Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.821,24 EUR (darin 303,54 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung zu ersetzen.
Text
Begründung
Mit der am 7. September 2011 beim Landesgericht Wels eingebrachten Klage begehrt die klagende Partei, die ihren Sitz in Österreich hat, von der beklagten Partei, die ihren Sitz in Montenegro hat, die Zahlung von 32.720,48 EUR sA. Die in A***** im Sprengel des Bezirksgerichts Eferding in Oberösterreich ansässige D***** GmbH (im Folgenden als D-GmbH bezeichnet) habe der beklagten Partei vereinbarungsgemäß im Zeitraum von Juli 2008 bis August 2008 Fensterprofile geliefert und ihre Kaufpreisforderungen rechtswirksam an die klagende Partei zediert. Zwischen der D-GmbH und der beklagten Partei sei die Zuständigkeit des Landesgerichts Wels sowie die Anwendung österreichischen Rechts und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D-GmbH vereinbart worden.
Die beklagte Partei erhob die Einrede des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit, weil keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung, aus der sich die Zuständigkeit eines inländischen Gerichts ergäbe, vorliege. Der im Vertrag angeführte Ort, „das für Erding Oberösterreich zuständige Kreisgericht“, existiere in Oberösterreich nicht. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D-GmbH seien nicht Vertragsinhalt geworden und von der beklagten Partei nie unterschrieben worden. Der Vertreter der D-GmbH sei zur Unterfertigung des Vertrags vom 7. Juli 2007 nicht bevollmächtigt gewesen. Im Übrigen seien die Forderungen wegen eingetretener Verjährung und gerügter Mängel nicht gerechtfertigt; die behauptete Abtretung sei auch nicht nachgewiesen.
Die klagende Partei erwiderte, beide Vertragsteile hätten für Streitigkeiten das für Eferding jeweils sachlich zuständige Gericht vereinbart. Bei der Bezeichnung des für „E(fe)rding Oberösterreich zuständigen Kreisgerichtes“ handle es sich um eine nicht schadende Fehlbezeichnung bzw um einen reinen Übertragungsfehler. Außerdem sei A*****, der Sitz der D-GmbH, mittels Lieferklausel als Erfüllungsort vereinbart worden. Der behauptete Vollmachtsmangel liege nicht vor, weil eine Anscheinsvollmacht bestanden habe und der Vertrag vom 7. Juli 2007 von der D-GmbH genehmigt worden sei.
Das Erstgericht erklärte seine Unzuständigkeit (1.), wies die Klage zurück (2.), wies den Eventualantrag der klagenden Partei auf Überweisung der Rechtssache an das örtlich nicht offenbar unzuständige Bezirksgericht Eferding ab (3.) und verpflichtete die klagende Partei zum Kostenersatz (4.).
Nach den Feststellungen wurde vom serbischen Vertreter der D-GmbH und von der beklagten Partei ein mit 7. Juli 2007 datierter, in serbischer Sprache abgefasster Vertrag (in der Übersetzung bezeichnet als „Systempartner-Vertrag über Mitarbeit, Lieferung und Verpflichtung der Partner“) unterfertigt, dessen Punkt 26.1. unter der Überschrift „26. Nadleznost Suda“ (laut Übersetzung: „26. Zuständigkeit des Gerichts“) lautet:
„26.1. U slucaju spora iz ovog ugovora / saradnje vazi austrijsko pravo a isklucivo sediste suda je redovai strcno nadlezni okruzni su u mestu Erding, Gornja Austija.“
Die Übersetzung lautet:
„26.1. Im Fall des Streites aus diesem Vertrag / der Mitarbeit gilt das österreichisches Recht und die ausschließliches Sitz des Gerichts ist Kreisgericht in dem Ort Erding, Obere Österreich.“
