European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2010:0040OB00039.10D.0713.000
Spruch:
Der Revision der beklagten Parteien wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahingehend abgeändert, dass das Ersturteil wiederhergestellt wird.
Die klagende Partei ist schuldig, den beklagten Parteien die mit 9.275,85 EUR bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin 1.031,76 EUR USt und 3.085 EUR Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Die klagende Partei wird mit ihrer außerordentlichen Revision auf diese Entscheidung verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war Medieninhaberin der seit 1. 9. 2006 österreichweit und täglich erscheinenden Tageszeitung „Österreich“. Im Jahr 2007 brachte sie den Teilbetrieb Tageszeitung „Österreich“ in eine neu gegründete GmbH ein. Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Streitteile ist die letztgenannte Gesellschaft seit Jänner 2008 Medieninhaberin der Tageszeitung „Österreich“. Diese Zeitung kostete im Jahr 2006, worauf die Klägerin vielfach hinwies, „nur 0,50 EUR“.
Die Erstbeklagte ist Verlegerin der ‑ ebenfalls österreichweit und täglich erscheinenden ‑ Tageszeitungen „Kurier“ und „Kronen Zeitung“. Die Zweitbeklagte ist Komplementärin der Erstbeklagten. Der Dritt‑, die Viert‑ und der Fünftbeklagte sind für die Unternehmensgruppe der Erstbeklagten in der Anzeigenleitung tätig.
Bereits im Herbst 2006 ermittelte die Klägerin selbst für die erste Oktoberwoche Reichweiten der von ihr herausgegebenen Zeitung. Das Ergebnis weist eine Druckauflage von 738.481 Exemplaren am Sonntag und eine verbreitete Auflage von 332.260 Zeitungen von Montag bis Samstag (darunter 84.000 Abonnenten aller Kategorien) aus. Diese Zahlen publizierte die Klägerin ‑ in großen Lettern ‑ am 21. 10. 2006 in der Wien‑Ausgabe von „Österreich“ mit dem Hinweis: „Österreich hat seine Leserzahl erheben lassen ‑ von den unabhängigen Marktforschern Gallup und Market. Das Resultat: Schon über 1 Million Leser für Österreich … 84.000 Abonnenten … Damit schaffte Österreich den besten Zeitungsstart seit 50 Jahren. 738.481 Zeitungen am Sonntag … Jeden Tag wurden in der ersten Oktoberwoche 332.260 Zeitungen verbreitet … Österreich hat die Druckauflage, Verbreitung und Verkauf für die erste Oktoberwoche prüfen lassen ‑ von einem öffentlichen Notar. Eine Prüfung durch die ÖAK erfolgt statutengemäß rückwirkend nach Abgabe der Meldung für Quartal 4/2006 an die ÖAK“.
Am 27. 2. 2007 gab die österreichische Auflagenkontrolle (ÖAK) die geprüfte Auflage des 4. Quartals 2006 bekannt. Demnach verfügt „Österreich“ über eine verkaufte Auflage von 162.300 Exemplaren; die Verbreitung von Montag bis Samstag beläuft sich auf 317.043 Stück, die verbreitete Auflage in Wien auf 175.783 Stück.
