European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00039.18S.0322.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger verletzte sich bei der Fahrt mit seinem Mountainbike auf einem (frei zugänglichen) sogenannten Freeride-Parcours, der vom beklagten Verein errichtet wurde und unentgeltlich zu benützen war. Der Kläger gehörte einer Gruppe erfahrener Moutainbiker aus den Niederlanden an, die in den Tagen zuvor einige Moutainbike-Routen, Wanderwege und öffentliche Straßen, jedoch keine speziellen Parcours befuhren. Die Bewältigung des Freeride-Parcours der Strecke sollte der krönende Abschluss ihrer Tour sein. Die Gruppe wollte sich bewusst einer Herausforderung stellen.
Die Teilnehmer der Gruppe waren keine Freerider oder Downhill-Fahrer und auch nicht mit entsprechender Schutzausrüstung (zB Vollvisierhelm, Protektoren) ausgestattet. Schon aus der Gestaltung des Startbereichs geht für einen durchschnittlichen Mountainbiker hervor, dass es sich um keine gewöhnliche Mountainbikestrecke handelt, sondern um eine technische Strecke, auf der mit besonderen Herausforderungen und Hindernissen zu rechnen ist. Es ist für jedermann erkennbar, dass besondere Vorsicht geboten ist. Auch einem gewöhnlichen Mountainbiker ist bekannt und bewusst, dass vor der erstmaligen Fahrt eine Besichtigung einer solchen Strecke mit ihren Hindernissen notwendig und auch üblich ist.
Aufgrund von Hinweisen eines Gruppenmitglieds, das die Strecke gut kannte, wusste der Kläger von Hindernissen auf der Strecke, eine Besichtigung führte er nicht durch. Er absolvierte bereits eine Runde unfallfrei und wurde danach vom besagten Gruppenmitglied aufgefordert, bei einem bestimmten Hindernis aufzupassen.
Bei diesem Hindernis handelt es sich um eine künstliche Brücke (Plattform), die in ihrem mittleren Bereich (nicht aber auf der rechten und linken Seite) abrupt endete. In diesem Bereich kam der Kläger bei seiner zweiten Runde zu Sturz und verletzte sich schwer. Es steht nicht fest, wie der Kläger bei seiner ersten Abfahrt diese Brücke bewältigte und ob er das abrupte Ende in der Mitte bemerkte. Bei einer Besichtigung vor der Benützung hätte der Kläger erkennen können, wie man das Hindernis gefahrlos (durch Überspringen, Ausweichen) bewältigt. Für den Unfall war auch die – für derartige Parcours – ungenügende Beherrschung seines Fahrrads kausal.
Die Brücke (inkl ihres „ungünstigen“, abrupten Endes bei mittlerer Fahrweise) ist für einen Freeride-Parcours kein atypisches Hindernis und bedeutet keine Gefahr, sondern eine erwünschte Herausforderung. Die Benützer eines derartigen Parcours erwarten genau solche Hindernisse. Die Brücke kann auch im mittleren Bereich mit entsprechender hoher Geschwindigkeit bewältigt werden. Die Brücke ist nicht das anspruchsvollste Hindernis des Parcours, danach folgen noch schwierigere, die der Kläger bei seiner ersten Runde wahrnehmen konnte. Im unteren Teil des Parcours müssen etwa Hindernisse mit weiten Sprüngen und zum Teil sehr hohen Luftständen bewältigt werden.
Der Kläger begehrt einen Teilschmerzengeldbetrag von 70.000 EUR. Für das Revisionsverfahren noch von Relevanz stützte er sich dabei im Wesentlichen auf allgemeine Verkehrssicherungspflichten. Die Brücke sei auch für derartige Parcours atypisch und gefährlich. Weiters habe der Beklagte nicht ausreichend auf die Gefahren der Strecke hingewiesen.
Der Beklagte wandte ein, dass die Brücke für eine solche Strecke geradezu typisch und nicht gefährlich sei. Der Kläger habe die Strecke vor dem Unfall bereits zur Gänze absolviert und die Gefahren daher gekannt.
Die Vorinstanzen verneinten eine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten des Beklagten und wiesen die Klage ab. Benützer derartiger Freeride-Parcours unterlägen erhöhten Anforderungen an ihre Eigenverantwortung. Der Beklagte habe nicht damit rechnen können, dass die Benützer die Hindernisse befahren, ohne sie zuvor besichtigt oder sich an diese herangetastet zu haben. Auch fehlende Gefahrenhinweise könnten die Haftung des Beklagten nicht stützen, weil dem Kläger aufgrund der Gestaltung des Eingangsbereichs und der von ihm absolvierten ersten Runde die Gefahren ausreichend bewusst gewesen seien.
Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision nicht zulässig sei, weil die Beurteilung von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängt. Es sei nicht entscheidungsrelevant, ob dem Beklagten das Haftungsprivileg des § 1319a ABGB zukomme, weil ihm auch keine leichte Fahrlässigkeit vorzuwerfen sei.
