Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Beklagte ist schuldig, der Klägerin binnen 14 Tagen die mit 447,98 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin 74,66 EUR Umsatzsteuer) zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Parteien sind Geschwister. Sie streiten über die von der Klägerin behauptete Verpflichtung des Beklagten, ihr das Grundstück Nr 306 (196 m2) und einen Streifen des Grundstücks Nr 305/1 (77 m2) je der KG ***** ohne Gegenleistung zu übertragen.
Die Klägerin hatte im Jahr 1974 mit ihren Eltern einen notariellen „Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag" geschlossen, in dem sie gegen Übertragung von 727 m2 Grund auf ihre Erb- und Pflichtteilsansprüche verzichtete. Mündlich war jedoch vereinbart gewesen, dass die Klägerin 1.000 m2 erhalten sollte; die Übertragung der Restfläche sollte nach einem Grundstückstausch mit der Gemeinde erfolgen. Der Beklagte wusste von dieser Vereinbarung.
Der Grundstückstausch mit der Gemeinde verzögerte sich. Noch vor dessen Abschluss übergaben die Eltern den Hof - das „Gut A*****" - 1978 dem Beklagten. Dieser erklärte bei zwei Besprechungen mit einem Notar und der Klägerin damit einverstanden zu sein, die Restfläche nach Vornahme des Tausches an die Klägerin zu übertragen; er sicherte auch die Unterfertigung der „dann zu errichtenden Nachtragsurkunde" zu. Der Notar hielt in einem Aktenvermerk fest, dass „diese Angelegenheit" zu seinem Leidwesen sowohl im Erbverzichts- und Schenkungsvertrag mit der Klägerin als auch im Übergabsvertrag mit dem Beklagten „übersehen" bzw „vergessen" worden sei.
Die Klägerin erfuhr im Jahr 1991, dass der Grundstückstausch abgewickelt war. Sie und ihr Ehemann nutzten schon damals das nun im bücherlichen Eigentum des Beklagten stehende, im Zuge des Tausches neu vermessene Grundstück Nr 306. Eine Einigung über die Übertragung der Restfläche kam nicht zustande.
Die Klägerin beantragt, dem Beklagten aufzutragen, ihr das Grundstück Nr 306 sowie einen an ihre eigene Liegenschaft nordwestlich, hilfsweise nordwestlich und östlich angrenzenden Streifen des Grundstücks Nr 305/1 im Ausmaß von 77 m2 unentgeltlich zu übertragen und die dafür „allenfalls erforderlichen grundbuchsfähigen Erklärungen" abzugeben. Sie stützt sich auf die Vereinbarung mit ihren Eltern, der der Beklagte zugestimmt habe.
Der Beklagte bringt vor, dass er nicht verpflichtet sei, das formlose Schenkungsversprechen seiner Eltern zu erfüllen. Aufgrund des geschwisterlichen Naheverhältnisses sei er zwar aus freien Stücken bereit, der Beklagten die noch offenen 273 m2 zu übertragen, jedoch nicht zur Gänze in dem von ihr gewünschten Bereich. Vom Grundstück 306 benötige er 25 m2 für eine Straßenverbreiterung; die Ausgleichsfläche beim Grundstück Nr 305/1 müsse ausschließlich östlich der angrenzenden Liegenschaft der Klägerin geschaffen werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zum Grundstück Nr 306 und dem Eventualbegehren zum Grundstück Nr 305/1 statt. Der Beklagte habe zugesagt, die Verpflichtung der Eltern zu erfüllen. Diese Verpflichtung beziehe sich auf das gesamte Grundstück Nr 306 sowie - aufgrund näher dargestellter ergänzender Vertragsauslegung - auf den vom Eventualbegehren erfassten Streifen nordwestlich und östlich des Grundstücks der Klägerin.
In seiner Berufung focht der Beklagte diese Entscheidung nur insofern an, als der Beklagten auch die von ihm benötigten 25 m2 des Grundstücks Nr 306 zugesprochen und die Lage der Ausgleichsfläche auch nordwestlich der Liegenschaft der Klägerin festgelegt worden war.
Das Berufungsgericht bestätigte die angefochtene Entscheidung und sprach aus, dass der Wert seines Entscheidungsgegenstands zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteige. Die Revision ließ es zunächst nicht zu. Auch wenn die seinerzeitige Zusage der Eltern mangels Übergabe oder Notariatsakts „nicht wirksam" gewesen sei, sei das Erstgericht doch aufgrund ergänzender Vertragsauslegung zum zutreffenden Ergebnis gekommen, dass die Eltern der Beklagten die strittigen Flächen überlassen „hätten". Der Beklagte habe diese Schuld übernommen und müsse nun die Verpflichtung seiner Eltern erfüllen.
Seine mit einem Zulassungsantrag nach § 508 ZPO verbundene Revision stützt der Kläger darauf, dass sowohl das „Schenkungsversprechen" der Eltern als auch seine Schuldübernahme eines Notariatsakts bedurft hätten. Das Berufungsgericht ließ die Revision unter Hinweis auf den Widerspruch in seiner Entscheidungsbegründung (Unwirksamkeit der Verpflichtung der Eltern, dennoch Verpflichtung des Beklagten) zu.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, weil gesicherte Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob ein Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung ein entgeltliches Geschäft ist. Sie ist jedoch nicht berechtigt.
