European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00146.18A.0823.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Der Antrag der Erlagsgegnerin auf Zuspruch der Kosten der Revisionsrekursbeantwortung wird abgewiesen.
Begründung:
Im Erlagsantrag wurde vorgebracht, die Erleger schuldeten der Erlagsgegnerin „an Schadenswiedergutmachung auf Grund des Vorfalles im Mai/Juni 2017 hinsichtlich des Projektes G*****straße ***** den Betrag von 100.000 EUR zzgl Verzugszinsen von 10 % seit 1.6.2017“. Es handle sich um eine Schadenersatzforderung. Der Betrag sei auf das Konto des Anwalts der Erlagsgegnerin überwiesen worden; dieser habe die Verweigerung der Annahme brieflich mitgeteilt und den Betrag rücküberwiesen.
Vom Erstgericht zu näheren Ausführungen betreffend die aushaftende Schuld aufgefordert, ergänzten die Erleger lediglich, „dass der Rechtsgrund der Forderung der Erlagsgegnerin gegenüber den Erlegern Schadenersatz aus dem genannten Vorfall“ sei.
Die Erleger zeigen in ihrem Revisionsrekurs gegen die Abweisung des Erlagsantrags durch die Vorinstanzen keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:
Rechtliche Beurteilung
1. Nach ständiger Rechtsprechung ist im Erlagsgesuch der Erlagsgrund anzugeben. Das Erlagsgericht hat zu prüfen, ob ein Grund wie der angegebene zur Hinterlegung iSd § 1425 ABGB an sich taugt. Hingegen ist weder zu prüfen, ob der Erlag rechtmäßig ist (RIS‑Justiz RS0033495; RS0106153), noch ob der angeführte Hinterlegungsgrund tatsächlich gegeben ist (RIS‑Justiz RS0112198). Ein den Erlag rechtfertigender Tatbestand muss jedoch behauptet werden (RIS‑Justiz RS0033495 [T1]); vom Erlagsantrag müssen Zweifel über den Erlagszweck möglichst ausgeschlossen werden (RIS‑Justiz RS0112383).
Dem Erlagsgericht obliegt dabei nur eine Schlüssigkeitsprüfung des Vorbringens des Erlegers zu den Hinterlegungsvoraussetzungen (RIS‑Justiz RS0112198 [T2, T3, T19]; RS0033495 [T2]), insbesondere zu Hinterlegungsgrund und -zweck (3 Ob 88/14h mwN). Die Schlüssigkeit ist nur aufgrund der Behauptungen des Erlegers im Erlagsantrag zu überprüfen (8 Ob 71/09p mwN).
Bei der Beurteilung der Schlüssigkeit sind immer die Umstände des Einzelfalls maßgeblich, die in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG begründen (RIS‑Justiz RS0112198 [T21]; vgl RIS‑Justiz RS0116144; RS0042828).
2.1. Der Erlag durch den Schuldner nach § 1425 ABGB setzt voraus, dass die Schuld nicht bezahlt werden kann, „weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist“ oder sie aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Die in § 1425 ABGB vorausgesetzte Unmöglichkeit der Leistung muss keine absolute sein; es ist ausreichend, dass die Schuldbefreiung aus Gründen, die auf Seite des Gläubigers liegen, nicht ohne Gefahr einer nochmaligen Leistung erreicht werden kann (RIS‑Justiz RS0118151).
2.2. Unklarheit der Rechtslage bildet zwar einen rechtlichen Grund zum Gerichtserlag iSd § 1425 ABGB (RIS‑Justiz RS0033610). Besteht aber die unklare Sach- und Rechtslage nur zwischen einem Schuldner und einem Gläubiger, so ist der Schuldner zur gerichtlichen Hinterlegung des Geschuldeten nicht berechtigt, weil dadurch die Streitaustragung nicht vermieden wird und keine Tilgung herbeigeführt werden kann (RIS‑Justiz RS0033610 [T6]). Die Unklarheit oder Strittigkeit der Sach- und/oder Rechtslage zwischen einem Schuldner und seinem Gläubiger gibt daher als solche noch kein Recht zur Hinterlegung (6 Ob 87/11d mwN).
