OGH 4Ob78/01a

OGH4Ob78/01a10.7.2001

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei Tilmar H*****, vertreten durch Dr. Susanne Fuchs-Weißkircher, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei Josef W***** OHG, Inhaber Alfred K*****, vertreten durch Dr. Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, wegen Kündigung (3 C 751/99t) und Räumung (3 C 981/99s), über die außerordentliche Revision und den darin enthaltenen Rekurs der klagenden Partei gegen die Entscheidung des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 11. Jänner 2001, GZ 38 R 256/00d-19, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 25. August 2000, GZ 3 C 751/99t-15, in Ansehung des Verfahrens AZ 3 C 751/99t als nichtig aufgehoben und die Aufkündigung zurückgewiesen und in Ansehung des Verfahrens AZ 3 C 981/99s bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1. Die im Verfahren über die Räumungsklage (3 C 981/99s) erhobene außerordentliche Revision wird zurückgewiesen.

2. Dem im Kündigungsstreit (3 C 751/99t) erhobenen Rekurs wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Gericht zweiter Instanz die neuerliche Entscheidung über die Berufung der klagenden Partei aufgetragen.

Die Kosten der Rekursbeantwortung sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Der Kläger hatte im Jahr 1966 mit der Josef W***** OHG einen Mietvertrag über ein Geschäftslokal geschlossen. 1971 beabsichtigte der persönlich haftende Gesellschafter der mittlerweile in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft geführten Gesellschaft, das Unternehmen zu veräußern. Es kam zu einer entsprechenden Vereinbarung mit Alfred K*****, über die auch die Hausverwaltung des Klägers informiert wurde. Danach sollte das Unternehmen unter der bisherigen Firma und unter Aufrechterhaltung des Mietvertrags mit dem Kläger weitergeführt werden. In einer Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag verpflichtete sich der nunmehrige Alleininhaber Alfred K***** zur Zahlung einer freiwilligen Mietzinserhöhung. Am 15. 3. 1972 wurde das Ausscheiden des bisherigen persönlich haftenden Gesellschafters und des bisherigen Kommanditisten zum 1. 4. 1972 und die Fortsetzung der Gesellschaft durch Alfred K***** als Alleininhaber beim Handelsgericht Wien angemeldet. Die ausscheidenden Gesellschafter erteilten ihre ausdrückliche Zustimmung zur Fortsetzung des Unternehmens unter der bisherigen Firma. Die Löschung der bisherigen Gesellschafter und die Eintragung des nunmehrigen Alleininhabers ins Firmenbuch (damals Handelsregister) erfolgte am 5. 5. 1972 mit dem Hinweis, dass das Unternehmen auf Alfred K***** übergegangen sei. Mit Pachtvertrag vom 29. 1. 1998 verpachtete Alfred K***** das Unternehmen aus gesundheitlichen Gründen an seine Tochter. Er setzte davon auch die Hausverwaltung des Klägers in Kenntnis.

In seiner zu 3 C 751/99t eingebrachten Aufkündigung kündigte der Kläger das Mietverhältnis zum 31. 1. 2000 aus dem Kündigungsgrund des § 30 Abs 3 Z 4 MRG auf. Die mit Josef W***** OHG bezeichnete Beklagte habe das Bestandobjekt zur Gänze weitergegeben. In der Folge erhob der Kläger zu 3 C 981/99s gegen die als Josef W***** OHG Inhaber Alfred K***** bezeichnete Beklagte eine Räumungsklage wegen titelloser Benützung. Beide Verfahren wurden zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Das Erstgericht hob die Aufkündigung auf und wies das Räumungsbegehren mit der Begründung ab, eine Weitergabe im Sinn des § 30 Abs 2 Z 4 MRG habe nicht stattgefunden; vielmehr sei Alfred K***** als Alleininhaber der Josef W***** OHG - die sich durch seinen Eintritt und dem Austritt der übrigen Gesellschafter in ein Einzelunternehmen gewandelt habe - in deren Mietrechte eingetreten. Gleichzeitig wies das Erstgericht auch die zu 3 C 981/99s erhobene Räumungsklage aus der Erwägung ab, die Beklagte benutze den Bestandgegenstand nicht titellos. Beide Entscheidungen wurden durch die Klägerin mit Berufung angefochten.

