OGH 4Ob132/16i

OGH4Ob132/16i15.6.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Jensik, Dr. Musger, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Rassi als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. J***** R***** 2. E***** R*****, beide *****, vertreten durch Dr. Anton Waltl und andere Rechtsanwälte in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. E***** W***** 2. R***** W*****, beide *****, vertreten durch Kinberger-Schuberth-Fischer Rechtsanwälte-GmbH in Zell am See, wegen Unterlassung (Streitwert 7.000 EUR), über die Revision der Kläger gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 3. März 2016, GZ 53 R 315/15b‑29, womit das Urteil des Bezirksgerichts Zell am See vom 30. September 2015, GZ 20 C 1022/14y‑22, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0040OB00132.16I.0615.000

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, den beklagten Parteien die mit 720,12 EUR (darin 120,02 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Kläger sind seit 1975 die Eigentümer eines Grundstücks. Die Beklagten sind seit 1991 die Eigentümer einer daran angrenzenden Liegenschaft und betreiben dort einen landwirtschaftlichen Betrieb. Seit zumindest 1973 treiben die Rechtsvorgänger der Beklagten bzw diese selbst ihr Vieh über ein Teilstück des klägerischen Grundstücks. Dabei handelt es sich um einen Durchgang, der von einer Hecke und einer Baulichkeit gebildet wird. Dieses Teilstück erwarben die Kläger 1995 von der Gemeinde. Die Beklagten pachteten zwischen 1989 und 2012 mehrere Liegenschaften der Kläger, unter anderem auch das klagsgegenständliche Grundstück. Von der Verpachtung war allerdings ein Wohnhaus „mit dem umliegenden Grund innerhalb der Einfriedung sowie der Hofraum“ ausgenommen. Es steht nicht fest, ob sich der Durchgang innerhalb der genannten Einfriedung befand und damit von der Verpachtung ausgenommen war.

Die Kläger begehrten, den Beklagten zu untersagen, ihr Vieh über den Durchgang auf dem klägerischen Grundstück zu treiben. Eine Ersitzung des Viehtriebrechts sei durch die Verpachtung des Grundstücks an die Beklagten ausgeschlossen.

Die Beklagten beriefen sich ua darauf, das Recht zum Viehtrieb auf dem Durchgang ersessen zu haben.

Das Erstgericht gab der Klage statt und ging im Wesentlichen davon aus, dass die Ersitzung wegen der Verpachtung des Grundstücks gescheitert sei. Es stehe nicht fest, ob der strittige Bereich vom Pachtvertrag umfasst war, weshalb die Ersitzung eines Viehtriebrechts als Rechtfertigung für den Eigentumseingriff von den Beklagten nicht bewiesen worden sei.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Es bejahte die Ersitzung des Viehtriebrechts. Die Ersitzung einer Servitut werde zwar unterbrochen, wenn die Gewahrsame an der Sache rechtsgeschäftlich (etwa durch einen Bestandvertrag) übertragen wird. Das non‑liquet über den Umfang des Pachtvertrags gehe hier aber zu Lasten der für die Unterbrechung der Ersitzungszeit beweisbelasteten Kläger. Das Berufungsgericht ließ über Antrag der erstbeklagten Partei die Revision nach § 508 ZPO zu.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Kläger ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

Nach gesicherter Rechtsprechung können Sachen, an denen dem Berechtigten die Gewahrsame rechtsgeschäftlich überlassen wurde, nicht ersessen werden (RIS‑Justiz RS0034095; RS0011508); dies gilt insbesondere auch für Dienstbarkeiten (5 Ob 211/09d mwN). Die rechtsgeschäftliche Überlassung eines Gebrauchsrechts kann deshalb nicht zur Ersitzung führen, weil es dann außer am Ersitzungsbesitz auch an der Redlichkeit fehlt (RIS‑Justiz RS0034095 [T4, T5, T6]). Somit schließt das Vorliegen eines Bestandvertrags die Ersitzung von Dienstbarkeiten aus (vgl auch RIS-Justiz RS0011663; RS0034106).

Die Behauptungs‑ und Beweislast für das Vorliegen der Ersitzungsvoraussetzungen trifft den Ersitzungsbesitzer (RIS‑Justiz RS0034251; RS0034243; RS0034237). Der Gegner ist vorerst nicht verhalten, ein Vorbringen zu erstatten, dass und weshalb die vom Kläger behaupteten anspruchsbegründenden Voraussetzungen nicht gegeben sind. Seine Sache ist es allerdings, die rechtshemmenden oder rechtsvernichtenden Tatsachen vorzubringen, somit etwa ein die Ersitzung ausschließendes Verhältnis unter Beweis zu stellen (1 Ob 14/93 = SZ 66/59; RIS‑Justiz RS0034237). Er muss einen im Verlauf der Ersitzungszeit eingetretenen Verlust des Besitzes, eine Unterbrechung der Ersitzung (RIS‑Justiz RS0034251) oder, den Bestand eines die Ersitzung ausschließenden Verhältnisses (1 Ob 18/83 = SZ 56/111; RIS‑Justiz RS0034106) ebenso beweisen wie die fehlende Redlichkeit (RIS‑Justiz RS0034237 [T5, T6]; RS0034251; RS0010175 [T2, T7]; RS0010185), die nach § 328 ABGB vermutet wird.

Die abweisende Entscheidung des Berufungsgerichts hält sich im Rahmen der aufgezeigten Rechtsprechung, weil den Klägern der Nachweis nicht gelungen ist, dass der die Ersitzung ausschließende Pachtvertrag auch den streitgegenständlichen Durchgang auf dem Grundstück der Kläger umfasste.

Mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision damit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO; die Beklagten wiesen auf die Unzulässigkeit hin.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte