OGH 2Ob527/92

OGH2Ob527/9229.10.1992

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber, Dr.Kropfitsch, Dr.Zehetner und Dr.Schinko als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Marga ***** G*****, vertreten durch Dr.Friedrich Krall, Rechtsanwalt in Kufstein, wider die beklagte Partei Verlassenschaft nach der am ***** verstorbenen Irmingard ***** B*****, vertreten durch die erbserklärte Testamentserbin Claudia ***** B*****, vertreten durch Dr.Hansjörg Schiestl und Dr.Karl Janovsky, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Anfechtung eines Vertrages, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 27.August 1991, GZ 1 R 124/91-10, womit das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7.Februar 1991, GZ 10 Cg 313/90-5, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes wird dahin abgeändert, daß das erstinstanzliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen an Kosten des Berufungsverfahrens den Betrag von 40.791,60 S (darin 6.798,60 S an Umsatzsteuer) und an Kosten des Rekursverfahrens den Betrag von 96.469,20 S (darin 72.000,-- S an Barauslagen und 4.078,20 S an Umsatzsteuer) zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Erblasserin Irmingard ***** B***** war Jahrzehnte hindurch Leiterin der "G*****bewegung". Als solche hat sie im Jahre 1968 das Erbe in Form der G*****siedlung in ***** übernommen. Hiebei handelt es sich um eine Siedlung oberhalb von *****, bestehend aus ca 20 ha Wiesen- bzw Baugrund und weiteren 12 ha Waldgrund. Zu der Siedlung gehören heute zahlreiche Häuser, ein Reitstall mit Reitschule sowie mehrere gastronomische und gewerbliche Betriebe. Im Jahre 1944 wurde die Klägerin im Alter von 8 Monaten von der Erblasserin adoptiert. Als sich anläßlich der Eheschließung der Klägerin im Jahre 1962 herausstellte, daß der seinerzeit abgeschlossene Adoptionsvertrag infolge eines Formalfehlers nicht rechtswirksam zustande gekommen war, wurde noch im Jahre 1962 ein neuer Adoptionsvertrag zwischen der Erblasserin und der Klägerin abgeschlossen und gerichtlich genehmigt. Im Jahr 1985 adoptierte Irmingard ***** B***** auch noch die leibliche Tochter der Klägerin, die nunmehr erbserklärte Erbin Claudia***** B*****. Am 30.12.1976 schloß die Klägerin mit ihrer Adoptivmutter in Form eines Notariatsaktes einen Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag. Mit diesem Vertrag schenkte Irmingard B***** der Klägerin die Liegenschaft in EZ ***** GB ***** im Gesamtausmaß von 1742 m2 mit darauf errichtetem Einfamilienhaus. Zudem verpflichtete sich die Adoptivmutter in Pkt IV. dieses Vertrages, dieses Haus auf ihre Kosten im Sinne der bereits vorliegenden Pläne des Architekten Dipl.Ing.Edgar F***** aus ***** zu einer Fremdenpension auszubauen und der Klägerin auf Lebenszeit eine monatliche Rente in der Höhe von 11.000,-- S wertgesichert nach dem Verbraucherpreisindex 1966 zu bezahlen. Im Gegenzug verzichtete die Klägerin auf das ihr als Adoptivtochter zustehende gesetzliche Erb- und Pflichtteilsrecht gegenüber Irmingard B*****; gleichzeitig räumte sie ihrer Adoptivmutter - und subsidiär der "Stiftung G*****botschaft" bzw dem "Verein zur Förderung des G*****gedankens" ein grundbücherlich sichergestelltes Vorkaufsrecht und ein Belastungs- und Veräußerungsverbot ein. Außerdem wurde noch vereinbart, daß die Klägerin die vertragsgegenständliche Liegenschaft ihrer Adoptivmutter zum Schätzwert rückübereignen müsse, wenn sie oder ihre Mitbewohner und Hausgäste ein Verhalten setze bzw setzen, das geeignet sein könnte, das Ansehen der G*****bewegung oder den Betrieb der G*****siedlung samt zugehörigen Wirtschaftseinrichtungen zu beeinträchtigen. Unter Pkt XIII. des Notariatsaktes wurde weiters vereinbart, daß beide Vertragsteile auf eine Anfechtung dieses Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes und wegen Irrtums verzichten. Am 6.12.1985 errichtete Irmingard B***** ein Testament, in welchem sie Claudia ***** B***** als Alleinerbin einsetzte. Im Abs 2.) dieses Testamentes wird festgehalten, daß hinsichtlich ihres gesamten unbeweglichen Nachlasses zusammen mit dem Eigentumsrecht ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten des Vereins "Zur Verwirklichung des G*****wissens von A*****", ***** im Grundbuch einzutragen sei. Im Abs 3.) setzte die Erblasserin für den Fall, daß die von ihr eingesetzte Erbin vorversterben oder vor Abgabe einer Erbserklärung ableben sollte, zum Erben ihres gesamten beweglichen und unbeweglichen Nachlasses ihre Urenkelin Elisabeth ***** B***** ein. Irmingard B***** verstarb am *****. Am 20.8.1990 wurde die von Claudia ***** B***** auf Grund dieses Testamentes abgegebene unbedingte Erbserklärung zu Gericht angenommen. Das Abhandlungsverfahren ist noch nicht beendet.

