OGH 4Ob195/18g

OGH4Ob195/18g20.12.2018

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.‑Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** AG, *****, Schweiz, vertreten durch die Höhne, In der Maur & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. ST***** GesmbH, *****, vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, 2. S***** Co., Ltd, *****, China, 3. S***** Limited, *****, Macao, und 4. St***** & Co Ltd, *****, vertreten durch die Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung, Auskunftserteilung, Rechnungslegung und Zahlung (Gesamtstreitwert 35.000 EUR), über den ordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 3. Juli 2018, GZ 5 R 67/18m‑23, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. Jänner 2018, GZ 30 Cg 2/18y‑5, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00195.18G.1220.000

 

Spruch:

Dem Revisionrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist eine in der Schweiz ansässige Aktiengesellschaft. Die Erstbeklagte ist eine österreichische GmbH mit Sitz im Inland; ihre Muttergesellschaft ist eine auf den britischen Jungferninseln etablierte St***** Limited. Der Sitz der Zweitbeklagten liegt in China, jener der Drittbeklagten in Macao.

Die Klägerin bringt vor, sie sei Inhaberin einer Reihe von Unionswort‑ und ‑bildmarken, welche die Wortfolge „Sky“ enthielten. Die Zweitbeklagte habe eine Unionsbildmarke

beim Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) angemeldet, wogegen die Muttergesellschaft der Klägerin Widerspruch erhoben habe; dieses Verfahren sei offen.

Die Klägerin begehrt, es allen vier Beklagten zu untersagen, Waren und/oder Dienstleistungen der Telefonie, der Unterhaltungselektronik oder des Rundfunks unter Verwendung dieses oder eines mit ihrer Unionswortmarke „SKY“ verwechselbar ähnlichen Zeichens zu vermarkten. Weiters begehrt sie Urteilsveröffentlichung, Auskunft gemäß § 55a MSchG, Rechnungslegung gemäß § 55 MSchG iVm § 151 PatG und Zahlung des sich aus der Rechnungslegung ergebenden angemessenen Entgelts. Zudem wurde zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs nur gegen die Erstbeklagte eine einstweilige Verfügung beantragt.

Zur Zuständigkeit in Bezug auf Zweit- und Drittbeklagte brachte die Klägerin vor, die Konzernmutter der Erstbeklagten sei vom S*****‑Konzern erworben worden. Die Erstbeklagte vertreibe Waren mit der Marke S*****. Die Viertbeklagte liefere S*****‑Receiver in die EU und werde hierbei von der Erstbeklagten offiziell vertreten. Die Zweitbeklagte sei die Markeninhaberin der die Markenrechte der Klägerin verletzenden Unionsmarke. Die Drittbeklagte sei Generallizenznehmerin der Zweitbeklagten und berechtigt, „an andere Gesellschaften im S*****‑Konzern Unterlizenzen zu erteilen, so auch an die Erstbeklagte“. Es sei „nur denklogisch“, dass die Drittbeklagte der Erstbeklagten „die notwendigen Lizenzen“ erteilt habe. Es liege eine „Verletzerkette“ zwischen allen Beklagten vor, die an einer einheitlichen Schutzrechtsverletzung beteiligt seien; erst dadurch werde die Verletzung der Markenrechte der Klägerin in der EU durch die Erstbeklagte ermöglicht. Die Zuständigkeit für die Zweit- bis Viertbeklagten ergebe sich aus Art 125 Abs 1 UMV iVm Art 8 Nr 1 EuGVVO 2012. Zweit‑ und Drittbeklagte hätten zwar keinen Sitz in der EU; es liege auch keine direkte gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der Erstbeklagten vor, eine solche sei aber auch nicht notwendig. Wesentlich für das Bestehen einer Niederlassung sei eine bestimmte reale und konstante Präsenz, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt werde und die sich in einer persönlichen und materiellen Ausstattung vor Ort manifestiere. Des Weiteren müsse diese Niederlassung auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortreten. Die Erstbeklagte verfüge als am Markt aktive juristische Person jedenfalls über diese Voraussetzungen und sei als „Niederlassung“ der Zweit- bis Viertbeklagten iSd Art 122 Abs 2 UMV zu qualifizieren; sie präsentiere sich auf ihrer Homepage als europäischer Ansprechpartner und Vertriebsverantwortlicher der S*****‑Gruppe.

