European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0030OB00213.14S.1218.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung
Die Vorinstanzen wiesen die Schadenersatzklage des Klägers, der auf einer von der Beklagten betriebenen Skipiste ‑ ohne mit der Beklagten ein Vertragsverhältnis zu haben ‑ zu Sturz kam und sich in der Folge nach Anprall an einem Schneeverwehungszaun am Pistenrand schwer verletzte, zur Gänze ab. Die Vorinstanzen verneinten die vom Kläger behauptete Verletzung einer Absicherungspflicht der Beklagten.
Rechtliche Beurteilung
Der Kläger vermag in seinem außerordentlichen Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
Eine präparierte Skipiste ist als Weg iSd § 1319a ABGB anzusehen (RIS‑Justiz RS0030346, RS0030361), wozu auch die in ihrem Verlauf befindlichen und dem Verkehr dienenden Anlagen gehören (vgl RIS‑Justiz RS0086381).
Aus § 1319a Abs 2 ABGB folgt, dass der Umfang der Sorgfaltspflicht eines Halters nicht allgemein bestimmt werden kann. Welche Maßnahmen ein Wegehalter im Einzelnen zu ergreifen hat, richtet sich gemäß der zitierten Gesetzesstelle danach, was nach der Art des Weges, besonders nach seiner Widmung, seiner geographischen Situierung in der Natur und das daraus resultierende Maß seiner vernünftigerweise zu erwartenden Benutzung (Verkehrsbedürfnis) für seine Instandhaltung angemessen und nach objektiven Maßstäben zumutbar ist. Es kommt im jeweils zu prüfenden Einzelfall darauf an, ob der Wegehalter die ihm zumutbaren Maßnahmen getroffen hat, um die gefahrlose Benützung dieses Weges zu erreichen (RIS‑Justiz RS0087605, RS0087607, RS0030202).
Das Ausmaß der Sicherungsvorkehrungen auf einer Skipiste richtet sich nach der Art der Gefahrenquelle. Künstlich geschaffene Hindernisse und Gefahrenquellen sind zu entfernen oder doch so kenntlich zu machen, dass sie für den vernünftigen Durchschnittsfahrer auch bei schlechten Sichtverhältnissen keine besondere Gefahr bilden (RIS‑Justiz RS0023469). Für die Art und den Umfang der Pistensicherungspflicht ist das Gesamtverhältnis zwischen der Größe und der Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihrer Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Benützers der Piste und andererseits durch den Pistenhalter mit nach der Verkehrsauffassung adäquaten Mitteln maßgebend (RIS‑Justiz RS0023469 [T8]). Nach einhelliger Auffassung sind nur atypische Gefahren zu sichern, also solche Hindernisse, die der Skifahrer nicht ohne weiteres erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann; atypisch ist eine Gefahr, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Skifahrer unerwartet oder schwer abwendbar ist (RIS‑Justiz RS0023417, RS0023255). Bei Beurteilung der Frage, welche Maßnahmen der Pistenhalter zu treffen hat, ist auch auf die Zumutbarkeit bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0023271, vgl RS0030180). Die den Pistenhalter treffende Pflicht zur Sicherung der Piste bedeutet nicht die Verpflichtung, den Skifahrer vor jeder möglichen Gefahr zu schützen, die ihm von der Piste her droht, würde doch eine solche Forderung dem Pistenhalter unerträgliche Lasten aufbürgen, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Schutzeffekt stünden; eine vollkommene Verkehrssicherung ist weder auf Skipisten noch sonst wo zu erreichen (RIS‑Justiz RS0023233). Es besteht keine Pflicht zur Polsterung von in der Piste aufgestellten hölzernen Markierungsstangen (4 Ob 531/92 = ZVR 1993/97). Ob der Pistensicherungspflicht genüge getan wurde, hängt von den besonderen Umständen jedes einzelnen Falles ab. Eine für alle Eventualitäten gültige Regel, wann ein Hindernis überhaupt vollständig zu entfernen oder eine bestimmte Absicherungsmaßnahme ausreichend ist, lässt sich nicht aufstellen (RIS‑Justiz RS0109002).