Am 7. 3. 2007 versandten die Beklagten an ihre Werbekunden (Inserenten) folgenden Text, den sie in der Folge auch in Form ganzseitiger Inserate in den periodischen Druckschriften „Medianet“ und „Horizont“ veröffentlichten:
Die Klägerin begehrt, 1. der Erst‑ und der Zweitbeklagten im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung und/oder Verbreitung irreführender und/oder herabsetzender Werbevergleiche zu verbieten, insbesondere der Äußerungen, „Kronenzeitung“ und „Kurier“ wären im Gegensatz zur Tageszeitung „Österreich“ wertige Zeitungen, „Österreich“ wäre im Gegensatz zu „Kronenzeitung“ und „Kurier“ ein Hybrid von Billigst‑ und Gratiszeitung, das im Wesentlichen bloß mittels Gutscheinen im Einzelverkauf, Billigst‑Abos inklusive Zugaben und Großverkauf abgesetzt würde, und/oder sinngleiche Äußerungen; hilfsweise sollen diese Äußerungen gegenüber der M***** GmbH untersagt werden, 2. den Beklagten die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerungen, zwischen Werbeaussagen und der Realität der Marktstellung von „Österreich“ bestehe eine wesentliche Differenz, und/oder sinngleiche Äußerungen, hilfsweise gleichfalls gegenüber der M***** GmbH zu untersagen. Weiters stellte die Klägerin ein Veröffentlichungsbegehren (hilfsweise zu Gunsten der M***** GmbH) und ein Widerrufsbegehren gegenüber dem Dritt‑, der Viert‑ und dem Fünftbeklagten (hilfsweise zu Gunsten der M***** GmbH). Schließlich begehrte die Klägerin von den Beklagten 10.000 EUR sA Schadenersatz (hilfsweise zu Gunsten der M***** GmbH). Sie verfüge nach den Angaben der ÖAK über den größten Verbreitungsgrad aller Tageszeitungen in Wien. Da die erste von der ÖAK geprüfte Auflage erst im Februar 2007 verfügbar gewesen sei, habe sie auf Wunsch der Werbebranche im Herbst 2006 von Gallup und Market‑Institut ihre Reichweiten im Zeitraum 18. 9. bis 9. 10. 2006 erheben lassen und die von ihr in der ersten Oktoberwoche 2006 verbreitete und verkaufte Auflage selbst (nach ÖAK‑Kriterien) ermittelt. Über die Ergebnisse dieser Erhebungen habe sie tatsachenkonform am 21. 10. 2006 berichtet, dass ihre Druckauflage am Sonntag 738.481 Exemplare betragen habe und dass sie in der ersten Oktoberwoche 2006 332.260 Zeitungen täglich von Montag bis Samstag verbreitet habe, wobei sich darunter damals über 84.000 Abonnenten aller Kategorien befunden hätten. In Reaktion auf die Publikation der angeführten ÖAK‑Ergebnisse hätten die Beklagten ‑ in der Absicht, der Klägerin wirtschaftlich zu schaden ‑ die Aussendung vom 7. 3. 2007 an alle ihre Werbekunden versendet und in der Folge auch in den periodischen Druckschriften „Medianet“ und „Horizont“ veröffentlicht. Die Behauptung der Beklagten, „Österreich“ würde im Wesentlichen nur mittels Gutscheinen im Einzelverkauf, Billigst‑Abos inklusive Zugaben und Großverkauf veräußert, erwecke gezielt den unrichtigen Eindruck, die von ihr verkaufte Auflage sei weniger „wertig“. Demgegenüber sei es üblich, dass „Kronenzeitung“ und „Kurier“ massiv mit verbilligten Angeboten und/oder verbotenen Zugaben beworben würden. Die Aussendung der Beklagten sei pauschal abwertend, irreführend und herabsetzend. Die Berichterstattung über Anspruch und Wirklichkeit unterstelle der Klägerin eine Täuschung ihrer Leser und ihrer Anzeigenkunden. Dies sei ehrenbeleidigend und kreditschädigend. Aufgrund der massiven Abwertung durch die Beklagten und der massiv kreditschädigenden Unterstellung, ihre Leser zu täuschen, werde gemäß § 16 Abs 2 UWG Schadenersatz begehrt.
