OGH 3Ob227/04k

OGH3Ob227/04k24.11.2004

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Pimmer, Dr. Zechner, Dr. Sailer und Dr. Jensik als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 10. Oktober 2003 verstorbenen, Rosa Maria L*****, infolge außerordentlichen Revisionsrekurses des Legatars Dr. Helmut L*****, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 9. August 2004, GZ 1 R 281/04g-31, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Frohnleiten vom 27. Juni 2004, GZ 4 A 173/03i-28, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs des Legatars Dr. Helmut L***** wird dahin Folge gegeben, dass seine Erbserklärung zu Gericht angenommen wird.

Text

Begründung

Die Erblasserin setzte in ihrem Testament vom 1. August 2002 eine Hausfrau zur Alleinerbin ein und widerrief alle vorherigen Testamente. Ihrem "Neffen" (nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien im Rechtsmittelverfahren ist er ihr Stiefsohn, der Sohn ihres vorverstorbenen Ehegatten), dem Revisionsrekurswerber (im Folgendem nur 1. Legatar), vermachte sie ihre Briefmarkensammlung (Punkt 2.), dessen Sohn (im Folgenden nur 2. Legatar) einen PKW. Das Erstgericht nahm mit Beschluss vom 1. April 2004 die unbedingte Erbserklärung der eingesetzten Erbin zum gesamten Nachlass zu Gericht an.

Der 1. Legatar gab ebenfalls aufgrund "des Testamentes" eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass mit der Behauptung ab, die eingesetzte Erbin sei erbunwürdig, weil sie die Erblasserin betrügerisch geschädigt habe und insoweit Ermittlungen der zuständigen Staatsanwaltschaft geführt würden.

Das Erstgericht wies diese Erbserklärung zurück, weil die Staatsanwaltschaft die gegen die eingesetzte Erbin erstattete Anzeige zurückgelegt habe und eine Erbunwürdigkeit daher nicht erwiesen sei. Das Erbrecht des 1. Legatars sei bis dato nicht gehörig ausgewiesen.

Mit dem nun angefochtenen Beschluss bestätigte das Gericht zweiter Instanz diesen Beschluss und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige, der ordentliche Revisionsrekurs aber nicht zulässig sei.

Zwar zeige der 1. Legatar richtig auf, dass über die Frage der Erbunwürdigkeit nicht das Verlassenschaftsgericht, sondern der Streitrichter zu entscheiden habe, und der Zurücklegung der Anzeige durch die Staatsanwaltschaft keine bindende Wirkung zukomme. Der 1. Legatar habe eine bedingte Erbserklärung zum gesamten Nachlass "aufgrund des Testaments" abgegeben und beziehe sich offensichtlich auf das Testament vom 1. August 2002. Seiner Ansicht stehe entgegen, dass dieses Testament keine Erbseinsetzung zugunsten eines der beiden Legatare enthalte. Der Wert der Legate stelle auch nur einen geringfügigen Teil des gesamten Nachlasses dar, sodass die Erblasserin damit auch nicht über alle oder die wesentlichen Teile des Nachlasses verfügt habe und dies daher [k]eine Erbeinsetzung bedeuten könnte. Selbst bei Erbunwürdigkeit der Testamentserbin könne die Erbserklärung aus dem Titel dieses Testaments nie zur Einantwortung des Nachlasses zugunsten des 1. Legatars führen.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs des sich auf § 726 ABGB berufenden 1. Legatars ist zulässig und berechtigt.

