Spruch:
Der Revision und dem Rekurs der Klägerin wird nicht stattgegeben.
Der Revision und dem Rekurs der Beklagten wird stattgegeben und das berufungsgerichtliche Teilurteil in seinem abändernden Teil im Sinne einer Wiederherstellung des klagsabweisenden Urteiles erster Instanz abgeändert. Der berufungsgerichtliche Aufhebungsbeschluß wird aufgehoben und auch in Ansehung des Leistungsbegehrens das klagsabweisliche Urteil erster Instanz wiederhergestellt, das somit einschließlich seiner Kostenentscheidung wieder voll hergestellt ist.
Die Klägerin ist schuldig, den Beklagten die mit S 94.468,09 bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens (darin enthalten an Barauslagen S 24.000,-- und an Umsatzsteuer S 11.744,68) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die als Gesellschaft mbH & Co organisierte erste Beklagte - deren persönlich haftende Gesellschafterin die zweite Beklagte ist - betreibt im Rahmen des von ihr erschlossenen Schigebietes unter anderem einen Schlepplift zwischen einer rund 2300 m hoch gelegenen Tal- und einer fast 2700 m hoch gelegenen Bergstation. Sie hat das zwischen Berg- und Talstation gelegene, im oberen Teil bis zu einer Geländekante weithin gut überblickbare offene Gelände durch die Anlage und Betreung von Abfahrtspisten für den Schilauf erschlossen und dabei auch eine als leicht eingestufte, blau gekennzeichnete Piste angelegt. In deren Verlauf sind an mehreren Stellen Schneezäune errichtet. Diese ganzjährig an Ort und Stelle belassenen Schneezäune bestehen aus hölzernen Pfosten mit Querbrettverstrebung, zwischen denen ein aus Plastik bestehendes Geflecht gespannt ist. Die Schneezäune sind ungefähr in Fallinie parallel zur Pistenachse aufgestellt. Der auf der Höhe zwischen der 5. und 6.Liftstütze errichtete Schneezaun ist ungefähr 1,90 m hoch und 17 m lang. Er steht auffällig im Gelände, ist von einem Liftbenützer schon während der Auffahrt sichtbar und in der Annäherung bei der Abfahrt gut als solcher erkennbar. Der am weitesten bergwärts stehende Zaunpfosten ist ein halbrunder Holzpflock mit einem Durchmesser von 7 bis 8 cm. In Abfahrtsrichtung gesehen weist die Rundung des Stehers nach links, seine flache Seite nach rechts, eine durch die Rundholzhalbierung entstandene Kante bergwärts.
Dieser hölzerne Steher war am Unfallstag nicht abgepolstert.
Die auf der Höhe des obersten Zaunstehers auf eine Breite von etwa 70 bis 80 m mittels Pistengeräts präparierte Abfahrtspiste weist im Zaunbereich eine Neigung von ungefähr 22 % auf. Das Gelände ist sowohl rechts, zur Lifttrasse zu, als auch links als Piste präpariert. Bei der Pistenpräparation wird regelmäßig beiderseits des Zaunes ein Streifen von etwa 4 m ungewalzt gelassen, wobei sich zwischen den Spuren des Pistengeräts oberhalb des obersten Zaunstehers ein 6 bis 7 m langer unpräparierter Zwickel bildet.
Am 27.Dezember 1988 war die Piste mit einem Pistengerät bearbeitet worden. Im Bereich des beschriebenen Zwickels oberhalb des ersten Zaunstehers sowie beiderseits des Zaunes war das Gelände über die Grenze der Pistenpräparation hinaus durch Pistenbenützer befahren worden.
Bei wolkenlosem Wetter herrschte gute Sicht. Der Schnee war griffig und nicht eisig.
Die Klägerin ist dänische Staatsangehörige. Sie hielt sich als Urlaubsgast am Sitz der Beklagten auf. Sie stand am Unfallstag knapp vor Vollendung ihres 49.Lebensjahres. Sie hatte im Alter von 40 Jahren mit dem alpinen Schilauf begonnen. Sie war eine mittlere Schifahrerin. Sie war den Hang schon früher ohne Führung durch einen Schilehrer in Begleitung von Bekannten abgefahren und kannte ihn daher.
Am Unfallstag benützte sie den von der ersten Beklagten betriebenen Lift als Schipaßinhaberin.
Gegen 11,20 Uhr fuhr sie als letzte einer von einem, damals 62 Jahre alten Schilehrer gebildeten dreiköpfigen Gruppe hinter ihrem damals 44 Jahre alten Ehemann die als leicht (blau) markierte Piste ab.
