European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00221.12X.0115.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin ist Berechtigte der Gemeinschaftswortmarke „RED BULL“ CTM 698720 mit Priorität 5. 12. 1997 ua in der Klasse 32 und Seniorität der nationalen Marke „Red Bull“ 641378 in Bulgarien zum 24. 2. 1995. Die Klägerin vertreibt unter der genannten Marke ein mit „Energy Drink“ bezeichnetes alkoholfreies Erfrischungsgetränk unter dem Namen „Red Bull Energy Drink“ in Dosen mit folgendem Aussehen:
Die Erstbeklagte ist eine Einmanngesellschaft mit beschränkter Haftung mit dem Sitz in Plovdiv, Bulgarien. Sie produziert in Bulgarien Flaschen und Dosen des Energy Drinks „Pit Bull“ mit folgendem Design:
Die Erstbeklagte lieferte zumindest 2009 die Produkte auch in das Bestimmungsland Österreich, wo sie noch im September 2010 zum Verkauf standen. Sie bietet auf der Website Novetrade.bg in englischer Sprache ua den Energydrink „Pit Bull“ (in der Flasche) an und verweist darauf, dass ihr Fuhrpark für rasche Belieferung des Auslands eingerichtet sei. Österreich wird als eines jener Länder genannt, mit denen Handelsbeziehungen bestehen.
Mit Anmeldetag 6. 12. 2000 wurde folgende Gemeinschaftsmarke 1943372 „PITBULL bit by the pit“ ua für „Powerdrinks“ eingetragen:
Markeninhaber ist die I***** GmbH, *****. Seit 26. 3. 2008 ist ein von der Klägerin eingebrachter Löschungsantrag betreffend diese Marke anhängig. Die bulgarische Wortmarke „Pit Bull“ Nr. 47656 wurde am 6. 11. 2003 von der Erstbeklagten angemeldet und am 14. 4. 2004 registriert. Zu dieser Marke ist seit 11. 11. 2005 ein von der Klägerin eingeleitetes Löschungsverfahren anhängig.
Die Klägerin machte mit ihrer beim Handelsgericht Wien eingebrachten Klage vom 8. 6. 2011 Ansprüche wegen Verletzung ihres Markenrechts geltend und verband die Klage mit einem Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung (nur) gegen die Zweitbeklagte. Die Marke der Klägerin genieße Schutz als bekannte Marke. Die Beklagten seien verantwortlich für die Herstellung und den Vertrieb eines Energy Drinks, dessen Kennzeichnung „Pit Bull“ sich an die berühmte Marke der Klägerin anlehne. Auf diesem etwa am 7. 9. 2010 in einem Tankstellenshop in Wien verkauften Produkt sei die Erstbeklagte als Herstellerin und die Zweitbeklagte als Importeur genannt. Die von den Beklagten verwendete Kennzeichnung solle unmittelbare Assoziationen zur berühmten Marke und zum erfolgreichen Energy Drink der Klägerin herstellen, nütze die Unterscheidungskraft und Wertschätzung ihrer bekannten Marke in unlauterer Weise und ohne rechtfertigenden Grund aus und verwässere ihre Marke. Darin liege nicht nur eine Verletzung der Ausschließlichkeitsrechte der Klägerin nach Art 9 Abs 1 lit c GMV und § 10 Abs 2 MSchG, sondern auch ein Verstoß gegen § 1 UWG. Die Erstbeklagte hafte für die Herstellung und den Vertrieb des markenverletzenden Produkts, die Zweitbeklagte für dessen Vertrieb.
Nach § 69d MSchG sei die ausschließliche Zuständigkeit des Handelsgerichts Wien gegeben, weil sich die Klagebegehren in erster Linie auf Gemeinschaftsmarken stützten. Die gemeinschaftsweite Zuständigkeit folge aus dem Sitz der Zweitbeklagten in Österreich (Art 97 Abs 1 iVm Art 98 Abs 1 GMV). Die Zuständigkeit für die Erstbeklagte stütze sich auf den Gerichtsstand der Streitgenossenschaft gemäß Art 6 Z 1 EuGVVO iVm Art 94, 97 Abs 1 und 98 Abs 1 GMV. Die Klagsansprüche seien konnex, weil es hinsichtlich beider Beklagter um die Verletzung der einheitlich und gemeinschaftsweit wirkenden Ausschließlichkeitsrechte aus den für die Klägerin eingetragenen Gemeinschaftsmarken gehe und die Beurteilung durch verschiedene Gerichte die evidente Gefahr widersprechender Entscheidungen nach sich ziehen würde.
Mit Schriftsatz vom 27. 7. 2011 zog die Klägerin den Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Zweitbeklagte zurück und schloss mit dieser am 29. 9. 2011 einen verfahrensbeendenden Vergleich ab (ON 11).
Die Erstbeklagte erhob die Einrede der sachlichen und örtlichen Unzuständigkeit. Sie sei ausschließlich in der Republik Bulgarien tätig, habe in Österreich keine Waren vertrieben und im Inland weder einen Sitz noch eine Repräsentanz. Der Gerichtsstand der Streitgenossenschaft liege nicht vor, weil die Beklagten keine notwendigen Streitgenossen seien. Die Erstbeklagte produziere ihren Energydrink Pit Bull ausschließlich für Bulgarien; für den Vertrieb in Österreich hafte sie nicht. Die Klagsansprüche seien verjährt; die Erstbeklagte habe den Energy Drink „Pit Bull“ in der beanstandeten Aufmachung nur einmal 2009 an die Zweitbeklagte verkauft.
In der Sache wendete die Erstbeklagte die mangelnde Bekanntheit der Marke der Klägerin in den Balkanländern, insbesondere in Bulgarien und Rumänien ein. Ihre Marke „Pit Bull“ sei seit 8. 11. 2000 unter der Nummer 001943372 beim HABM für die Klasse 32 (alkoholfreie Getränke bzw Energydrinks) geschützt. Ihre Rechte an der Marke stützten sich auf einen Lizenzvertrag mit der Markeninhaberin. Sie sei ein namhaftes Unternehmen auf dem Gebiet der Softdrinkerzeugung mit einem Marktanteil von 43 % in Bulgarien und verwende die Abkürzung „Bul“ für Bulgarien seit Jahrzehnten. Die Klägerin verkaufe ihre Produkte nicht in Flaschen; die Unterscheidungskraft ihrer Marke werde daher durch das Produkt der Erstbeklagten nicht beeinträchtigt. Da der Bekanntheitsgrad der Marke „Red Bull“ in den Ländern Bulgarien, Rumänien und Serbien gering sei, liege weder eine Ruf- und Aufmerksamkeitsausbeutung noch eine Verwässerung der Marke der Klägerin vor. Die von den Streitteilen verwendeten Marken seien einander nicht ähnlich, weil Klangbild und bildliche Gestaltung unterschiedlich seien.
Mit Schriftsatz vom 30. 11. 2011 begehrte die Klägerin die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gegen die Erstbeklagte des Inhalts, dieser zu gebieten, es ab sofort bis zur Rechtskraft des über die Unterlassungsklage ergehenden Urteils zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr Energy Drinks unter Verwendung des Kennzeichens PIT BULL und/oder eines anderen, der bekannten Marke RED BULL der Klägerin ähnlichen Kennzeichens im Gebiet der Europäischen Gemeinschaft anzubieten, in Verkehr zu bringen, zu bewerben und/oder auf sonstige Weise zu benützen beziehungsweise benützen zu lassen. Die gemeinschaftsweite Zuständigkeit des angerufenen Handelsgerichts Wien nach Art 6 Z 1 EuGVVO iVm Art 97 Abs 1, 98 Abs 1 GMV sei gegeben, weil die Erstbeklagte die beanstandeten Waren über die in Österreich ansässige Zweitbeklagte vertrieben habe. Dass die Erstbeklagte ihre Rechte aus einem Lizenzvertrag mit einem dritten Markeninhaber ableite, sei nicht bescheinigt und auch unbeachtlich, weil die Klägerin gegenüber dieser Marke mit Priorität 10. 5. 2000 über ältere Rechte verfüge. Die Erstbeklagte vertreibe ihr Produkt nicht nur in Flaschen, sondern auch in mit „Pit Bull“ gekennzeichneten Dosen, die am oberen Rand mit der Aufschrift „Produced in Austria“ versehen seien und nach Österreich exportiert würden.