1. Der Oberste Gerichtshof hat in der Entscheidung 2 Ob 527/92 dargelegt, dass ein Erb- und Pflichtteilsverzicht gegen Abfindung als entgeltliches Geschäft zu werten ist. Zur Begründung verwies er auf den nach dem Willen der Parteien bestehenden Zusammenhang zwischen der - wenngleich als „Schenkung" bezeichneten - Abfindung und dem Verzicht auf die (zukünftige) Stellung als Erbe oder Pflichtteilsberechtigter. Der Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch sei seinem Wesen nach eine Leistung, die geeignet sei, den Erblasser von einer von ihm als gegeben angenommenen (zukünftigen) Geldschuld zu befreien.
2. Diese Auffassung wurde zwar später in 5 Ob 123/01a (= SZ 74/98) als „strittig" bezeichnet. Tatsächlich wird sie aber zumindest für den Pflichtteilsverzicht von der praktisch einhelligen Lehre geteilt (Apathy in KBB² § 551 Rz 3; Dehn, Formnichtige Rechtsgeschäfte und ihre Heilung [1998] 74; Eccher in Schwimann³ § 551 Rz 4; ders, Erbrecht [2008] Rz 2/27; ders, Antizipierte Erbfolge [1980] 143; Hirtzberger, Wegfall der Geschäftsgrundlage beim Pflichtteilsverzicht anlässlich der Gründung einer Privatstiftung oder einer Nachstiftung, RdW 2004, 451; Hofmann-Wellenhof, Erbverzicht und Ausschlagung der Erbschaft aus zivilrechtlicher Sicht, NZ 1984, 17 [19]; Weiß in Klang² III 183; Welser in Rummel3 § 551 Rz 3, aA in letzter Zeit nur Kralik, Erbrecht [1983] sowie 45 [ursprünglich] Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 84 ff).
3. Auch für den Senat besteht kein Zweifel, dass zumindest im vorliegenden Fall das Versprechen der Eltern, der Klägerin 1.000 m2 Grund zu übertragen, die Gegenleistung für den Pflichtteilsverzicht war. Die Eltern erlangten dadurch die Möglichkeit, den Hof dem Sohn zu übergeben, ohne dass der (zukünftige) Nachlass oder der Übernehmer mit Pflichtteilsforderungen der Klägerin rechnen musste. Der Pflichtteilsverzicht und die Verpflichtung zur Übertragung einer Grundfläche von 1.000 m2 standen daher in einem Austauschverhältnis. Da aus diesem Grund ungeachtet der unrichtigen Bezeichnung keine Schenkung vorlag, war auch die mündliche Vereinbarung formgültig. Das Berufungsgericht hat daher im Ergebnis zutreffend eine wirksame Verpflichtung der Eltern zur Übergabe der Restfläche von 273 m2 angenommen. Die Ausführungen der Vorinstanzen zur ergänzenden Auslegung dieser Verpflichtung in Bezug auf die Lage dieser Fläche treffen zu (§ 510 Abs 3 ZPO).
4. Die Schuldübernahme durch den Beklagten ist ebenfalls wirksam.
Zwar kann auch eine Schuldübernahme unter Umständen Schenkungscharakter haben (5 Ob 317/64; vgl auch RIS-Justiz RS0018943). Für eine Schenkung ist aber Schenkungsabsicht erforderlich. Sie besteht in der Absicht einer unentgeltlichen, das heißt auf keine Gegenleistung bezogenen und freiwilligen (freigebigen) und damit auch nicht durch sittliche Pflicht verlangten Leistung (9 ObA 143/88; RIS-Justiz RS0018833; vgl auch RIS-Justiz RS0017193 [T1]; 7 Ob 192/01p). Ob eine Schenkung vorliegt oder nicht, kann nicht allein danach beurteilt werden, ob der Empfänger des Vermögenswerts mangels Erbringung einer Gegenleistung objektiv in seinem Vermögen bereichert ist; vielmehr müsste auch das Einverständnis der Vertragspartner über die Unentgeltlichkeit der Vermögensverschiebung vorhanden sein, das ausdrücklich oder schlüssig erklärt worden sein muss (3 Ob 142/07i = EFSlg 117.189 = EFSlg 117.240). Das trifft bei der Feststellung eines zwischen den Parteien strittigen Rechts nicht zu (3 Ob 142/07i).
Im vorliegenden Fall lässt sich die Verpflichtung des Beklagten, die ausstehenden Flächen an die Klägerin zu übertragen, schon aus der ergänzenden Auslegung des Übergabsvertrags ableiten (RIS-Justiz RS0017758, RS0017746). Wie sich aus dem Aktenvermerk des Notars ergibt, wurde dort eine ausdrückliche Regelung dieser Frage „vergessen". Der Beklagte kannte aber schon damals die gegenüber seiner Schwester bestehende Verpflichtung seiner Eltern. Redlicherweise durfte er nicht annehmen, dass sie sich dieser Verpflichtung durch die Hofübergabe entziehen wollten. Seine vorbehaltlose Zustimmung zum Übergabsvertrag muss daher als Übernahme von deren Verpflichtung gegenüber der Tochter gedeutet werden.
Unter diesen Umständen kann aber der wiederholt abgegebenen Erklärung des Beklagten, die Verpflichtung seiner Eltern zu übernehmen, unter Bedachtnahme auf einen objektiven Empfängerhorizont keinesfalls Schenkungsabsicht unterstellt werden. Vielmehr handelte es sich dabei um die Feststellung eines zwischen den Parteien strittigen Rechts (vgl 3 Ob 142/07i). Ein Notariatsakt war daher auch hier nicht erforderlich.
5. Aus diesen Gründen muss die Revision des Beklagten scheitern. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 50, 41 ZPO.
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