Spruch:
Beide Revisionen werden zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.
Text
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem - den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) - Ausspruch des Berufungsgerichts sind die Revisionen mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig:
Das Berufungsgericht verweist in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs darauf, dass in derartigen Fällen naturgemäß den Umständen des Einzelfalls entscheidende Bedeutung zukomme, was grundsätzlich gegen die Zulässigkeit der ordentlichen Revision spreche. Die in der Entscheidung behandelten Rechtsprobleme könnten jedoch zweifellos andere Personen und vergleichbare Fälle berühren; es sei auch angebracht, die bisherige Praxis in derartigen Fällen durch Erwägung fortzubilden, denen über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme. Abgesehen davon könnte in der Entscheidung ein Abgehen von der Entscheidung "3 Ob 514/98" (richtig: 3 Ob 514/89) erblickt werden.
Gegenstand der - nicht zu § 1319 ABGB, sondern ganz allgemein zur Verkehrssicherungspflicht ergangenen - Entscheidung 3 Ob 514/89 (= RZ 1992/77) war ein Unfall, bei dem ein damals 11-jähriges Kind bei Dunkelheit in eine vor einer Parkkoje angebrachte, stark durchhängende stahlarmierte Wäscheleine lief und sich dadurch verletzte. Der Oberste Gerichtshof hat eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht mit der Begründung verneint, dass ein locker durchhängendes Seil keine besondere Gefahrenquelle sei; denn wer bei Dunkelheit in der Gegend herumlaufe, könne sich bei jedem Hauseck, Zaun oder Baum in ähnlicher Weise verletzen. Der Beklagte habe an der strittigen Stelle auch keinen Verkehr für Menschen eröffnet oder auch nur geduldet, sondern durch die Absperrung einen solchen Verkehr, wenn er auf die übliche Weise stattfinde, geradezu unterbunden.
Unfallsort im vorliegenden Fall war ein Kellerabgang in einer Wohnanlage, der im Stiegenantrittsbereich weder abgesperrt noch ausreichend beleuchtet war. Zum Kellerabgang gelangte man auf einem Weg, der zwar typischerweise von Ortsfremden nicht begangen wurde, denen der Zugang aber - anders als bei der mit einem Seil abgesperrten Parkkoje - auch nicht verwehrt war. Darin liegt ein wesentlicher Unterschied zu dem der Entscheidung 3 Ob 514/89 zugrunde liegenden Sachverhalt.
Der hier vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich auch erheblich von dem Sachverhalt, der der Entscheidung 1 Ob 129/02f (= ZVR 2003/37) zugrunde liegt, auf die sich die Klägerin in ihren Ausführungen zur Verschuldensquote beruft. Gegenstand dieser Entscheidung war ein Unfall, den ein in der Scheune eines Bauernhofs einquartierter Soldat erlitten hatte. Der Soldat war bei Dunkelheit in einen neben dem Scheunentor gelegenen nicht abgesicherten Lichtschacht gestürzt, als er durch das oberhalb des Lichtschachts gelegene Fenster in die Scheune hatte blicken wollen. Der Oberste Gerichtshof war der Auffassung, dass den Soldaten kein Mitverschulden treffe, weil er den Lichtschacht in der Dunkelheit nicht habe wahrnehmen können und mit dessen Vorhandensein gerade an dieser Stelle auch nicht habe rechnen müssen. Für den Besitzer des Bauernhofes sei es hingegen auf der Hand gelegen, dass Soldaten zwangsläufig den Raum vor der als Quartier dienenden Scheune begehen würden und es daher einer Schachtabsicherung zur Vermeidung von Unfällen bei Dunkelheit bedurft hätte.
Im Gegensatz dazu liegt es bei einer Wohnanlage keineswegs auf der Hand, dass Ortsfremde bei Dunkelheit Wege begehen, die zu einem Kellerabgang führen, ohne dass dies notwendig wäre, um ein auch für Ortsfremde in Frage kommendes Ziel inner- oder außerhalb der Anlage zu erreichen. Entgegen der Behauptung der Klägerin kann daher keine Rede davon sein, dass der im vorliegenden Fall maßgebende Sachverhalt ähnlich dem gelagert wäre, von dem die Entscheidung 1 Ob 129/02f auszugehen hatte. Die Behauptung der Klägerin, dass die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensteilung von 3 : 1 zu Lasten der Klägerin auch unter Berücksichtigung der ständigen Rechtsprechung in ähnlich gelagerten Fällen nicht nachvollziehbar sei, trifft damit nicht zu.