Die Erstbeklagte beantragte, den Sicherungsantrag abzuweisen. Das Erstgericht sei für die Erlassung einer auch außerhalb des Gebietes der Republik Österreich wirksamen einstweiligen Verfügung nicht zuständig. Die Zweitbeklagte habe die Waren nicht von der Erstbeklagten, sondern ohne deren Wissen und Willen von einem Getränkegroßhändler bezogen. Ansprüche nach dem UWG seien verjährt. Ansprüche nach Art 53 GMV seien verwirkt, weil die Klägerin gegen die Eintragung der Marke „Pit Bull“ in das Gemeinschaftsmarkenregister keinen Widerspruch erhoben und die Markenbenutzung während eines Zeitraums von fünf aufeinanderfolgenden Jahren geduldet habe. Die Marke „Pit Bull“ sei seit dem Jahr 2000 beim Europäischen Markenamt in Alicante registriert und seit damals ständig benützt worden; die Klägerin habe erst im Juni 2008 die Löschung dieser Marke beantragt. Die Erstbeklagte vertreibe in Österreich keine Dosen; diese würden ausschließlich für den bulgarischen Markt erzeugt. Ausgehend von ihrer Rechtsansicht bot die Erstbeklagte der Klägerin den Abschluss eines auf das Gebiet der Republik Österreich beschränkten Unterlassungsvergleichs an und wendete den Wegfall der Wiederholungsgefahr ein. Schließlich wendete die Erstbeklagte Streitanhängigkeit im Hinblick auf das von der Klägerin in Bulgarien eingeleitete (Löschungs-)Verfahren ein.
Die Klägerin replizierte, das Handelsgericht Wien sei nach Art 103 Abs 2 GMV gemeinschaftsweit zuständig. Beide Beklagten hätten dieselbe Verletzungshandlung, nämlich den Vertrieb des von der Erstbeklagten hergestellten Energy Drinks unter der Marke Pit Bull in der EU zu verantworten. Gerade für solche Sachverhaltskonstellationen sehe Art 6 Abs 1 EuGVVO vor, dass mehrere Personen vor dem Gericht verklagt werden könnten, an dem einer der Beklagten seinen Sitz habe. Nach Art 98 Abs 1 GMV erstrecke sich eine auf Art 97 Abs 1 GMV gegründete Zuständigkeit auf die in einem jeden Mitgliedstaat begangenen oder drohenden Verletzungshandlungen, weshalb ein Unterlassungsgebot mit gemeinschaftsweiter Wirkung zu erlassen sei. Jedenfalls sei die Zuständigkeit aufgrund der Verletzungshandlungen der Erstbeklagten in Österreich gegeben. Die verfolgten Ansprüche seien weder verjährt, noch habe sich die Klägerin verschwiegen. Die dreijährige Verjährungsfrist beginne ab Kenntnis der Markenverletzung zu laufen und sei weder zum Zeitpunkt der Klagseinbringung noch zum Zeitpunkt des Antrags auf Erlassung der einstweiligen Verfügung abgelaufen gewesen. Zur Duldung der Markenbenutzung über fünf aufeinanderfolgende Jahre in deren Kenntnis fehle jedes Tatsachensubstrat zu einer der Klägerin zurechenbaren Kenntnis der Benutzung. Im Übrigen habe die Klägerin sowohl die nationale Marke als auch die Gemeinschaftsmarke angefochten, woraus auf die mangelnde Duldung der Markenbenutzung zu schließen sei.
Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage der Anwendbarkeit des Art 6 EuGVVO bei Verletzungen von Gemeinschaftsmarken und zur Reichweite einer auf diesen Gerichtsstand gestützten Zuständigkeit des Gemeinschaftsmarkengerichts fehle, wenn die an der Markenverletzung Beteiligten in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässig sind.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig; entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 526 Abs 2 ZPO) ‑ Ausspruch des Rekursgerichts hängt die Entscheidung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO ab.
1. Zutreffend haben die Vorinstanzen Art 6 Nr 1 EuGVVO aufgrund der Anordnung der Art 94 Abs 1, 97 Abs 1 GMV auch auf die hier vorliegende Rechtsstreitigkeit im Gemeinschaftsmarkenrecht angewendet. Gemeinschafts-markengerichte, deren Zuständigkeit auf Art 94 GMV iVm Art 6 Nr 1 EuGVVO beruht, verfügen über unionsweite Entscheidungsbefugnisse (Schaper, Durchsetzung der Gemeinschaftsmarke 143 f; Hopf, Internationale Zuständigkeit und Kognitionsbefugnis bei der Verletzung von Gemeinschaftsmarken und -geschmacksmustern, MarkenR 2012, 229, 238).
1.1. Das Rekursgericht hat die internationale Zuständigkeit nach Art 6 Nr 1 EuGVVO mit der Begründung bejaht, es sei eine idente Verletzungsform und ein Zusammenwirken der Beklagten in einer „Verletzerkette“ (an der Markenverletzung seien in verschiedenen Mitgliedstaaten ansässige Hersteller, Importeure, Lieferanten bzw Groß- und Einzelhändler beteiligt) gegeben. Die Erstbeklagte habe den markenverletzenden Energy Drink hergestellt und vertrieben, die Zweitbeklagte habe ihn nach Österreich importiert und hier verkauft. Die gemeinsame Verhandlung und Entscheidung aller Klagen sei bei diesem Sachverhalt geboten, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren trotz gleicher Sach- und Rechtslage widersprechende Entscheidungen ergingen.
