OGH 4Ob3/24f

OGH4Ob3/24f25.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schwarzenbacher als Vorsitzenden sowie den Vizepräsidenten Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Waldstätten und den Hofrat Dr. Stiefsohn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei * Limited, *, Schweiz, vertreten durch Dr. Sascha Salomonowitz, M.B.L.-HSG, LL.M., Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei * GmbH, *, vertreten durch die Freshfields Bruckhaus Deringer Rechtsanwälte PartG mbB in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. * GmbH, *, vertreten durch Mag. Dr. Lothar Wiltschek und Dr. David Plasser, LL.M., Rechtsanwälte in Wien, und 2. *, Tschechische Republik, vertreten durch die GEISTWERT Kletzer Messner Mosing Schnider Schultes Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung, Feststellung, Beseitigung, Auskunft, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung (Gesamtstreitwert 240.100 EUR), über den Revisionsrekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. November 2023, GZ 3 R 91/23h‑53, mit dem der Rekurs der Nebenintervenientin gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 5. Juni 2023, GZ 16 Cg 10/22b‑46, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0040OB00003.24F.0625.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Gewerblicher Rechtsschutz, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Nebenintervenientin ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.657,90 EUR, der erstbeklagten Partei die mit 3.189,48 EUR (darin 531,58 EUR Umsatzsteuer) und der zweitbeklagten Partei die mit 2.657,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist die Inhaberin mehrerer Marken. Sie behauptete Markenrechtsverletzungen der Beklagten (§ 10 Abs 1 Z 2, Abs 2 MSchG), Verstöße der Beklagten gegen § 2 Abs 1 Z 2 und Z 6, Abs 3 Z 1 UWG, § 9 Abs 1 und Abs 3 UWG, Z 13 der schwarzen Liste im Anhang zum UWG und das UrhG sowie Verstöße des Zweitbeklagten gegen eine Abgrenzungsvereinbarung. Sie begehrte Unterlassung, Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Schäden aufgrund der Verletzungshandlungen, Beseitigung, Auskunft, Rechnungslegung und Urteilsveröffentlichung.

[2] Die Nebenintervenientinbegründete ihren Streitbeitritt auf Seiten der Klägerin damit, ein rechtliches Interesse am Obsiegen der Klägerin zu haben, weil sie als deren ausschließliche Lizenznehmerin durch die Verletzungshandlungen der Beklagten laufend erheblich geschädigt werde, und verwies auf § 14 Abs 4 MSchG.

[3] Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens und entgegneten, die vorgebrachten Verletzungshandlungen lägen nicht vor.

[4] Am 2. 6. 2023 nahm die Klägerin die Klage unter Anspruchsverzicht zurück (§ 237 Abs 1 ZPO).

[5] Das Erstgericht nahm die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht mit Beschluss zur Kenntnis und erklärte das Verfahren für beendet.

[6] Das Rekursgericht wies den Rekurs der Nebenintervenientin gegen diesen Beschluss zurück. Die Rekurswerberin sei eine einfache Nebenintervenientin und keine streitgenössische Nebenintervenientin (§ 20 iVm § 14 ZPO). Der Rekurs stehe im Widerspruch mit der Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht und sei daher unzulässig. Das Rekursgericht ließ den „Rekurs“ an den Obersten Gerichtshofmit der Begründung zu, es liege keine höchstgerichtliche Entscheidungüber die Stellung eines Nebenintervenienten nach § 14 Abs 4 MSchG vor.

[7] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Nebenintervenientin mit dem Abänderungsantrag, den „verfahrensbeendenden“ Beschluss des Erstgerichts aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage aufzutragen, hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

[8] Die Klägerin und die Beklagten beantragten in Revisionsrekursbeantwortungen, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, und hilfsweise, ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[9] 1. Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig.

