European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128532
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Die Vorinstanzen erkannten die gerichtliche Aufkündigung des Mietverhältnisses wegen qualifizierten Mietzinsrückstands für rechtswirksam und verpflichteten den Beklagten zur Räumung der von ihm (befristet) angemieteten Wohnung.
Der Revision des Beklagten dagegen gelingt es nicht, eine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität aufzuzeigen.
Rechtliche Beurteilung
1.1 Gegenstand der Revision ist allein die von beiden Vorinstanzen bejahte Frage des groben Verschuldens des Beklagten an dem bei der Aufkündigung bestehenden Mietzinsrückstand.
1.2 Für die Beurteilung der Frage, ob den Mieter an der verspäteten Zahlung des Mietzinses ein grobes Verschulden trifft, ist seine Willensrichtung, die zur Zahlungssäumnis führte, entscheidend (RIS‑Justiz RS0069316 [T2]). Grobes Verschulden setzt ein besonderes Maß an Sorglosigkeit voraus, sodass der Vorwurf berechtigt erscheint, der Mieter habe die Interessen des Vermieters aus Rechthaberei, Willkür, Leichtsinn oder Streitsucht verletzt (RS0069304). Die Beurteilung des Vorliegens eines groben Verschuldens hängt typisch von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0042773 [T1]). Die Revision ist daher nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht den ihm bei der Qualifikation eines bestimmten Verhaltens als grobes Verschulden eingeräumten Beurteilungsspielraum überschritten hat (RS0042773 [T2, T3]).
1.3 Im Allgemeinen kann nur eine Verspätung von wenigen Tagen oder wegen vorübergehender Zahlungsschwierigkeiten toleriert werden, häufige Rückstände trotz Mahnung können nur ausnahmsweise nach den Besonderheiten des Einzelfalls eine sonst naheliegende grobe Fahrlässigkeit ausschließen (RS0070310). Bei der Beurteilung des Verschuldens an der verspäteten Mietzinszahlung ist es nach ständiger Rechtsprechung zulässig, auch das vorprozessuale Zahlungsverhalten des Mieters zu berücksichtigen (RS0069316 [T2, T7, T13]).
2.1 Die Revision argumentiert, die Klägerin habe erst rund ein Jahr vor der Aufkündigung trotz Kenntnis von den fast in jedem Jahr des Mietverhältnisses wiederholten Zahlungsrückständen des Beklagten den Mietvertrag verlängert, und räumt damit die dauernden Zahlungsschwierigkeiten des Beklagten selbst ein. Entgegen dieser Auffassung lässt sich jedoch allein aus der Verlängerung eines Mietvertrags mit einem Mieter mit bekannt schlechter Zahlungsmoral kein stillschweigendes „Akzeptieren“ weiterer Zahlungsverzögerungen im Sinn eines Verzichts auf die Geltendmachung neuerlicher Mietzinsrückstände zweifelsfrei ableiten: Nach der Rechtsprechung ist bei Beurteilung der Frage, ob auf ein Recht stillschweigend verzichtet wurde, besondere Vorsicht geboten, und dies gilt insbesondere, wenn aus der Nichtgeltendmachung von Dauertatbeständen durch längere Zeit auf einen stillschweigenden Kündigungsverzicht geschlossen werden soll (RS0014420 [insb T5, T9]).
2.2 Für eine – vom Revisionswerber zwar als erhebliche Rechtsfrage bezeichnete, allerdings von ihm selbst bezweifelte – unterschiedliche Beurteilung der „Zumutbarkeit“ verzögerter Mietzinszahlungen je nach der „Persönlichkeit“ des Vermieters (hier: einer gemeinnützigen GmbH) fehlt eine entsprechende Rechtsgrundlage. Dafür bleibt auch bei der Beurteilung des (Zahlungs-)Verhaltens des Beklagten kein Raum.
2.3 Mit seiner Berufung auf die von ihm nicht beeinflussbare Überweisung der Wohnbeihilfe jeweils erst am 20. jedes Monats übersieht der Beklagte, dass bei Zustellung der Aufkündigung ein Rückstand gegeben war, obwohl die Wohnbeihilfe für diesen Monat bereits überwiesen war.
3. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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