1.2. Diese Entscheidung weicht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung zu Art 6 Nr 1 EuGVVO nicht ab. Ziel dieser Bestimmung ist es, einander widersprechende Entscheidungen zu verhindern (RIS-Justiz RS0115274 [T10]). Es ist ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen den Klagen (Konnexität) erforderlich (EuGH C‑189/87 ‑ Kalfelis). Solches ist zu bejahen, wenn die Klagen im Wesentlichen tatsächlich oder rechtlich gleichartig sind. Ein ausreichender Zusammenhang wird regelmäßig bejaht, wenn die Entscheidung über den einen Anspruch vom anderen abhängt oder beide Ansprüche von der Lösung einer gemeinsamen Vorfrage abhängen (10 Ob 79/08b; RIS-Justiz RS0115274 [T9]). Der erforderliche Sachzusammenhang kann auch dann vorliegen, wenn die Klagen gegen die Mehrzahl der Beklagten auf verschiedenen Rechtsgrundlagen beruhen (4 Ob 173/09h mwN).
1.3. Im Streitfall liegt ein Zusammenwirken beider Beklagter in einer Verletzerkette und damit eine Beteiligung Mehrerer an einer einheitlichen Schutzrechtsverletzung vor; begehrt wird hinsichtlich beider Beklagter bei im Wesentlichen identischer Sachlage ein gemeinschaftsweites Verbot identischer Handlungen. Wenn das Rekursgericht unter diesen Umständen die Konnexität bejaht hat, beruht dies auf einer vertretbaren Rechtsansicht (zu einem vergleichbaren Sachverhalt bei Markenverletzung siehe etwa auch BGH 14. 12. 2006, I ZR 11/04 = GRUR 2007, 705).
1.4. Die im Revisionsrekurs zum Beleg der gegenteiligen Auffassung zitierte Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C‑539/03 ‑ Roche Nederland trifft den Anlassfall nicht, weil es sich dort um ein Patentverletzungsverfahren gehandelt hat. Im Gegensatz zur Gemeinschaftsmarke ist das europäische Patent ein Bündel aus einzelnen nationalen Rechten mit Folge der Anwendung unterschiedlicher nationaler Rechtsordnungen; demgegenüber sind Gemeinschaftsmarken gemeinschaftsweit einheitliche Rechte, die der einheitlichen Regelung der GMV unterliegen, was die Anwendbarkeit des Art 6 Nr 1 EuGVVO rechtfertigt (so auch Eisenführ in Eisenführ/Schennen, GMVO³ Art 97 Rn 13).
1.5. Im Übrigen hängt die Entscheidung, ob Konnexität gegeben ist, von den Umständen des Einzelfalls ab; eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO wird damit regelmäßig nicht berührt (RIS‑Justiz RS0109428 [T3]).
2.1. Die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zum Missbrauchsvorbehalt des Art 6 Z 2 EuGVVO (welche Bestimmung auch im Zusammenhang mit Art 6 Nr 1 EuGVVO zu prüfen ist: RIS-Justiz RS0119725) geht davon aus, dass es der Grundsatz der Rechtssicherheit verlangt, die besonderen Zuständigkeitsregeln so auszulegen, dass ein informierter, verständiger Beklagter vorhersehen kann, vor welchem Gericht er außerhalb seines Wohnsitzstaats verklagt werden könnte; es ist einem Kläger nicht erlaubt, eine Klage gegen mehrere Beklagte allein zu dem Zweck zu erheben, einen von diesen der Zuständigkeit der Gerichte seines Wohnsitzstaats zu entziehen (EuGH 13. 6. 2006, C‑103/05 Rn 25, 32).