[10] 1.1. Das zulässige Rechtsmittel ist ein Revisionsrekurs (und kein Rekurs):

[11] 1.1.1. Nach der (mittlerweile) gefestigten Rechtsprechung ist das Rechtsmittel gegen einen Beschluss des Rekursgerichts auf Zurückweisung eines Rekurses ein Revisionsrekurs iSd § 528 ZPO, der nur unter dessen Voraussetzungen – insbesondere nur bei Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (Abs 1) – anfechtbar ist (RS0044501; 4 Ob 2/22f; 3 Ob 34/24g). Die abweichende Ansicht, nach der ein Rekurs zu erheben wäre (RS0084853), wird in der jüngeren Rechtsprechung nicht mehr vertreten.

[12] 1.1.2. Die Zulassung des Rekurses durch das Rekursgericht ist vor diesem Hintergrund als Zulassung des (ordentlichen) Revisionsrekurses zu werten. Die Nebenintervenientin hat ihr Rechtsmittel zutreffend als Revisionsrekurs bezeichnet und (rechtzeitig) beim Erstgericht eingebracht. Die Frage, bei welchem Gericht ein Rekurs einzubringen gewesen wäre, stellt sich nicht mehr.

[13] 1.2. Die Rechtsansicht der Beklagten, das Rekursgericht habe einen Konformatbeschluss gefasst, der einer Zurückweisung der Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen nicht gleichzuhalten sei, weshalb der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei (§ 528 Abs 2 Z 2 ZPO), ist nicht zu teilen:

[14] 1.2.1. Ein bestätigender Beschluss liegt nur dann vor, wenn entweder in beiden Instanzen meritorisch oder in beiden Instanzen formal entschieden wurde (RS0044456). Die Zurückweisung eines Rekurses aus formellen Gründen ohne meritorische Prüfung ist daher kein Konformatbeschluss (RS0044456 [T8]). Nur wenn das Rekursgericht die behaupteten Rekursgründe auch inhaltlich geprüft hat, liegt ein bestätigender Beschluss vor (RS0044456 [T4, T6, T11]); dafür genügt die meritorische Überprüfung in einer Hilfsbegründung (RS0044232 [T16, T17]).

[15] 1.2.2. Das Rekursgericht hat den Rekurs der Nebenintervenientin ohne inhaltliche Auseinandersetzung mit den behaupteten Rekursgründen zurückgewiesen. Das ist kein Konformatbeschluss. Der Ausschlussgrund des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO kommt daher nicht zur Anwendung, ohne dass es darauf ankäme, ob der angefochtene Beschluss einer Zurückweisung einer Klage ohne Sachentscheidung aus formellen Gründen gleichzuhalten wäre.

[16] 1.3. Die Nebenintervenientin ist durch den angefochtenen Beschluss auch beschwert:

[17] 1.3.1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist die formelle und materielle Beschwer des Rechtsmittelwerbers (RS0041868 [T14]; RS0043815 [T41]). Die formelle Beschwer liegt vor, wenn die Entscheidung von einem Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu seinem Nachteil abweicht; die materielle Beschwer, wenn die Entscheidung für ihn ungünstig ist, also seine (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung beeinträchtigt (RS0041868; 5 Ob 10/24t; 5 Ob 18/24v; 6 Ob 239/23z). Die Verweigerung der Verfahrensfortsetzung beeinträchtigt die Rechtsstellung des Nebenintervenienten und begründet eine Beschwer des Nebenintervenienten (6 Ob 106/01h = RS0115950).

[18] 1.3.2. Beide Voraussetzungen sind hier erfüllt: Der angefochtene Beschluss weicht vom Sachantrag der Nebenintervenientin ab, den Beschluss des Erstgerichts aufzuheben und dem Erstgericht die Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens über die Klage aufzutragen. Er ist für sie auch (prozessual) ungünstig, weil sie durch die Verweigerung der Verfahrensfortsetzung die behauptete Markenrechtsverletzung nicht mehr im vorliegenden Verfahren prüfen lassen kann. Sie ist durch den angefochtenen Beschluss daher formell und materiell beschwert.