Zutreffend ist das Rekursgericht davon ausgegangen, dass sich der 1. Legatar bei seiner Erbserklärung im Verfahren erster Instanz auf dasselbe Testament berufen hatte wie die darin eingesetzte Erbin. Dies stellte er in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs durch Anführung des Datums des Testaments nochmals klar. Zu Recht rügt er aber, die zweite Instanz habe sich zu Unrecht nicht damit auseinandergesetzt, dass er seine Erbserklärung auf § 726 ABGB gestützt habe. Tatsächlich berief er sich in seinem Rekurs, mag auch der Schwerpunkt der Rekursausführungen bei der versuchten Darlegung der Erbunwürdigkeit der eingesetzten Erbin gelegen sein, ausdrücklich auf sein Erbrecht "aufgrund der klaren Regelung des § 726 ABGB", wogegen er nie die vom Rekursgericht (zu Recht) abgelehnte Stellung eines eingesetzten Testamentserben in Anspruch nahm. Nun ist es zwar richtig, dass die an das Verlassenschaftsgericht gerichtete Erbserklärung insoweit unklar war, als darin im Gegensatz zum Rekurs ein Hinweis auf § 726 ABGB völlig fehlt. Sollte aus diesem Grund das Rekursgericht der Ansicht gewesen sein, sich mit der Frage eines Erbrechts aufgrund des § 726 ABGB nicht auseinandersetzen zu müssen, wäre ihm entgegenzuhalten, dass nach stRsp ein Erbansprecher den von ihm in Anspruch genommenen Erbrechtstitel bis zur Rechtskraft der Einantwortung ändern kann (Welser in Rumme§§ 799, 800 ABGB Rz 10 mN aus der Rsp). Selbst wenn demnach in der Klarstellung, er mache das außerordentliche Erbrecht als Legatar geltend, nicht bloß eine Erläuterung, sondern eine Änderung des beanspruchten Erbrechtstitels gelegen wäre, hätte sich die Rekursinstanz damit befassen müssen. Es kann dahingestellt bleiben, ob das außerordentliche Erbrecht der Legatare auf dem Gesetz beruht (Kralik, Erbrecht 82; Welser aaO § 726 ABGB Rz 4), weil Legatare jedenfalls nach übereinstimmender Meinung wie eingesetzte Erben zu behandeln sind (4 Ob 536/88 = JBl 1988, 712 = NZ 1988, 327; Eccher in Schwimann², § 726 ABGB Rz 4; Welser aaO § 726 ABGB Rz 4). Schon deshalb ist die abgegebene Erbserklärung des 1. Legatars, die nach § 121 Abs 2 AußStrG abgegeben werden muss, nicht zu beanstanden.

Nach § 726 letzter Satz ABGB werden die Legatare verhältnismäßig als Erben betrachtet, wenn (neben den eingesetzten) auch die gesetzlichen Erben der Erbschaft entsagen. Dieses sogenannte außerordentliche oder subsidiäre Erbrecht der Legatare kommt immer dann zum Tragen, wenn die gesetzlichen Erben aus welchen Gründen immer, nicht zum Nachlass gelangen (SZ 43/148; SZ 47/129 = EvBl 1975/176 = NZ 1975/168; JBl 1988, 712; Eccher aaO § 726 ABGB Rz 2), also auch dann, wenn die Erben erbunwürdig sind (zutreffend Welser aaO § 726 ABGB Rz 3). Dieses außerordentliche Erbrecht des Legatars setzt nur eine gültige Berufung seiner Person zum Vermächtnisnehmer voraus. Formungültige oder widerrufene Vermächtnisse reichen dazu nicht aus (2 Ob 508/96 = SZ 71/83 = NZ 1998, 340; RIS-Justiz RS0109928). In Punkt 2. ihres Testaments vom 1. August 2002 hat die Erblasserin dem 1. Legatar ihre Briefmarkensammlung vermacht. Bedenken gegen die äußere Form des fremdhändigen, durch drei Zeugen unterschriebenen Testaments sind nicht ersichtlich und wurden auch im Verfahren nicht geltend gemacht.

Entgegen der in der ihr vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsrekursbeantwortung vorgetragenen Auffassung der erbserklärten Testamentserbin kommt es nach der Rsp zu § 726 ABGB auf ein Naheverhältnis des Legatars zum Erblasser nicht an. Es ist daher unerheblich, dass die Erblasserin den 1. Legatar, ihren Stiefsohn, als "Neffen" bezeichnete. Zwar sind Legatare nur verhältnismäßig als Erben zu betrachten, woraus abgeleitet wird, dass sie Erbquoten nach dem Verhältnis des Wertes ihrer Vermächtnisse erhalten (JBl 1988, 712; 3 Ob 518, 519/91 = NZ 1992, 131; 2 Ob 508/96; Eccher und Welser je aaO § 726 ABGB Rz 4). Es vermag dem Legatar aber nicht zu schaden, dass allenfalls der ihm vermachte Gegenstand nur einen geringen Wert im Vergleich zum Gesamtnachlass ausmacht. Der 2. Legatar hat (zumindest bisher) keine Erbserklärung abgegeben. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob dann, wenn nur einer von mehreren Legataren eine Erbserklärung abgibt, Anwachsung iSd § 560 ABGB einzutreten hat oder nicht. Anlässlich der Annahme einer Erbserklärung darf nicht über die dem Erbansprecher zukommende Erbquote abgesprochen werden. Eine materielle Erledigung findet nämlich die Erbserklärung immer erst durch die Einantwortung, der Akt der Annahme soll lediglich den Kreis der am Verlassenschaftsverfahren beteiligten Erbansprecher festlegen (5 Ob 508/94 = JBl 1994, 555 = NZ 1994, 210; 1 Ob 41/01p = RPflA 2001/8751; 7 Ob 164/01w = NZ 2002, 148; RIS-Justiz RS0013482). Im Übrigen stünde die Erbquote des 1. Legatars (Verhältnis des Wertes seines Legats zum Gesamtwert aller Legate) noch gar nicht fest.