Das vom Schilehrer geführte Ehepaar fuhr in Annäherung an den oben beschriebenen Schneezaun von einer etwa 60 m oberhalb des ersten Zaunstehers befindlichen Kuppe im zügigen, nicht näher bestimmbaren Tempo in Parallelschwüngen ab. Der Schilehrer wählte eine links am Zaun vorbeiführende Fahrlinie und setzte daher oberhalb des ersten Zaunstehers einen Linksschwung. Die Klägerin folgte ihrem vor ihr dem Schilehrer nachfahrenden Ehemann in einem Abstand von etwa zwei Schilängen. Bei Ausführung des Linksschwunges verkantete sie, stürzte etwa 8 bis 9 m oberhalb des ersten Zaunstehers über die Außenkante auf den Rücken, rutschte so hangabwärts und prallte mit dem Rücken voran mit verhältnismäßig hoher Wucht gegen den obersten Zaunsteher.
Durch diesen Anprall an den Pfosten erlitt die Klägerin vor allem einen Verrenkungsbruch der Wirbelsäule zwischen 7. und 8.Brustwirbel mit einer Zertrümmerung des 7.Brustwirbels und einer Schädigung der hier austretenden Nerven der Zwischenrippenmuskulatur. Diese Rückenverletzung hatte eine bleibende Achsenfehlstellung der Wirbelsäule im Sinn einer erheblichen Buckelbildung in der Höhe des 7. Brustwirbelkörpers und eine erhebliche Einschränkung der Beweglichkeit der Brustwirbelsäule zur Folge. Diese Dauerfolgen bedingen besonders bei einseitigen Belastungen (Heben, Tragen, Bücken) sowie bei längerem Gehen oder Sitzen Schmerzen. Eine Besserung dieses Zustandes ist nicht zu erwarten. Spätfolgen der Verletzung können nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden.
Die Klägerin wurde am Unfallstag in einer inländischen Universitätsklinik aufgenommen, am 4.Tag in ihre Heimat geflogen und stand insgesamt 101 Tage in stationärer Krankenhauspflege.
Der Klägerin erwuchsen Behandlungskosten einschließlich Nebenspesen in der Höhe von 22.048 S. Während ihrer Genesung beschäftigte sie eine bezahlte Haushaltshilfe; daraus erwuchsen ihr Kosten im Betrag von 206.897,60 S.
Die Verletzte machte die erste Beklagte als Pistenhalterin wegen Verletzung der Pistensicherungspflicht für ihre Unfallsfolgen haftbar. Dabei rechnete sie sich selbst ein Mitverschulden von einem Drittel an. Im einzelnen begehrte sie von den beiden Beklagten eine 2/3-Quote
ihrer unfallsbedingten Behandlungskosten und Nebenspesen von
22.048,-- S
Kosten der Haushaltshilfe von 206.897,60 S
sowie eines Schmerzengeldbe-
trages von 480.000,-- S
2/3 von 708.945,60 S,
das sind 472.630,40 S.
Überdies stellte die Klägerin ein Begehren auf Feststellung der Haftung der Beklagten für 2/3 ihrer künftigen Schäden aus dem Schiunfall vom 27.Dezember 1988.
Die Beklagten bestritten vor allem dem Grunde nach die der Pistenhalterin vorgeworfene Verletzung einer Pistensicherungspflicht.
Das Prozeßgericht erster Instanz wies das Klagebegehren ab. Es erachtete eine Verpflichtung zur Abpolsterung des Schneezaunpfostens als nicht gegeben. Dazu vertrat es die Ansicht, der Schneezaun stellte ein typisches Hindernis dar und wäre vom Pistenhalter nur unter der - hier nicht angenommenen - Voraussetzung abzupolstern gewesen, daß nach den konkreten Umständen auch für einen verantwortungsbewußten Pistenbenützer eine nur schwer zu begegnende besondere Anprallgefahr bestanden hätte. Dem leicht erkennbaren Schneezaun sei aber ohne Schwierigkeit beiderseits auszuweichen gewesen.
Das Berufungsgericht änderte das erstinstanzliche Urteil zum Feststellungsbegehren im Sinne der Feststellung einer Haftung der Beklagten für die Hälfte aller künftigen Schäden der Klägerin aus dem Schiunfall vom 27.Dezember 1988 ab und faßte in Ansehung des Leistungsbegehrens einen Aufhebungsbeschluß. Dazu erklärte es die ordentliche Revision gegen das Teilurteil für zulässig. Dem Aufhebungsbeschluß setzte das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt im Sinne des § 519 Abs 1 Z 3 aF ZPO bei, beabsichtigte damit aber offenkundig einen Ausspruch im Sinn des § 519 Abs 1 Z 2 nF ZPO.
Das Berufungsgericht nahm eine Verpflichtung des Pistenhalters zur Absicherung des Schneezaunpfostens aus der Erwägung an, daß erfahrungsgemäß auch leichte Pisten auf einem weitläufigen Hang von den Schiläufern in Schwüngen und Bögen befahren würden und dabei auch ein vorsichtiger Schifahrer oberhalb des Schneezaunes derart stürzen könne, daß er ein Abgleiten gegen den Zaunpfosten nicht mehr zu verhindern imstande wäre, sodaß dem Pistenhalter eine einfache Polsterung des obersten Zaunpfostens als eine technisch einfache und auch nicht kostspielige Sicherungsmaßnahme zuzumuten sei.