Mit der am 16.11.1990 erhobenen Klage begehrte Marga ***** G***** die Ungültigerklärung des zwischen ihr und der Erblasserin am 30.12.1976 abgeschlossenen Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages sowie die Beklagte schuldig zu erkennen, sämtliche Aktiva und Passiva des Nachlasses anzugeben und einen Eid dahingehend zu leisten, daß ihre Angaben richtig seien und ihr zu Handen ihres Anwaltes ein Viertel des Wertes des sich daraus ergebenden Reinnachlasses in barem Geld zu bezahlen. Sie sei von ihrer Adoptivmutter im Sinne der G*****bewegung erzogen worden. Zur Zeit der Übernahme der G*****siedlung in ***** im Jahr 1968 sei sie die einzige (Adoptiv-)Tochter der nunmehrigen Erblasserin gewesen und wäre sie auch hinsichtlich ihres gesamten Vermögens in ***** alleine erbberechtigt gewesen. Der Klägerin sei immer - so insbesondere auch von ihrer Adoptivmutter - erklärt worden, daß sie, die Klägerin, dieses Erbe nicht antreten könne, weil das gesamte Vermögen der G*****bewegung vorbehalten bleiben müsse. Da die Kägerin selbst dieser G*****bewegung angehört und sich mit dem G*****gedanken voll und ganz identifiziert habe, habe sie diese Einstellung akzeptiert, obwohl sie dabei auf ein sehr beträchtliches Vermögen habe verzichten müssen. Aus diesem Grunde habe sie auch am 30.12.1976 den Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag unterfertigt, auf Grund dessen sie nur einen Bruchteil des ihr an sich zustehenden Pflichtteiles bekommen habe. Geschäftsgrundlage für die Unterfertigung dieses Vertrages sei gewesen, daß das Vermögen von Irmingard B***** der G*****bewegung vorbehalten bzw dieser Bewegung zukommen sollte. Dies sei von beiden Vertragsteilen - zumindest zum damaligen Zeitpunkt - so bedacht und gewollt gewesen. Es sei dies bereits Jahre vor und auch bei Unterfertigung des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages so besprochen und verabredet worden und sei daher dies auch als stillschweigende Vertragsbedingung anzusehen, die so selbstverständlich gewesen sei, daß keiner der beiden Vertragsteile es für notwendig befunden habe, diese Bedingung ausdrücklich in den Vertrag aufzunehmen. Einige Jahre nach Unterfertigung des Vertrages sei die leibliche Tochter der Klägerin, Claudia *****, von der Erblasserin ebenfalls adoptiert worden. Claudia ***** sei zunächst im Haushalt der Klägerin aufgewachsen, dann aber im 14./15.Lebensjahr zur Ausbildung nach Deutschland gekommen, von wo sie dann erst nach einigen Jahren wieder nach ***** zurückgekehrt sei. Offensichtlich sei es ihr in der Folge gelungen, die Adoptivmutter umzustimmen und so weit zu bringen, daß sie ihr mit Testament vom 6.12.1985 das gesamte - an sich der G*****bewegung vorbehaltene - Erbe, auf das die Klägerin im Sinne des G*****gedankens verzichtet habe, vermacht habe. Kurz vorher sei sie von der Erblasserin zu diesem Zweck noch adoptiert worden. Claudia B***** sei nun Alleinerbin des gesamten Vermögens, sodaß damit zweifellos die Grundlage für den Abschluß des Schenkungs- und Erbverzichtvertrages weggefallen sei.