Die Beklagten wendeten ein, die von der Klägerin behaupteten Verkaufszahlen deckten sich nicht mit den Angaben der ÖAK, sondern beruhten auf den von der Klägerin selbst ermittelten Zahlen. Die Klägerin verschweige, dass sich die verbreitete Auflage im Inland von 317.043 Stück auf die Kauf‑ und Gratisverteilauflage der Tageszeitung „Österreich“ beziehe. Die Gratisauflage unterscheide sich von der Kaufauflage jedoch durch einen wesentlich geringeren Umfang und ein geringeres Anzeigenvolumen. Die Ermittlung der Reichweite von bloß einer Woche sei mit den ÖAK‑Kriterien nicht vereinbar. Bei der Angabe der Abonnentenzahl von 84.000 habe die Klägerin den aufklärenden Hinweis unterlassen, dass diese Zahlen auch Gratisabonnements enthielten. Die Aufstellung der Auflagen‑, Verbreitungs‑ und Verkaufszahlen für die erste Oktoberwoche sei unvollständig und nicht nachvollziehbar, weil sie keine Erklärung für die Differenz zwischen der Druckauflage und der Summe aus Restauflage und verbreiteter Auflage Inland enthalte. Mit ihrer Aussendung hätten die Beklagten die selektiven, ergänzungsbedürftigen und nach Ansicht der Erstbeklagten irreführenden Aussagen der Klägerin zu ihrem Erfolg und dem Verbreitungsgrad der von ihr herausgegebenen Zeitung vervollständigen wollen und die Absicht verfolgt, mit sachlichen Informationen verbundene Hinweise zu geben und drohende Schäden für das eigene Anzeigengeschäft hintanzuhalten. Die Beklagten hätten ausführlich auf die Unterschiede zwischen den von der Erstbeklagten verlegten Zeitungen „Kurier“ und „Kronenzeitung“ hingewiesen. Der Aussendung sei nicht zu entnehmen, dass „Österreich“ nur mittels Gutscheinen im Einzelverkauf, Billigst‑Abos inklusive Zugaben und Großverkauf veräußert werde, sondern dort sei lediglich von einer starken Konzentration auf diese Schwerpunkte die Rede. Das Wort „Hybrid“ bezeichne lediglich die Erscheinung, dass sich mehrere Genres zu einem neuen zusammensetzten oder eine Art oder Gattung, die aus anderen vorhandenen Gattungen hervorgegangen sei. Dass „Österreich“ eine Billigstzeitung sei, ergebe sich schon aus dem regulären Verkaufspreis von nur 0,50 EUR (mit Abstand billigste Tageszeitung in Österreich). In den Ausgaben von „Österreich“ fänden sich laufend Gutscheine, mit denen man die Zeitung für nur 20 Cent erwerben könne; dies phasenweise ein ganzes Monat lang.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Aussendung der Beklagten sei im Lichte des § 7 UWG nicht zu beanstanden und verstoße auch nicht gegen § 1 UWG. Die beanstandeten Behauptungen überschritten die Erheblichkeitsschwelle nicht.
Das Berufungsgericht gab den Unterlassungshauptbegehren zur Gänze statt. Darüber hinaus ermächtigte es die Klägerin gegenüber der Erst‑ und Zweitbeklagten, den Urteilsspruch über Unterlassungsklage und Veröffentlichungsbegehren in den Zeitschriften „Medianet“ und „Horizont“ (mit bestimmten Modalitäten) zu veröffentlichen. Das Mehrbegehren betreffend Veröffentlichung in „Kurier“ und „Kronenzeitung“ wies es ab. Den Dritt‑, die Viert‑ und den Fünftbeklagten verpflichtete das Berufungsgericht zum öffentlichen Widerruf und dessen Veröffentlichung in „Medianet“ und „Horizont“; das Mehrbegehren betreffend Veröffentlichung in „Kurier“ und „Kronenzeitung“ wies es hingegen ebenso wie das Entschädigungsbegehren sowohl in Ansehung der Klägerin als auch ihrer nunmehrigen Muttergesellschaft ab. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig sei. Begründend führte das Berufungsgericht ‑ soweit in dritter Instanz noch relevant ‑ aus, die beanstandeten Aussagen bildeten nach § 1 UWG unlautere pauschale Herabsetzungen. Zum von Beklagtenseite geltend gemachten Einfluss des Grundrechts auf Freiheit der Meinungsäußerung verwies das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung zur Beteiligung an der Debatte im öffentlichen Interesse. Je größer das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei und je weniger die Wettbewerbsabsicht des Äußernden im Vordergrund stehe, umso eher werde eine Äußerung zulässig sein. Bei vor allem rein kommerziellen Zwecken dienenden Äußerungen sei nach wie vor die Unklarheitenregel anzuwenden und im Fall von Mehrdeutigkeiten im Zweifel die ungünstigere Deutung zu unterstellen. Die Beklagten hätten die beanstandete Aussendung ausschließlich zu Werbezwecken veröffentlicht. Die Beurteilung der Begriffe „wertig“ sowie „Hybrid von Billigst‑ und Gratiszeitung“ seien daher als abwertend zu beurteilen. Die Beklagten beriefen sich zum Beweis für die Wahrheit ihrer Behauptung zur Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf die von der Klägerin vorgelegte Aufstellung ihrer Auflage‑, Verbreitungs‑ und Verkaufszahlen. Dass diese Urkunde nicht zur Erbringung des Wahrheitsbeweises geeignet sei, zeige schon der Umstand, dass selbst die darauf gestützte Argumentation der Beklagten in ihrem im Sicherungsverfahren erhobenen außerordentlichen Revisionsrekurs erfolglos geblieben sei. Sei die betreffende Urkunde schon zur Bescheinigung der Wahrheit der in Rede stehenden Äußerungen nicht geeignet, könne sie umso weniger den im Hauptverfahren zu erbringenden Wahrheitsbeweis bewirken. Ein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Veröffentlichung bestehe, aber beschränkt auf jene zwei Fachzeitschriften, in denen die beanstandeten Äußerungen erschienen seien. Der begehrte öffentliche Widerruf sei erforderlich, allerdings ebenfalls beschränkt gegenüber den Lesern der beiden genannten Fachzeitschriften, an die sich die Aussendungen der Beklagten gerichtet hätten. Ein Schadenersatzanspruch nach § 16 Abs 2 UWG bestehe im Hinblick auf die von der Rechtsprechung geforderten besonderen Umstände (massive Beeinträchtigung der sozialen Wertstellung) nicht. Die Herabsetzung oder Pauschalabwertung sei in diesem Fall nicht mit jenen Fällen vergleichbar, in denen ein derartiger Ersatzanspruch zugestanden worden sei.
Rechtliche Beurteilung
Die außerordentliche Revision der Beklagten ist im Gegensatz zu dem für den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts zulässig und berechtigt.
Die gerügte Aktenwidrigkeit (kein geänderter Sachverhalt gegenüber dem Sicherungsverfahren) liegt zumindest insoweit nicht vor, als die von den Beklagten ins Treffen geführte Änderung des Sachverhalts nicht für die Beurteilung relevant ist. Der Umstand, dass der Geschäftsführer der Klägerin selbst das Wort „Hybrid“ verwendet, besagt nichts darüber, ob das Verständnis der mit den beanstandeten Äußerungen angesprochene Inserenten (auch) eine negative Bedeutung umfasst.
Wurde das beanstandete Verhalten ‑ wie hier ‑ vor dem Inkrafttreten der UWG‑Novelle 2007 BGBl I 79 gesetzt, so ist nach der Rechtsprechung des Senats für die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs sowohl die alte als auch die neue Rechtslage maßgebend: Ein Verbot kann nur erlassen oder bestätigt werden, wenn das darin umschriebene Verhalten auch nach der neuen Rechtslage unlauter ist. Ein vor Inkrafttreten der Novelle gesetztes Verhalten begründet nur dann die Vermutung der Wiederholungsgefahr, wenn es schon zu diesem Zeitpunkt rechtswidrig war. Im Ergebnis ist ein Unterlassungsanspruch daher nur dann zu bejahen, wenn das beanstandete Verhalten sowohl gegen das alte als auch gegen das neue Recht verstieß oder verstößt (4 Ob 127/08t = ÖBl 2009, 120 ‑ unseriöse Anbieter mwN; RIS‑Justiz RS0123158).
Eine der objektiven Nachprüfung entzogene, mit Schlagworten operierende und deshalb dem Wahrheitsbeweis nicht zugängliche Pauschalabwertung eines Konkurrenten, die den Boden einer sachlichen Aufklärung des Publikums verlässt, verstieß nach der Rechtsprechung gegen § 1 UWG idF vor der UWG‑Novelle 2007 (RIS‑Justiz RS0078308). Das galt ‑ insbesondere im Rahmen von Systemvergleichen ‑ auch dann, wenn eine gezielte Bezugnahme auf bestimmte Mitbewerber fehlte; Pauschalherabsetzungen von Mitbewerbern konnten nach der Rechtsprechung ebenso wenig mit dem Grundrecht der freien Meinungsäußerung gerechtfertigt werden (RIS‑Justiz RS0109629) wie unwahre Tatsachenbehauptungen (RIS‑Justiz RS0075732, RS0054817 [T12]). Nach § 1 UWG idgF ist die pauschale Herabsetzung von Mitbewerbern im Regelfall als unlautere Geschäftspraktik im Sinn der Generalklausel des § 1 UWG zu werten. Auch wenn Pauschalherabsetzungen keine überprüfbaren Tatsachenbehauptungen enthalten und daher nicht unter § 7 UWG fallen, können sie bei den angesprochenen Kreisen eine irrige ‑ wenngleich meist diffuse ‑ Vorstellung über die generelle mindere Qualität der Leistungen der herabgesetzten Unternehmen hervorrufen. Das kann, abhängig von den Umständen des Einzelfalls, durchaus zu einer wesentlichen Beeinflussung des wirtschaftlichen Verhaltens von Verbrauchern führen (§ 1 Abs 1 Z 2 UWG). Weiters wird diese Geschäftspraktik gerade aus diesem Grund geeignet sein, den Wettbewerb zum Nachteil von Unternehmen nicht bloß unerheblich zu beeinflussen (§ 1 Abs 1 Z 1 UWG). Dass die pauschale ‑ das heißt, nicht durch überprüfbare Tatsachen belegte ‑ Herabsetzung von Mitbewerbern den Erfordernissen der beruflichen Sorgfalt nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG entsprechen könnte, ist kaum vorstellbar (4 Ob 127/08t).