Das mitwirkende Eigenverhalten der Verletzten, mag sie für ihr technisches Können zu schnell gefahren sein oder mag sie mangels gehöriger Aufmerksamkeit von der vorgegebenen Richtungsänderung überrascht worden sein, sei bei dem leicht befahrbaren übersichtlichen Schigelände gegenüber der Pistensicherungsverletzung des Pistenhalters als gleichwertig einzustufen.
Die Beklagten fechten das Teilurteil in dessen abändernden Ausspruch sowie den Aufhebungsbeschluß wegen qualifizierter unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit einem jeweils auf Wiederherstellung der klagsabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung zielenden Abänderungsantrag an.
Die Klägerin bekämpft das Teilurteil in seinem bestätigenden Ausspruch wegen qualifiziert unrichtiger rechtlicher Beurteilung und den Aufhebungsbeschluß wegen qualifizierten Verfahrensmangels und qualifizierter unrichtiger rechtlicher Beurteilung jeweils mit einem auf volle Klagsstattgebung abzielenden Abänderungsantrag.
Die Klägerin bestreitet das Vorliegen der Rechtsmittelvoraussetzungen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO für die von den Beklagten erhobenen Anfechtungen. Im übrigen streben beide Parteien eine Rechtsmittelentscheidung an, mit der den gegnerischen Anfechtungen nicht stattgegeben werde.
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsmittelzulässigkeitsvoraussetzungen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO sind erfüllt. Die Anfechtung der Beklagten ist berechtigt, jene der Klägerin nicht.
Den erstrichterlichen Erwägungen zur Pistensicherungspflicht ist beizutreten:
Beim alpinen Schilauf nützt der Sportler die auf einer Gefällstrecke wirksam werdenden natürlichen physikalischen Gesetze im Zusammenhang mit der Gleitfähigkeit einer Schneeauflage unter Einsatz seiner Körpergewichtsverlagerung auf dem Sportgerät zur Talfahrt in einer den Geländeverhältnissen anzupassenden Fahrlinie. Die dazu erforderliche Aufmerksamkeit, Geschicklichkeit und Kraft ist grundsätzlich Sache des Sportlers, der die typischen Gefahren seiner Sportausübung auf sich zu nehmen hat.
Wer aus geschäftlichen Gründen ein natürliches Gelände durch Beseitigung gefährlicher Hindernisse und Bearbeitung der Schneeauflage als Piste für die Sportausübung vorbereitet, trifft sinnvollerweise auch Vorkehrungen gegen eine der Sportausübung nachteilige Windverfrachtung der natürlichen Schneelage. Auch der unterhalb der Sturzstelle der Klägerin errichtete Schneezaun ist als eine in diesem Sinn für die Sportausübung gebotene Einrichtung zu werten, die nach der Geländeformation und den herrschenden Witterungsbedingungen als Teil der Pisteneinrichtungen anzusehen ist. Als auffälliges, leicht wahrnehmbares und weiträumig umfahrbares Hindernis in einem Gelände ohne besondere Sturzgefahr ist der Schneezaun im Sinne der herrschenden Rechtsprechung nicht als atypisches Hindernis zu werten und war auch nicht in Ansehung seines obersten Pfostens, der nach seiner Funktion eine entsprechende Stärke aufweisen muß, vom Pistenhalter durch Abpolsterung gegen die Gefahren eines denkmöglichen Anpralls eines Schiläufers zu sichern, weil Stürze eines Schifahrers nach der Eigenart der Sportausübung zwar nirgends ausgeschlossen werden können, mit einem Anprall eines Schifahrers an den Zaunpfosten aber nur mit einer zu vernachlässigenden Wahrscheinlichkeit zu rechnen war; von einem nur durchschnittlich aufmerksamen, auch nur wenig geübten und seine Fähigkeiten nicht maßlos überschätzenden Schifahrer durfte erwartet werden, daß er nicht gerade in Pfostennähe eine für ihn riskante Fahrbewegung vollziehen werde. Ein dennoch erfolgter Sturz mußte aus der Sicht des Pistenhalters dem vom Sportler allein zu tragenden Eigenrisiko der Sportausübung zugerechnet werden.
Aus diesen Erwägungen war in Stattgebung der Anfechtung durch die Beklagten die klagsabweisliche Entscheidung erster Instanz wiederherzustellen und demgemäß den Anfechtungen der Klägerin ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die Beantwortung zur Revision und zum Rekurs der Klägerin war aber nicht in getrennten Schriftsätzen zur zweckmäßigen Rechtsverteidigung erforderlich. An notwendigen Kosten des Rechtsmittelverfahrens in dritter Instanz gebühren den Beklagten lediglich die angenommenen Kosten eines einheitlichen Revisions- und Rekursbeantwortungsschriftsatzes bei einer Kostenbemessungsgrundlage von 502.630,40 S.
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