Die Beklagten machen geltend, dass das Berufungsgericht den Kellerabgang zu Unrecht als mangelhaftes Gebäude im Sinne des § 1319 ABGB gewertet habe. Sie verweisen darauf, dass das Gesetz ausdrücklich von "Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes" spricht, und meinen, dass das Fehlen eines Bewegungsmelders oder eines verschließbaren Gatters nicht als Mangel in diesem Sinn verstanden werden könne.
Die Beklagten verkennen damit, dass nach ständiger Rechtsprechung das Haftungserfordernis "Einsturz oder Ablösung von Teilen eines Gebäudes" weit auszulegen ist. Gehaftet wird nach § 1319 ABGB für jeden Schaden, der durch die auf der Höhe des Gebäudes oder des Werkes beruhende Gefahr herbeigeführt wurde. Die Rechtsprechung wendet § 1319 ABGB daher auch dann an, wenn jemand in Baugruben,
Schächte oder ähnliches stürzt (6 Ob 626/80 = SZ 53/143 mwN; s auch
die noch wesentlich weiter gehende Entscheidung 2 Ob 357/97g = JBl
1998, 715 [krit Koziol], die eine schlecht erkennbare Straßenabsperrung als im Sinne des § 1319 ABGB mangelhaftes Werk wertet). Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der nicht ausreichend beleuchtete oder sonst gesicherte Kellerabgang ein im Sinne des § 1319 ABGB mangelhaftes Werk sei, hält sich damit jedenfalls im Rahmen der Rechtsprechung.
Die weiteren Ausführungen der Beklagten betreffen die Frage, ob die Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt alle zur Abwendung der Gefahr erforderliche Sorgfalt aufgewendet haben. Auch diese Frage bildet keine erhebliche Rechtsfrage, weil die angefochtene Entscheidung zu Recht darauf abstellt, ob mit einem derartigen Unfall objektiv zu rechnen war. Maßgebend ist nämlich, ob der Besitzer beweist, dass er Vorkehrungen getroffen hat, die vernünftigerweise nach der Auffassung des Verkehrs erwartet werden können (Reischauer in Rummel, ABGB² § 1319 Rz 17 mwN), und nicht, wie die Beklagten meinen, ob sie selbst den Kellerabgang als ungenügend beleuchtet oder gefährlich empfunden haben.
Die Beklagten machen schließlich noch geltend, dass nicht alle Miteigentümer der Wohnanlage "Besitzer" des Kellerabgangs seien. Ihrer Auffassung nach könnten nur jene Wohnungseigentümer haften, die die Kellerstiege durch faktische Nutzung gekannt hätten. Die Beklagten missverstehen damit den Begriff des "Besitzers" im Sinne des § 1319 ABGB. "Besitzer" im Sinne dieser Bestimmung ist der "Halter" eines Gebäudes oder Werks; das ist derjenige, der die Sache auf eigene Rechnung führt, die Verfügungsgewalt über sie hat oder in der Lage ist, durch die erforderlichen Vorkehrungen Gefahren rechtzeitig abzuwenden und hierzu auch durch eine Beziehung zu dem Gebäude oder Werk verpflichtet ist (stRsp ua 7 Ob 584/88 = SZ 61/132; Reischauer aaO § 1319 Rz 12 mwN). Halter in diesem Sinn eines im Wohnungseigentum stehenden Gebäudes ist damit die Wohnungseigentümergemeinschaft (5 Ob 291/01g = wobl 2002/100 [Call]). Die angefochtene Entscheidung hat daher auch die Passivlegitimation der Beklagten im Einklang mit der Rechtsprechung bejaht. Beide Revisionen waren zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 40, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin nicht hingewiesen, ihre Revisionsbeantwortung war daher nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig. Die Klägerin hat keine Revisionsbeantwortung erstattet.
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