[19] 2. Der zulässige Revisionsrekurs ist aber nicht berechtigt:

[20] 2.1. Die Nebenintervenientin tritt dem angefochtenen Beschluss ausschließlich mit dem Vorbringen entgegen, sie wäre als streitgenössische Nebenintervenientin (§ 20 iVm § 14 ZPO) anzusehen und als solche rekurslegitimiert gewesen. Dass der angefochtene Zurückweisungsbeschluss richtig war, wenn sie nur als einfache Nebenintervenientin zu qualifizieren ist, bezweifelt sie nicht.

[21] 2.2. Gemäß § 20 ZPO („streitgenössischer Nebenintervenient“) hat ein Nebenintervenient die Stellung eines Streitgenossen einer einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO), wenn das Urteil entweder kraft der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses oder kraft gesetzlicher Vorschrift – also entweder „anspruchsgebunden“ oder „wirkungsgebunden“ (vgl 1 Ob 72/97p; 2 Ob 390/97k; 7 Ob 257/99s; 5 Ob 165/00a; 9 Ob 19/03i; 9 Ob 33/08f; 1 Ob 191/09h; Fucik in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 14 Rz 1) – auch zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der unterstützten Partei rechtlich wirksam ist. Die Rechtsprechung fordert eine unmittelbare Rechtsgestaltungswirkung des Urteils auch für den Nebenintervenienten (5 Ob 537/93; 9 ObA 2268/96m), eine Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten, die Vollstreckbarkeit des Urteils auch gegenüber dem Nebenintervenienten oder eine Tatbestandswirkung des Urteils für das Rechtsverhältnis zwischen dem Nebenintervenienten und dem Gegner der unterstützten Partei (RS0035579; zustimmend Auer in Höllwerth/Ziehensack, ZPO § 20 Rz 2; Domej in Kodek/Oberhammer, ZPO-ON § 20 Rz 2; teilweise aA Schneider in Fasching/Konecny 3 § 20 ZPO Rz 3, nach dem § 20 ZPO nur Fälle der Rechtskrafterstreckung erfasst).

[22] 2.3. Die Nebenintervenientin meint, sie sei aufgrund der Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses als streitgenössische Nebenintervenientin anzusehen. Als ausschließliche Lizenznehmerin sei sie die wirtschaftliche Eigentümerin der Marken, während die klagende Markeninhaberin lediglich formal Berechtigte bleibe und im Wesentlichen auf die Erzielung von Lizenzzahlungen beschränkt sei. Die Nebenintervenientin sei daher von der Rechtskraft des Urteils über die Verletzungsklage der Markeninhaberin erfasst. Der Senat teilt diese Ansicht nicht:

[23] 2.3.1. Das Subjekt des Markenschutzes ist der Markeninhaber (4 Ob 9/15z; Majchrzak in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 51 Rz 19). Das folgt etwa aus § 1 Z 2 MSchG, wonach Marken geeignet sein müssen, im Markenregister in einer Weise dargestellt zu werden, dass die zuständigen Behörden und das Publikum den Gegenstand des ihrem Inhaber gewährten Schutzes klar und eindeutig bestimmen können; aus § 10 MSchG, wonach der Markeninhaber Dritten die Benutzung identischer oder ähnlicher Zeichen verbieten kann; oder aus § 29 Abs 1 Z 1 MSchG, wonach es dem Inhaber jederzeit freisteht, auf sein Markenrecht zu verzichten und dessen Löschung zu beantragen (§ 29 Abs 1 Z 1 MSchG). Die Rechte eines Lizenznehmers schränken nach außen weder die markenrechtlichen Ansprüche des Markeninhabers gegen Dritte ein (vgl 4 Ob 9/15z) noch seine Befugnis, durch einen Antrag die Löschung der Marke zu bewirken.

