Spruch:
Die außerordentlichen Revisionsrekurse werden gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).
Der Antrag des Klägers auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird gemäß § 508a Abs 2 Satz 2 und § 521a Abs 2 ZPO abgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
1. Zum Revisionsrekurs der Beklagten
Die Vorinstanzen haben der Beklagten nach § 2 UWG verboten, in Werbeangaben den Eindruck zu erwecken, sie führe Inkassoaufträge „zum Nulltarif" durch. Grundlage dafür war ein im April 2006 erschienenes Inserat mit dieser Ankündigung. Tatsächlich hatten Kunden der Beklagten aber bis zu diesem Zeitpunkt ein Entgelt zu leisten (zumindest in Höhe der der Beklagten abgetretenen Verzugszinsen). Nach der Schaltung des Inserats gewann die Beklagte (nach dem bescheinigten Sachverhalt) keine neuen Kunden dazu; den Altkunden verrechnete sie weiterhin die vertraglich vereinbarten Entgelte. Dass sie Leistungen zum Nulltarif angeboten oder erbracht hätte, ist nicht bescheinigt.
Der Beklagten gelingt es in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Sie stützt sich ausschließlich darauf, dass das Inserat nicht geeignet gewesen sei, Altkunden durch die Irreführung über die Unentgeltlichkeit vom Wechsel zu einem anderen Anbieter abzuhalten. Diese Frage kann aber offen bleiben. Denn schon das Erstgericht hat im Ergebnis richtig erkannt, dass die Beklagte in der konkreten Situation auch die Richtigkeit ihrer Werbung für Neukunden beweisen (bescheinigen) müsste.
Zwar trifft die Beweislast für die Unrichtigkeit einer Werbeangabe grundsätzlich den Kläger (RIS-Justiz RS0011634). Anderes gilt aber nach § 2 Abs 5 UWG nicht nur für Fälle der vergleichenden Werbung, sondern ganz allgemein dann, wenn eine Umkehr der Beweislast aufgrund einer Interessenabwägung angemessen ist (4 Ob 173/02y = wbl 2002, 584 - Emmi Vollmilch mwN; RIS-Justiz RS0116971). Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Kläger mangels genauer Kenntnis der Tatumstände unverhältnismäßige Beweisschwierigkeiten hat, während dem Beklagten diese Kenntnisse zur Verfügung stehen und es ihm daher nicht nur leicht möglich, sondern nach Treu und Glauben auch ohne weiteres zumutbar ist, die erforderliche Aufklärung zu geben (4 Ob 173/02y - Emmi Vollmilch mwN; vgl RIS-Justiz RS0011634 T4, T8, T10). Eine solche Situation liegt hier vor. Die Beklagte hat ihre Dienstleistungen vor der strittigen Werbung nicht „zum Nulltarif" erbracht; sie hat diese Praxis zumindest für Altkunden auch nach der Werbung nicht geändert. Dieses Verhalten legt die Annahme nahe, dass sie in Wahrheit nicht ernsthaft beabsichtigt hat, ihre Ankündigung wenigstens für Neukunden in die Tat umzusetzen. Einen konkreten Beweis für diese Vermutung konnte der Kläger kaum erbringen, da ihm der dafür erforderliche Einblick in die Geschäftsgebarung der Beklagten fehlt. Demgegenüber hätte die Beklagte die (tatsächliche oder beabsichtigte) Änderung ihrer Geschäftspraxis ohne weiteres bescheinigen können. Gab es Neukunden, so wäre es ein Leichtes gewesen, die mit ihnen geschlossenen Vereinbarungen vorzulegen; gab es tatsächlich - wie hier angenommen - keine, so hätten auch neue AGB oder Vertragsformulare ausgereicht, um wenigstens die (ernsthafte) Absicht zur Einhaltung des in der Werbung Versprochenen zu belegen. Unter diesen Umständen fällt die Negativfeststellung des Erstgerichts der Beklagten zur Last.
2. Zum Revisionsrekurs des Klägers
Der Kläger hatte beantragt, der Beklagten zu verbieten, „[..] den Eindruck zu erwecken, Inkassoaufträge für ihre Kunden zum Nulltarif durchzuführen und somit keine Vergütung gemäß der Verordnung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Höchstsätze der Inkassoinstituten gebührenden Vergütungen zu verlangen." Den zweiten Teil dieses Begehrens wies das Erstgericht ab. Das Rekursgericht sah den Kläger dadurch nicht (materiell) beschwert und wies seinen Rekurs zurück. Er habe mit der ohnehin erlassenen einstweiligen Verfügung in der Sache alles erreicht, was er angestrebt habe; das „Mehrbegehren" sei nur eine „überflüssige und missverständliche Umformulierung" des eigentlichen Unterlassungsbegehrens gewesen.
Der Kläger stützt seinen außerordentlichen Revisionsrekurs im Wesentlichen darauf, dass er durch die Entscheidung des Erstgerichts formell beschwert sei. Auch ihm gelingt es aber nicht, eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO aufzuzeigen. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (4 Ob 576/94 = SZ 67/230 ua; Zechner in Fasching2 vor § 514 ZPO Rz 66 mwN). Sie liegt nur vor, wenn die Entscheidung die Rechtsstellung des Rechtsmittelwerbers beeinträchtigt; ist das nicht der Fall, so ist das Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidung formal vom Antrag abweicht (4 Ob 576/94; RIS-Justiz RS0041868). Die in diesem Zusammenhang erforderliche Auslegung des Vorbringens begründet idR keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung (RIS-Justiz RS0042828, RS0044273).
Die Auffassung des Rekursgerichts ist keinesfalls unvertretbar. Das
Werben mit einem Inkasso zum Nulltarif impliziert notwendigerweise,
dass dafür keine Vergütung - also auch keine Vergütung iSd vom Kläger
genannten Verordnung - verlangt wird. Damit fehlt der strittigen
Formulierung jede eigenständige Bedeutung. Auch wenn sie in den
Spruch aufgenommen worden wäre, fielen nicht mehr oder andere
Verhaltensweisen der Beklagten unter das Verbot als bei der
tatsächlich erfolgten „Teilabweisung". In Wahrheit hat das
Erstgericht das Begehren daher nur in zulässiger Weise umformuliert
(vgl 4 Ob 239/01b = ecolex 2002, 268 [Schanda] - Strompreiswerbung; 4
Ob 258/04a = MR 2005, 392 [Korn] - Zahnarztwerbung; 4 Ob 30/06z),
ohne es inhaltlich zu einzuschränken.
Wenn der Revisionsrekurs auf (nicht näher genannte) Entscheidungen in Parallelverfahren verweist, in denen die strittige Formulierung in den Spruch aufgenommen worden sei, und daraus einen Widerspruch in der Rechtsprechung konstruiert, missversteht er das Rekursgericht:
Aus der Verneinung der materiellen Beschwer ist (nur) abzuleiten, dass die Formulierung für das konkrete Rechtsschutzziel unnötig war. Das heißt aber nicht zwingend, dass sie darüber hinaus auch unzulässig wäre. Nur wenn das Rekursgericht Letzteres angenommen hätte, könnte der angebliche Widerspruch in der Rechtsprechung vorliegen.
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