OGH 4Ob80/17v

OGH4Ob80/17v24.8.2017

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und durch die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Schwarzenbacher, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache des Klägers Verein für Konsumenteninformation, *****, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die Beklagte P***** GmbH, *****, vertreten durch Dorda Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 36.000 EUR), über die außerordentliche Revision der Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Februar 2017, GZ 129 R 3/17k‑12, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2017:0040OB00080.17V.0824.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Die für die Revisionszulässigkeit maßgebende Erheblichkeit der Rechtsfragen bestimmt sich nach objektiven Umständen. Dabei schließt die Kasuistik des Einzelfalls in der Regel eine beispielgebende Entscheidung aus (vgl RIS‑Justiz RS0042405).

2.1. Im vorliegenden Fall haben die Vorinstanzen dem vom Kläger ua nach §§ 1a214 UWG belangten Online-Partnervermittlungsinstitut untersagt, seinen Kunden, mit denen es die Vertragsverlängerung mittels Erklärungsfiktion vereinbart hat, den besonderen Hinweis iSd § 6 Abs 1 Z 2 KSchG in der Form zu erteilen, dass es ihnen eine E-Mail übermittelt, ohne im Betreff und im Text eindeutig und unmissverständlich auf die mangels ausdrücklicher Kündigung binnen bestimmter Frist stattfindende automatische Vertragsverlängerung hinzuweisen.

2.2. Dabei hat es das Berufungsgericht nach ausführlicher Würdigung der zur genannten Norm ergangenen Rechtsprechung und Literatur im konkreten Einzelfall als nicht ausreichend erachtet, wenn die Beklagte ihrer Hinweispflicht in der Form nachkommt, dass sie ihren Kunden eine E-Mail mit dem Betreff „ Nachricht zu Ihrem Profil bei [der Beklagten] “ mit dem Inhalt schickt: „ ... wir freuen uns, dass Sie sich für den Service [der Beklagten] entschieden haben und hoffen, dass Sie bislang zufrieden waren und bereits interessante Kontakte geknüpft haben. Neuigkeiten zu Ihrer Mitgliedschaft stehen Ihnen jetzt zur Verfügung. Klicken Sie einfach auf den folgenden Link ... “, wobei erst nach dem Einloggen unter dem Profilbereich „ Meine Daten und Einstellungen “ eine Nachricht vorgefunden wird, in der unter anderem auf die automatische Vertragsverlängerung mangels rechtzeitiger Kündigung hingewiesen wird.

3. Nach der Judikatur zu § 6 Abs 1 Z 2 KSchG soll die Bestimmung gewährleisten, dass dem Verbraucher die Bedeutung seines Verhaltens noch einmal vor Augen geführt wird (vgl 4 Ob 27/13v; 6 Ob 85/11k).

4.1 Die Entscheidung des Berufungsgerichts, wonach Text und Gestaltung der E-Mail und des damit versendeten Links den Kunden nicht dazu veranlassen werden, dem Link zu folgen, weil er dahinter die geschuldete Information nicht zu vermuten braucht, und die Mitteilung somit nicht ausreichend ist, um den Anforderungen des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG zu entsprechen, hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und wirft keine erhebliche Rechtsfrage auf.

4.2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass weder die Praxis der Beklagten, das Vertragsverhältnis („die Mitgliedschaft“) betreffende Mitteilungen von einer anderen E-Mail-Adresse aus zu verschicken und diese Nachrichten anders zu gestalten als jene, die ihre Hauptleistung, nämlich Partnervermittlungsvorschläge, erfüllen, noch die Bezeichnung des Links mit den Begriffen „ termtime “ und „ cancellation “ den Kunden hinreichend deutlich darauf hinweist, dass sich hinter dem erwähnten Link eine Mitteilung darüber befindet, dass sein Stillschweigen eine Vertragsverlängerung bewirkt, ist im Sinn der oben zitierten Rechtsprechung, wonach die Ausnahmebestimmung des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG einen deutlichen Hinweis auf die Rechtsfolgen des Verbraucherverhaltens erfordert, jedenfalls vertretbar. Der Revisionswerberin ist es nicht gelungen, Argumente aufzuzeigen, die eine (grobe) Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts indizierten. Ihre Erwägungen zu den Englischkenntnissen ihrer Kunden sind schon deswegen nicht zielführend, weil keineswegs feststeht, dass die Kunden „mehr den urbanen Bevölkerungsschichten“ zuzuordnen sind.

5.1. Zweck der Urteilsveröffentlichung ist es, über die Rechtsverletzung aufzuklären und den beteiligten Verkehrskreisen Gelegenheit zu geben, sich entsprechend zu informieren, um vor Nachteilen geschützt zu sein (RIS-Justiz RS0121963 [T2]). In der Regel ist die Urteilsveröffentlichung in einem solchen Umfang zuzusprechen, dass die Verkehrskreise, denen gegenüber die Rechtsverletzung wirksam geworden ist, über den wahren Sachverhalt bzw den Gesetzesverstoß aufgeklärt werden (RIS-Justiz RS0121963 [T9]). Art und Umfang der Veröffentlichung müssen in angemessenem Verhältnis zur Wirkung des Rechtsverstoßes stehen (vgl RIS-Justiz RS0079737 [T4]).

5.2. Die Revisionswerberin hat keine rechtserheblichen Gründe für eine Unverhältnismäßigkeit der von den Vorinstanzen zugesprochenen Urteilsveröffentlichung aufgezeigt. Jedenfalls ist aus der von ihr zitierten Entscheidung 4 Ob 95/93 – in der es nicht um Geschäftspraktiken eines Unternehmens, sondern darum ging, ob eine Entscheidung aufgrund eines Rechtsverstoßes durch ein Interview in einem Nachrichtenmagazin auch in der „Krone“ zu veröffentlichen sei – kein Argument gegen die hier zugesprochene Urteilsveröffentlichung in der „Kronen-Zeitung“ zu gewinnen.

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