Das Berufungsgericht fasste im Kündigungsverfahren (3 C 751/99t) den Beschluss, das angefochtene Urteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren als nichtig aufzuheben und die Aufkündigung zurückzuweisen. Nach dem Vorbringen des Klägers sei davon auszugehen, dass er seine Aufkündigung nicht gegen Alfred K***** als Inhaber der Josef W***** OHG, sondern gegen die so benannte Personenhandelsgesellschaft selbst richten wolle. Beklagte des Kündigungsverfahrens sei somit die Personenhandelsgesellschaft, der es jedoch zufolge Ausscheidens ihrer Gesellschafter an der erforderlichen Parteifähigkeit mangle. Das gegen sie ergangene Urteil und das diesem vorangegangene Verfahren seien somit aufzuheben und die Aufkündigung zurückzuweisen. Im Verfahren über die Räumungsklage bestätigte das Gericht zweiter Instanz das angefochtene Urteil mit einer Maßgabe und sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Die Mietrechte seien durch die Beendigung der OHG nicht erloschen. Selbst wenn Alfred K***** nicht Mieter geworden wäre, könnte der Hauseigentümer nicht unmittelbar mit Räumungsklage gegen ihn vorgehen, weil er sein Benützungsrecht aus den Rechten des Vertragspartners des Hauseigentümers ableite.

In seinem als "außerordentliche Revision" bezeichneten Rechtsmittel bekämpft der Kläger sowohl den Beschluss des Berufungsgerichts, womit dieses das angefochtene Urteil sowie das diesem vorangegangene Verfahren zu 3 C 751/99t als nichtig aufgehoben und die Aufkündigung zurückgewiesen hatte, als auch die Maßgabebestätigung im Verfahren über die Räumungsklage.

Zum Kündigungsstreit 3 C 751/99t:

Rechtliche Beurteilung

Der gegen die Beschlussfassung des Berufungsgerichts gerichtete Rekurs an den Obersten Gerichtshof ist jedenfalls zulässig (Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3b zu § 519); er ist auch berechtigt.

Der Kläger macht geltend, Mieterin sei nach wie vor die OHG, die solange Parteifähigkeit besitze und durch Kündigung belangt werden könne, als sie die Mietrechte noch innehabe. Zu einer Gesamtrechtsnachfolge der Einzelfirma im Sinn des § 142 HGB sei es nicht gekommen, weil Alfred K***** erst nach dem Ausscheiden der früheren Gesellschafter eingetreten sei. Er habe das Unternehmen der vormaligen OHG im Wege der Einzelrechtsnachfolge fortgesetzt und sei daher nicht Mieter geworden. Das Gericht zweiter Instanz habe somit die gegen die OHG gerichtete Aufkündigung zu Unrecht zurückgewiesen.

Dem ist nicht zu folgen:

Das in § 142 Abs 1 HGB geregelte Übernahmerecht mit der Wirkung der Gesamtrechtsnachfolge kann nach Lehre und Rechtsprechung über die in § 142 HGB normierten Fälle hinaus im Gesellschaftsvertrag auf sonstige Fälle der Auflösung einer Zweipersonengesellschaft erstreckt werden, wobei es im Allgemeinen als zulässig angesehen wird, dass statt der Auflösung und Liquidation die Geschäftsübernahme mit der Wirkung einer Gesamtrechtsnachfolge auf einen der Gesellschafter vereinbart wird (Koppensteiner in Straube, HGB2 Rz 13 zu § 142; Jabornegg in Jabornegg, HGB Rz 40 f zu § 142). Durch das Ausscheiden eines von zwei Gesellschaftern aus einer Personenhandelsgesellschaft geht das Unternehmen ohne Liquidation mit seinen Aktiven und Passiven auf den verbleibenden Gesellschafter über. Das bisherige Gesamthandeigentum an der Gesellschaft wird dadurch Eigentum in der Hand des Übernehmers, was zu einer Gesamtrechtsnachfolge des Übernehmers im Wege der Anwachsung führt (RIS-Justiz RS0061566; RS0039306; WBl 2000/257, 379 = RdW 2000, 417 (Burgstaller) = ecolex 2000, 513 (Fantur); 4 Ob 123/00t; 6 Ob 8/00w; zuletzt 9 Ob 154/00p).