Die Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, daß die Klägerin bereits im Adoptionsverfahren der Beklagten vergeblich vorgebracht habe, daß diese Adoption hinter ihrem Rücken erfolgt sei und sie im Jahre 1976 durch unrichtige Angaben zum Abschluß eines Erbverzichtsvertrages mit ihrer Wahlmutter veranlaßt worden sei. Diese Gründe seien allerdings vom Gericht nicht für beachtlich erkannt worden. Es sei auch nicht Geschäftsgrundlage für die Unterfertigung des Erbverzichtsvertrages gewesen, daß das Vermögen der Erblasserin der G*****bewegung vorbehalten sei bzw dieser Bewegung zukommen sollte. Zwischen den damaligen Vertragsteilen sei wohl gemäß dem Willen der verstorbenen Erblasserin klar gewesen, daß diese die Erhaltung und Weiterführung des G*****gedankens und der G*****bewegung in das Zentrum ihrer Überlegungen gestellt habe. Es sei jedoch zu keinem Zeitpunkt besprochen oder vereinbart worden, daß dies durch die Übertragung der Vermögenswerte nach dem Tode der Erblasserin in das Eigentum einer anonymen juristischen Person oder einer Personengemeinschaft zu geschehen hätte. Vielmehr sei immer klar und selbstverständlich gewesen, daß die Verstorbene nach ihrem freien Willen und ihrer Entscheidung zu bestimmen habe, wie sie die Weiterführung des G*****gedankens und der G*****bewegung bewirken wolle. Nach der Überzeugung und dem Willen der Erblasserin sei es aber gerade die Weiterführung des Namens B***** durch eine natürliche Person und die Sicherung der Weiterführung dieses Namens gewesen, die den Willensentschluß der Erblasserin bestimmt habe. Gerade die Persönlichkeit der Klägerin und ihre Lebensführung hätten aber die Verstorbene daran gehindert, der Klägerin einen wesentlichen Einfluß auf die Geschicke der G*****bewegung zu übertragen. Dies sei der Grund gewesen, daß die verstorbene Erblasserin mit der Klägerin den nunmehr angefochtenen Erbverzichtsvertrag geschlossen und dadurch sichergestellt habe, daß die ideellen und wirtschaftlichen Geschicke der G*****bewegung frei von erbrechtlichen Problemen und wirtschaftlichen Zwängen hätten beurteilt und weitergeführt werden können. In diesem Sinne seien auch die Vereinbarungen der verstorbenen Erblasserin im Erbverzichtsvertrag hinsichtlich der Vorkaufsrechte und der Verfügungsbeschränkungen zu verstehen. Die Testamentserbin habe hingegen auf den Willen ihrer Adoptivmutter nie Einfluß genommen und nie versucht, diese zu irgendetwas zu bestimmen oder umzustimmen. Die von der Erblasserin getroffenen testamentarischen Verfügungen seien deren völlig freiem und unbeeinflußten Willen entsprungen. Durch diese testamentarische Verfügung sei auch in keiner Weise eine Verletzung des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages eingetreten. Im übrigen ergebe sich auch aus dem Testament vom 6.12.1985 selbst sowie aus dem Nachtrag zum Testament vom 18.4.1990, daß das Vermögen der Erblasserin der G*****bewegung vorbehalten werde und dieser Bewegung auch zukommen sollte, sodaß auch deshalb die Geschäftsgrundlage nicht weggefallen sei. Auch wäre die Klägerin in ihrem Pflichteilsrecht in keiner Weise verkürzt. Der Klägerin seien zur Abgeltung ihrer Pflichtteilsrechte erhebliche Vermögenswerte zugewandt worden, die den ihr heute zustehenden Pflichtteilsanspruch weit überstiegen. Sie müsse sich diese Schenkung selbstverständlich auf den Pflichtteil anrechnen lassen, sodaß ihr auch aus diesem Grunde kein Anspruch mehr zustehe. Im übrigen habe die Klägerin auf die Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums und wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes ausdrücklich verzichtet.