[24] 2.3.2. Der Lizenznehmer wiederum hat im Verletzungsverfahren nur eine vom Markeninhaber abgeleitete Aktivlegitimation: Gemäß § 14 Abs 3 MSchG kann der Lizenznehmer ein Verfahren wegen Verletzung einer Marke nur mit Zustimmung ihres Inhabers anhängig machen; der Inhaber einer ausschließlichen Lizenz auch dann, wenn der Inhaber der Marke nach ausdrücklicher Aufforderung nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist eine Verletzungsklage erhoben hat. Erst dadurch wird seine markenrechtliche Sachlegitimation begründet. Zuvor hat er gegen Dritte keine markenrechtlichen Ansprüche.

[25] 2.3.3. Die Nebenintervenientin hat im Verfahren erster Instanz weder vorgebracht, dass die Klägerin der Einleitung eines Markenverletzungsverfahrens gegen die Beklagten durch die Nebenintervenientin zugestimmt hätte, noch dass die Klägerin nach ausdrücklicher Aufforderung durch die Nebenintervenientin nicht selbst innerhalb einer angemessenen Frist eine Verletzungsklage erhoben hätte. Ganz im Gegenteil hat die Klägerin als Markeninhaberin selbst ein Verletzungsverfahren eingeleitet, dem sich die Nebenintervenientin angeschlossen hat. Es ist daher davon auszugehen, dass sie nicht legitimiert gewesen wäre, die von der Klägerin gegen die Beklagten erhobenen Ansprüche wegen behaupteter Markenverletzungen (auch) im eigenen Namen geltend zu machen. Die Beschaffenheit des streitigen Rechtsverhältnisses kann daher keine Stellung als streitgenössische Nebenintervenientin begründen.

[26] 2.4. Die Nebenintervenientin argumentiert weiterhin, § 14 Abs 4 MSchG idF BGBl I 91/2018 (gemäß § 81c Abs 1 MSchG in Kraft getreten am 14. 1. 2019) räume ihr eine prozessuale Stellung als streitgenössische Nebenintervenientin (§ 20 ZPO) ein.

[27] 2.4.1. Gemäß § 14 Abs 4 MSchG kann jeder Lizenznehmer einer vom Inhaber der Marke erhobenen Verletzungsklage als Nebenintervenient beitreten. Das Interesse an der künftigen Geltendmachung eines eigenen Schadens in einem eigenen Verfahren begründet das rechtliche Interesse am Beitritt als Nebenintervenient. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 294 BlgNR 26. GP  6) soll diese Bestimmung festlegen, dass jeder Lizenznehmer, unabhängig von der Zustimmung des Lizenzgebers, seinen eigenen Schaden jedenfalls dann im Klagsweg geltend machen kann, nachdem der Lizenzgeber selbst eine Verletzungsklage eingebracht hat und der Lizenznehmer diesem Verfahren als Nebenintervenient beigetreten ist.

2.4.2. In der Literatur wurde§ 14 Abs 4 MSchG bisher nur knapp behandelt:

[28] a.  Anderl/Heinzl halten fest, dass der Lizenznehmer im Fall einer Verletzung durch einen Dritten berechtigt sei, sich einem vom Lizenzgeber gestarteten Verletzungsverfahren als Nebenintervenient anzuschließen, um in einem Nachfolgeprozess seinen eigenen Schaden geltend zu machen. Dies sei in der Praxis auch ratsam, da er ein rechtliches Interesse am Obsiegen des Lizenzgebers habe. Verliere dieser aber den Prozess, könne der Lizenznehmer, wenn er nicht am Verfahren teilgenommen habe [sic!], keine Einwände erheben, die er bereits im Verfahren gegen den Dritten hätte einbringen können. Er müsse diesfalls das Vorverfahren auch gegen sich gelten lassen (Anderl/Heinzl in Anderl, IP in der Praxis [2020], 5. Kapitel: Lizenzierung, Rz 5.50).

