie die Beklagte haben auch die Vorinstanzen bei der Schadensberechnung nicht beachtet, dass der Rücktritt nicht nur zum Entfall des Pachtzinses (inkl Betriebskosten) sondern auch zum Entfall der damit korrespondierenden Gegenleistung der Beklagten(= Einräumung des Gebrauchsrechts am Pachtobjekt, vgl § 1090 ABGB) führte. Das wurde vom Kläger auch ausreichend geltend gemacht. Dieser wies darauf hin, dass der Beklagten schon deshalb kein Schaden entstanden sei, weil sie den Betrieb selbst (weiter) geführt habe und damit das Pachtobjekt nutzen konnte.
[28] 2.6. Durch den Rücktritt hat sich die Beklagte damit die Erbringung der ihr nach dem Pachtvertrag obliegenden Gegenleistung erspart. Gleichzeitig konnte sie das Objekt auch selbst zum Betrieb ihres Gasthofs nutzen. Da – wie ausgeführt – dem Gläubiger aber nur ein Differenzanspruch zusteht, ist für die Ermittlung der Schadenshöhe der Beklagten vom (Geld‑)Wert ihrer entgangenen Einnahmen aus dem Pachtvertrag der objektive Wert der eigenen Leistung in Abzug zu bringen (6 Ob 641/87). Zu diesem Gebrauchswert fehlen aber die erforderlichen Feststellungen. Der objektive Wert des Gebrauchsrechts am Pachtobjekt wird im weiteren Verfahren (allenfalls nach Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen) zu ermitteln sein.
[29] 2.7. Dabei ist zu beachten, dass die Beklagte ihre Gegenforderung auf den entgangenen Pachtzins (inkl Betriebskosten) für den Zeitraum Juni bis Dezember 2018 stützt. Dieser Zeitraum ist auch der Berechnung des objektiven Werts der entfallenen Leistung der Beklagten zugrundezulegen, weil der Pachtvertrag bei einem vertragskonformen Verhalten des Klägers nicht früher hätte beendet werden können.
[30] 3. Zum Schadenersatzanspruch wegen des Rettungsaufwands:
[31] 3.1. Ein wegen Nichterfüllung gebührender Schadensersatz umfasst neben dem Differenzanspruch auch Auslagen, die dem Zurücktretenden im Zusammenhang mit dem Rechtsgeschäft erwachsen sind (RS0018279). Auch Aufwendungen der Geschädigten, die zur Minderung oder Beseitigung des Schadens erforderlich waren, sind als positiver Schaden bei jedem Grad des Verschuldens zu ersetzen (2 Ob 132/14x; RS0023516; Koziol, Haftpflichtrecht I4 B/1/105; Reischauer in Rummel³ § 1293 ABGB Rz 10). Dabei ist der Nachteil konkret zu berechnen (Koziol aaO; 2 Ob 132/14x). Dies ungeachtet des Umstands, dass im Anlassfall der Schaden wegen des Pachtzinsausfalls abstrakt zu berechnen ist. Teilbare Schäden können nämlich teilweise abstrakt und teilweise konkret berechnet werden (3 Ob 376/97h; RS0018398 [T2]), was hier der Fall ist.
[32] 3.2. Aufwendungen zur Schadensminderung sind ersatzfähig, wenn sie tatsächlich getätigt wurden, erforderlich waren, um den drohenden Schaden abzuwehren, und zweckmäßig insoweit waren, als ein maßgerechter „vernünftiger“ Durchschnittsmensch in der konkreten Lage die getroffenen Maßnahmen ebenfalls gesetzt hätte (RS0023055).
[33] 3.3. Die Vorinstanzen sind grundsätzlich zu Recht davon ausgegangen, dass auch der Arbeitseinsatz des Geschäftsführers ersatzfähig ist. Der Beklagten steht daher (auch) wegen des Aufwands im Zusammenhang mit der Weiterführung des Gasthausbetriebs ein Schadenersatzanspruch zu (Rettungsaufwand, vgl zB 2 Ob 132/14x).