Das Erstgericht wies - ohne Einvernahme der beantragten Zeugen sowie der Parteien - das Klagebegehren zur Gänze ab. Bei der rechtlichen Beurteilung des bereits wiedergegebenen Sachverhaltes ging es davon aus, daß es sich bei dem gegenständlichen Erbverzichts- und Schenkungsvertrag um ein entgeltlich abgeschlossenes Rechtsgeschäft handle. Die von der Klägerin behauptete Erwartung, daß das gesamte Vermögen der Erblasserin der G*****bewegung vorbehalten sein sollte, könne nicht als selbstverständliche Voraussetzung für ihren Erbverzicht unterstellt werden, zumal sie dafür auch eine Abfindung erhalten habe. Es handle sich hiebei nicht um einen typischen Umstand, den jedermann bei Abschluß eines konkreten Geschäftes voraussetze. Vielmehr sei Zweck eines Erbverzichtsvertrages, der gegen eine Abfindung geschlossen werde, dem Erblasser eine erweiterte Testierfähigkeit einzuräumen. Somit sei der Streitfall nicht nach der Lehre von der Geschäftsgrundlage zu lösen. Selbst wenn sich die Behauptung der Klägerin, sie habe die Unterfertigung des Vertrages mit der Vorstellung verbunden, daß das Vermögen der Erblasserin der G*****bewegung vorbehalten bzw zukommen sollte, sich als richtig erweise, entspringe diese Vorstellung aber offenbar einem Irrtum der Klägerin, der nach dem Vertrag nicht zur Bedingung erhoben worden sei. Für eine stillschweigende Vereinbarung dieser Bedingung ergäben sich keine Anhaltspunkte. Es bestehe kein Zweifel, daß der Wille der Erblasserin hauptsächlich vom Gedanken der Erhaltung und Weiterführung des G*****gedankens und der G*****bewegung getragen gewesen sei und dieser Wille auch in ihrem Testament vom 6.12.1985 ausdrücklich in Erscheinung trete. Aus diesem Testament sei aber auch ersichtlich, daß die Erblasserin nicht in Erwägung gezogen habe, ihr Vermögen dieser Bewegung zu vermachen, sondern sie eine geeignete Nachfolgerin gesucht habe, der zugetraut werden konnte, ihr Vermögen im Sinne der G*****bewegung zu erhalten und weiterzuführen; diese Nachfolgerin habe sie anscheinend in der Person der Klägerin nicht gefunden. Die Klägerin sei daher vielmehr lediglich einem Motivirrtum unterlegen, der sich in ihrem persönlichen Bereich abgespielt habe und bei entgeltlichen Rechtsgeschäften unbeachtlich bleibe. Selbst wenn man unterstellte, daß zum Zeitpunkt der Vertragserrichtung der behauptete Beweggrund zur Bedingung erhoben worden sei, wäre die Klägerin wegen des im Punkt XIII. des Vertrages enthaltenen Vereinbarung, wonach beide Vertragsteile auf eine Anfechtung dieses Vertrages wegen Verletzung über die Hälfte des wahren Wertes und wegen Irrtums verzichteten, nicht mehr zur Anfechtung berechtigt.

Das Gericht zweiter Instanz gab der Berufung der Klägerin Folge, hob das Urteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück, wobei es aussprach, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden habe, 50.000,-- S übersteigt und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei.

