OGH 4Ob134/13d

OGH4Ob134/13d27.8.2013

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Schenk als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik, Dr. Musger und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Familienrechtssache des Antragstellers Ing. M***** F*****, vertreten durch Dr. Alexandra Eder, Rechtsanwältin in Innsbruck, als Verfahrenshelferin, gegen die Antragsgegnerin S***** F*****, vertreten durch Dr. Harald Burmann und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Enthebung von der Unterhaltspflicht, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den in Ablehnungssachen ergangenen Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 5. Juni 2013, GZ 10 R 40/13b‑4, mit welchem der Rekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 19. April 2013, GZ 52 Nc 2/12b‑1, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2013:0040OB00134.13D.0827.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Der Antragsteller begehrte beim Bezirksgericht Innsbruck die Enthebung von seiner Unterhaltspflicht ab September 2009. Das Bezirksgericht gab seinem Antrag mit Beschluss vom 23. Mai 2011 für die Zeit ab Jänner 2011 zur Gänze statt; für die Zeit davor setzte es die Unterhaltspflicht auf einen bestimmten Betrag herab und wies das Mehrbegehren ab. Der Antragsteller erhob gegen den abweisenden Teil des Beschlusses Rekurs. Das Landesgericht Innsbruck gab diesem Rekurs mit Beschluss vom 23. Februar 2012 Folge und enthob den Antragsteller ab September 2009 zur Gänze von seiner Unterhaltspflicht. Der Vorsitzende des Rekurssenats verfügte am 7. März 2012 die Abfertigung der Entscheidung an das Erstgericht; diese Verfügung langte mit dem Akt am 8. März 2012 in der Geschäftsabteilung ein und wurde am selben Tag vollzogen. Die Entscheidung wurde den Parteien am 21. März 2012 zugestellt, ein Rechtsmittel erhoben sie nicht.

Schon am 8. März 2012 war beim Landesgericht Innsbruck ein Schriftsatz des Antragstellers eingelangt, mit dem er unter anderem zwei Mitglieder des Rekurssenats ablehnte. Zur Begründung verwies er auf seiner Ansicht nach grob mangelhafte Entscheidungen im Rahmen seines Schuldenregulierungsverfahrens, an denen die abgelehnten Richter mitgewirkt hätten. Daraus sei deren fehlende Objektivität abzuleiten. Dieser Antrag wurde beim Landesgericht am 9. März 2012 ausgedruckt und erfasst.

Das Landesgericht Innsbruck wies die Ablehnung mit Beschluss vom 19. April 2013 zurück, weil aus näher dargestellten Gründen keine Befangenheit vorliege.

Das Oberlandesgericht Innsbruck wies den gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs des Antragstellers zurück. Die Senatsmitglieder hätten bei Fällung der Rekursentscheidung im familienrechtlichen Verfahren noch keine Veranlassung gehabt, sich nach § 25 JN der Entscheidung zu enthalten. Mangels Anfechtung sei ihre Entscheidung rechtskräftig geworden. Daher fehle dem Rekurs das Rechtsschutzinteresse. Den Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht aufgrund einer Zulassungsvorstellung des Antragstellers nachträglich zu, weil aus der Entscheidung 3 Ob 50/95 abgeleitet werden könnte, dass über den Ablehnungsantrag inhaltlich zu entscheiden gewesen sei.

In seinem Revisionsrekurs macht der Antragsteller geltend, dass ein vor Zustellung der Entscheidung überreichter Ablehnungsantrag inhaltlich zu erledigen und auch bei einer nicht mehr anfechtbaren oder angefochtenen Entscheidung zur Aufhebung nach § 25 JN führen könne. Die in dieser Bestimmung angeordnete Nichtigkeit sei ohne Rücksicht auf die Auswirkungen im Einzelfall wahrzunehmen. Der Antragsteller sei durch die Rekursentscheidung im Unterhaltsverfahren beschwert, weil das Rekursgericht eine bestimmte Argumentation nicht aufgegriffen und dem Rechtsmittel aus anderen Gründen Folge gegeben habe. Durch eine inhaltliche Entscheidung im Ablehnungsverfahren würde das vom Antragsteller in Vorverfahren „erlittene Unrecht“ dokumentiert, was auch für zukünftige Verfahren Bedeutung habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist nicht zulässig.

1. Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ist nicht nur die formelle, sondern auch die materielle Beschwer (4 Ob 576/94 = SZ 67/230; RIS-Justiz RS0041868, RS0006497; Zechner in Fasching / Konecny 2 Vor § 514 ZPO Rz 66 mwN). Sie liegt vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, er also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RIS-Justiz RS0041746, RS0043815). Ist das nicht der Fall, so ist das Rechtsmittel auch dann zurückzuweisen, wenn die Entscheidung formal vom Antrag abweicht (4 Ob 576/94; RIS-Justiz RS0041868 [insb T14, T15]). Das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse fehlt, wenn die Entscheidung nur mehr theoretisch-abstrakte Bedeutung hätte (RIS-Justiz RS0002495).

2. Ein Rechtsschutzbedürfnis ist hier trotz des sorgfältig ausgeführten Revisionsrekurses nicht zu erkennen. Der Antragsteller hat im Unterhaltsverfahren zur Gänze obsiegt; die Antragsgegnerin hat den diesbezüglichen Beschluss des Rekursgerichts nicht angefochten. Mehr konnte der Antragsteller in diesem Verfahren nicht erreichen. Aus den Gründen einer Entscheidung kann eine Beschwer - von hier nicht vorliegenden Ausnahmen abgesehen (Aufhebungsbe-schluss, Zwischenurteil, Rechtsgestaltungsklage nach § 105 ArbVG) ‑ nicht abgeleitet werden (RIS-Justiz RS0043947; zuletzt 1 Ob 210/12g mwN). Das hier zu beurteilende Ablehnungsverfahren kann daher die Rechtsstellung des Antragstellers im zugrunde liegenden Unterhaltsverfahren nicht weiter verbessern. Das Ablehnungsverfahren ist kein Selbstzweck (1 Ob 211/09z); es dient insbesondere nicht dazu, ein in früheren Verfahren angeblich erlittenes Unrecht festzustellen.

3. Aus diesen Gründen ist der Antragsteller durch die unterbliebene Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung im Ablehnungsverfahren nicht beschwert. Sein Revisionsrekurs ist daher ohne Prüfung der Frage zurückzuweisen, bis zu welchem Zeitpunkt ein Ablehnungsantrag gestellt werden müsste, um im Sinn von 3 Ob 50/95 die Nichtigerklärung einer nicht anfechtbaren oder im konkreten Fall nicht angefochtenen Entscheidung zu ermöglichen.

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