Gemäß § 7 Abs 1 UWG verboten ist ‑ durch die UWG‑Novelle 2007 trat insofern keine Änderung ein ‑, zu Zwecken des Wettbewerbs über das Unternehmen eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Unternehmens, über die Waren oder Leistungen eines anderen Tatsachen zu behaupten oder verbreiten, die geeignet sind, dem Betrieb des Unternehmens oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, sofern die Tatsachen nicht erweislich wahr sind.
Bei der Beurteilung der Frage, ob Tatsachen verbreitet wurden oder ein Werturteil vorliegt, kommt es immer auf den Gesamtzusammenhang und den dadurch vermittelten Gesamteindruck an, den die beanstandeten Äußerungen hinterlassen; dabei ist auf das Verständnis des unbefangenen Durchschnittslesers, nicht aber auf den subjektiven Willen des Erklärenden abzustellen (RIS‑Justiz RS0031883).
Die Abgrenzung zwischen einer Tatsache iSd § 7 UWG und des § 1330 Abs 2 ABGB gegenüber einem reinen Werturteil ist mitunter schwierig. Nach der österreichischen Rechtsprechung, die von der Lehre im Wesentlichen gebilligt wird, sind Tatsachen ‑ unabhängig von der im Einzelfall gewählten Formulierung ‑ Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für das Publikum erkennbaren und von ihm anhand bekannter oder zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit nachprüfbaren Inhalt (4 Ob 105/06d = MR 2007, 159 mwN; RIS‑Justiz RS0032212). Der Begriff der Tatsachenbehauptung ist weit auszulegen; selbst Urteile, die nur auf entsprechende Tatsachen schließen lassen, gelten als Tatsachenmitteilungen („konkludente Tatsachenbehauptung“ RIS‑Justiz RS0031810). Entscheidend für die Qualifikation einer Äußerung als Tatsachenbehauptung ist, ob sich ihr Bedeutungsinhalt auf einen Tatsachenkern zurückführen lässt, der einem Beweis zugänglich ist (RIS‑Justiz RS0031815, RS0031883 [T30]).
Dem verfassungsrechtlich geschützten Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 10 MRK; Art 13 StGG), also dem Recht auf zulässige Kritik und ein wertendes Urteil im geistigen Meinungsstreit aufgrund konkreter Tatsachen, kommt in der Interessenabwägung gegenüber der ehrenbeleidigenden Rufschädigung nur solange ein höherer Stellenwert zu, als die Grenzen zulässiger Kritik nicht überschritten werden und kein massiver Wertungsexzess vorliegt (4 Ob 105/06d mwN).
Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall führt nach eingehender Prüfung, insbesondere des bei den hier angesprochenen Inseratenkunden durch die beanstandeten Werbeaussagen hervorgerufenen Verständnisses, zu folgendem ‑ vom Sicherungsverfahren abweichenden ‑ Ergebnis:
Die von der Klägerin beanstandete, unter die Überschrift „Wertigkeit von Krone und Kurier am Markt“ gesetzte Behauptung, „Kronenzeitung“ und „Kurier“ seien als wertige Zeitungen am Markt positioniert, der reguläre Verkauf an interessierte Leser stehe im Vordergrund; die neue Tageszeitung „Österreich“ sei dagegen ein Hybrid von Billigst‑ und Gratiszeitung mit starker Konzentration auf die ÖAK‑Verbreitung mittels Gutscheinen im Einzelverkauf, Billigst‑Abos inklusive Zugaben und Großverkauf, ist im Sinn der vorangestellten Grundsätze als Werturteil aufgrund konkreter Tatsachen anzusehen. Im weiteren Text der beanstandeten Mitteilung erläutern die Beklagten noch weitere Details zur verbreiteten Auflage, zum gesamten Verkauf, zu Abonnements, Einzelverkauf und Großverkauf sowie zur Verbreitung der in Rede stehenden Zeitschriften am Sonntag. Sie legen also offen, auf welcher Basis sie zu den für die angesprochenen Kunden ihrer Ansicht nach wesentlichen Schlussfolgerungen kommen.
Die beanstandete Aussendung richtete sich an Inseratenkunden; teilweise wurden diese direkt angeschrieben, teilweise wurden sie über Schaltung der Aussendung als Inserat in den Branchenblättern („Horizont“ und „Medianet“) erreicht. Der in der Frage des Verständnisses der angesprochenen Verkehrskreise maßgebende durchschnittlich informierte und verständige Adressat der Werbung, der eine dem Anlass angemessene Aufmerksamkeit aufwendet (RIS‑Justiz RS0114366, vgl RS0043590), kann bei der beanstandeten Äußerung nachvollziehen, warum die Beklagten die von ihnen vertriebenen Produkte als „wertige Zeitungen am Markt“ beurteilen, die von der Klägerin (seinerzeit) vertriebene Zeitung hingegen als „Hybrid von Billigst‑ und Gratiszeitung mit starker Konzentration auf die ÖAK‑Verbreitung“. Der angesprochene Inseratenkunde verstand nicht nur die von den Beklagten angegebenen Grundlagen für ihre Werbeaussagen, sondern kannte auch die der beanstandeten Werbung vorangegangene Werbung der Klägerin, mit den von ihr selbst ermittelten Reichweiten. Die Grenzen zulässiger Kritik werden nicht überschritten, ein massiver Wertungsexzess liegt nicht vor. Ein Verstoß gegen § 1 UWG wäre nur dann in Betracht zu ziehen, wenn ‑ etwa durch Pauschalabwertungen, unnötiges Bloßstellen oder aggressive Tendenzen ‑ das Sachlichkeitsgebot verletzt würde (vgl 4 Ob 105/06d). Dies ist hier nicht der Fall.
Die Behauptung, zwischen den Werbeaussagen der Klägerin und ihrer realen Marktstellung bestehe eine wesentliche Differenz, bildet eine überprüfbare Tatsachenbehauptung. Da diese Behauptung unzweifelhaft geeignet ist, den wirtschaftlichen Ruf der Klägerin zu beeinträchtigen, ist diese ‑ mit der Möglichkeit des Wahrheitsbeweises ‑ § 7 UWG zu unterstellen. Im Gegensatz zu der vom Berufungsgericht vertretenen Auffassung ist aber nach den getroffenen Feststellungen davon auszugehen, dass die von der Klägerin zunächst publizierten von den im Nachhinein ermittelten Verbreitungs‑ und Verkaufszahlen erheblich abweichen. Der Hinweis auf diese Unterschiede ist daher ‑ mögen manche Zahlen im Detail auch unrichtig sein ‑ im Kern zutreffend, was für die Erbringung des Wahrheitsbeweises nach der Rechtsprechung ausreicht (RIS‑Justiz RS0079693).
Da sich sohin die Unterlassungsbegehren der Klägerin mangels Lauterkeitsverstößen unabhängig davon als unberechtigt erweisen, ob sie der Klägerin selbst oder hilfsweise ihrer nunmehrigen Muttergesellschaft zustehen, fehlt auch den aufgrund der behaupteten Unlauterkeit der beanstandeten Äußerungen erhobenen Widerrufs‑ und Veröffentlichungsbegehren sowie dem Schadenersatzbegehren nach § 16 Abs 2 UWG von vornherein die Berechtigung. Es war daher das gänzlich klageabweisende Ersturteil wiederherzustellen.
Die Klägerin ist mit ihrer außerordentlichen Revision auf die Entscheidung über die außerordentliche Revision der Beklagten zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO.
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