Das Berufungsgericht erkannte der in der Berufung hinsichtlich der Nichtaufnahme der von der Klägerin angebotenen Beweismittel zur behaupteten Geschäftsgrundlage erhobenen Verfahrensrüge auf Grund einer unrichtigen rechtlichen Beurteilung durch das Erstgericht Berechtigung zu. Das Berufungsgericht teile zwar nicht die von Welser, NZ 1991, 84 (Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall) vertretene Auffassung, daß es sich beim Erbverzicht gegen Abfindung um ein unentgeltliches Rechtsgeschäft handle, bei dem der Motivirrtum beachtlich sei. Der Erbverzicht gegen Abfindung sei nämlich ein Vertrag mit aleatorischen Elementen, wobei das Risiko in der Vermögensentwicklung des Erblassers liege. Lediglich sittenwidrige Äquivalenzstörungen könnten daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände geltend gemacht werden (vgl NZ 1986, 158). Für die Entgeltlichkeit des vorliegenden Erbverzichtes gegen Abfindung spräche nämlich auch der Umstand, daß mit der hier erfolgten vertraglichen Regelung bereits ein entfallender Erwerb von Todes wegen (Pflichtteil) abgegolten werde und anders als bei einer Schenkung auf den Todesfall die Klägerin auch zu Lebzeiten Eigentümerin der Abfindung geworden sei. Somit scheide das Vorbringen der Klägerin, soweit es als Motivirrtum zu werten sei, als Anfechtungsgrund aus, weil ein Motivirrtum bei entgeltlichen Geschäften, die Fälle der Arglist und der ausdrücklichen Vereinbarung des Beweggrundes als Bedingung ausgenommen, unbeachtlich sei (vgl JBl 1976, 145; MietSlg 32.098). Auch stünde der Geltendmachung des Irrtums die festgestellte und von der Beklagten geltend gemachte Vereinbarung des Verzichtes der Anfechtung des Vertrages wegen Irrtums entgegen. Entgegen der in der Berufung vertretenen Auffassung träfe hier die Klägerin die erforderliche Behauptungs- und Beweislast, warum im Zweifel dieser Einredeverzicht nicht auch auf einen vorhersehbaren Irrtum über die Art der Verwendung und Zuwendung des Vermögens der Klägerin gelten sollte. Ein Vorbringen in dieser Richtung sei im übrigen von der Klägerin auch nicht erstattet worden. Dennoch wäre für die Beklagte durch diesen festgestellten Anfechtungsausschluß wegen Irrtums nichts gewonnen, weil jedenfalls eine Anfechtung des Vertrages unter dem Gesichtspunkt des § 870 ABGB nicht ausgeschlossen wäre. Zwar habe die Klägerin einen derartigen Rechtsgrund nicht ausdrücklich als solchen bezeichnet, doch genüge es, daß sie die entsprechend begründeten Tatsachen vorgebracht hat (vgl JBl 1980, 424). Das Vorbringen der Klägerin, ihr sei von der Adoptivmutter erklärt worden, sie könne das Erbe nicht antreten, weil das gesamte Vermögen der G*****bewegung vorbehalten bleiben müsse, sei als Geltendmachung des Anfechtungsgrundes einer Arglist im Sinne des § 870 ABGB zumindest deutbar und bedürfte daher noch einer Erörterung mit den Parteien gemäß § 182 ZPO, wobei jedoch die Klägerin für das Vorliegen der Voraussetzungen des Tatbestandes nach § 870 ABGB die volle Beweispflicht treffe, sie also nachweisen müßte, daß die - falls erweislich - Äußerung der Verstorbenen unrichtig gewesen sei und diese zudem positive Kenntnis gehabt habe, daß sich die Klägerin darüber ebenfalls im Irrtum befunden hat und dieser Irrtum einen wesentlichen Einfluß auf den Willensentschluß, nämlich den Abschluß des Erbverzichtsvertrages gegen Abfindung gehabt habe (vgl JBl 1971, 304; SZ 53/108). Nur in diesem Falle wäre auch eine Unterscheidung zwischen Vorliegens eines Geschäfts- und Motivirrtums unwesentlich. Beizupflichten sei aber auch den Ausführungen der Berufungswerberin, wonach das Vorbringen der Klägerin dahingehend zu qualifizieren sei, daß bei Abschluß des Erbverzichtsvertrages mündlich ausdrücklich oder stillschweigend die Bedingung vereinbart worden sei, daß Irmingard B***** ihr Vermögen der G*****bewegung zuwende, und somit das mögliche Motiv des angefochtenen Vertrages zur Bedingung im Sinne des § 901 ABGB erhoben worden sei, die im Falle der Erweisung durch die Klägerin zur Vertragsaufhebung führen müßte. Dies müßte im übrigen auch für den Fall gelten, daß die Vertragsteile ausdrücklich oder stillschweigend davon ausgegangen wären, daß Grundlage für den Abschluß des Erbverzichtsvertrages die Zuwendung des Vermögens der verstorbenen Adoptivmutter an die G*****bewegung erfolgen sollte (richtig wohl: gewesen sei). Die dazu vom Erstgericht aus der Urkunde abgeleiteten Erwägungen, die somit nicht eine tatsächliche Schlußfolgerung, sondern eine rechtliche Beurteilung darstellten, seien im Hinblick auf das Beweisanbot der Klägerin noch nicht zulässig. Richtigerweise sei von der Berufungswerberin darauf hingewiesen worden, daß nämlich der Erbverzicht gemäß § 551 ABGB seine Wirksamkeit erst erlange, wenn der Empfänger der Verzichtserklärung gestorben ist, die für die Gültigkeit des Erbverzichtsvertrages vorgesehene Form nicht dem Schutz Dritter diene und daher nicht nur der objektive Erklärungswert des schriftlich Beurkundeten maßgebend sei, sondern auch die etwa mündlich erklärte Absicht der Parteien. Zu deren Ermittlung seien daher auch beim Erbverzicht außerhalb der schriftlichen Erklärung gemachte Willensäußerungen heranzuziehen (vgl JBl 1988, 257; 7 Ob 631/90). Aus diesen Gründen bedürfe es daher zur Ermittlung des Willens der Vertragsparteien im Sinne der Behauptungen der Klägerin und der damit zu lösenden Tatfrage der Aufnahme der von der beweispflichtigen Klägerin angebotenen Beweise. Die Rechtssache sei daher nach Aufhebung des angefochtenen Urteils zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen gewesen. Den Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO begründete das Berufungsgericht damit, daß die Frage, ob ein Erbverzichtsvertrag gegen Abfindung ein einheitliches, entgeltliches Rechtsgeschäft darstelle, in der Lehre umstritten sei und vom Obersten Gerichtshof in jüngerer Zeit nicht habe abgeklärt werden müssen (NZ 1986, 156, wo die Frage unbeantwortet geblieben sei) und auch zur Frage der Wirksamkeit und des Umfanges eines Anfechtungsverzichtes wegen Irrtums eine jüngere Judikatur - soweit überschaubar - nicht vorliege.