[29] b. Bereitsvor der Novellierung des § 14 MSchG mit BGBl I 91/2018 warfBeetzdie Frage auf, wie die unionsrechtliche Vorgabe der neuen Marken-Richtlinie, dass ein Lizenznehmer zur Geltendmachung seines eigenen Schadens in einem anhängigen Verletzungsverfahren beitreten könne, im nationalen Recht umgesetzt werden könne. Als einfacher, kein Kosten- und Prozessrisiko tragender Nebenintervenient solle und könne er das wohl nicht tun; als streitgenössischer Nebenintervenient mangels Einheitlichkeit der Streitparteien ebenso wenig. Beetz schloss mit der Frage: Was nun? (Beetz, Ungeahnte Breite, ÖBl 2018/5, 253).

[30] c. Beetz/Mosing/Plasser/Schumacher/Wegrostek meinen,beider Nebenintervention des Lizenznehmers könne es sich nach allgemeinen zivilprozessualen Regeln um eine einfache oder eine streitgenössische Nebenintervention handeln. In der Regel werde von einer einfachen Nebenintervention auszugehen sein (keine notwendige Gleichwirkung des Urteils gegen Markeninhaber und Lizenznehmer; Beetz/Mosing/Plasser/Schumacher/Wegrostek,MSchG-Nov 2019 – Abschluss der österreichischen Umsetzung der Modernisierung des europäischen Markenrechts, ÖBl 2019/2, 4 [6]).

[31] d. Grünzweigsteht auf dem Standpunkt, die Nebenintervention könne jedenfalls beim exklusiven Lizenznehmer nur eine streitgenössische sein. Da der exklusive Lizenznehmer ein ausschließliches Benutzungsrecht habe, müssten die Urteilswirkungen für ihn genauso gelten wie für den Markeninhaber (Grünzweig, Markenrecht, 12. Lieferung [November 2019], § 14 MSchG Rz 9).

[32] e. Nach Salomonowitz sieht „§ 17 Abs 4“ (gemeint offenbar: § 14 Abs 4) für den Fall der Verletzungsklage des Markeninhabers die gesetzliche Vermutung des Vorliegens des für die Nebenintervention nach § 17 Abs 1 ZPO notwendigen rechtlichen Interesses vor (Salomonowitz in Kucsko/Schumacher, marken.schutz3 § 14 Rz 102).

[33] f. Davon abgesehen beschränkt sich die § 14 Abs 4 MSchG zitierende Literatur im Wesentlichen auf die Wiedergabe des Gesetzestexts (zB Haybäck,Gesetzgebung und Judikatur des OGH im Markenrecht im Jahr 2018, Jahrbuch Geistiges Eigentum 2019, 181 [188]; Koppensteiner,Sukzessionsschutz bei Markenlizenzen nach österreichischem Recht – Eine Skizze, ÖBl 2020/2, 57 [58]; Koppensteiner in Koppensteiner/Thyri/Eckert, Wettbewerbsrecht – Band 1: Grundlagen und Markenrecht4, § 49 Übertragung des Markenrechts, Belastung, Lizenz, Rz 17a, 24).

[34] g. Zusammengefasst treten Beetz und Beetz/Mosing/Plasser/Schumacher/Wegrostek zumindest „in der Regel“ dafür ein, einen Nebenintervenienten nach § 14 Abs 4 MSchG als einen einfachen Nebenintervenienten anzusehen. Auch die Bezugnahme von Salomonowitz auf das rechtliche Interesse nach § 17 Abs 1 ZPO könnte in diesem Sinne verstanden werden. Dagegen spricht sich Grünzweig für eine streitgenössische Nebenintervention aus. Andere Autoren thematisieren diese Unterscheidung nicht.

