European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E126576
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks */3 in *; zugunsten dieses Grundstücks ist ob des Grundstücks */2 des Beklagten die Servitut des Fahrt- und Gehrechts im Grundbuch einverleibt. An das Grundstück */2 grenzt das Grundstück ./1* an, das im Miteigentum des Beklagten und seiner Ehegattin steht.
Über den Grenzverlauf zwischen den Grundstücken */2 und ./1* und damit über die Reichweite der Dienstbarkeitsfläche besteht zwischen den Parteien seit längerem Streit. Aus diesem Grund hat der Beklagte etwa im Jahr 2007 Markierungen am Boden angebracht, um den seiner Meinung nach richtigen Grenzverlauf zu kennzeichnen. Zumindest seit 2010 begann er, Gegenstände, wie etwa Blumentöpfe, so zu platzieren, dass diese tatsächlich in die Dienstbarkeitsfläche auf dem Grundstück */2 hineinragten; solche Gegenstände wurden teilweise entfernt und teilweise wieder neu aufgestellt. Der Kläger hatte jedenfalls vor dem 27. 8. 2012 Kenntnis davon, dass die vom Beklagten aufgestellten Gegenstände in die Dienstbarkeitsfläche hineinragten. Bereits am 14. 8. 2012 machte er eine Eingabe an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen, in der er (ausgehend von den Mitteilungen des Privatgutachters) den tatsächlich richtigen Grenzverlauf zwischen den Grundstücken */2 und ./1* reklamierte.
Der Kläger begehrte mit Klage vom 26. 8. 2015 die Feststellung, dass ihm als Eigentümer des herrschenden Grundstücks gegenüber dem Beklagten als Eigentümer des dienenden Grundstücks die Dienstbarkeit des Geh- und Fahrtrechts auf dem Grundstück */2 gemäß dem Lageplan des Bundesamts für Eich- und Vermessungswesen aus dem Jahr 2012 zustehe, sowie weiters den Beklagten zu verpflichten, die von ihm auf der Dienstbarkeitsfläche aufgestellten Hindernisse zu entfernen und weitere Störungshandlungen zu unterlassen.
Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Für die Freiheitsersitzung genüge, dass der Dienstbarkeitsberechtigte das Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit beeinträchtige, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können. Die vom Beklagten zumindest seit 2010 errichteten Hindernisse beeinträchtigten das Servitutsrecht des Klägers manifest. Außerdem sei dem Kläger bei seiner Eingabe an das Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen am 14. 8. 2012 bekannt gewesen, dass sich die vom Beklagten aufgestellten Gegenstände auf der Dienstbarkeitsfläche befanden. Die Voraussetzungen für die Freiheitsersitzung seien damit gegeben.
Rechtliche Beurteilung
Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf:
1. Die Freiheitsersitzung nach § 1488 ABGB ist ein Fall der Verjährung einer bestehenden Dienstbarkeit und erfolgt durch die Inanspruchnahme des Vollrechts durch den Eigentümer der belasteten Liegenschaft in Verbindung mit einer manifesten Beeinträchtigung des Servitutsrechts durch ein Hindernis für die umfassende Ausübung der Dienstbarkeit (RIS‑Justiz RS0034288; RS0037141). Dabei genügt es, dass der Dienstbarkeitsberechtigte ein vom Belasteten geschaffenes Hindernis, das die Ausübung seiner Dienstbarkeit zumindest beeinträchtigt, bei gewöhnlicher Sorgfalt hätte wahrnehmen können (RS0034271 [T10 und T11]; 1 Ob 95/19f). Die Freiheitsersitzung kann auch zur Einschränkung der Dienstbarkeit, etwa in Bezug auf die räumliche Ausdehnung führen (RS0034281).
Die Frage, ob sich der Belastete der Ausübung einer Servitut im Sinn des § 1488 ABGB widersetzt, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen und begründet in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage (RS0034288 [T2]; RS0034241 [T9]).
2.1 Die Vorinstanzen sind von diesen Grundsätzen nicht abgewichen.
Die Beurteilung, dass im Anlassfall bei Einbringung der Klage am 26. 8. 2015 die dreijährige Frist nach § 1488 ABGB bereits vollendet gewesen sei, hält sich im Rahmen der Rechtsprechung.
2.2 Für die Entscheidung ist die Beantwortung der Frage maßgebend, ab wann für den Kläger wahrnehmbar war, dass der Beklagte Gegenstände, wie etwa Blumentöpfe, in die Dienstbarkeitsfläche stellte, um die Ausübung der Dienstbarkeit zu beeinträchtigen und diese dadurch räumlich einzuschränken. Nach den Feststellungen war dies jedenfalls seit 2010 der Fall, wobei der Beklagte auf dem Boden auch Markierungen angebracht hatte, um die von ihm als unbelastet beanspruchte Fläche zu kennzeichnen.
Entgegen den Ausführungen des Klägers hat der Beklagte die Gegenstände nur teilweise wieder entfernt. Außerdem ist für die Widersetzlichkeit nur erforderlich, dass es sich um keine bloß vorübergehende Störung handelt (8 Ob 122/15x). Davon abgesehen ergibt sich aus den Feststellungen, dass dem Kläger Mitte August 2012 bekannt war, dass sich die vom Beklagten aufgestellten Gegenstände in der Dienstbarkeitsfläche befanden.
3. Insgesamt gelingt es dem Kläger mit seinen Ausführungen nicht, eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Auch die relevierten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor.
Die außerordentliche Revision war daher zurückzuweisen.
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