Nach den Feststellungen der Vorinstanzen erfolgten Ausscheiden der früheren Gesellschafter und Eintritt des Alfred K***** zur Fortführung des Unternehmens der Personengesellschaft als Einzelunternehmen unter der bisherigen Firma gleichzeitig. Alfred K***** war davor noch nicht Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft. Es stellt sich somit die Frage, ob § 142 HGB auch in einem solchen Fall Anwendung findet. Der Oberste Gerichtshof hat bei einem insoweit vergleichbaren Sachverhalt bereits ausgesprochen, dass eine Gesamtsrechtsnachfolge durch analoge Anwendung des § 142 HGB nicht nur dann eintritt, wenn die Geschäftsanteile von einem bereits existenten Gesellschafter übernommen werden, sondern auch dann, wenn alle Gesellschafter der Personengesellschaft ihre Geschäftsanteile auf eine neu gegründete Gesellschaft übertragen. Der gleichzeitige Wechsel aller Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft ändere nämlich nichts an der Identität der Gesellschaft, weil die Rechtsträger des Gesellschaftsvermögens die jeweiligen Gesellschafter zur gesamten Hand seien. Dadurch, dass die Gesellschafter der KG ihre Anteile an eine GmbH übertragen hätten, habe sich zunächst an der Identität der KG nichts geändert; vielmehr sei es gleichzeitig zu einem Anwachsen nach § 142 HGB und damit auch zu einer Universalsukzession der GmbH gekommen. Wollte man den Gesellschaftern die Übertragung aller Anteile auf einen einzigen Erwerber im Wege der Abtretung versagen, so hätte dies zur Folge, dass der Erwerber zunächst durch Abtretung eines Gesellschaftsanteils Gesellschafter werden müsste, um sodann durch Anwachsung nach § 142 HGB die übrigen Anteile zu erwerben. Für einen derartigen Umweg bestehe aber keine Notwendigkeit (2 Ob 54/00f = WBl 2000, 379 = RdW 2000, 417 ((P. Burgstaller)) = ecolex 2513 ((Fantur)).

Von diesen Überlegungen ausgehend erschiene es auch im hier zu beurteilenden Fall als unnötiger Formalismus, die Anwendbarkeit des § 142 HGB davon abhängig zu machen, dass der Erwerber, auf den das Unternehmen der OHG vereinbarungsgemäß überging, noch vor dem Ausscheiden ihrer bisherigen Gesellschafter formell als Gesellschafter beitrat. § 142 HGB findet vielmehr auch dann Anwendung, wenn das Ausscheiden der bisherigen Gesellschafter der Personenhandelsgesellschaft und der Eintritt desjenigen, auf den das Unternehmen der Personenhandelsgesellschaft zum Zwecke der Fortführung als Einzelunternehmen vereinbarungsgemäß übergehen soll, gleichzeitig erfolgen. Demzufolge hat Alfred K***** das Unternehmen der Personenhandelsgesellschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übernommen; er führt es als Einzelunternehmer unter der bisherigen Firma fort.

Die damit eingetretene Gesamtrechtsnachfolge führt aber auch dazu, dass sich die vom Kläger gewählten (unterschiedlichen) Parteibezeichnungen auf ein und dasselbe Rechtssubjekt beziehen. Es richtet sich somit auch seine Kündigung gegen den unter der Firma Josef W***** OHG im Firmenbuch eingetragenen Einzelkaufmann Alfred K*****.

Das Berufungsgericht hat, von der unrichtigen Rechtsauffassung ausgehend, die Kündigung richte sich gegen eine nicht mehr parteifähige Personenhandelsgesellschaft, die durch Berufung angefochtene Entscheidung des Erstgerichts sowie das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Aufkündigung zurückgewiesen. Es wird daher im fortzusetzenden Verfahren über die Berufung des Klägers im Kündigungsstreit gegen seinen Mieter neuerlich zu entscheiden haben.

Zum Räumungsbegehren (3 C 981/99s):

Die gegen die Abweisung des Räumungsbegehrens gerichtete außerordentliche Revision ist unzulässig. Angesichts der hier zu bejahenden Gesamtrechtsnachfolge (auch) in die ehemals mit der Personenhandelsgesellschaft begründeten Mietrechte hat das Berufungsgericht eine titellose Benützung des Mietobjekts durch den hier beklagten Gesamtrechtsnachfolger im Ergebnis zutreffend verneint. Weitere erhebliche Rechtsfragen im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die außerordentliche Revision des Klägers nicht auf; sein außerordentliches Rechtsmittel wird zurückgewiesen.

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