2.4.3. Die Auslegung des § 14 Abs 4 MSchG nach den allgemeinen Auslegungsgrundsätzen für Gesetze (vgl § 6 ABGB) führt zu folgendem Ergebnis:

[35] a. Nach dem Wortlaut des § 14 Abs 4 MSchG begründet das Interesse des Lizenznehmers an der Geltendmachung seines eigenen Schadens in einem eigenen Verfahren das rechtliche Interesse am Beitritt als „Nebenintervenient“. Ob eine einfache oder eine streitgenössische Nebenintervention gemeint ist, lässt der Wortlaut offen.

[36] b. Die systematische Interpretation spricht dafür, dass § 14 Abs 4 MSchG eine einfache und keine streitgenössische Nebenintervention regelt: Anders als § 114a Abs 1 PatG (für das Verfahren vor der Nichtigkeitsabteilung des Patentamts) sieht § 14 Abs 4 MSchG gerade nicht vor, dass der Nebenintervenient jedenfalls „die Stellung eines Streitgenossen (§ 14 ZPO)“ hätte. Läge ein Fall des § 20 ZPO vor, ergäbe sich das rechtliche Interesse zudem bereits aus der Wirkung des Urteils auf das Rechtsverhältnis des Nebenintervenienten zum Gegner der unterstützten Partei. Die gesonderte Normierung eines rechtlichen Interesses in § 14 Abs 4 MSchG – Interesse an der künftigen Geltendmachung eines eigenen Schadens in einem eigenen Verfahren – wäre diesfalls systemwidrig und bliebe ohne Anwendungsbereich.

[37] c. Die subjektiv-teleologische (historische) Interpretation verstärkt diesen Befund: Die Gesetzesmaterialien legen nahe, dass der Gesetzgeber mit § 14 Abs 4 MSchG primär eine Regelung über die Aktivlegitimation des Lizenznehmers für das Markenverletzungsverfahren beabsichtigte. Der Lizenznehmer soll seinen eigenen Schaden jedenfalls dann im Klagsweg geltend machen können, nachdem der Lizenzgeber selbst eine Verletzungsklage eingebracht hat und der Lizenznehmer diesem Verfahren als Nebenintervenient beigetreten ist. Jedenfalls ist den Gesetzesmaterialien kein Hinweis dafür zu entnehmen, dass der Gesetzgeber dem Lizenznehmer im Verfahren über eine Verletzungsklage des Lizenzgebers nicht bloß die Stellung eines einfachen Nebenintervenienten, sondern jene eines Streitgenossen einer einheitlichen Streitpartei (§ 14 ZPO) einräumen wollte.

[38] d. Auch die objektiv-teleologische Interpretation spricht dafür, § 14 Abs 4 MSchG nicht als besondere Regelung einer streitgenössischen Nebenintervention anzusehen: § 14 Abs 4 MSchG soll dem Nebenintervenienten in Fällen, in denen er (noch) nicht selbst aus dem Markenrecht aktivlegitimiert ist, die Aktivlegitimation für die Geltendmachung eigener Schäden in einem Folgeverfahren verschaffen und gleichzeitig aus seiner Sicht verhindern, dass der Gegner der unterstützten Partei im Folgeprozess rechtsvernichtende oder -hemmende Einreden erhebt, die notwendigen Elementen der Entscheidung im vom Markeninhaber geführten Verletzungsverfahren widersprechen (vgl RS0107338). Anhaltspunkte dafür, dass § 14 Abs 4 MSchG darüber hinaus eine Rechtskrafterstreckung auf den Nebenintervenienten vorsehen würde (oder eine solche voraussetzen würde), sind nicht ersichtlich. Warum das von Grünzweig betonte ausschließliche Benützungsrecht des ausschließlichen Lizenznehmers (im Innenverhältnis zum Markeninhaber) zu einer anderen rechtlichen Beurteilung führen sollte, lassen sowohl Grünzweig als auch die Nebenintervenientin offen.