Das Erstgericht erklärte sich hinsichtlich Zweit- und Drittbeklagter für unzuständig und wies die gegen diese gerichtete Klage a limine litis zurück. Die Erstbeklagte sei nach dem Klagsvorbringen keine „Niederlassung“ der Zweitbeklagten, welche mit dieser in einer in der Rechtsprechung des EuGH geforderten gesellschaftsrechtlichen oder organisatorischen Beziehung stehe. Da auch die Klägerin keinen Sitz im Gemeinschaftsgebiet habe, seien nach Art 125 Abs 3 UMV die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das EUIPO seinen Sitz habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der EuGH-Rechtsprechung spreche eine gesellschaftsrechtliche Selbständigkeit zwar an sich nicht gegen eine Qualifikation als Niederlassung, jedoch müsse zwischen dieser und dem Stammhaus entweder eine zumindest mittelbare gesellschaftsrechtliche Beteiligung (Enkelgesellschaft) oder ein Naheverhältnis aufgrund von Geschäftsführeridentität und gleichlautendem Firmenwortlaut gegeben sei. Diesbezüglich habe weder die Klägerin konkrete Behauptungen aufgestellt noch seien solche Umstände aus den von ihr vorgelegten Beweismitteln zu erschließen, woraus sich höchstens ergebe, dass Erst‑ bis Drittbeklagte in (irgendeinem) Konzernverhältnis stünden. Die Aussage auf der Homepage der Erstbeklagten, dass „ST*****“ [die Wortfolge findet sich in den Firmen der Erst- und der Viertbeklagten sowie der Mutter der Erstbeklagten] „Mitglied“ von „S***** Digital“ geworden sei, lasse offen, welche gesellschaftsrechtliche Beziehung damit abgebildet werden solle; auch die Bezeichnung „ST*****“ lasse unter anderem offen, ob damit die Erstbeklagte oder deren ausländische Muttergesellschaft bezeichnet werde. Ob Zweit‑ und Drittbeklagte in der Konzernstruktur (mittelbar) an der Erstbeklagten beteiligt seien oder die Möglichkeit hätten, Aufsichts‑ und Leistungsfunktionen über sie auszuüben, sei jedoch unbekannt. Dass die Zurückweisung gemäß § 41 JN a limine erfolgt sei, werde vom Rekurs nicht aufgegriffen, sei aber auch nicht zu beanstanden: Da keine der Parteien ihren Sitz in einem Mitgliedstaat habe, komme Art 26 EuGVVO 2012 nicht zur Anwendung, womit die Voraussetzungen und Folgen einer rügelosen Einlassung nach der lex fori zu beurteilen seien.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Auslegung des Niederlassungsbegriffs in Art 125 UMV fehle und dieser Frage über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukomme.

Der ordentliche Revisionsrekurs der Klägerin strebt erkennbar die ersatzlose Behebung der Entscheidungen der Vorinstanzen an; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der zufolge § 528 Abs 2 Z 2 ZPO nicht absolut unzulässige Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Die Klägerin führt ins Treffen, dass die – weit auszulegenden – Kriterien einer Niederlassung iSd Art 125 UMV Präsenz, geschäftliche Tätigkeit und Auftritt als Außenstelle eines Stammhauses seien. Darüber hinaus müsse keine gesellschaftsrechtliche Verbindung bestehen, solange die Kriterien der Niederlassung erfüllt seien. Die reale und konstante Präsenz sowie die geschäftliche Tätigkeit lägen hier vor, weil die Erstbeklagte eine am Geschäftsleben aktiv teilnehmende GmbH mit Sitz in Österreich sei. Darüber hinaus stelle sich die Erstbeklagte selbst als europäische Außenstelle des (asiatischen) S*****‑Konzerns dar „und somit auch der Zweit‑ und Drittbeklagten als Konzerngesellschaften, mit denen sie eng kooperiert“.