Gegen diese Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der beklagten Partei mit dem Antrag, den rekursgerichtlichen Aufhebungsbeschluß im Sinne der erstinstanzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Klägerin beantragte in ihrer Rekursbeantwortung, dem Rekurs der beklagten Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist - wie den folgenden Ausführungen zu entnehmen ist - zulässig, und auch berechtigt.

Über den vorliegenden "Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag" wurde ein einheitlicher Notariatsakt errichtet. Die Vertragsteile gingen dabei von dem zwischen ihnen bestehenden Adoptionsverhältnis, insbesondere von dem Umstand aus, daß der Klägerin gegenüber ihrer Wahlmutter ein gesetzliches Erb- bzw. Pflichtteilsrecht zusteht. Sie erklärten weiters ausdrücklich, die folgenden Vereinbarungen zur Abfindung dieses Erb- und Pflichtteilsrechtes zu treffen. Nach der Vereinbarung Punkt II. 5) des Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages sollte der gesamte gegenständliche Vertrag seine Gültigkeit verlieren, wenn es der Adoptivmutter wider Erwarten nicht möglich sein sollte, die Liegenschaft käuflich zu erwerben, die Gegenstand des Schenkungsvertrages sein sollte. Es unterliegt daher keinem Zweifel, daß unter den gegebenen Umständen zwischen der Schenkung und dem Erbverzicht ein Verhältnis wechselseitiger Abhängigkeit besteht, von den Vertragsteilen daher eine umfassende Regelung bezweckt war, die sowohl die Schenkung als auch den Erbverzicht umfaßt. Die hier getroffenen Vereinbarungen sind dadurch gekennzeichnet, daß einer Schenkung, also einer sofort realisierbare Rechtswirkungen erzeugende Vereinbarung, eine Verzichtserklärung der Klägerin gegenübersteht, die bloß eine Anwartschaft betraf, nämlich sowohl ein künftiges Erbrecht, als auch ein künftiges Pflichtteilsrecht. In dem gegenständlichen Vertragswerk wurde ausdrücklich festgehalten, daß die in der Folge getroffenen Vereinbarungen, also vor allem die Übertragung des Eigentumsrechtes an einer Liegenschaft auf die Klägerin, die Übernahme der Verpflichtung der Adoptivmutter zur Errichtung bestimmter Baulichkeiten sowie die Übernahme der Verpflichtung der Adoptivmutter, ihrer Adoptivtochter zur Bestreitung deren Lebenshaltungskosten eine monatliche Rente von 11.000,-- S wertgesichert auf Lebenszeit zu bezahlen, zur Abfindung des Erb- und Pflichtteilsrechtes der Adoptivtochter getroffen wurden. Damit stellen sich die Zuwendungen der Adoptivmutter an die Klägerin nicht bloß als eine bestimmte Art der Gestaltung ihres Erbrechtes dar, mit der Schenkung wird vielmehr wirtschaftlich die entgeltliche Ablöse des Erbrechts und des Pflichtteilsrechts verfolgt (vgl Welser, Erbverzicht und Schenkung auf den Todesfall, NZ 1991, 85; vgl. auch Welser in Rummel, ABGB2, Rz 3 zu § 551). Mit dem Verzicht auf ihren Pflichtteilsanspruch hat die Klägerin ihre zukünftige Stellung als obligatorisch berechtigter Geldgläubiger (vgl Welser in Rummel, ABGB I2, Rz 6 zu § 762) aufgegeben; der Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch stellt sich daher seinem Wesen nach als eine Leistung dar, die dazu geeignet ist, den Erblasser von einer als gegeben angenommenen Geldschuld zu befreien, weil der hier abgegebene Verzicht das potentielle Forderungsrecht der Klägerin als Adoptivtochter vernichtet, der Klägerin somit ein Forderungsrecht