2.2. Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Inanspruchnahme des Gerichtsstands der Streitgenossenschaft durch die Klägerin (Art 6 Z 2 EuGVVO) hat das Rekursgericht in vertretbarer Weise verneint. Seine Auffassung, im Bedürfnis der Klägerin, den Vertrieb von markenrechtsverletzenden Produkten abzustellen und die Neuaufnahme des Vertriebs durch Erwirkung eines gerichtlichen Unterlassungsgebots gegen die maßgeblichen Beteiligten in einer Vertriebskette zu unterbinden, liege ein sachlicher Grund für die Inanspruchnahme des in Anspruch genommenen Gerichtsstands, der den Missbrauchsvorwurf ausschließe, ist nach den Umständen des Einzelfalls nicht zu beanstanden. Dass die Klägerin mit der Zweitbeklagten nach Streitanhängigkeit einen Vergleich abgeschlossen hat, steht diesem Ergebnis nicht entgegen, steht doch nicht fest, dass ihr alleiniges Motiv dafür gewesen ist, die Erstbeklagte der Zuständigkeit des Gerichts ihres Sitzstaats zu entziehen. Im Übrigen hat die Erstbeklagte den Einwand des Rechtsmissbrauchs in erster Instanz nicht erhoben.
3.1. Der territoriale Anwendungsbereich der EuGVVO entspricht dem Geltungsbereich des Gemeinschaftsrechts der Mitgliedstaaten (EuGH 16. 2. 1978, Rs 61/77 ). Die Zuständigkeit des Erstgerichts nach Art 6 Nr 1 EuGVVO begründet demnach dessen Kognition für alle Mitgliedstaaten der Union.
3.2. Die territoriale Reichweite eines Verbots von Handlungen, die eine Gemeinschaftsmarke verletzen oder zu verletzen drohen, bestimmt sich sowohl nach der territorialen Zuständigkeit des dieses Verbot aussprechenden Gemeinschaftsmarkengerichts als auch nach der territorialen Reichweite des ausschließlichen Rechts des Inhabers einer Gemeinschaftsmarke, die verletzt wird oder verletzt zu werden droht. Daher ist ein Gemeinschaftsmarkengericht für die Entscheidung über im Gebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder sogar aller Mitgliedstaaten begangene oder drohende Verletzungshandlungen zuständig (EuGH 12. 4. 2011, C‑235/09 ‑ DHL Rn 33, 38).
4. Art 102 Abs 1 Satz 2 GMV unterwirft die erforderlichen Maßnahmen zur Einhaltung des Unterlassungsgebots ausdrücklich den nationalen Rechtsordnungen. Das Recht des Ortes der Verletzungshandlung ist gemäß Art 102 Abs 2 GMV hingegen nur auf in der GMV nicht geregelte Annexansprüche anzuwenden. Auch insoweit ist dem Rekursgericht kein Fehler unterlaufen.
5.1. Das Erstgericht hat einen Markeneingriff der Erstbeklagten im Hinblick auf den Wortbestandteil BULL bejaht, weil dieser in der Zusammensetzung „Pit Bull“ nicht völlig untergehe, und in den Augen der angesprochenen Verkehrskreise auch der bloße Wortbestandteil BULL bei einem nichtalkoholischen Getränk in Richtung Energy Drink weise und an die bekannte Marke der Klägerin denken lasse. Der Schutz der bekannten Marke verlange zwar keine Verwechslungsgefahr, wohl aber eine solche Ähnlichkeit, dass das Publikum die Zeichen gedanklich miteinander verknüpfe, weil es typischerweise nur dadurch zu einer Rufausbeutung, Rufbeeinträchtigung oder Verwässerung der bekannten Marke kommen könne. Die Erstbeklagte nutze die hohe Bekanntheit der Marke der Klägerin aus, um mit deren Hilfe das Interesse auf ihre eigenen Produkte zu lenken. Darauf deute auch die Verwendung des Begriffs „Pit Bull“, der an eine im Allgemeinen keine Sympathie auslösende Kampfhunderasse denken lasse und somit als Produktkennzeichnung für Konsumgüter wenig attraktiv erscheine; Anreiz für die Verwendung dieses Begriffs sei offensichtlich die Assoziation mit der bekannten Marke der Klägerin. Darin liege ein unlauteres Ausnutzen (zumindest) der Unterscheidungskraft der bekannten Marke.
5.2. Diese Beurteilung nach den Umständen des Einzelfalls weicht von europäischer Rechtsprechung (EuGH C-408/01 ‑ Adidas-Salomon; EuGH C-487/07 ‑ L'Oréal; EuGH C-252/07 ‑ Intel Corporation) und höchstgerichtlicher Rechtsprechung zum Schutz der bekannten Marke (RIS-Justiz RS0120364; RS0120365; 17 Ob 15/09v ‑ Styriagra; vgl auch OPM Om 5/10 ‑ Red Bull/Pitbull) nicht ab.
6. Der Revisionsrekurs ist daher wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 528 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.
7. Die Entscheidung über die Kosten der Klägerin beruht auf § 393 Abs 1 EO. Da die Klägerin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente ihr Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung.
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