OGH 3Ob220/11s

OGH3Ob220/11s18.1.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Prückner als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. Dr. Neumayr, die Hofrätin Dr. Lovrek und die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. E*****, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte KG in Wien, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen Einwendungen gegen die Exekutionsbewilligung (§ 36 EO), über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Krems an der Donau als Berufungsgericht vom 29. August 2011, GZ 1 R 10/11t-15, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Krems an der Donau vom 20. Oktober 2010, GZ 9 C 707/09g-11, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.632,90 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Impugnationsklägers (im Weiteren: Verpflichteten) vermag keine erheblichen Rechtsfragen iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen und erweist sich deshalb - ungeachtet des gegenteiligen, jedoch nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts - als nicht zulässig, was wie folgt kurz zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO):

1. Nur ein Verhalten des Verpflichteten, welches eindeutig gegen das im Exekutionstitel ausgesprochene Unterlassungsgebot verstößt, rechtfertigt die Exekutionsschritte gemäß § 355 EO (RIS-Justiz RS0000595). Das Bewilligungsgericht hat die Verpflichtung nur aufgrund des Titels festzustellen. Es hat sich dabei an den Wortlaut des Titels zu halten und kann nur aus diesem selbst schließen, was die Parteien oder das Gericht dabei in Wirklichkeit gemeint haben (RIS-Justiz RS0000207). Die Entscheidungsgründe sind für die Auslegung der Tragweite des Spruchs bei Zweifel über dessen Tragweite heranzuziehen (RIS-Justiz RS0000300 [T6]).

Mit dem Exekutionstitel (EV) wurde dem Verpflichteten „mit sofortiger Wirkung untersagt, für sich die Bezeichnung 'Volksanwalt' zu verwenden, dies insbesonders mit den Wortfolgen 'Post vom Volksanwalt' oder 'Post an den Volksanwalt', sofern nicht die Gefahr der Zuordnungsverwirrung oder der Verwechslung mit dem von der hier beklagten Partei verwendeten Bezeichnungen 'Volksanwaltschaft', 'Volksanwalt' und 'Volksanwältin' (jeweils in Ein- und Mehrzahl) durch Hinzufügen eines Zusatzes ausgeschlossen ist, mit dem klar gestellt wird, dass er lediglich in einer frühen Amtsperiode Mitglied der Volksanwaltschaft war“.

Schon die nach dem Spruchinhalt unklare beispielhafte Individualisierung einzelner Verhaltensweisen rechtfertigt die Berücksichtigung der Entscheidungsgründe, aus denen erhellt, dass der Exekutionstitel die Verwendung der Bezeichnung „Volksanwalt“ (ohne entsprechende Klarstellung) für die Person des Verpflichteten (auch) in der Wahlwerbung im Rahmen des damals laufenden Wahlkampfs zur Wahl zum Europaparlament am 7. Juni 2009, in der er als Spitzenkandidat einer wahlwerbenden Partei auftrat, auf dessen Person deren Wahlwerbung und -kampf zugeschnitten war, betroffen hat und somit dem Verpflichteten untersagt wurde.

Dass die dem Verpflichteten in der Exekutionsbewilligung und im weiteren Strafantrag vorgeworfenen Titelverstöße der titulierten Unterlassungsverpflichtung objektiv widersprechen, ist demgemäß gar nicht strittig.

2. In seiner Revision macht der Verpflichtete im Wesentlichen zum einen geltend, die ihm auferlegte Unterlassungsverpflichtung umfasse nicht die Pflicht zur Vornahme von Beseitigungshandlungen; zum anderen, mangels ausreichender Behauptungen der Betreibenden im Exekutions- und Strafantrag, warum das Verhalten der Partei (die beanstandeten Wahlwerbemaßnahmen) dem Verpflichteten zuzurechnen sei, habe eine Prüfung der Verhinderungsmöglichkeiten des Verpflichteten gar nicht stattzufinden gehabt, weil der Exekutionstitel keine Pflicht enthalte, andere von der Verwendung der verpönten Bezeichnung des Verpflichteten abzuhalten.