Die mit § 726 ABGB verfolgte, klar erkennbare Absicht des Gesetzgebers ist darauf gerichtet, den Nachlass, bevor er heimfällig wird, doch Personen zuzuwenden, die in einem besonderen Naheverhältnis zum Erblasser stehen; auch das außerordentliche Erbrecht der Legatare soll dem vermuteten Willen des Erblassers gerecht werden (JBl 1988, 712; 7 Ob 641/90 = JBl 1991, 724; 7 Ob 579/91 = EvBl 1992/13; 2 Ob 508/96; RIS-Justiz RS0012812), wie die eingesetzte Erbin in ihrer Revisionsrekursbeantwortung hervorhebt. Dennoch übersieht sie, dass sich diese Aussage auf den Willen des Gesetzgebers bezieht und es keinesfalls Sache des Verlassenschaftsgerichts ist zu prüfen, ob das subsidiäre Erbrecht der Legatare auch tatsächlich dem Willen des Erblassers entspricht. Vielmehr soll, wie sich aus den zitierten Entscheidungen ergibt, dem vermuteten Willen des Erblassers in der Weise Rechnung getragen werden, dass anstelle des Heimfalls der Verlassenschaft an den Staat die Legatare als solche Personen, die in einem "gewissen Naheverhältnis" zum Erblasser standen, die Erbschaft erhalten sollen. Aus den dargelegten Gründen sind die weiteren Neuerungen in der Revisionsrekursbeantwortung unerheblich. Da sich aus der Todfallsaufnahme kein Hinweis auf irgendwelche gesetzliche Erben ergibt, kann auch dem 1. Legatar nicht mit Recht entgegengehalten werden, er habe das Fehlen von gesetzlichen Erben nicht dargetan.

Dass über die Frage der Erbunwürdigkeit eines Erben im Verlassenschaftsverfahren nicht zu befinden ist, hat bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt (SZ 37/85 = EvBl 1964/443 u.a., zuletzt 4 Ob 295/98f; RIS-Justiz RS0012266; Eccher aaO § 540 ABGB Rz 4; Welser aaO § 540 ABGB Rz 4, je mwN).

Der Grundsatz des § 122 AußStrG, wonach jede in der vorgeschriebenen Form abgegebene Erbserklärung vom Gericht anzunehmen ist, gilt nach stRsp nur nicht, wenn der in Anspruch genommene Erbrechtstitel keinesfalls zu einer Einantwortung des Nachlasses an den Erbserklärten führen kann (stRsp, zuletzt 6 Ob 45/04t; RIS-Justiz RS0007986; Welser aaO §§ 799 und 800 ABGB Rz 16 mwN). Schon das Verlassenschaftsgericht hat zu prüfen, ob die letztwillige Verfügung, auf die sich der Erbansprecher beruft, eine entsprechende Erbseinsetzung enthält, die zur Einantwortung führen kann. Dies ist hier der Fall. Auf die Wahrscheinlichkeit des materiellen Bestands seines Erbrechts kommt es nicht an (stRsp, zuletzt 3 Ob 34/03a; RIS-Justiz RS0008013). Vom LGZ Wien wurde bereits einmal entschieden, dass trotz Vorhandensein angeblicher gesetzlicher Erben Erbserklärungen von Legataren vom Gericht anzunehmen sind (EFSlg 11.654). Nichts anderes kann aber gelten, wenn, wie im vorliegenden Fall, das außerordentliche Erbrecht des Legatars mit dem Erbrecht des Testamentserben konkurriert.

Demnach ist in Abänderung der vorinstanzlichen Entscheidungen die Erbserklärung des 1. Legatars und Revisionsrekurswerbers zu Gericht anzunehmen.

Das Erstgericht wird im weiteren Verfahren über die Verteilung der Parteirollen im Erbrechtsstreit gemäß §§ 125, 126 AußStrG zu entscheiden haben.

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