Auf den Grad der gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit komme es überhaupt nicht an, sofern die übrigen Voraussetzungen (Präsenz, geschäftliche Tätigkeit und Auftritt als Außenstelle eines Stammhauses) erfüllt seien. Eine Gesellschaft könne daher auch dann eine Niederlassung sein, wenn eine gesellschaftsrechtliche Konzernverbundenheit unbestimmten Grades bestehe, aber der Anschein einer Außenstelle erweckt werde. Dem EuGH zufolge müssten sich Dritte nämlich auf den von der als Außenstelle des Stammhauses auftretenden Niederlassung erweckten Anschein verlassen können. Durch die Selbstanpreisung der Erstbeklagten auf ihrer Website als europäischer Ansprechpartner von S***** werde der Eindruck einer europäischen Außenstelle des S*****‑Konzerns vermittelt. Die Erstbeklagte betreibe die Webseite www.s*****europe.com; ohne Zustimmung der Zweit- und der Drittbeklagten wäre nicht einmal die Registrierung der Domain möglich gewesen. Zudem setze sich das Rekursgericht nicht mit dem Begriff „Stammhaus“ auseinander, der auch in der UMV nicht definiert sei.

Wenn es bei der Beurteilung, ob eine Niederlassung vorliege, darauf ankomme, ob bei Dritten der Eindruck einer Außenstelle erweckt werde, müsse es im Umkehrschluss auch darauf ankommen, ob mehrere Konzerngesellschaften den Eindruck eines gemeinsamen Stammhauses erweckten, indem sie am Markt unter dem Konzernnamen auftreten und den Anschein erweckten, eine Gesellschaft zu sein. Werde von „S*****“ als Unternehmen gesprochen, seien der gesamte Konzern und dessen Repräsentanten gemeint. Der Konzern bilde somit für einen außenstehenden Dritten ein „untrennbares Konglomerat an Gesellschaften und daher ein gemeinschaftliches 'Stammhaus'“. Wenn es in jedem Konzern nur ein Stammhaus geben könnte, fiele es „Konzernen aus Drittstaaten“ leicht, unionsrechtliche Bestimmungen zu umgehen, die an ein Stammhaus anknüpfen, indem sie die Kernaufgaben auf mehrere Gesellschaften aufteilten, die aber wiederum eng zusammenarbeiteten. Die Erstbeklagte könnte ohne direkte Zusammenarbeit mit der Zweit‑ und Drittbeklagten und ohne Autorisierung durch diese keine mit S***** gekennzeichneten Produkte in Europa bewerben und vertreiben. Sie trete daher als europäische Außenstelle der Zweit‑ und Drittbeklagten und somit als deren Niederlassung auf. Die notwendige Verletzerkette liege hierdurch ebenfalls vor. Die Erstbeklagte handle als verlängerter Arm der Zweit- und Drittbeklagten; diese seien – wie „weitere Recherchen“ ergeben hätten – die „oberste operative Ebene im Konzern“ und Schwestergesellschaften. Die Zweitbeklagte halte „die Anteile an der Erstbeklagten“ durch fünf zwischengeschaltete Gesellschaften, welche allerdings zum Teil reine Holdingfunktionen ausübten. Gleiches gelte im Übrigen für die „Konzernebene über der Zweit‑ und Drittbeklagten“: Deren Mutter-, Großmutter‑ und Urgroßmuttergesellschaften übten, soweit nachvollziehbar und aus den Namen ersichtlich, keine operativen Tätigkeiten aus; es handle sich um reine Holdinggesellschaften.

Dazu wurde erwogen:

1. Ein Kläger ist zwar nicht gehalten, Zuständigkeitstatbestände in ihrer rechtlichen Konfiguration zu benennen, er muss aber jedenfalls das dafür erforderliche Tatsachensubstrat vorbringen (vgl RIS‑Justiz RS0046236 [T3]). Wird ein anderer als der allgemeine Gerichtsstand in Anspruch genommen, so hat der Kläger schon in der Klage ausdrücklich und konkret jene Tatsachen zu behaupten, die den besonderen Gerichtsstand begründen (vgl RIS‑Justiz RS0039812; 4 Ob 116/10b mwN).