Der serbische Vertreter der D-GmbH hatte keine Vollmacht zum Abschluss derartiger Verträge, sondern nur zu ihrer Anbahnung. Welche Lieferbedingungen bzw welcher Erfüllungsort zwischen der D-GmbH und der beklagten Partei vereinbart wurden, konnte nicht festgestellt werden. Die Verkaufs- und Lieferbedingungen der D-GmbH wurden mit der beklagten Partei nicht vereinbart.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Erstgericht aus, im Verhältnis zu Montenegro gelte weder das LGVÜ noch die EuGVVO, weshalb die Wirksamkeit einer Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN zu prüfen sei. Zunächst sei festzuhalten, dass der Vertrag von einem Vertreter der D-GmbH abgeschlossen worden sei, der dazu keine Bevollmächtigung gehabt habe, weshalb schon allein deshalb keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung zustande gekommen sei. Zudem müsse eine Gerichtsstandsvereinbarung nach § 104 JN hinsichtlich des gewählten Gerichts eindeutig bestimmt oder zumindest eindeutig bestimmbar sein. Eine Urkunde sei zum Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung ungeeignet, wenn zu ihrer Auslegung andere Beweismittel herangezogen werden müssten. Hier sei der Wortlaut (in der deutschen Übersetzung) „Kreisgericht in dem Ort Erding, Obere Österreich“ gewählt worden. Dabei handle es sich um einen Ort, den es in Oberösterreich nicht gebe. Im Übrigen seien die Angaben zu unbestimmt und auch unter Zugrundelegung des Sitzes der D-GmbH in A***** (das im Sprengel des Bezirksgerichts Eferding gelegen sei) zu wenig eindeutig bestimmbar, weshalb das Landesgericht Wels ebenso wie das hilfsweise namhaft gemachte Bezirksgericht Eferding unzuständig seien; die Klage sei daher zurückzuweisen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der klagenden Partei dahin Folge, dass es die Einrede des Fehlens der inländischen Gerichtsbarkeit abwies. Es sah eine Auseinandersetzung mit der Tatsachenrüge der klagenden Partei als entbehrlich an, weil der Inhalt des von der beklagten Partei vorgelegten Systempartner-Vertrags samt Übersetzung ohnedies als unstrittig anzusehen sei und auch ohne ausdrückliche erstgerichtliche Feststellung der Entscheidung zugrunde gelegt werden könne; zudem komme es in rechtlicher Hinsicht für die Frage des Vorliegens einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung nicht auf die Lieferbedingungen der D-GmbH, sondern allein auf den Systempartner-Vertrag an.
Die Frage der Bevollmächtigung des Vertreters der D-GmbH sei nicht maßgeblich, weil der Systempartner-Vertrag unstrittigerweise jedenfalls von der beklagten Partei ordnungsgemäß unterfertigt worden sei. Dem in § 104 JN geforderten Erfordernis des urkundlichen Nachweises einer ausdrücklichen Vereinbarung entspreche aber schon eine (nur) von der beklagten Partei unterschriebene Urkunde im Zusammenhang mit der erhobenen Klage. Die örtlichen Umstände im Zusammenhang mit der Interpretation des Ortes „Erding“ als „Eferding“ könnten der Urkunde selbst mit der gebotenen Eindeutigkeit entnommen werden. Schon auf der ersten Seite des Vertrags sei der Sitz der D-GmbH, von der der Vertrag stamme, in A***** genannt; dieser Ort liege in Oberösterreich im Sprengel des Gerichtsbezirks Eferding, sodass der Rechtsstandpunkt der klagenden Partei geteilt werde, dass mit der Formulierung „Erding“ tatsächlich „Eferding“ in Oberösterreich gemeint sei; es handle sich um einen schlichten Schreibfehler. In Anbetracht der Firmensitze der Vertragsparteien und dem ausdrücklich angeführten Bundesland Oberösterreich ergäben sich keine Anhaltspunkte für eine Gerichtsstandsvereinbarung auf Erding in Bayern. Es bestünden daher keine Zweifel, dass die Vertragsparteien mit dem von der D-GmbH stammenden Systempartner-Vertrag den Gerichtsstand am Sitz der D-GmbH vereinbart haben. Mit einer wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung werde regelmäßig nur die örtliche Zuständigkeit verschoben, weshalb das Landesgericht Wels als das sachlich für Eferding zuständige Gericht zuständig sei.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs sei im Hinblick auf die Einzelfallbezogenheit unzulässig.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei aus dem Revisionsrekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts. Hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.
Die klagende Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.
Der Revisionsrekurs ist aus Gründen der Klarstellung der Rechtslage zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.
