OGH 6Ob239/23z

OGH6Ob239/23z20.3.2024

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. P* L.P., * Cayman Islands, 2. V*, Slowakei, beide vertreten durch Mag. Slavica Vanovac, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei C* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch DSC Doralt Seist Csoklich Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Nichtigerklärung und Beschlussfeststellung, über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. November 2023, GZ 33 R 108/23d‑31, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 20. Juni 2023, GZ 64 Cg 33/22p‑26, ersatzlos behoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:0060OB00239.23Z.0320.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht, Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurswird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei die mit 2.700,52 EUR bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Erstklägerin ist eine Exempted Limited Partnership (in der Folge ELP) nach dem Recht der Cayman Islands mit Satzungs‑ und Verwaltungssitz auf den Cayman Islands. Ihr General Partner ist die P* General Partner Inc (in der Folge General Partner), eine nach dem Recht der Cayman Islands gegründete Incorporation.

[2] Die Kläger fechten als Aktionäre bestimmte in der Hauptversammlung der Beklagten gefasste Beschlüsse an – in eventu wird die Feststellung der Nichtigkeit dieser Beschlüsse angestrebt – und begehren positive Beschlussfeststellung zu beantragten Sonderprüfungen. Der – rechts‑ und parteifähige – General Partner der Erstklägerin habe die Klage unter der Firma (Geschäftsbezeichnung) der ELP eingebracht. Die Erstklägerin selbst sei zwar nicht rechts- und parteifähig, sie habe aber „Bezeichnungsfähigkeit“. Ihre Firma (Name) bezeichne nämlich einerseits summarisch alle ihre Partner und andererseits das ELP‑Sondervermögen innerhalb des Vermögens des General Partner. Daher würden die General Partner einer ELP stets nur unter der Firma (Bezeichnung) der Partnerschaft auftreten, wenn sie für diese handeln. Für den Fall, dass das Gericht eine derartige Bezeichnung des General Partner, der im eigenen Namen für die ELPhandle, nicht akzeptieren sollte, werde gemäß § 235 Abs 5 ZPO beantragt, die Bezeichnung der Erstklägerin auf den General Partner zu berichtigen.

[3] Die Beklagte beantragt Klageabweisung. Die Erstklägerin sei nicht rechts‑ und daher auch nicht parteifähig, sodass ihr die Aktivlegitimation fehle. Die Benennung des General Partner als Erstkläger sei ein verdeckter unzulässiger Parteiwechsel. Auch der Eventualantrag auf Berichtigung sei daher unberechtigt.

[4] Das Erstgericht berichtigte die Parteienbezeichnung der Erstklägerin auf P* General Partner Inc. Die ELP sei nicht rechts- und parteifähig. Dem General Partner könne auch nicht die Befugnis gegeben werden, im Namen der ELP zu klagen oder geklagt zu werden. Die ELP sei nicht wie im Fall des § 17 Abs 2 UGB das Unternehmen des General Partner. Auch wenn man die ELP als Sondervermögen ansehe, komme ihr – anders als etwa der Insolvenzmasse – keine Parteifähigkeit zu. Da es durch die Berichtigung aber nicht zu einer unzulässigen Einbeziehung eines anderen Rechtssubjekts in das Verfahren komme, sei dem Berichtigungsantrag stattzugeben.

[5] Das Rekursgericht hob über Rekurs der Beklagten den Berichtigungsbeschluss ersatzlos auf. Eine Berichtigung der Parteienbezeichnung sei zwar grundsätzlich möglich, jedoch sei die Erstklägerin als Unternehmerin ohnehin gemäß § 17 Abs 2 UGB berechtigt, in Verfahren vor Gerichten oder Verwaltungsbehörden die Firma als Parteienbezeichnung zu führen. Die Führung der Firma richte sich gemäß § 13 Abs 1 IPRG nach dem jeweiligen Personalstatut, also dem Recht der Cayman Islands. Dieses erlaube einem General Partner unter der Firma der ELP zu klagen und geklagt zu werden. Das Erstgericht hätte somit über den nur eventualiter gestellten Berichtigungsantrag gar nicht entscheiden dürfen. Im Ergebnis sei der Rekurs daher berechtigt und der angefochtene Beschluss im Sinn des Rekursantrags zu beseitigen.

[6] Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht zu, weil der Frage, ob eine ELP nach dem Recht der Cayman Islands parteifähig sei oder als Klägerin vor österreichischen Gerichten auftreten könne, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass die Klage der Erstklägerin zurückgewiesen und der Antrag auf Berichtigung der Parteienbezeichnung abgewiesen werde, ist nicht zulässig.

[8] 1.1. Bei der Beschwer unterscheidet man die formelle Beschwer, welche dann vorliegt, wenn die Entscheidung von dem ihr zugrunde liegenden Sachantrag des Rechtsmittelwerbers zu dessen Nachteil abweicht, und die materielle Beschwer. Diese liegt vor, wenn die (materielle oder prozessuale) Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers durch die Entscheidung beeinträchtigt wird, diese also für ihn ungünstig ausfällt (RS0041868).

[9] 1.2. Nach ständiger Rechtsprechung muss der Rechtsmittelwerber grundsätzlich formell beschwert sein, denn allein aus den Entscheidungsgründen einer Entscheidung kann grundsätzlich keine Beschwer abgeleitet werden (RS0043947; RS0041929 [T5]; G. Kodek in Kodek/Oberhammer, ZPO‑ON § 514 Rz 14). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird bei Aufhebungsbeschlüssen und Zwischenurteilen gemacht, bei denen die Beschwer auch in der Begründung der Entscheidung liegen kann (RS0007094; RS0043947 [T1]; RS0041929 [T6]; 8 Ob 1/17f; Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 514 ZPO Rz 51).

[10] 1.3. Die Beklagte ist nicht formell beschwert, weil das Rekursgericht ihrem Rekursantrag auf (ersatzlose) Aufhebung des erstinstanzlichen Beschlusses vollinhaltlich entsprochen hat. Aus der Begründung kann im vorliegenden Fall eine Beschwer nicht abgeleitet werden, weil das Rekursgericht keinen Aufhebungs‑ und Zurückverweisungsbeschluss gemäß § 527 Abs 2 ZPO gefasst, sondern den angefochtenen Beschluss ersatzlos behoben hat, ohne dass über seinen Gegenstand noch einmal verhandelt und/oder entschieden werden muss, sodass damit in Wahrheit eine abändernde Entscheidung vorliegt (RS0044035; RS0044109 [T1, T3]; RS0039437 [T1]; Sloboda in Fasching/Konecny 3 § 514 ZPO Rz 12).

[11] 2. Der Revisionsrekurs der Beklagten ist daher mangels Beschwer zurückzuweisen.

[12] 3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 50, 41 ZPO. Einen Kostenersatzanspruch hat nur die Erstklägerin, weil die Beantwortung durch den Zweitkläger nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig war. Leistungen einer österreichischen Rechtsanwältin für einen ausländischen Unternehmer unterliegen nicht der österreichischen Umsatzsteuer (RS0114955). Ist die Höhe des ausländischen Umsatzsteuersatzes nicht allgemein bekannt, kann die zu entrichtende ausländische Umsatzsteuer nur zugesprochen werden, wenn Entsprechendes behauptet und bescheinigt wird (RS0114955 [T9]). Da hier beides nicht zutrifft, war nur der Nettobetrag zuzusprechen.

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