2.3. „Unzufriedenheit“ des Gläubigers als Erlagsgrund meint Fälle, in denen der Gläubiger die Leistung nicht als dasjenige annehmen will, als das sie ihm vom Schuldner angeboten wird. Dieser Hinterlegungsgrund knüpft also daran an, dass der Gläubiger die angebotene Leistung – etwa hinsichtlich ihres Ausmaßes oder ihres rechtlichen Charakters – anders qualifiziert als der Schuldner (RIS‑Justiz RS0033312 [T3]). Im Fall einer endgültigen Annahmeverweigerung durch den Gläubiger ist auch im zweipersonalen Verhältnis die Hinterlegung wegen „Unzufriedenheit“ zulässig, worunter – in einem Größenschluss – auch der Annahmeverzug subsumiert wird (3 Ob 88/14h mwN).
2.4. Eine Geldschuld ist nach § 907a Abs 1 ABGB am Wohnsitz oder an der Niederlassung des Gläubigers zu erfüllen, indem der Geldbetrag dort übergeben oder auf ein vom Gläubiger bekanntgegebenes Bankkonto überwiesen wird.
Die Zahlung mit Buchgeld – also zB die Überweisung auf ein Bankkonto – ist, wenn nicht schon ursprünglich vereinbart, eine Leistung an Zahlungs statt, die des (konkludenten) Einverständnisses des Gläubigers (zB Bekanntgabe von Konten; Zusendung von Zahlscheinen) bedarf. Macht der Gläubiger von der Möglichkeit Gebrauch, einer Überweisung eines Forderungsbetrags auf ein Konto nicht zuzustimmen, kann dies für sich allein nicht als Annahmeverzug bzw als „Unzufriedenheit“ des Gläubigers iSd § 1425 ABGB gewertet werden (9 Ob 90/08g mwN).
3. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist die Ansicht der Vorinstanzen, dass es den Erlegern nicht gelungen ist, einen Erlagsgrund schlüssig zu behaupten, nicht korrekturbedürftig. Abgesehen davon, dass keine hinreichende Konkretisierung des schadenersatzbegründenden „Vorfalles“ erfolgt und daher die Ansicht des Rekursgerichts vertretbar ist, dass nicht zweifelsfrei dargelegt wurde, von konkret welcher Schuld sich die Erleger durch den Erlag befreit sehen wollen (vgl RIS‑Justiz RS0033636), ist dem allein relevanten Antragsvorbringen trotz Verbesserungsverfahren nicht zu entnehmen, welche Unklarheit der Rechtslage oder inwiefern eine zur Hinterlegung berechtigende „Unzufriedenheit“ – insbesondere ein Annahmeverzug – der Gläubigerin vorliegen sollte.
4. Die von den Revisionsrekurswerbern ins Treffen geführte Wendung in 8 Ob 71/09p – nur wenn nach einer Zuverlässigkeitsprüfung schon aus den Angaben des Erlegers hervorgeht, dass der von ihm benannte Erlagsgegner nicht Gläubiger des Erlegers sein kann, ist der Hinterlegungsantrag abzuweisen (vgl RIS‑Justiz RS0112198 [T9]) – ist nicht dahin zu verstehen, dass dies der einzig zulässige Fall einer Abweisung wegen Unschlüssigkeit wäre. Vielmehr wird damit bloß zum Ausdruck gebracht, dass die Berechtigung des Erlags nicht zu prüfen ist, sondern eine Schlüssigkeitsprüfung zu einer Abweisung führen muss, wenn schon aufgrund der Antragsangaben der – nur durch die Erklärung des Erlegers bestimmte (6 Ob 9/03x; RIS‑Justiz RS0006720) – Erlagsgegner nicht Gläubiger des Erlegers sein kann (vgl 7 Ob 56/11b); es unterliegt nämlich auch die Parteistellung aller Erlagsgegner – auch die der ausdrücklich benannten – einer Schlüssigkeitsprüfung (RIS‑Justiz RS0006720 [T8]; vgl RS00112198 [T17]). Hier geht es jedoch nicht um die Person des Erlagsgegners, sondern um die vom Gericht vorzunehmende Schlüssigkeitsprüfung der Behauptungen zu Erlagsgrund und -zweck. Auch insofern wird keine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen aufgezeigt.
5. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).
6. Der Erlagsgegnerin steht für die vor Freistellung durch den Obersten Gerichtshof (vgl § 71 Abs 2 AußStrG) eingebrachte Revisionsrekursbeantwortung gemäß der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatzanspruch zu (RIS‑Justiz RS0124792).
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