Das Rechtsmittelvorbringen der beklagten Partei lässt sich dahin zusammenfassen, dass keine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung iSd § 104 Abs 1 JN vorliege. Es reiche nicht aus, dass der Vertrag vom 7. Juli 2007 von der beklagten Partei unterfertigt worden sei, weil weder behauptet noch festgestellt worden sei, dass die Urkunde von der Klagsseite herrühre. In diesem Fall wäre es für die Wirksamkeit der Gerichtsstandsvereinbarung notwendig gewesen, dass der Vertrag auf Seiten der D-GmbH durch einen wirksam bevollmächtigten Vertreter abgeschlossen worden sei. Eine nachträgliche Genehmigung scheide aus. Überdies sie die Ortsangabe („Erding“) zu unbestimmt.
Dazu wurde erwogen:
1. Ebenso wie die Parteien sind die Vorinstanzen in rechtlicher Hinsicht davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall § 104 Abs 1 JN anzuwenden sei und nicht die Bestimmungen von EuGVVO und LGVÜ.
Diese Ansicht kann nicht geteilt werden.
Der persönliche Anwendungsbereich der Zuständigkeitsregeln der EuGVVO erschließt sich aus ihren einzelnen Bestimmungen. Zum Teil geht der persönliche Anwendungsbereich über die Mitgliedstaaten hinaus (anstatt vieler Burgstaller/Neumayr in B/N/G/S, IZVR [März 2010] Art 1 EuGVO Rz 24), wie beispielsweise Art 23 Abs 1 EuGVVO augenscheinlich zeigt. Demnach unterliegt eine Gerichtsstandsvereinbarung den Regeln der EuGVVO, wenn - wie hier - mindestens eine der Parteien ihren (Wohn-)Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat.
2. Dem Art 23 Abs 1 EuGVVO sind gewisse Mindestformerfordernisse an die vertragliche Vereinbarung zu entnehmen; diese Formvorschriften sind nicht Beweisregeln, sondern Wirksamkeitsvoraussetzungen (RIS-Justiz RS0114193). Die Bestimmung soll vor allem gewährleisten, dass Zuständigkeitsvereinbarungen nicht unbemerkt Inhalt des Vertrags werden (RIS-Justiz RS0114604 [T5]). Es muss also klar und deutlich aus dem Vertrag hervorgehen, dass sich jede Seite tatsächlich mit einer Gerichtsstandsklausel einverstanden erklärt hat (RIS-Justiz RS0113570 [T4], RS0113571 [T1]). Im Fall der ersten Alternative der lit a muss diese Willenserklärung in schriftlicher Form vorliegen.
Schriftlichkeit verlangt allerdings nicht allseitige Unterschrift durch die Parteien bzw ihre Vertreter (ausführlich 1 Ob 358/99z = SZ 73/76 = JBl 2001, 117; Mankowski in Rauscher, EuZPR/EuIPR [2011] Art 23 Brüssel I-VO Rz 15). Fehlt in einer die Gerichtsstandsvereinbarung enthaltenden einheitlichen Urkunde zwar die Unterschrift jenes Teils, von dem die Urkunde stammt, steht aber dessen Identität fest, ist die Gerichtsstandsvereinbarung auch dann wirksam, wenn sie vom anderen Teil im Sinne der Zustimmung unterfertigt ist (1 Ob 358/99z = RIS-Justiz RS0111715 [T1]).
Selbst wenn man von den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ausgeht, wonach der Vertreter der D-GmbH, der den Vertrag für diese unterfertigt hat, keine Vollmacht zum Abschluss solcher Verträge hatte, sondern solche lediglich anzubahnen hatte, liegt in concreto eine wirksame Gerichtsstandsvereinbarung iSd Art 23 Abs 1 lit a EuGVVO vor, weil die Klausel nicht unbemerkt - zu Lasten der beklagten Partei - Eingang in den Vertrag gefunden hat und die klagende Partei die von einem gegebenenfalls vollmachtslos handelnden Vertreter geschlossene Vereinbarung durch die Berufung auf die Gerichtsstandsklausel akzeptiert hat.
3. Zutreffend hat das Rekursgericht ausgeführt, dass die Gerichtsstandsvereinbarung eine eindeutige Auslegung in Bezug auf den Gerichtsort zulässt. Ganz offensichtlich handelt es sich um einen Schreibfehler. Angesichts des Sitzes der D-GmbH und des auf Oberösterreich lautenden Zusatzes ist klar erkennbar, dass als den Gerichtsstand bestimmender Ort „Eferding“ gemeint ist.
4. Daher ist dem Revisionsrekurs auch unter Zugrundelegung des Art 23 EuGVVO nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 50, 41 ZPO.
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