diesbezüglich nicht anfällt. Der Oberste Gerichtshof billigt daher die vom Berufungsgericht vertretene Ansicht, daß der zwischen der Klägerin und ihrer Adoptivmutter abgeschlossene "Schenkungs- und Erbverzichtsvertrag" als entgeltliches Geschäft anzusehen ist, wofür auch der Umstand spricht, daß die Vertragsteile eine bei entgeltlichen Verzichten an sich mögliche Anfechtung der Vereinbarung wegen laesio enormis (vgl Reischauer in Rummel, ABGB I2, Rz 1 zu § 934) ausgeschlossen haben. Daraus folgt aber, daß ein Motivirrtum, also insbesondere ein Irrtum über Zukünftiges grundsätzlich keine Rechtsfolgen auslöst (vgl Rummel in Rummel, ABGB I2, Rz 3 zu § 901 und Rz 3 zu § 871). Da der von der Klägerin behauptete Irrtum, sie könne das Erbe nach ihrer Adoptivmutter nicht antreten, weil das gesamte Vermögen der G*****bewegung vorbehalten bleiben müsse, als Motivirrtum anzusehen ist, könnte dieser Irrtum für die vorliegende Vereinbarung - als Geschäft unter Lebenden unterliegt auch die Anfechtung des von der Klägerin abgegebenen Verzichtes den allgemeinen rechtsgeschäftlichen Regeln über Vertragsanfechtung (vgl Weiß in Klang2 III 184; Welser in Rummel, aaO, Rz 2 zu § 551; Kralik, Erbrecht 108) - ua dann von entscheidender Bedeutung sein,wenn er von der Erblasserin arglistig herbeigeführt worden wäre, weil bei der Anfechtung wegen List iS des § 870 ABGB eine Unterscheidung nach der Art des Irrtums nicht erfolgt (vgl Rummel in Rummel, aaO, Rz 3 zu § 870). Das Berufungsgericht hat wohl zutreffend ausgeführt, daß die Einrede der Arglist nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden muß, es genügt vielmehr, wenn die sie begründenden Tatsachen vorgebracht werden (vgl Rummel in Rummel, aaO, Rz 7 zu § 870; SZ 47/41, SZ 52/22; JBl 1982, 36; 8 Ob 579/86; 3 Ob 542/87 ua); davon kann aber hier, entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - wie im Rekurs mit Recht gerügt wird - keine Rede sein. Die Klägerin hat nämlich nur vorgebracht, ihr sei immer - insbesondere auch von ihrer Adoptivmutter - erklärt worden, sie könne das Erbe nach ihrer Adoptivmutter nicht antreten, weil das gesamte Vermögen der G*****bewegung vorbehalten bleiben müsse. Da sie selbst dieser Bewegung angehöre und sich mit dem G*****gedanken voll und ganz identifiziere, habe sie diese Einstellung akzeptiert, obwohl sie dabei auf ein sehr beträchtliches Vermögen habe verzichten müssen. Im Zusammenhang mit der Behauptung, Geschäftsgrundlage für die Unterfertigung des Vertrages mit ihrer Adoptivmutter sei gewesen, daß deren Vermögen der wiederholt genannten Bewegung vorbehalten bleiben bzw dieser Bewegung zukommen sollte, brachte die Klägerin noch vor, daß dies von beiden Vertragsteilen - zumindest damals - so bedacht und gewollt gewesen sei. Wenn es aber im Sinne dieser Behauptung übereinstimmende Überzeugung war, die Klägerin könne das Erbe nicht antreten, weil dieses der G*****bewegung vorbehalten bleiben müsse, so ist für eine Auslegung des Klagevorbringens dahin, die Erblasserin habe die Klägerin in dieser Beziehung arglistig in Irrtum geführt, kein Raum. Lassen sich somit dem Vorbringen der Klägerin die die Einrede der Arglist begründenden Tatsachen nicht entnehmen, so bestand für das Erstgericht auch keine Veranlassung zu einem Vorgehen nach § 182 ZPO und für das Berufungsgericht auch kein Grund, das Urteil des Erstgerichtes deshalb aufzuheben.