2.1. Der Verpflichtete verkennt zunächst, dass die geltend gemachten Titelverstöße nichts mit einer Pflicht zur Beseitigung eines titelwidrigen Zustands zu tun haben. Als Titelverstoß wird ja zB nicht geltend gemacht, auf schon vor der Zustellung der EV plazierten Werbeplakaten werde die verpönte Bezeichnung weiter verwendet; vielmehr geht es um nach Eintritt der Wirksamkeit des Titels gegenüber dem Verpflichteten (Hinterlegung am 3. Juni 2009) am 4., 5. und 7. Juni 2009 gesetzte Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Wahlkampf (Presseaussendungen, Verteilung von Werbematerial, Zeitungsinserate und Veröffentlichung einer Videobotschaft, die jeweils die verpönte Bezeichnung beinhalteten, sowie Abhaltung einer Pressekonferenz und Gewährung eines Interviews, jeweils vor einer Hintergrundwand, die die verpönte Bezeichnung zigfach trug). Eine weitere Auseinandersetzung mit einer allfälligen Beseitigungspflicht des Verpflichteten erübrigt sich daher.

2.2. Der Vorwurf der unzureichenden Behauptungen der Betreibenden im Exekutions- und Strafantrag zur Zurechnung des Verhaltens der Partei an den Verpflichteten trifft nicht zu. In beiden Anträgen trug die Betreibende - für die vorliegende Konstellation ausreichend - vor, der Verpflichtete sei als Spitzenkanditat der wahlwerbenden Gruppe, die im Langnamen sogar seinen Namen führe, für die Aussendungen, Inserate und die Wahlwerbung für sich verantwortlich und treffe ihn nach der Rechtsprechung eine Verhinderungspflicht, wonach der Verpflichtete auch Eingriffe bestimmter, aus seiner Sphäre stammender Dritter abzustellen habe.

Der Oberste Gerichtshof hat schon mehrfach ausgesprochen, dass auch ein Zuwiderhandeln Dritter gegen ein titelmäßiges Unterlassungsgebot unter Umständen dem Verpflichteten anzurechnen ist; so wenn der Dritte für den Verpflichteten in Ausübung eines Vertretungsverhältnisses gehandelt hat (RIS-Justiz RS0004565), wenn Beauftragte/Dienstnehmer des Verpflichteten tätig waren (RIS-Justiz RS0004484), wenn die Hausleute des Verpflichteten zuwiderhandeln (RIS-Justiz RS0004755) und wenn dem Verpflichteten zurechenbare Dritte (zB Besucher) mit dessen Wissen von diesem Rechte ableiten und mangels einer Aufklärung über die ihm obliegende Unterlassungspflicht dieser zuwiderhandeln (RIS-Justiz RS0004423). Die Unterlassungsverpflichtung erfasst also nicht nur das persönliche Handeln des Verpflichteten, sondern auch das Handeln jener Personen, auf die er Einfluss nehmen kann, also jedenfalls seiner Familienangehörigen (RIS-Justiz RS0004755 [T5]). Eine Unterlassungsverpflichtung erfasst auch das Handeln jener Personen, auf die der Verpflichtete - wenn auch nicht mit Klagsführung - Einfluss zu nehmen imstande ist, also jedenfalls seiner Bediensteten, seiner Familienangehörigen und auch von Personen, mit welchen er in einer vertraglichen Beziehung derart steht, dass er ihnen seine Unterlassungsverpflichtung überbinden kann. Nicht haftet er dagegen für ein Zuwiderhandeln fremder Personen, die sich außerhalb seiner Einflusssphäre bewegen oder bei denen sein Bemühen erfolglos blieb, sie zur Abstandnahme von einer Beeinträchtigung des Eigentums der Beklagten in vermeintlicher Ausübung dem Verpflichteten zustehender Berechtigungen zu veranlassen. Ob der Verpflichtete gegenüber dem Dritten einen Anspruch auf Verhinderung durchsetzen könnte, ist allein nicht dafür maßgebend, ob er gegen seine Unterlassungspflicht auch dann verstößt, wenn er Verstöße Dritter duldet (3 Ob 45/82 = SZ 55/59).