[39] 2.4.4. Der Senat kommt daher zum Ergebnis, dass eine auf § 14 Abs 4 MSchG gestützte Nebenintervention eine einfache und keine streitgenössische Nebenintervention ist.

[40] 2.5. Die Berücksichtigung der unionsrechtlichen Grundlage der Novellierung des MSchG mit BGBl I 91/2018 führt entgegen der Ansicht der Nebenintervenientin zu keiner anderen Auslegung:

[41] 2.5.1. Die Nebenintervenientin zeigt an sich richtig auf, dass Art 25 Abs 4 der Richtlinie (EU) 2015/2436 vom 16. 12. 2015 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Neufassung) vorsieht, dass jeder Lizenznehmer einer vom Inhaber der Marke erhobenen Verletzungsklage beitreten kann, um den Ersatz seines eigenen Schadens geltend zu machen.

[42] 2.5.2. Die von der Nebenintervenientin aufgeworfene Frage, ob diese unionsrechtliche Vorgabe in Österreich ausreichend umgesetzt wurde, stellt sich hier aber gar nicht, weil sie ihr rechtliches Interesse am Streitbeitritt gar nicht damit begründet hat, im vorliegenden Verfahren einen eigenen Schaden geltend machen zu wollen. Damit erübrigt sich auch das angeregte Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof.

[43] 2.6. Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben. Das Rekursgericht hat den Rekurs der Nebenintervenientin zutreffend als eine der Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht durch die unterstützte Partei widersprechende Prozesshandlung zurückgewiesen.

[44] 3. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

[45] 3.1. Mit ihrem Rekurs gegen den Beschluss des Erstgerichts, wonach das Verfahren infolge Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht beendet sei, leitete die Nebenintervenientin einen vom Ausgang der Hauptsache unabhängigen (Zwischen-)Streit über ihre Stellung als einfache oder streitgenössische Nebenintervenientin und– damit verbunden – über die Reichweite ihrer verfahrensrechtlichen Befugnisse ein. In diesem stand sie allen Parteien gegenüber, für die das Verfahren durch die Zurücknahme der Klage unter Anspruchsverzicht beendet war. Da sie in diesem (Zwischen-)Streit unterlag, hat sie den Parteien die Kosten der Revisionsrekursbeantwortungen zu ersetzen. Ihre kostenrechtliche Position entspricht damit im Wesentlichen jener einer (vermeintlichen) Nebenintervenientin, die im Zwischenstreit über ihre Zulassung unterliegt (vgl RS0035436).

[46] 3.2. Da die Klägerin im (Zwischen‑)Streit über die Qualität der Nebenintervention nur der Nebenintervenientin gegenüberstand, hat sie keinen Anspruch auf den verzeichneten Streitgenossenzuschlag.

[47] 3.3. Das Kostenverzeichnis der Klägerin und des Zweitbeklagten ist außerdem jeweils um die angesprochene Umsatzsteuer zu kürzen: Diese beiden Parteien sind Unternehmer und haben ihren Sitz im Ausland. Die Leistungen ihrer österreichischen Vertreter unterliegen damit nicht der österreichischen Umsatzsteuer. Sie gelten als am Ort des Empfängers ausgeführt und unterliegen der dortigen Umsatzsteuer (vgl § 3a Abs 6 UStG; RS0114955 [insb T1, T2]). Die Klägerin und der Zweitbeklagte haben jeweils kommentarlos 20 % Umsatzsteuer verzeichnet und damit die österreichische Umsatzsteuer angesprochen (vgl RS0114955), die nicht zu entrichten ist. Die – hier nicht gerichtsbekannte – Höhe der ausländischen Umsatzsteuer (Schweiz, vgl RS0114955 [T13]; Tschechische Republik) haben sie weder behauptet noch bescheinigt. Insofern haben sie daher keinen Kostenersatzanspruch.

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