Der von der Klägerin behauptete Motivirrtum - daß sie auf ihr Erbrecht bzw Pflichtteilsrecht habe verzichten müssen, wenn sie das Erbe nach ihrer Adoptivmutter gar nicht antreten könne, ist nicht ganz verständlich - könnte allerdings auch dann noch für das Klagebegehren von wesentlicher Bedeutung sein, wenn der von ihr behauptete Beweggrund von beiden Vertragsteilen ausdrücklich oder eindeutig konkludent zur Bedingung des Vertrages gemacht worden wäre. Dieser Beweggrund wäre dann nämlich wie eine andere Bedingung bedeutsam (§ 901 1.Satz ABGB). Unter diesen Umständen würde der Irrtum im Beweggrund zu einem gemäß § 872 ABGB beachtlichen Irrtum über einen Geschäftspunkt, also zu einem Geschäftsirrtum werden (2 Ob 678/56; RZ 1965, 161; 6 Ob 235/66; 1 Ob 151/70; 7 Ob 656/86).

Daß der behauptete Beweggrund ausdrücklich zur Bedingung gemacht worden wäre, hat die Klägerin nicht behauptet. Sie hat aber auch - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - kein Tatsachenvorbringen erstattet, dem Erklärungswert iS des § 863 ABGB beigemessen werden könnte. Kann aber der von der Klägerin (bloß) behauptete Beweggrund somit auch nicht als konkludent zur Bedingung des Vertrages gemacht angesehen werden, so wäre selbst ein diesbezüglich beiden Vertragsteilen gemeinsam unterlaufener Irrtum nicht als Geschäftsirrtum zu qualifizieren. Als Motivirrtum käme er aber für eine Vertragsanfechtung - wie dargetan - nicht in Frage.

Was letztlich die von der Klägerin wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage begehrte Vertragsaufhebung anlangt, so ist davon auszugehen, daß es sich bei der hier zu beurteilenden, von der Klägerin behaupteten, als Beweggrund in Betracht kommenden Voraussetzung des Vertragsabschlusses um eine solche handelt, die gerade diese Vertragsteile bei Abschluß des Geschäftes vorausgesetzt haben. Der Wegfall einer solchen "individuellen Voraussetzung als Geschäftsgrundlage" ist durch die Bestimmung des § 901 ABGB geregelt, also nur dann von Bedeutung, wenn die Parteien die Wirkung des Geschäfts durch ausdrückliche oder schlüssige Vereinbarung von dem Vorhandensein der vorausgesetzten Sachlage abhängig gemacht haben (NZ 1979, 172; 6 Ob 705/83; 7 Ob 656/86, 8 Ob 527/88). Dies ist hier aber - wie gezeigt - nicht der Fall. Lediglich hinsichtlich der sogenannten "typischen" Voraussetzungen eines bestimmten Rechtsgeschäftes, die durch die Bestimmungen des § 901 ABGB nicht geregelt sind, besteht eine Gesetzeslücke, die nach der Rechtsprechung im Sinne der Lehre von Pisko in Klang1 II/2, 348 ff; ihm folgend Gschnitzer in Klang2 IV/1, 334 ff, mit Hilfe einer Rechtsanalogie zu füllen ist. Die Grundlage für diese Rechtsanalogie bilden die §§ 936, 1052 letzter Satz, 1170a, 947 ff ABGB, aus welchen Bestimmungen der allgemeine Rechtssatz abgeleitet wird, daß eine Partei an das Geschäft nicht gebunden ist oder dessen Anpassung begehren kann, wenn eine Voraussetzung nicht zutrifft, die stets einem Geschäft von der Art des geschlossenen zugrunde gelegt wird (NZ 1979, 172; 8 Ob 527/88; 8 Ob 46/89). Da es sich bei der hier als Beweggrund behaupteten Voraussetzung des von der Klägerin mit ihrer Adoptivmutter abgeschlossenen "Schenkungs- und Erbverzichtsvertrages" um keine "geschäftstypische", also keine solche Voraussetzung handelt, die jedermann mit einem solchen Vertrag verbindet, läßt sich die Lehre von der Geschäftsgrundlage nicht zum Zwecke der Aufhebung des streitgegenständlichen Vertrages heranziehen.

Damit erweist sich aber die Rechtssache im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens als spruchreif.

Es war daher dem Rekurs Folge zu geben und der Aufhebungsbeschluß des Berufungsgerichtes iS der Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteiles abzuändern (§ 519 Abs 2 letzter Satz ZPO).

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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