Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung
Rechtliche Beurteilung
Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeiten, Eigenschaften und Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist immer eine solche des Einzelfalls, der keine grundsätzliche Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zukommt, wenn die Entscheidung das Kindeswohl als oberstes Prinzip des Pflegschaftsverfahrens wahrt (RIS-Justiz RS0007101, RS0115719).
Entgegen den Ausführungen der Revisionsrekurswerberin widerspricht die Obsorgeentscheidung der Vorinstanzen den Grundsätzen der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs nicht.
Der Oberste Gerichtshof sprach aus, dass der Entzug der Obsorge für ein minderjähriges Kind nicht allein aufgrund der Tatsache, dass die Mutter (einfaches) Mitglied bei der Scientology-Kirche ist, angeordnet werden darf, weil solches der Bestimmung des Art 14 EMRK widerspricht und daher gesetzwidrig ist (2 Ob 2192/96h = SZ 69/179). Das Privat- und Familienleben sowie die Glaubensfreiheit, welche nach Art 8 Abs 1 sowie Art 9 Abs 1 EMRK geschützt sind, dürfen nur soweit durch Gesetz beschränkt werden, als das - unter anderem - im Interesse der Gesundheit oder für den Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist (Art 8 Abs 2 und9 Abs 2 EMRK). Demgemäß ist jede Entscheidung, die auf einer wohlverstandenen Abwägung des Kindeswohls beruht, unter dem Gesichtspunkt des Art 8 Abs 2 EMRK zu rechtfertigen, zumal unter Gesundheit auch das psychische Wohl des Kindes verstanden wird (1 Ob 623/95 = SZ 69/20 mwN; vgl RIS-Justiz RS0102064). Dementsprechend sah das Rekursgericht nicht die Mitgliedschaft der Mutter bei der Sahaja-Yoga Gruppe als solche als bestimmend für die Obsorgeentscheidung. Diese gründete es vielmehr auf das Verhalten der Mutter gegenüber dem Kind (eingeschränkte Verfügbarkeit bei ausgedehnten Meditationen). Die zuvor zitierten und von der Revisionsrekurswerberin für ihren Standpunkt herangezogenen Entscheidungen befassten sich im Übrigen mit der Entziehung der Obsorge unter der Voraussetzung der Kindeswohlgefährdung, im vorliegenden Fall war hingegen über die alleinige Obsorge erstmals zu entscheiden. Hiebei geht es nicht um eine allfällige Gefährdung des Kindeswohls, sondern darum, bei welchem Elternteil das Wohl des Kindes besser gewährleistet ist (6 Ob 318/97a = EFSlg 84.168).
Der Grundsatz der Kontinuität der Erziehung darf nicht um seiner Selbst willen aufrecht erhalten werden, sondern ist dem Wohl des Kindes unterzuordnen. Die Forderung nach Kontinuität entspringt dem Gedanken des Kindeswohls, weil nach der Lebenserfahrung die Stetigkeit und Dauer Grundbedingungen für eine erfolgreiche und damit dem Wohl des Kindes dienende Erziehung sind (RIS-Justiz RS0047928). Das Rekursgericht erörterte das Kriterium der Kontinuität auf Basis der getroffenen Feststellungen, wobei es nicht bloß die räumliche Umgebung, sondern vor allem das soziale Umfeld (Freundeskreis sowie Kontakte zur Großfamilie beider Elternteile) hervorhob. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung ist hiebei nicht zu erkennen.
Der Eventualantrag der Mutter auf Einräumung eines Besuchsrechts im Rekurs gegen die Obsorgeentscheidung bildet eine unzulässige Neuerung. § 49 AußStrG erlaubt generell nur neue Tatsachen und Beweismittel; neue Sachanträge und Einwände bleiben ausgeschlossen (3 Ob 200/06t ua; RIS-Justiz RS0006796 [T7]). Dass das Rekursgericht über den Eventualantrag auf Einräumung eines Besuchsrechts (bisher) nicht abgesprochen hat, bildet daher keine Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens.
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