2. Nach Art 125 Abs 1 der Verordnung (EU) 2017/1001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. 6. 2017 über die Unionsmarke (UMV) sind für die Verfahren, welche durch eine in Art 124 UMV genannte Klage oder Widerklage anhängig gemacht werden, die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Beklagte seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat. Hat der Beklagte weder einen Wohnsitz noch eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so sind nach Abs 2 leg cit für diese Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem der Kläger seinen Wohnsitz oder – in Ermangelung eines Wohnsitzes in einem Mitgliedstaat – eine Niederlassung hat. Haben weder der Beklagte noch der Kläger einen Wohnsitz oder eine Niederlassung in einem der Mitgliedstaaten, so sind nach Abs 3 leg cit für diese Verfahren die Gerichte des Mitgliedstaats zuständig, in dem das Amt (der Europäischen Union für geistiges Eigentum [EUIPO]) seinen Sitz hat.

3. Zur Auslegung dieser Bestimmungen besteht nunmehr (vgl Gillert in Kur/von Bomhard/Albrecht, Markenrecht [2017] Art 97 UMV Rn 16) klare Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, die eine eindeutige Lösung der Frage erlaubt, ob die Klägerin hier hinreichende Behauptungen aufgestellt hat, aus denen sich eine Zuständigkeit des Erstgerichts für die gegen Zweit- und Drittbeklagte gerichtete Klage ableiten lässt.

3.1. Die gleichlautende Vorgängerbestimmung des Art 97 Abs 1 der Verordnung (EG) Nr 207/2009 des Rates vom 26. 2. 2009 über die Unionsmarke ist nach EuGH 18. 5. 2017, C‑617/15 , Hummel Holding, in autonomer Auslegung (Rn 22 f) dahin zu verstehen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige rechtlich selbständige Gesellschaft, die eine Enkelgesellschaft eines Stammhauses ist, das seinen Sitz nicht in der Union hat, eine „Niederlassung“ dieses Stammhauses im Sinne dieser Bestimmung ist, wenn diese Enkelgesellschaft einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit bildet und in dem Mitgliedstaat, in dem sie sich befindet, über eine bestimmte reale und konstante Präsenz verfügt, von der aus eine geschäftliche Tätigkeit ausgeübt wird, und wenn sie auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt.

3.2. Es kommt nicht darauf an, ob die Niederlassung einer Gesellschaft mit Sitz außerhalb der Union im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Rechtspersönlichkeit besitzt oder nicht (wozu Hummel Holding Rn 38, auf EuGH 15. 12. 2011, C‑384/10 , Voogsgeerd, Rn 54, sowie darauf verweist, dass sich nach EuGH 9. 12. 1987, 218/86 , SAR Schotte, Rn 15, Dritte auf den von der als Außenstelle des Stammhauses auftretenden Niederlassung erweckten Anschein verlassen können müssen).

3.3. Nach Voogsgeerd, Rn 54, meint der Ausdruck „Niederlassung“ (dort iSv Art 6 Abs 2 lit b des Übereinkommens von Rom über das auf vertragliche Schuldverhältnissse anzuwendende Recht) nicht ausschließlich die Betriebseinheiten des Unternehmens, die Rechtspersönlichkeit haben, da „Niederlassung“ jede dauerhafte Struktur eines Unternehmens umfasst. Daher können nicht nur Tochtergesellschaften und Zweigstellen, sondern auch andere Einheiten (wie etwa die Büros eines Unternehmens) eine Niederlassung sein, auch wenn sie keine Rechtspersönlichkeit besitzen.

In SAR Schotte stellte der EuGH darauf ab, dass die enge Verknüpfung zwischen der Klage und dem zur Entscheidung hierüber berufenen Gericht nicht nur aufgrund der Rechtsbeziehungen zwischen in verschiedenen Vertragsstaaten ansässigen juristischen Personen zu beurteilen ist, sondern auch unter Berücksichtigung der Art und Weise, wie sich diese beiden Unternehmen im Geschäftsleben verhalten und wie sie sich Dritten gegenüber in ihren Handelsbeziehungen darstellen (SAR Schotte Rn 16). Dem lag der Sachverhalt zugrunde, dass zwei Gesellschaften denselben Namen trugen, eine gemeinsame Geschäftsführung hatten und eine von ihnen (ohne eine von der anderen abhängige Zweigniederlassung oder Agentur zu sein) Geschäfte für Rechnung der anderen abschloss und so in den Handelsbeziehungen als deren Außenstelle auftrat (SAR Schotte Rn 13).