Eine Verkehrssicherungspflicht entfällt, wenn sich jeder selbst schützen kann, weil die Gefahr leicht, also ohne genauere Betrachtung erkennbar ist. Umfang und Intensität von Verkehrssicherungspflichten richten sich dabei vor allem danach, in welchem Maß der Verkehrsteilnehmer selbst vorhandene Gefahren erkennen und ihnen begegnen kann (RIS‑Justiz RS0114360). Jeder Skifahrer muss kontrolliert fahren, das vor ihm liegende Gelände genau beobachten und seine Geschwindigkeit auf die Geländeverhältnisse einrichten; jeder Skifahrer hat seine Fahrweise seinem Können anzupassen (RIS‑Justiz RS0023429, RS0023345). Verhältnisse und Zustände, die auf Pisten durchaus nicht ungewöhnlich sind, erfordern keine Sicherungsvorkehrung (4 Ob 531/92). Ein Skifahrer muss auf einer Piste einen so großen Raum vor sich beobachten, dass er bei auftretenden Kollisionsgefahren in der Lage ist, dem Hindernis rechtzeitig auszuweichen oder vor diesem anzuhalten (RIS‑Justiz RS0023544).
Die den Pistenhalter treffende Verkehrssicherungspflicht muss unter ausgewogener Berücksichtigung der den Pistenbenützern obliegenden Verpflichtung zu einer kontrollierten Fahrweise, die auf die genaue Beobachtung der Abfahrt und die Einhaltung einer den Geländeverhältnissen angepassten Geschwindigkeit hinlänglich Bedacht nimmt, dort zu entsprechenden Schutzmaßnahmen führen, wo dem Skifahrer im Gegensatz zum sonstigen Charakter der Piste nicht oder nur schwer erkennbare Hindernisse oder Gefahren drohen und daher eine entsprechende Warnung erforderlich ist. Der Skifahrer nimmt Hindernisse und Gefahren, die sich aus dem Wesen der Skiabfahrt ergeben, in Kauf und muss sie selbst bewältigen (RIS‑Justiz RS0023485 [T1]). Die Verkehrssicherungspflicht des Pistenhalters darf nicht überspannt werden (6 Ob 240/03t).
Die rechtliche Beurteilung der Vorinstanzen, welche zur Klageabweisung führte, entspricht diesen dargelegten Grundsätzen der Rechtsprechung. Eine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung im Einzelfall ist nicht zu erkennen. Die zur Gewährleistung der Schneelage auch bei häufigen Seitenwinden von der Beklagten unterhaltenen Schneeverwehungszäunen waren für den Kläger generell leicht wahrnehmbar und daher nicht überraschend. Es liegt daher nahe, sie nicht als atypische Hindernisse zu beurteilen, vor denen eigens gewarnt oder die speziell abgesichert werden müssten. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass ein Teil eines solchen Schneeverwehungszauns während der Annäherung an die spätere Unfallstelle für den Kläger infolge einer Querkante im Pistenverlauf eine Zeit lang nicht sichtbar war. Zu 6 Ob 628/92 und 4 Ob 527/89 sprach der Oberste Gerichtshof bereits aus, dass ein Schneezaun, der der Sicherung der Piste selbst vor Schneeverfrachtungen durch Verwehungen dient, als auffälliges, leicht wahrnehmbares und weiträumig umfahrbares Hindernis in einem Gelände ohne besondere Sturzgefahr nicht als atypisches Hindernis zu werten und vom Pistenhalter auch nicht durch Abpolsterung gegen die Gefahren eines denkmöglichen Anpralls eines Skiläufers zu sichern ist, weil Stürze eines Skifahrers nach der Eigenart der Sportausübung zwar nirgends ausgeschlossen werden können, mit einem Anprall eines Skifahrers an den Zaunpfosten aber nur mit einer zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit zu rechnen gewesen ist; von einem nur durchschnittlich aufmerksamen, auch nur wenig geübten und seine Fähigkeiten nicht maßlos überschätzenden Skifahrer dürfe erwartet werden, dass er nicht gerade in Pfostennähe eine für ihn riskante Fahrbewegung vollziehen werde. Eine generelle Pflicht des Pistenhalters, alle Metallteile von Sicherungs‑ und Markierungsanlagen entsprechend zu polstern, würde zu einer erheblichen Überspannung der Pistensicherungspflicht führen (vorliegend ist überdies nur ein Holzzaun zu beurteilen).
Die vom Revisionswerber zitierten und als der Beurteilung des Berufungsgerichts widersprechend ins Treffen geführten Entscheidungen 6 Ob 638/87 und 7 Ob 289/00a betreffen Sachverhalte, bei denen die Vertragshaftung des Pistenhalters bzw Seilbahnunternehmers zu beurteilen war. Diese Entscheidungen sind schon deswegen nicht unmittelbar vergleichbar (unterschiedlicher Haftungsmaßstab).
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