Der Verpflichtete beruft sich in erster Instanz (und in der Revision) nur darauf, er habe die Titelverstöße gar nicht selbst ausgeführt und ein schuldhafter Verstoß gegen eine Verhinderungspflicht scheitere an seiner Kompetenz, die Partei organschaftlich zu vertreten oder dessen Mitarbeitern und Vertragspartnern Weisungen zu erteilen. Eine Behauptung, er habe die Partei/deren Wahlkampfleiter zur Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung laut EV aufgefordert, stellte der Verpflichtete (in Übereinstimmung mit seiner Aussage als Partei, gar nicht versucht zu haben, den Wahlkampfleiter oder die Partei zu einer Änderung aufgrund der EV zu veranlassen, weil er das als politisches Störmanöver betrachtet habe und keine Möglichkeit zur Änderung der Werbelinie mehr gehabt habe [ON 6 S 15]) gar nicht auf; ebensowenig brachte der Verpflichtete vor, eine solche - ihm zweifellos unabhängig von allfälligen rechtlichen Möglichkeiten zumutbare - Aufforderung wäre zwecklos gewesen, weil sie ohnehin missachtet worden wäre. Da Beweisergebnisse Vorbringen nicht zu ersetzen vermögen (RIS-Justiz RS0038037), hatten die Vorinstanzen dazu keine Feststellungen zu treffen; dennoch im Ersturteil enthaltene erweisen sich daher als überschießend und deshalb für die rechtliche Beurteilung unbeachtlich (RIS-Justiz RS0037972 [T6, T7, T9 und T14]).

Es ist daher davon auszugehen, dass der Verpflichtete die Weiterverwendung der verpönten Bezeichnung im fortgesetzten Wahlkampf duldete, ohne auf die Einhaltung der Unterlassungsverpflichtung gegenüber der Partei/dem Wahlkampfleiter zu dringen. Dass es sich dabei um Dritte in der Einflusssphäre des Verpflichteten handelte, kann nicht ernstlich zweifelhaft sein; schließlich war der Verpflichtete (natürlich mit seiner Zustimmung) der Spitzenkanditat der (in der Langbezeichnung sogar seinen Namen tragenden) Partei, auf dessen Person der Wahlkampf fokussiert war, und es war die - auch für den Verpflichteten - gewählte Werbe- und Wahlkampflinie mit der verpönten Bezeichnung des Verpflichteten von seinem Einverständnis getragen. Überdies hat die Partei als dem Verpflichteten zurechenbare Dritte mit dessen Wissen von diesem Rechte abgeleitet, nämlich das Recht in der Wahlwerbung seinen Namen, sein Bild und seine Unterschrift sowie die (später) verpönte Bezeichnung seiner früheren Tätigkeit zu verwenden. Angesichts der Duldung der Weiterverwendung der verpönten Bezeichnung im fortgesetzten Wahlkampf kommt somit nach der dargestellten Rechtsprechung der Frage, ob der Verpflichtete rechtliche Möglichkeiten hatte, die Weiterverwendung (durchsetzbar) zu verhindern, keine Bedeutung zu.

Er ist daher seiner Verpflichtung, nach Zustellung der sofort vollstreckbaren EV sogleich (vgl RIS-Justiz RS0013515) alles Zumutbare zu unternehmen, um die darin titulierte Verpflichtung erfüllen zu können (3 Ob 190/11d), nicht nachgekommen, selbst wenn man unterstellen wollte, alle Titelverstöße seien nicht vom Verpflichteten persönlich, sondern von ihm zurechenbaren Dritten gesetzt worden. Er kann sich somit nicht darauf berufen, ohne jedes Verschulden dem Exekutionstitel zuwider gehandelt zu haben (RIS-Justiz RS0107694; 3 Ob 261/03h).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. In der Revisionsbeantwortung wurde auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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