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen erhobene Revision des Klägers ist nicht zulässig.
1. In der Revision qualifiziert der Kläger die Brücke als gefährliches und atypisches Hindernis, auf das der Beklagte auch nicht ausreichend hingewiesen habe. Damit zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO auf.
2. Die Revision entfernt sich bezüglich des unfallsgegenständlichen Hindernisses von den Feststellungen, sodass das Rechtsmittel in diesem Umfang nicht gesetzmäßig ausgeführt ist und insoweit schon deshalb keine Frage im Sinne des § 502 Abs 2 ZPO begründet (vgl RIS-Justiz RS0043312 [T12, T14]; RS0043603 [T2, T8]). Nach den der angefochtenen Entscheidungen zugrunde gelegten Feststellungen war die Brücke ungeachtet ihres abrupten (und spät erkennbaren) Endes in ihrem mittleren Bereich für einen derartigen Parcours kein atypisches Hindernis, sondern eine erwünschte Herausforderung, mit der keine besondere Gefahr verbunden war. Aus den getroffenen Feststellungen lässt sich die rechtliche Schlussfolgerung des Klägers, es sei grob fahrlässig, „ein derart gefährliches Hindernis“ zu bauen, somit nicht stützen.
3. Im Übrigen hängt der Umfang von Verkehrssicherungspflichten von den Umständen des Einzelfalls ab; seine Beurteilung begründet daher – von einer groben Fehlbeurteilung abgesehen – regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage (RIS-Justiz RS0023487 [T20], RS0110202, RS0029874). Ob eine Situation geschaffen wurde, die eine Schädigung wahrscheinlich macht, hängt genauso von den Umständen des Einzelfalls ab wie die Frage, ob ein sorgfältiger Mensch rechtzeitig erkennen konnte, dass Anhaltspunkte für eine Verletzung der Verkehrssicherungspflichten bestehen und ob er die Möglichkeit hatte, sich darauf einzustellen (RIS-Justiz RS0110202 [T1]).
4. Die angefochtene Entscheidung betont, dass die mit der Benutzung der Brücke verbundenen Gefahren für einen durchschnittlichen Teilnehmer des Parcours erkennbar waren und der Kläger von dem für ihn – wegen seiner Fahrweise – „ungünstigen“ abrupten Ende des Hindernisses nicht mehr überrascht hätte werden können, weil er vor dem Unfall bereits den gesamten Parcours mit weitaus gefährlicheren Hindernissen absolvierte und auch daran erinnert wurde, auf die konkrete Stelle aufzupassen. Dieser Rechtsansicht liegt jedenfalls keine krasse Fehlbeurteilung zugrunde. Dass die Vorinstanzen wegen der Gestaltung des gegenständlichen Hindernisses keine Verletzung von Verkehrssicherungspflichten erkannt haben, bedarf daher keiner Korrektur durch gegenteilige Sachentscheidung.
5.1 Auch die Frage, in welchem Umfang über mögliche Gefahren aufzuklären bzw zu warnen ist und aus welchen Gründen das Unterlassen einer Aufklärung schuldhaft ist, kann immer nur aufgrund der besonderen Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantwortet werden und ist daher keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0111165 [T1]), was vom Obersten Gerichtshof in der jüngeren Zeit auch bei gefährlichen Spaß- oder Trendsportarten betont wird (4 Ob 34/16b mwN = RIS‑Justiz RS0111165 [T12] und 1 Ob 156/17y: Verletzung beim „Blobbing“).
5.2 Die im konkreten Fall vorgenommene Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Kläger als erfahrener Mountainbiker aufgrund der Beschilderung im Eingangsbereich, der Hinweise des ortskundigen Gruppenmitglieds und der bereits absolvierten ersten Fahrt einen Schadenersatzanspruch nicht auf fehlende (bzw weitere) Gefahrenhinweise durch den Beklagten stützen könne und sich vielmehr eigenverantwortlich und bewusst auf die mit der Risikosportart verbundenen Gefahren eingelassen hat (vgl RIS-Justiz RS0131627), ist keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende grobe Fehlbeurteilung.
6. Allein der Umstand, dass es keine Rechtsprechung zu den Pflichten eines Betreibers eines Freeride-Parcours gibt, begründet nicht die Zulässigkeit des Rechtsmittels, weil das Rechtsmittel nicht aufzeigt, inwieweit die von der Judikatur zu Verkehrssicherungspflichten bzw zu Risikosportarten entwickelten Grundsätze hier anders zu beurteilen sind.
7. Insoweit der Kläger Haftungsansprüche aus § 1319 ABGB ableitet, fehlt dazu Vorbringen im Verfahren erster Instanz, sodass die gegen das Neuerungsverbot verstoßenden Ausführungen in der Revision die Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht begründen können (4 Ob 240/17y mwN).
8. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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