[34] 3.4. Zwischen den Streitteilen wurde im Pachtvertrag für die Monate April bis Oktober eine Betriebspflicht vereinbart. Damit war (auch) der Weiterbetrieb des Gasthofs erkennbarer Zweck des Pachtvertrags. Der Kläger hat daher der Beklagten den rechtswidrig und schuldhaft verursachten Mehraufwand zu ersetzen, der dieser (auch zur Vermeidung eines größeren Schadens) durch das weitere Betreiben des Gasthofs erwachsen ist (vgl Reidinger/Mock in Schwimann/Kodek 5 § 921 ABGB Rz 8). Der Zuspruch ist allerdings mit dem tatsächlichen Aufwand begrenzt, sodass ein Ersatz für die Zeit ab dem vereinbarten Vertragsbeginn (Juni 2018) nur bis zur Schließung des Gastronomiebetriebs (Mitte Oktober 2018), also für viereinhalb Monate (und nicht für sieben Monate) in Betracht kommt. Zudem wäre eine Schließung des Betriebs ab November 2018 auch für einen vertragstreuen Pächter möglich gewesen, sodass der begehrte Ersatz bezüglich des Geschäftsführergehalts für die Monate November und Dezember (auch) daran scheitert, dass sich ein (allfälliger) Mehraufwand nicht auf ein rechtswidriges Verhalten des Klägers stützen könnte.
[35] 3.5. Der Umstand, dass die Beklagte kein Geschäftsführergehalt ausbezahlt hat, spricht nicht gegen die Ersatzfähigkeit des Aufwands ihres Geschäftsführers. Nach der Rechtsprechung hat der Schädiger für die vom Geschädigten zur Schadensbehebung zweckmäßig aufgewendeten Mittel aufzukommen und die Kosten für die Beschaffung der erforderlichen Mittel zu tragen (RS0030070). Ein Geschädigter, der den Schaden selbst behebt, kann daher seinen zur Schadensbehebung gemachten Aufwand an Zeit und Geld ersetzt verlangen (RS0037895). Diese Grundsätze sind auch für die hier vorliegende Konstellation anzuwenden, die davon geprägt ist, dass der Beklagten im Zeitraum Juni bis Mitte Oktober 2018 (an Stelle des vertragsbrüchigen Klägers) ein Aufwand entstand, dessen Einsatz zur Schadensminderung (vgl RS0026864) erforderlich war. Vom tatsächlich entstandenen Aufwand ist auch eine angemessene Abgeltung der eingesetzten Arbeitskraft umfasst (vgl 3 Ob 228/13w).
[36] 3.6.1. Das Erstgericht hat nach § 273 ZPO ein marktübliches und angemessenes Geschäftsführergehalt im Anlassfall mit „mindestens“ 1000 EUR im Monat angenommen. Wegen des bei den entgangenen Pachtzinsen (fehlerhaft) nicht vorgenommenen Abzugs des objektiven Werts der Gegenleistung der Beklagten reichte die Annahme dieser Untergrenze beim Geschäftsführergehalt bereits aus, damit die Gegenforderung insgesamt die Klagsforderung erreichte. Die Vorinstanzen erachteten es daher nicht als relevant, ob die Tätigkeit des Geschäftsführers von Juni bis Mitte Oktober 2018 allenfalls mit einem höheren Betrag abzugelten ist.
[37] 3.6.2. Die Feststellungen zur Tätigkeit des Geschäftsführers reichen noch nicht aus, um dessen Tätigkeit nach § 273 ZPO der Höhe nach (im Rahmen der rechtlichen Beurteilung [vgl RS0111576]) abschließend zu bewerten. Es steht lediglich fest, dass der Geschäftsführer den Betrieb nur am Wochenende führen konnte, wobei ihm das nicht in einer Weise möglich war, wie es einem (gemeint offenbar: dauerhaft anwesenden) Pächter möglich gewesen wäre.
[38] 4. Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht seine Entscheidungsgrundlage daher wie aufgezeigt zu verbreitern haben, damit die Höhe der Gegenforderung festgestellt (bzw allenfalls nach § 273 ZPO geschätzt) werden kann.
[39] 5. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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