Daraus ist abzuleiten, dass für das Vorliegen des Anscheins (Rechtsschein: Czernich in Czernich/G. Kodek/Mayr, Europäisches Gerichtsstands‑ und Vollstreckungsrecht4 [2014] Art 7 EuGVVO 2012 Rz 167) einer Niederlassung nicht bereits das Verhalten der „Außenstelle“ allein ausreicht, sondern es auf das Verhalten beider Unternehmen ankommt, insbesondere also auch darauf, dass (auch) das „Stammhaus“ einen ihm zurechenbaren Vertrauenstatbestand schafft (vgl Wittwer in Mayr, Handbuch des Europäischen Zivilverfahrensrechts [2017] Rz 3.347; Leible in Rauscher, EuZPR/EuIPR I4 [2016] Art 7 Brüssel Ia‑VO Rz 157; Leible/Müller, Der Begriff der Niederlassung im Sinne von Art 82 Abs 1 Alt 2 GGV und Art 97 Abs 1 Alt 2 GMV, WRP 2013, 1 [4, Rn 18]; Geimer in Geimer/Schütze, Europäisches Zivilverfahrensrecht3 [2010] Art 5 EuGVVO Rz 314; vgl 1 Ob 112/08i = RIS‑Justiz RS0124417).

3.4. Auf die bloße „Selbstdarstellung“ bzw „Selbstanpreisung“ der Erstbeklagten kommt es daher nicht an; zur Frage eines der Zweit‑ und der Drittbeklagten zurechenbaren anscheinsbegründenden Verhaltens liegen keine konkreten Klagsbehauptungen vor.

4.1. Zum dauerhaften Hervortreten als Außenstelle eines Stammhauses verweist Hummel Holding Rn 37, zudem auf EuGH 22. 11. 1978, 33/78 , Somafer, Rn 11; 18. 3. 1981, 139/80 Blanckaert, Rn 12; 19. 7. 2012, C‑154/11 , Mahamdia, Rn 48; sowie auf SAR Schotte,Rn 10).

4.2. Demnach kommt es zwar – wie oben Pkt 3.2. erörtert – nicht auf eine bestimmte gesellschaftsrechtliche Verflechtung an. Maßgeblich ist vielmehr, dass es einen Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit gibt, der auf Dauer als Außenstelle eines Stammhauses hervortritt und eine Geschäftsführung haben sowie sachlich so ausgestattet sein muss, dass er in der Weise Geschäfte mit Dritten betreiben kann, dass diese sich nicht unmittelbar an das Stammhaus zu wenden brauchen, sondern Geschäfte an dem Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit abschließen können, der dessen Außenstelle ist (Mahamdia Rn 48; Blanckaert Rn 11; Somafer Rn 12). Weiters muss der Rechtsstreit entweder Handlungen betreffen, die sich auf den Betrieb dieser Einheiten beziehen, oder Verpflichtungen, die diese im Namen des Stammhauses eingegangen sind, wenn die Verpflichtungen in dem Staat zu erfüllen sind, in dem sich die Einheiten befinden (Mahamdia Rn 48; Somafer Rn 13).

All dies setzt aber neben einer Vertretungsbefugnis voraus, dass die Niederlassung der Aufsicht oder Leitung des Stammhauses untersteht (EuGH 6. 10. 1976, 14/76 , de Bloos, Rn 18; vgl Albers, Die Begriffe der Niederlassung und der Hauptniederlassung im Internationalen Privat‑ und Zivilverfahrensrecht [2010] 84 f). Erforderlich ist daher eine gewisse Weisungsgebundenheit der Niederlassung (vgl Dörner in Saenger, dZPO7 [2017] Art 7 EuGVVO Rz 39). Ist das Stammhaus nicht befugt, dem Unternehmer Weisungen zu erteilen und ist es diesem zugleich gestattet, mehrere Unternehmer zu vertreten, die miteinander konkurrieren und ist es zudem nicht an der tatsächlichen Abwicklung von mit dem Stammhaus geschlossenen Verträgen beteiligt, liegt keine Niederlassung vor (Blanckaert Rn 12).

4.3. Weder aus dem von der Klägerin in erster Instanz vorgelegten Auszug aus der Website der Erstbeklagten noch aus dem erstinstanzlichen Vorbringen der Klägerin ergibt sich, dass die Erstbeklagte nur mit der strittigen Marke versehene Produkte vertreiben dürfe, in die Abwicklung von mit Zweit‑ oder Drittbeklagter geschlossenen Verträgen eingebunden oder sonst einem Weisungsverhältnis unterworfen sei. Soweit im Revisionsrekurs nunmehr behauptet wird, die Erstbeklagte sei eine Enkelgesellschaft der Zweitbeklagten, und Vorbringen zur „S*****“‑Konzernstruktur erstattet wird, sind dies unzulässige Neuerungen. Soweit das Rekursgericht das Fehlen gesellschaftsrechtlicher Verbundenheit ins Treffen geführt hat, wurde damit lediglich illustriert, dass nicht ohne weiteres bereits wegen einer solchen Verflechtung ein Leitungsverhältnis angenommen werden könne.

4.4. Dass die Erstbeklagte Sublizenznehmerin sei oder sie die Viertbeklagte vertrete, reicht für sich nicht hin, zumal diese Behauptungen für sich mangels substanziierter Umschreibung der konkreten Vertragsgestaltungen kein hinreichendes Vorbringen zu den oben genannten Kriterien in Ansehung von Zweit- und Drittbeklagter sind. Dasselbe gilt für eine Zugehörigkeit der Erstbeklagten zu einer „S***** Group“ oder zu „S***** Digital“, aus welchem Umstand sich keine Erfüllung der oben dargelegten Kriterien einer „Niederlassung“ der Zweit- und Drittbeklagten ableiten lässt. Auch der Begriff „Konzern“ ist gesetzlich nicht klar definiert, bezeichnet in verschiedensten Ausprägungen anzutreffende Strukturen und entzieht sich damit einer einheitlichen rechtlichen Beurteilung der Niederlassungsqualität, insbesondere in Ansehung von nationalen Vertriebsgesellschaften; vielmehr ist eine Prüfung im Einzelfall vorzunehmen, ob die oben genannten Kriterien erfüllt sind (vgl Leible/Müller WRP 2013, 3 Rn 11). Gerade dazu hat die Klägerin aber ebenfalls kein substanziiertes Vorbringen erstattet.

5. Obwohl es sich bei den Zuständigkeitsbestimmungen der UMV grundsätzlich um leges speciales im Verhältnis zur EuGVVO handelt (Hummel Holding Rn 26; vgl EuGH 27. 9. 2017, C‑24/16 C‑25/16 , Nintendo, Rn 42 [zur GGVO]), wird der Gerichtsstand des inhaltlichen Zusammenhangs („Konnexität“) nach Art 8 Nr 1 EuGVVO 2012 (Art 6 Z 1 EuGVVO 2001; vgl 4 Ob 221/12x) bei Klagen gegen mehrere Beklagte eröffnet, weil sich Art 8 Nr 1 EuGVVO 2012 nicht in der Negativliste des Art 122 Abs 2 lit a UMV derjenigen EuGVVO‑Bestimmungen findet, die nicht anzuwenden sind (vgl Nintendo Rn 44).

Art 8 Nr 1 EuGVVO 2012 setzt aber voraus, dass der im Rahmen subjektiver bzw objektiver Konnexität in Anspruch genommene Beklagte seinen Wohnsitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat (vgl EuGH 11. 4. 2013, C‑645/11 , Land Berlin). Diese Regel wird durch Art 122 Abs 2 lit c UMV (nur) insoweit modifiziert, als die Bestimmungen des Kapitels II der EuGVVO 2012, in der sich deren Art 8 findet, auch auf Personen anzuwenden sind, die keinen Wohnsitz, jedoch eine Niederlassung in einem Mitgliedstaat haben. Das Vorliegen einer Niederlassung ist aber hier gerade auch zur Begründung des Gerichtsstands nach Art 125 Abs 1 UMV erforderlich. Soweit die Revisionsrekurswerberin nochmals ihr erstinstanzliches Vorbringen zu einer „Verletzerkette“ anspricht, kommt dem daher keine eigenständige Bedeutung zu.

6. Sonstige

selbständig zu beurteilende Rechtsfragen (RIS‑Justiz RS0043338) werden im Revisionsrekurs nicht angesprochen.

7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 4050 ZPO.

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